Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 27.05.2005, Az.: 74 IN 41/01
Festsetzung der Vergütung eines Insolvenzverwalters; Vornahme eines Abschlags auf die Vergütung wegen vorherigem Tätigwerden als vorläufiger Verwalter
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 27.05.2005
- Aktenzeichen
- 74 IN 41/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 33055
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGGOETT:2005:0527.74IN41.01.0A
Rechtsgrundlagen
- § 63 InsO
- § 65 InsO
- § 213 InsO
- § 1 Abs. 2 Nr. 4 InsVV
- § 3 Abs. 2a InsVV
Fundstelle
- ZInsO 2005, 871-872 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Vermögen der ...
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Wird das Insolvenzverfahren durch Einstellung vorzeitig beendet, so ist die Vergütung des Insolvenzverwalters nach dem Schätzwert der Masse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens zu berechnen.
- 2.
Zur Insolvenzmasse sind die ausstehenden rechtshängigen Forderungen des Schuldners hinzuzurechnen, wenn ihre Titulierung und Einziehung wahrscheinlich ist.
- 3.
Die einzelnen Zuschlags- und Abschlagstatbestände des § 3 InsVV haben lediglich einen beispielhaften Charakter. Letztlich kommt es auf die Dauer und den Umfang der Tätigkeit und auf die Umstände des Einzelfalles an.
- 4.
Bei vorzeitiger Beendigung des Insolvenzverfahrens ist regelmäßig ein Abschlag auf die Vergütung vorzunehmen.
Tenor:
In dem Insolvenzverfahren wird die Vergütung des Insolvenzverwalters festgesetzt auf:
1. | 17.648,77 EUR | Nettovergütung nach VO |
---|---|---|
2. | 4.000,00 EUR | Auslagen zuzüglich |
3. | 3.463,80 EUR | Umsatzsteuer darauf in Höhe von 16 %. |
4. | 25.112,57 EUR | Gesamtbetrag |
Dem Insolvenzverwalter, Herrn Steuerberater K., wird gestattet, die festgesetzten Beträge nach Rechtskraft des Beschlusses der Insolvenzmasse zu entnehmen.
Gründe
Aufgrund des Insolvenzantrages der Schuldnerin vom 23.02.2001 wurde am 16.09.2003 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der R. GmbH eröffnet und Herr Steuerberater K. als Insolvenzverwalter bestellt.
Nachdem ein Antrag auf Einstellung des Verfahrens mit Zustimmung aller Gläubiger gestellt wurde, beantragte der Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 05.01.2005 die Festsetzung seiner Vergütung.
Der Beschluss des Insolvenzgerichts über die Vergütungsfestsetzung vom 17.01.2005 wurde aufgrund der Beschwerde der Schuldnerin sowie der Gläubiger T. K., H. L., R. L., B. K., I. L. und Rechtsanwalt M.-W. durch das Landgericht Göttingen mit Beschluss vom 16.03.2005 ( 10 T 26/05 ) aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Göttingen zurückverwiesen.
Gemäß § 63 InsO hat der Insolvenzverwalter Anspruch auf Vergütung seiner Tätigkeit und Ersatz der ihm entstanden Auslagen.
Für die Bestimmung der Vergütung ist gem. § 65 InsO die Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung anzuwenden.
Die Vergütung ist danach nach dem Wert der Insolvenzmasse gem. § 1 InsVV zu ermitteln und die sich hieraus ergebende Vergütung des § 2 InsVV gegebenenfalls um die Tatbestände des § 3 InsVV zu erhöhen oder zu mindern.
Wir das Verfahren wie im vorliegenden Fall durch Einstellung vorzeitig beendet, so ist die Vergütung nach dem Schätzwert der Masse zurzeit der Beendigung des Verfahrens zu berechnen.
Im vorliegenden Insolvenzverfahren beträgt die Insolvenzmasse ausweislich des Berichtes vom 05.01.2005 und der eingereichten Rechnungslegung 31.945,58 EUR. Hinzuzurechnen sind die verauslagten Massekosten und Masseverbindlichkeiten § 1 Abs.2 Nr.4 InsVV.
Weiterhin hinzuzurechnen sind die ausstehenden Forderungen der Schuldnerin i.H.v. 12.015,36 EUR und i.H.v. 22.496,38 EUR gegen den Gesellschafter der Schuldnerin. Beide Forderungen sind bereits rechtshängig, allerdings noch nicht abschließend tituliert.
Insoweit ist abzuschätzen, inwieweit die Titulierung und Einziehung dieser Forderungen wahrscheinlich ist. Der Insolvenzverwalter hat hierzu in seinem Schreiben vom 25.05.2005 Stellung genommen und dargelegt, dass er die Durchsetzbarkeit der Forderungen nicht in Abrede stellt.
Eine abschließende Beurteilung dieser Frage durch das Insolvenzgericht ist zwar nicht möglich, jedoch ist das Gericht der Ansicht, dass die Einziehung der Forderung bei Fortdauer des Verfahrens durchaus aussichtsreich wäre.
Die Ausführungen des Insolvenzverwalters in seinen bisherigen Berichten zur Begründetheit der klageweise geltend gemachten Forderungen erscheinen überzeugend.
Anhaltspunkte für eine Zahlungsunfähigkeit des Gesellschafters ergeben sich nicht.
Zumal der Gesellschafter des schuldnerischen Unternehmens bereits den titulierten Anspruch auf Einzahlung des Stammkapitals beglichen hat.
Daher folgt das Gericht der Ansicht des Insolvenzverwalters, dass von einer ausreichenden Bonität des Verpflichteten auszugehen ist.
Diese Forderungen sind daher in die geschätzte Teilungsmasse aufzunehmen.
Aus der Teilungsmasse von 69.982,38 EUR ergibt sich somit eine Regelvergütung von 17.648,77 EUR.
Dem Umfang und der Schwierigkeit der Geschäftsführung des Verwalters wird durch Abweichungen vom Regelsatz Rechnung getragen ( § 63 Abs.1 S.3 InsO).
§ 3 InsVV konkretisiert diese gesetzliche Vorgabe durch die Benennung von Faktoren, die einen Zuschlag oder Abschlag vom Regelsatz rechtfertigen. Die Bestimmung liefert damit Maßstäbe für die Festsetzung einer gerechten Vergütung im Einzelfall.
Die einzelnen Zuschlags- und Abschlagstatbestände haben jedoch lediglich einen beispielhaften Charakter. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Umstände, die für die Bemessung der Vergütung im Einzelfall Bedeutung gewinnen können.
Von bindenden Vorgaben für die Bemessung von Zu- und Abschlägen hat der Verordnungsgeber bewusst abgesehen, weil für die Festsetzung der Vergütung die umfassende Berücksichtigung aller im Einzelfall in Betracht kommenden Faktoren ganz im Vordergrund stehen soll.
Eventuell könnte gemäß § 3 Abs.2 InsVV Abschläge in Betracht kommen.
Gemäß § 3 Abs.2a InsVV kommt ein Abschlag in Betracht, wenn der Insolvenzverwalter bereits als vorläufiger Verwalter tätig war. Dies wäre zu berücksichtigen, wenn durch die Tätigkeit des vorläufigen Verwalters eine erhebliche Arbeitsersparnis vorläge und der vorläufige Verwalter dafür bereits entsprechend vergütet worden wäre. Dies ist jedoch hier nicht der Fall, da eine vom Regelverfahren wesentlich abweichende Minderbelastung ( Frankfurter Kommentar 3.Aufl. Rnr. 29 zu § 3 InsVV ) durch die vorherige vorläufige Insolvenzverwaltung nicht zu verzeichnen ist.
Eine bloße Bestellung eines vorläufigen Verwalter rechtfertigt für sich genommen jedoch keinen Abschlag ( Beck, Komm. Zur InsVV 3.Aufl. Rnr. 75 zu § 3 ).
Auch ein Abschlag nach § 3 Abs.2b InsVV wegen bereits erfolgter vorverwerteter Masse kommt nicht in Betracht. Ein Abschlag kann insoweit nur in Betracht gezogen werden, wenn ein wesentlicher Anteil der Masse bereits bei der Übernahme des Amtes verwertet war. Nach einhelliger Auffassung ist ein Verwertungsanteil von mindestens 50 % als wesentlich anzusetzen (Frankfurter Kommentar 3. Aufl. Rnr. 35 zu § 3 InsVV ). Dies ist jedoch nicht der Fall.
Nach § 3 Abs.2c InsVV ist ein Abschlag auf die Vergütung vorzunehmen, wenn das Verfahren vorzeitig, wie im vorliegenden Fall, beendet wird. Allerdings ist zu prüfen, ob die Einstellung nach § 213 InsO hier tatsächlich aufgrund einer vom Normalfall abweichenden Besonderheit einen Abschlag rechtfertigt.
Zunächst ist zu prüfen, inwieweit sich das vorliegende Verfahren tatsächlich von einem Normalverfahren unterscheidet.
In seiner Stellungnahme vom 25.05.2005 legt der Insolvenzverwalter dar, dass er die so genannten Kerntätigkeiten eines Verwalters, wie die Massefeststellung, Bearbeitung der Forderungsanmeldungen und Erstellung der Insolvenztabelle bereits wahrgenommen hat. Im Übrigen läuft das Verfahren bereits seit dem 16.09.2003 - bis zur Vergütungsfestsetzung also bereits 14 Monate und bis zum jetzigen Zeitpunkt bereits über 17 Monate.
Außerdem wurde neben dem obligatorischen Berichtstermin bereits eine weitere umfangreiche Gläubigerversammlung durchgeführt und es fand ein über das übliche Maß hinausgehender Schriftwechsel statt.
Nach Ansicht des Insolvenzverwalters trifft der Grundgedanke des Gesetzgebers, der von einer reduzierten Tätigkeit des Verwalters bei vorzeitiger Beendigung ausging und deshalb den Abschlag gegenüber der Regelvergütung für angemessen hielt, nicht auf eine Einstellung nach § 213 InsO zu, so dass eine solche einer ordentlichen Verfahrensbeendigung gleichzustellen ist. Ein Abschlag ist daher nicht gerechtfertigt.
Nach der Entscheidung des BGH vom 16.12.2004(ZInsO 2005 S.85) ist bei vorzeitiger Beendigung regelmäßig ein Abschlag auf die Vergütung vorzunehmen. Abzustellen ist dabei auf die Dauer und den Umfang der Tätigkeit und auf die Umstände des Einzelfalles.
Von der bisherigen Verfahrensdauer her gesehen handelt es sich um ein durchschnittliches Verfahren. Dies wird dadurch belegt, dass bei einer Verfahrensdauer ab 2 Jahren regelmäßig bereits ein Zuschlag zu gewähren ist.
Hinsichtlich der Gläubigeranzahl - 14 Forderungen wurde zur Tabelle angemeldet- , könnte eine unterdurchschnittliche Belastung vorliegen. Die relativ niedrige Anzahl wird jedoch durch die nach Aktenlage ersichtlichen rechtlichen Schwierigkeiten kompensiert. So wurden beispielsweise Forderungen aus eigenkapitalersetzenden Darlehen angemeldet und angemeldete Forderungen abgetreten. Hier käme für die Schwierigkeiten bei der Bearbeitung der Forderungsanmeldungen bereits ein Zuschlag in Betracht.
Hinsichtlich der Insolvenzmasse als solcher kommt ein Abweichen vom Normalverfahren ebenfalls nicht in Betracht. Außer den Forderungen gegen den Gesellschafter lag kein weiteres zu verwertendes Vermögen der Schuldnerin vor. Da insoweit jedoch umfangreiche Sachverhaltsermittlungen notwendig waren sowie rechtliche Probleme vorlagen kann nicht von einer Minderung des Arbeitsaufwandes seitens des Insolvenzverwalters ausgegangen werden.
Es kann somit festgestellt werden, dass das hiesige Verfahren grundsätzlich als ein "Normalverfahren" einzuordnen ist.
Durch die vorzeitige Beendigung des Verfahrens nach § 213 InsO erübrigte sich lediglich die Abhaltung des Schlusstermins und die Verteilung der Insolvenzmasse an die Gläubiger.
Diese "ersparten Tätigkeiten" werden jedoch wiederum dadurch kompensiert, dass bereits eine weitere umfangreiche Gläubigerversammlung stattgefunden hat und dass der Insolvenzverwalter zur Abgabe von zahlreichen Stellungnahmen und Zwischenberichten angehalten war. Dies würde grundsätzlich wieder einen Zuschlag rechtfertigen.
Nach der Entscheidung des BGH vom 24.07.2003 ( ZInsO 2003 S. 790 ) ist es nicht notwendig, alle möglichen Zuschlags- und Abschlagstatbestände einzeln darauf zu prüfen, ob und in welcher Höhe sie für sich genommen eine Abweichung vom Regelsatz rechtfertigen. Da es allein auf eine im Ergebnis angemessene Gesamtwürdigung ankommt, kann davon abgesehen werden, für einen an sich vorliegenden Erhöhungstatbestand einen bestimmten Zuschlag zu beziffern, wenn diesem ein Ermäßigungsfaktor gegenübersteht, der nicht geringer wiegt.
Der hier vorliegende Ermäßigungstatbestand der vorzeitigen Verfahrensbeendigung wird wie bereits dargelegt durch die an sich zu gewährenden Zuschläge für den umfangreichen Schriftverkehr, die zusätzliche Gläubigerversammlung und die Forderungsanmeldungen mit besonderen Problemstellungen kompensiert. Hinzu käme eine weitere Zuschlagsmöglichkeit für die übertragenen Zustellungen an die Gläubiger.
Ein Vergütungsabschlag nach § 3 Abs.2 c InsVV ist daher nicht vorzunehmen.
Ein Abschlag nach § 3 Abs.2 d InsVV kommt nicht in Betracht da es sich bei der vorliegenden Teilungsmasse nicht um einen "großen Massebetrag" handelt.
Insgesamt ist daher wie beantragt die Regelvergütung festzusetzen.
Hinsichtlich seiner Auslagen kann der Insolvenzverwalter gemäß § 8 Abs.3 InsVV anstatt der tatsächlich entstandenen Auslagen einen Pauschalsatz fordern, der im ersten Jahr 15 % und danach jährlich 10% der gesetzlichen Vergütung beträgt. Allerdings darf der Gesamtbetrag 250,00 EUR je angefangenen Monat nicht überschreiten. Die pauschalisierten Auslagen wurden mit 4.412,20 EUR berechnet. Hinsichtlich der Begrenzung auf 250,00 EUR je angefangenem Monat wurde dann jedoch nur der Höchstbetrag von 4.000,00 EUR beantragt und entsprechend festgesetzt.
Des Weiteren ist die geltend gemachte Umsatzsteuer gemäß § 7 InsVV festzusetzen.