Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 31.05.2011, Az.: L 9 U 245/08

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
31.05.2011
Aktenzeichen
L 9 U 245/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 45118
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 23.10.2008 - AZ: S 22 U 82/04

Tenor:

Das Urteil des Sozialgerichtes Hannover vom 23. Oktober 2008 und der Bescheid der Berufungsbeklagten vom 10. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2004 werden aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Unfall vom 15. Februar 2003 um einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung handelt.

Die Berufung wird im Übrigen zurückgewiesen.

Die Berufungsbeklagte hat dem Berufungskläger seine außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Der Berufungskläger erstrebt die Anerkennung des Unfallereignisses vom 15. Februar 2003 als Arbeitsunfall.

Der 1968 geborene Berufungskläger ist langjähriges Mitglied des Angelsportvereins C. e.V. (ASV). Der ASV hat ein in seinem Eigentum stehendes Grundstück, welches aus drei Teichanlagen, einem Parkplatz und dem Vereinsgebäude - die sog. Fischerhütte - besteht. Auf dem Grundstück befindet sich auch ein Baumbestand. Am Unfalltag fand auf der Teichanlage des ASV ein allgemeiner Arbeitsdienst statt, an dem der Berufungskläger teilnahm. Zusammen mit einem weiteren Vereinskollegen - dem Zeugen D. - half der Berufungskläger unter der Aufsicht des Zeugen E., einem Mitglied des Vereinsvorstandes, bei dem Fällen von vier größeren Bäumen. Dabei bediente der Berufungskläger den von dem Zeugen E. mitgebrachten Greifzug; die Sägearbeiten führte der Zeuge E. durch. Beim Fällen des vierten Baumes fiel dieser nach der Einlassung des Zeugen E. in die vorbestimmte Richtung, gleichwohl ist der Berufungskläger plötzlich durch die Fallrichtung des Baumes gelaufen und wurde von der Baumkrone des kontrolliert stürzenden Baumes getroffen und hierdurch mit dem Kopf gegen einen Pfahl einer Einfriedung gestoßen. Er erlitt dadurch eine Schädelfraktur mit Einblutung ins Gehirn. Der Berufungskläger befand sich vom 15. Februar 2003 bis 4. März 2003 in stationärer Behandlung im Klinikum F.. Anschließend folgte eine stationäre Rehabilitation.

Nachdem die zunächst angegangene Haftpflichtversicherung des ASV (G. Deutsche Sachversicherung AG) einen Schadensersatzanspruch mit der Begründung abgelehnt hatte, dass es sich um einen Arbeitsunfall handele (Schreiben vom 1. April 2003), beantragte der Berufungskläger mit Schreiben mit 11. April 2003 die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Er gab an, dass die durchzuführenden Arbeiten bei dem von dem ASV anberaumten allgemeinen Arbeitsdienst im Voraus nicht bekannt gewesen seien. Es sei zur Bedienung des Seilzugs (Greifzug) eingesetzt gewesen, um das Fallen des Baumes in eine bestimmte Richtung zu gewährleisten. Für die vierte Fällung am Unfalltag befestigten der Berufungskläger und der Zeuge D. nach Erörterung mit dem Zeugen E. den Seilzug an der vereinbarten Stelle eines weiteren Baumes, nachdem der Zeuge E. das Seil an dem zu fällenden Baum mittels einer Leiter befestigt hatte. Er, der Berufungskläger, habe das Seil auf Spannung gebracht; gleichzeitig habe der Zeuge E. mit den Sägearbeiten begonnen. Jedoch sei der vierte Baum entgegen der vorherigen Fällungen nicht in Richtung des Greifzuges, sondern in seinen Rückzugsweg gefallen und habe ihn getroffen - nach der Einlassung des Zeugen E. allerdings geplant in die vorbestimmte Richtung.

In dem von der Berufungsbeklagten eingeleiteten Ermittlungsverfahren befragte diese den Vorsitzenden des ASV, den Zeugen H.. Dieser teilte mit, dass nach der Vereinssatzung alle Vereinsmitglieder Arbeitsleistungen in einem bestimmten Umfang an etwa fünf Tagen pro Jahr erbringen müssten. Die Tätigkeit des Bäumefällens sei nicht über den geforderten Umfang hinaus gegangen.

§ 2 Absatz 1 Satz 1 der Satzung des ASV aus dem Jahre 1975 hat folgenden Wortlaut:

"Der Verein bezweckt die einheitliche Ausrichtung und Vertretung der Mitgliederinteressen bei Schaffung, Erhaltung und dem Ausbau geeigneter Gelegenheiten zur Ausübung des waidgerechten Sportfischens, die Hege und Pflege des Fischbestandes in den Gewässern, in Verbindung mit Maßnahmen zum Schutz und Reinhaltung dieser Gewässer, die Einbeziehung und Ausbildung und die Erhaltung der Schönheit und Ursprünglichkeit der Gewässer im Sinne des Naturschutzes."

Gegenstand der Jahreshauptversammlung vom 29. Januar 2000 war die Gestaltung der Arbeitsdienste. Das oberste Interesse der Vereinsmitglieder sollte darauf gerichtet sein, die Anlage vernünftig zu pflegen. Es wurde darauf hingewiesen, dass der ASV auch der Verkehrssicherungspflicht nachkommen müsse und eine, auch für die Vereinsmitglieder, gefahrlos zu nutzende Anlage vorhalten müsse. Nach dem in der Hauptversammlung gefassten Beschluss blieb der zu leistende Arbeitsdienst der Arbeitsdienstpflichtigen von 12 Stunden unverändert. Der Beitrag für nicht geleistete Arbeitsdienststunden wurde auf 20,00 DM je nicht geleistete Stunde erhöht. Ferner wurde vereinbart, dass mehr geleistete Stunden auf den Jahresbeitrag angerechnet wurden.

Die Berufungsbeklagte lehnte mit Bescheid vom 10. Juni 2003 den Antrag auf Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung mit der Begründung ab, dass die unfallbringende Tätigkeit nicht unter Versicherungsschutz gestanden habe. Der Berufungskläger sei weder als Beschäftigter nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) noch wie ein Beschäftigter gem. § 2 Abs. 2 SGB VII tätig geworden. Der Umfang der von ihm als Vereinsmitglied erbrachten Arbeitsleistung sei nicht über das hinausgegangen, was der Verein von seinen Mitgliedern erwartet habe.

Im Widerspruchsverfahren trug der Berufungskläger vor, dass aufgrund der Möglichkeit der geldwerten Ablösung für die Vereinsmitglieder keine einklagbare Verpflichtung bestünde, den Arbeitsdienst abzuleisten. Er sei wie ein Arbeitnehmer tätig geworden, weil für geleistete Arbeitsstunden Beträge beim Mitgliedsbeitrag gutgeschrieben würden.

Die Berufungsbeklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2004 als unbegründet zurück. Vereinsmitglieder seien nur dann versichert, wenn die unfallbringende Tätigkeit über die mitgliedschaftliche Verpflichtung hinausgehe. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Die Ableistung von Arbeitsdiensten werde nach dem satzungsergänzenden Beschluss der Jahreshauptversammlung erwartet, was durch die Zahlung einer Geldsumme für nicht geleistete Stunden sogar verstärkt werde. Es lägen auch keine Anzeichen dafür vor, dass die von dem Berufungskläger zum Unfallzeitpunkt ausgeübte Tätigkeit über die normalen Pflichten, die von Mitgliedern des ASV erwartet würde, hinausgegangen sei.

Hiergegen hat der Berufungskläger am 10. März 2004 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben und vertiefend vorgetragen, dass größere Baumfällaktionen regelmäßig von externen Arbeitskräften ausgeführt worden seien und nicht der üblichen Vereinstätigkeit entsprächen. Ursprünglich sei geplant gewesen, dass die Bäume, die am Unfalltag gefällt worden seien, bereits vor dem anberaumten Arbeitsdienst durch Externe gefällt wurden. Die Vereinsmitglieder sollten dann nur noch die Äste entfernen. Dies habe jedoch nicht stattgefunden, so dass er sich spontan bereit erklärt habe zu helfen. Die Zeugen D. undE. haben die schriftlichen Ausführungen des Berufungsbeklagten am 9. und 10. April 2005 als richtig bestätigt unterzeichnet.

Das SG hat zunächst den Berufungskläger im Rahmen eines Erörterungstermins persönlich gehört (Sitzungsniederschrift vom 12. April 2005). Das SG hat sodann Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen I., E. und D. (Sitzungsniederschrift vom 23. Oktober 2008). Ersterer erklärte, dass zu Pflegearbeiten am Grundstück auch das Fällen der Bäume zähle, wobei jedoch meistens der Zeuge E. diese Arbeiten durchgeführt hätte. Seiner Ansicht nach zähle aber das Bäumefällen nicht zu den üblichen Arbeitsdiensten, sondern es handele sich um außerordentliche Arbeiten, die sehr selten vorkämen.

Der Zeuge E. führte aus, dass jährlich sechs Arbeitsdienste stattfänden. Da er aufgrund des Umstandes, dass er landwirtschaftliche Flächen habe, Erfahrung mit dem Fällen von Bäumen habe, habe er diese Arbeiten mit seiner Ausrüstung in der Regel allein durchgeführt. Er erwarte nicht, dass jemand anders ohne Vorkenntnisse die Bäume fällt. Von einem Vereinsvorsitzenden erwarte er allerdings mehr Einsatz als von jedem einfachen Vereinsmitglied. Am Unfalltag habe er Hilfe benötigt, weil die Bäume (Pappeln mit einem Durchmesser von 40 cm) schräg gestanden hätten und drohten, auf das Gebäude des ASV - die sog. Fischerhütte - zu fallen. Der Zeuge D. und der Berufungskläger hätten sich auf seine Nachfrage hin bereit erklärt, Hilfe zu leisten. Er habe den Eindruck gehabt, dass die beiden die körperlichen Voraussetzungen zur Hilfestellung erfüllt hätten. Der Berufungskläger habe den Greifzug bedient und der Zeuge D. sei Sicherungsposten gewesen. Es habe sich um keine schwere oder besonders qualifizierte Arbeit gehandelt, für die externe Hilfe hätte in Anspruch genommen werden müssen. Wenn sich niemand zur Hilfe bereit erklärt hätte, hätte der Verein externe Hilfe beauftragen müssen, wofür jedoch kein Geld vorhanden gewesen sei. Nach dem streitigen Unfallereignis habe er einmal beim Fällen sehr dicker Bäume die Hilfe eines ausgebildeten Forstwirtes in Anspruch genommen. Bei weiteren Baumfällaktionen hätten ihm wieder Vereinsmitglieder geholfen.

Der Zeuge D. hat bekundet, übliche Tätigkeiten des Arbeitsdienstes seien das Rasenmähen, Büscheschneiden sowie Wege- und Dachsäubern. Bäume würden nur sehr selten gefällt.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 23. Oktober 2008 abgewiesen und zur Begründung angeführt, dass der Berufungskläger zum Unfallzeitpunkt nicht versichert gewesen sei. Die Tätigkeit am Unfalltag sei nicht über das hinausgegangen, was der ASV von geeigneten Mitgliedern aufgrund der allgemeinen Vereinsübung erwartet habe.

Mit der am 3. Dezember 2008 eingelegten Berufung verfolgt der Berufungskläger sein Begehren weiter. Seine Tätigkeit am Unfalltag sei keine geringfügige Tätigkeit gewesen, die von einem Mitglied noch erwartet werden könne. Es habe sich um Forstarbeiten und nicht um satzungsgemäße Tätigkeiten gehandelt. Die Bäume hätten auch nicht in der Nähe der Gewässer, sondern an der Auffahrt gestanden. Zudem spräche die Gefahrenlage gegen eine Tätigkeit im Rahmen der Vereinsmitgliedschaft. Er verweist auf eine Erklärung des Vereinsvorstandes vom 22. Juni 2004, wonach die Tätigkeit des Berufungsklägers am Unfalltag aufgrund der Größe der Bäume, der hieraus resultierenden schweren/schwierigen Arbeit sowie der besonderen Umstände über das Maß der ansonsten bei Arbeitsdiensten üblichen Verrichtungen (z.B. Rasenmähen, Fischfutterautomaten aufstellen und befüllen, Laub fegen, Dachrinnen reinigen, Angelplätze anlegen), die von den Vereinsmitgliedern erwartet würden, hinausgegangen sei. Das Fällen der Bäume sei für den ASV von überdurchschnittlich hohem Wert gewesen, weil hierfür ansonsten ein Unternehmen hätte beauftragt werden müssen. Die Erklärung ist von dem Zeugen E. am 13. März 2010 handschriftlich als richtig bestätigt worden.

Der Berufungskläger beantragt,

1. das Urteil des Sozialgerichtes Hannover vom 23. Oktober 2008 und den Bescheid der Berufungsbeklagten vom 10. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2004 aufzuheben,

2. festzustellen, dass es sich bei dem Unfall vom 15. Februar 2003 um einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung gehandelt hat,

3. die Berufungsbeklagte zu verurteilen, ihm dem Grunde nach Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

Die Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Gründe der angefochtenen Bescheide sowie des erstinstanzlichen Urteils. Erstmals im Berufungsverfahren sei vorgetragen worden, dass es sich um forstwirtschaftliche Tätigkeiten auf dem Grundstück des Vereins gehandelt habe. Es könne jedoch nicht zwischen forstwirtschaftlichen und satzungsmäßigen Tätigkeiten unterschieden werden. Der Berufungskläger habe außerhalb des Gefahrenbereichs des zu fällenden Baumes den Seilzug bedient. Es habe sich hierbei auch nicht um eine schwere körperliche und qualifizierte und auch nicht um eine gefährliche Arbeit gehandelt

Der Senat hat Beweis erhoben durch nochmalige Einvernahme des Zeugen E.. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 31. Mai 2011 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des weiteren Vortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Berufungsbeklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143 ff. SGG statthafte Berufung ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGG zulässig, soweit der Berufungskläger neben der Aufhebung der Bescheide die Feststellung begehrt, dass er am 15. Februar 2003 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Ein Feststellungsinteresse (§ 55 Abs. 1 SGG) des Berufungsklägers liegt vor. Soweit der Berufungskläger die Gewährung nicht näher benannter Leistungen begehrt, ist die Berufung jedoch unzulässig (BSG vom 30. Oktober 2007 - Az.: B 2 U 4/06 R; vom 2. Dezember 2008 - Az.: B 2 U 17/07 R und vom 27. April 2010 - Az.: B 2 U 23/09 R - jeweils zitiert nach juris).

Das zulässige Rechtsmittel ist auch begründet. Zu Unrecht hat das SG mit dem angefochtenen Urteil vom 23. Oktober 2008 die Klage abgewiesen. Der von dem Berufungskläger angefochtene Bescheid der Berufungsbeklagten vom 10. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2004 ist rechtswidrig. Der Berufungskläger hat Anspruch auf Feststellung, dass er am 15. Februar 2003 einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ist danach grundsätzlich erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität).

Hier hat der Berufungskläger unstreitig am 15. Februar 2003 einen Unfall mit körperlichen Schadensfolgen erlitten. Er hat entgegen der Ansicht der Berufungsbeklagten und des SG zum Zeitpunkt seines Unfalls auch unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Zwar war er nicht im Rahmen einer Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert, er ist jedoch bei der Verrichtung zum Unfallzeitpunkt - die Hilfestellung beim Fällen der Bäume während des Arbeitsdienstes des ASV - wie ein Versicherter nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII tätig geworden (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) soll § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen den Versicherungsschutz auf Tätigkeiten erstrecken, die - ohne bloße Gefälligkeit zu sein - zwar nicht sämtliche Merkmale eines Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisses aufweisen, in ihrer Grundstruktur aber einer abhängigen Beschäftigung ähneln, indem eine ernstliche, einem fremden Unternehmen der Handlungstendenz nach dienende und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht wird, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen und nicht im Wesentlichen auf einer Sonderbeziehung, z.B. als Familienangehöriger, Freund oder Vereinsmitglied, beruhen (vgl. BSG Urteil vom 5.7.2005 - B 2 U 22/04 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 6; Kruschinsky in SGB VII-Komm. § 2 RdNr. 850 ff.). Es handelt sich hierbei nicht um eine Billigkeitsvorschrift, die dann eingreift, wenn einzelne Merkmale des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII fehlen. Da auch nicht jede sonst üblicherweise dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugängliche Tätigkeit beschäftigtenähnlich verrichtet wird, kommt der - mit dem objektiv arbeitnehmerähnlichen Verhalten verbundenen - Handlungstendenz, die vom bloßen Motiv des Tätigwerdens zu unterscheiden ist, ausschlaggebende Bedeutung zu. So ist eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit insbesondere auch dann nicht gegeben, wenn ein Verletzter als Unternehmer oder wie ein Unternehmer tätig ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (BSG in SozR 2200 § 539 Nrn. 101, 114, 123; vgl. Kruschinsky in SGB VII-Komm. § 2 RdNr. 859) schließt die Mitgliedschaft in einem - rechtsfähigen oder nicht rechtsfähigen - Verein die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB VII - ebenso wie früher nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO - nicht von vornherein aus. Wird das Vereinsmitglied jedoch nicht wie ein in einem Arbeitsverhältnis Stehender tätig, sondern aufgrund von Mitgliedspflichten, so entfällt die Anwendung des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII. Es ist somit zu unterscheiden zwischen Arbeitsleistungen, die nur auf Mitgliedspflichten beruhen, und Arbeitsleistungen, die außerhalb dieses Rahmens verrichtet werden. Entscheidend ist, ob der Verein die Tätigkeit allgemein von seinen geeigneten Mitgliedern erwarten kann und Geeignete regelmäßig einer solchen Erwartung auch entsprechen. Die Geringfügigkeitsmarke innerhalb der Grenze allgemeiner aktiver Vereinstätigkeit ist jedoch dort überschritten, wo sich eine Arbeitsleistung von wirtschaftlichem Wert deutlich erkennbar von dem Maß an vergleichbarer Aktivität abhebt, das die Vereinsmitglieder üblicherweise aufwenden (Urteil des BSG vom 27. Juni 1984, Az.: 9b RU 26/82, juris Rdnr. 16 f.; vom 13. August 2002, Az.: B 2 U 5/02 R, juris Rdnr. 28). Bei über den Geringfügigkeitsrahmen hinausgehenden umfangreichen Arbeiten kann eine Tätigkeit noch im Rahmen der Mitgliedspflicht nur angenommen werden, wenn die Satzung oder ein Beschluss der Mitgliederversammlung den Mitgliedern eine rechtliche Pflicht zur Arbeitsleistung auferlegt. Dabei sind Schwierigkeit und Gefährlichkeit der Arbeiten sowie erforderliche Fachkenntnisse zwar Kriterien, die Hinweise für eine Tätigkeit des Vereinsmitglieds "wie ein Beschäftigter" geben. Sie sind jedoch kein allgemeiner Beurteilungsmaßstab. Entscheidend ist vielmehr die Vereinswirklichkeit, die sich vornehmlich am Satzungszweck orientiert (Urteil des BSG vom 5. August 1987, Az.: 9b RU 18/86, juris Rdnr. 18, 20). Der Beweggrund des einzelnen Vereinsmitglieds für die Übernahme einer vereinsüblichen Tätigkeit ist für die Frage, ob diese auf mitgliedschaftsrechtlicher Verpflichtung beruhte, ohne Bedeutung. Denn die Vereinsüblichkeit ist unabhängig von den subjektiven Motiven der davon betroffenen Mitglieder allein aus der Sicht des Vereins zu beurteilen (BSG vom 13. August 2002, Az.: B 2 U 5/02 R, juris Rdnr. 30).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe stellt die Tätigkeit des Berufungsklägers im Rahmen des Arbeitsdienstes des ASV eine ernsthafte, dem Willen des ASV entsprechende Arbeitsleistung dar. Sie wird üblicherweise sonst von Personen verrichtet, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen und eine spezielle Ausbildung haben. Entgegen der Ansicht des SG stand sie nach dem Ergebnis der Beweisaufnahmen und unter Berücksichtung der Satzung des Vereins sowie des Beschlusses der Jahreshauptversammlung vom 29. Januar 2000 auch unter Unfallversicherungsschutz, denn sie ist nicht als Ausfluss der Vereinsmitgliedschaft des Berufungsklägers in dem ASV zu werten. Die Hilfestellung beim Fällen der Bäume am Unfalltag - hier die Betätigung des Greifzuges und das Spannen des Seiles - geht über das hinaus, was der ASV von seinen Mitgliedern erwarten kann und ist auch nicht mehr von der Vereinswirklichkeit gedeckt gewesen.

Nach der Vereinswirklichkeit entsprach es zwar einer regelmäßigen Übung und gewohnheitsrechtlichen Praxis, im Jahr fünf bis sechs Tage Arbeitsdienst durchzuführen. Eine Verpflichtung des Berufungsklägers, im Rahmen eines solchen Arbeitsdienstes bei dem Fällen größerer Bäume zu helfen, kann weder aus der Satzung des Vereins, insbesondere nicht aus dessen § 2, noch aus dem Beschluss der Jahreshauptversammlung vom 29. Januar 2000 abgeleitet werden. Darin wird ausschließlich geregelt, welche Zwecke der Verein verfolgt, nicht jedoch die Art und Weise, wie diese Zwecke erreicht werden sollen und insbesondere nicht, ob und gegebenenfalls welche Vereinsmitglieder hierbei in welchem Umfang tätig werden sollen. Ferner existieren auch keine Beschlüsse von Vereinsorganen, aus denen eine entsprechende Verpflichtung der Vereinsmitglieder abgeleitet werden könnte. Zwar ergibt sich aus der Niederschrift, dass mittels der Arbeitsdienste die Anlage vernünftig gepflegt und auch verkehrssicher gehalten werden soll. Im Übrigen ist in dem gefassten Beschluss jedoch nur der zeitliche Umfang des zu leistenden Arbeitsdienstes geregelt.

Der Berufungskläger ist auch nicht aufgrund einer allgemeinen Vereinsübung tätig geworden. Nach der Überzeugung des Senats hat der ASV von seinen Mitgliedern nur erwartet, dass sie sich entsprechend ihren Kräften und Möglichkeiten an der Pflege der Anlage beteiligen. Der Zeuge I. hat erstinstanzlich ausgesagt, dass zur Pflege des Grundstücks das Freischneiden der Wege, der Unterhalt der Angelplätze, die Anlage von Futterplätzen, die Überprüfung der Wasserregulierungsanlage, die Reparatur der Zäune sowie Unterhaltungsarbeiten am Haus gehören würden. Dies hat der Zeuge D. bestätigt und der Zeuge E. in der weiteren Vernehmung vor dem Senat wiederholt. Zwar sollte mittels der Arbeitsdienste die Verkehrssicherheit der Anlage sichergestellt werden. Das Fällen größerer Bäume - hierzu ist nach der Aussage des Zeugen E. auch das Fällen dieser Pappeln am Unfalltag zu rechnen - ist hiervon jedoch zur Überzeugung des Senats nicht erfasst gewesen. Ob die Tätigkeiten am Unfalltag - wie vom Berufungskläger im Berufungsverfahren vorgetragen - zu Forstarbeiten zählten, brauchte der Senat nicht zu entscheiden. Denn im Hinblick auf die Vereinwirklichkeit ist darauf abzustellen, dass üblicherweise das "Bäumefällen" der Zeuge E. aufgrund seiner Vorkenntnisse übernommen hat. Dies ergibt sich ebenfalls aus der Aussage des Zeugen I.. Der Zeuge D. konnte sich nicht mehr daran erinnern, ob bei vorherigen Baumfällterminen andere Vereinsmitglieder geholfen haben.

Gegen die Annahme einer entsprechenden Erwartung des gesamten Vereins in Bezug auf die tätige Mithilfe auch anderer Mitglieder des ASV spricht auch nicht die erstinstanzliche Aussage des Zeugen E.. Denn darin hat er zum einen bestätigt, dass er vor dem streitigen Unfalltag nie Hilfe anderer Vereinsmitglieder beim Fällen der Bäume für den ASV in Anspruch genommen hat. Zum anderen hat er für die konkret am Unfalltag erbetene Hilfe nur seine persönliche Erwartungshaltung geschildert im Hinblick auf die finanzielle Situation des ASV. Hierauf kann jedoch entgegen der Ansicht des SG nicht entscheidend abgestellt werden.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Zeuge E. diese Tätigkeiten - das Fällen großer Bäume nach seiner Einlassung allerdings erst einmal vor dem Unfalltag - für den Verein ausgeübt hat und diese Praxis durchaus zu einer Erwartungshaltung des ASV ihm gegenüber geführt hat. Denn der Maßstab für die allgemeine Vereinsübung ist nicht notwendig für alle Mitglieder gleich. Hebt der Verein bestimmte Personen dadurch aus dem Kreis seiner Mitglieder heraus, dass er ihnen ehrenamtliche Vereinsfunktionen überträgt, treffen diese Funktionäre auch qualitativ und quantitativ andere Mitgliedspflichten als "einfache Vereinsmitglieder" (BSG vom 13. August 2002, Az.: B 2 U 5/02 R, juris Rdnr. 29). Dass hier allein der Zeuge E. aufgrund seiner Vorkenntnisse und seiner Funktion als Mitglied des Vorstandes andere Tätigkeiten ausgeübt hat, führt daher nicht dazu, dass dies - oder zumindest die Hilfestellung bei diesen Tätigkeiten - auch von einfachen und unerfahrenen Mitgliedern erwartet werden konnte. Auch der Zeuge E. hat bereits in seiner erstinstanzlichen Aussage die Unterschiede zwischen den Erwartungen an ihn als Vorstandsmitglied und den einfachen Mitgliedern dargestellt.

Im Übrigen spricht zur Überzeugung des Senats auch die Gefährlichkeit der Tätigkeit der zum Unfall führenden Tätigkeit - das Fällen großer Bäume in Schieflage unter notwendiger Zuhilfenahme eines Seilzuges - für den Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII. Baumfällarbeiten stellen ein allgemein bekanntes Unfallrisiko dar und werden in der Regel von speziell ausgebildeten Kräften durchgeführt. Zwar hat hier der Berufungskläger diese Arbeiten nicht alleine ausgeführt, sondern unter Aufsicht des erfahrenen Zeugen E.. Jedoch hat der Berufungskläger entscheidende Arbeiten selbst durchgeführt, indem er, nachdem das Seil von dem Zeugen E. am zu fällenden Baum befestigt worden war, das Seil zusammen mit dem Zeugen D. am Baumstamm eines weiteren Baumes angebracht und schließlich auch gespannt hat. Dies hat der Zeuge E. in seiner zweitinstanzlichen Zeugenaussage im Einzelnen ausgeführt.

Etwas anderes folgt daher auch nicht aus der Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 29. Januar 2009 (Az.: L 14 U 110/07). Denn dort ist der Unfallversicherungsschutz bei einer Hilfe unter Familienangehörigen bei Baumfällarbeiten mit der Begründung verneint worden, dass der Unfall trotz einer speziell durchgeführten Risikominderung auf einem unglücklichen Umstand beruhte.

Die Aktion des "Bäumefällens" ist daher im vorliegenden Fall als einheitliche Handlung zu betrachten, die nicht zu den üblicherweise von den Vereinsmitgliedern während eines Arbeitsdienstes zu leistenden Tätigkeiten zählte und entgegen der Auffassung der Berufungsbeklagten nicht in einzelne gefährliche und gefahrlose Teiltätigkeiten seziert werden kann und darf. Die von dem Berufungskläger durchgeführte Tätigkeit war die aktive Teilnahme an dem Fällen der Bäume. Dass es sich auch für den Berufungskläger um eine gefährliche Tätigkeit gehandelt hat, zeigt der spätere tragische Verlauf. Auch darf nicht unbeachtet bleiben, dass - womit beim Bäumefällen stets zu rechnen ist - Komplikationen und hierdurch bedingt gefährliche Situationen beim Fällen jederzeit und unvorhergesehen eintreten können, zu deren Beseitigung die Mithilfe des Berufungsklägers als Teilnehmer der Baumfällaktion erforderlich geworden wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).