Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 25.05.2011, Az.: L 13 AS 90/09
Beim Anspruch auf Elterngeld nach BEEG und bei Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II handelt es sich um Individualansprüche mit einem Anrechnungsvorbehalt; Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Berücksichtigung von Elterngeld als Einkommen; Höhe des Freibetrags beim Elterngeldbezug durch beide Elternteile in demselben Monat
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 25.05.2011
- Aktenzeichen
- L 13 AS 90/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 23665
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2011:0525.L13AS90.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Oldenburg - 30.01.2009 - AZ: S 47 AS 1018/08
Rechtsgrundlagen
- § 10 BEEG
- § 2 Abs. 5 BEEG
- § 4 Abs. 2 S. 4 BEEG
- § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II
- § 11 Abs. 3a SGB II
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Sowohl beim Anspruch auf Elterngeld nach BEEG als auch bei Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II handelt es sich um Individualansprüche. Soweit eine Einzelnorm eine Ausnahme von diesem Grundsatz konstituieren soll, bedarf es dafür hinreichend klarer Anhaltspunkte im Gesetz, die sich aus § 10 BEEG nicht ergeben.
- 2.
Die Anrechnungsfreiheit des Betrages in Höhe von 300,00 Euro nach § 10 BEEG ist auf den Anspruchsmonat zu beziehen. Der Gesetzgeber hat sich eindeutig für die Möglichkeit des Doppelbezuges von Elterngeld durch beide Elternteile mit der Konsequenz des doppelten Verbrauchs von Anspruchsmonaten entschieden. Dieses System des BEEG ist auch für den Anwendungsbereich des SGB II mit der Konsequenz hinzunehmen, dass der Freibetrag ggf. jedem Elternteil für denselben Monat in voller Höhe zustehen kann. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 30. Januar 2009 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten auch im Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, in welcher Höhe das von den Klägern zu 1. und 2. bezogene Elterngeld anrechnungsfrei bleibt.
Die Kläger, der 1968 geborene Kläger zu 1. sowie seine Ehefrau, die 1967 geborene Klägerin zu 2., sowie ihre in den Jahren 2002, 2005 und 2007 geborenen gemeinsamen Kinder, die Kläger zu 3. bis 5., standen seit 2006 mit Unterbrechungen im Leistungsbezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit ihrer Klage wenden sie sich gegen die Berechnung des von ihnen erzielten Einkommens im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. März 2008. In dieser Zeit bezogen die Kläger zu 1. und 2. gemäß Elterngeldbescheiden der Stadt Oldenburg vom 18. Dezember 2007 parallel Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG).
Mit Antrag vom 5. Oktober 2007 beantragten die Kläger die Fortzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10. März 2008 aufgrund fehlender Hilfebedürftigkeit der Kläger unter Hinweis auf deren nachgewiesene Einkommensverhältnisse ab. Den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft errechnete der Beklagte in den als Anlage zum Bescheid vom 10. März 2008 beigefügten Berechnungsbögen jeweils unterhalb des zu berücksichtigenden Gesamteinkommens, wobei für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. März 2008 ein monatlicher Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1.688,84 EUR einem zu berücksichtigenden Gesamteinkommen in Höhe von 1.875,91 EUR gegenübergestellt wurde. Dieses setzte sich zusammen aus Einkommen des Klägers zu 1. in Höhe von 1.188,91 EUR, der Klägerin zu 2. in Höhe von 225,00 EUR sowie dem bei den Klägern zu 3. bis 5. berücksichtigten Kindergeldeinkommen in Höhe von jeweils 154,00 EUR. Tatsächlich bezog der Kläger zu 1. im Zeitraum von Januar 2008 bis März 2008 Einkommen aus Elterngeld nach dem BEEG in Höhe von monatlich 1.338,91 EUR, die Klägerin zu 2. in Höhe von monatlich 375,00 EUR. Bei beiden Ehepartnern setzte der Beklagte jeweils einen hälftigen Freibetrag in Höhe von monatlich 150,00 EUR vom Einkommen ab.
Der Kläger zu 1. legte mit Schreiben vom 03. April 2008 für die Bedarfsgemeinschaft Widerspruch ein und berief sich darauf, nach § 10 BEEG sei Elterngeld bis zu einer Höhe von monatlich 300,00 EUR anrechnungsfrei. Dieser anrechnungsfreie Betrag in Höhe von 300,00 EUR beziehe sich auf maximal 14 Monatsbeträge Elterngeld, die von den Eltern nach § 4 Abs. 2 BEEG auch gleichzeitig bezogen werden könnten. Da seine Ehefrau und er in den Monaten Januar bis Mai 2008 parallel Elterngeld bezögen, seien somit in jedem dieser Zuflussmonate jeweils 300,00 EUR pro in Anspruch genommenem Monatsbetrag, also sowohl beim Kläger zu 1. als auch bei der Klägerin zu 2., als anrechnungsfreies Einkommen zu berücksichtigen. Es handele sich jeweils um persönliche Ansprüche, die nicht addiert werden könnten und bei denen lediglich der Bezugszeitraum zweier Anspruchsmonatsbeträge in einen Monat falle. Dies werde auch daran deutlich, dass bei Inanspruchnahme der Verlängerungsoption - wenn Elterngeld für den doppelten Zeitraum in halber Höhe bezogen werde - folgerichtig der halbe Betrag doppelt so lange anrechnungsfrei bleibe (nämlich in Höhe von 150,00 EUR). Folglich seien seine - des Klägers zu 1. - eigenen berücksichtigungsfähigen Einkünfte ebenso wie diejenigen seiner Ehefrau jeweils um 150,00 EUR geringer, als dies vom Beklagten angenommen worden sei.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2008 zurück und meinte, da beide Ehepartner parallel Elterngeld bezogen hätten, sei vom jeweiligen Elterngeld jeweils nur ein hälftiger Freibetrag in Höhe von monatlich 150,00 EUR abzusetzen gewesen. Eine Absetzung von zwei Mal 300,00 EUR sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen und komme daher nicht in Betracht.
Die Kläger haben am 22. Mai 2008 Klage erhoben und hierbei ihre Begründung aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Sie haben sich darauf berufen, dass, nach § 4 Abs. 2 BEEG Eltern insgesamt Anspruch auf 14 Monatsbeträge Elterngeld hätten, wobei der Gesetzgeber mit der Erweiterungsmöglichkeit auf 14 Monate ausdrücklich das Ziel verfolgt habe, dass auch der Hauptverdiener bzw. die Hauptverdienerin sich zumindest kurzzeitig an der Erziehungszeit beteiligen solle. Dabei sei auch ein gleichzeitiger Bezug von Elterngeld möglich (§ 4 Abs. 2 Satz 4 BEEG). Auch § 11 Abs. 3 a SGB II spreche ausdrücklich - in der Mehrzahl - von anrechnungsfreien Beträgen. Für jeden der 14 Monatsbeträge seien jeweils 300,00 EUR anrechnungsfrei zu stellen, auch wenn diese, wie in ihrem Fall, teilweise in denselben Monaten parallel ausgezahlt worden seien.
Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat sich darauf berufen, dass der Gesetzgeber in § 10 Abs. 1 BEEG die Anrechnungsfreiheit "bis zu einer Höhe von 300,00 EUR im Monat" und nicht "pro Elterngeldberechtigten" bestimmt habe. Auch in den fachlichen Hinweisen zu § 11 SGB II, § 11 Ziffer 11.116 heiße es ausdrücklich "monatlich 300,00 EUR pro Kind" und nicht "pro Erziehungsgeldberechtigten". Der maximale nicht anrechenbare Betrag sei monatlich 300,00 EUR pro Kind, gekoppelt an den Zeitraum des Elterngeldbezuges. Dieser Maximalbetrag gelte auch bei parallelem Elterngeldbezug beider Eltern, was auch aus Seite 26 f. der Broschüre des Familienministeriums zum Elterngeld hervorgehe.
Das Sozialgericht (SG) Oldenburg hat durch Urteil vom 30. Januar 2009 den Bescheid des Beklagten vom 10. März 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2008 insoweit aufgehoben, als der Beklagte für den Zeitraum Januar 2008 bis März 2008 an die Kläger den Betrag von 339,00 EUR nachzuzahlen habe; das SG Oldenburg hat die Berufung im Urteil zugelassen. Zur tragenden Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, bei offenem Wortlaut der maßgeblichen Regelung ergebe sich die Anrechnungsfreiheit eines Betrages in Höhe von jeweils 300,00 EUR sowohl bei dem Kläger zu 1. als auch bei der Klägerin zu 2. daraus, dass nach dem BEEG, aber auch nach dem SGB II Individualansprüche auf die Leistungen bestünden. Jeder Elternteil habe einen eigenen Anspruch auf die Zahlungen von Elterngeld und erhalte einen eigenen Bewilligungsbescheid bei individueller Berechnung nach seinem eigenen Einkommen. Es handele sich bei dem Elterngeld nicht um eine dem Kindergeld vergleichbare Leistung, die im Grundsatz dem jeweiligen Kind zustehe, sondern um eine solche Leistung, die nach § 4 Abs. 3 BEEG dem jeweiligen Elternteil zustehe, nebst der Möglichkeit eines parallelen Bezuges beider Elternteile nach § 4 Abs. 2 Satz 4 BEEG. Im Rahmen der Individualansprüche nach dem SGB II sei die Einkommensanrechnung nach § 11 SGB II bei jedem Anspruchsinhaber individuell vorzunehmen, was auch für die Einkommensanrechnung bezüglich des Elterngeldes nach dem BEEG gelte. In § 10 Abs. 1 BEEG sei gerade nicht bestimmt worden, dass bei parallelem Bezug von Elterngeld nur jeweils 150,00 EUR anrechnungsfrei bleiben könnten. Damit gelte die Freibetragsregelung innerhalb jedes Individualanspruchs auf Leistungen. Wegen der Einzelheiten der Berechnung - die mit Ausnahme des anrechnungsfreien Anteils des Elterngeldes der Leistungsberechnung des Beklagten im Wesentlichen entspricht und sich auch mit den Leistungsansprüchen der Kläger zu 3. bis 5. befasst - wird auf Seite 6 des Urteils des Sozialgerichts verwiesen.
Gegen das ihm am 5. Februar 2009 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 25. Februar 2009 Berufung eingelegt und unter teilweiser Wiederholung der vorausgegangenen Ausführungen seine Begründung wie folgt ergänzt:
Die nach § 10 Abs. 1 bis 3 BEEG nicht zu berücksichtigenden oder nicht heranzuziehenden Beträge vervielfachten sich bei Mehrlingsgeburten mit der Zahl der geborenen Kinder. Hieraus ergebe sich, dass der anrechnungsfreie Betrag sich nur bei Mehrlingsgeburten erhöhe, nicht bei Parallelbezug von Elterngeld. Es könne nicht Aufgabe des SGB II sein, Eltern, die sich für den Parallelbezug von Elterngeld entschieden, einen höheren Freibetrag und damit einen höheren Leistungsanspruch zu gewähren. Mit der in § 4 BEEG vorgesehenen Möglichkeit der Aufteilung des Elterngeldanspruchs solle den Eltern auch ein Anreiz gegeben werden, nicht allein einem Elternteil die Erwerbsarbeit und dem anderen Teil die Betreuungsarbeit zu übertragen. Sinn der Möglichkeit der Aufteilung des Elterngeldes und auch des Parallelbezuges sei es neben der Kinderbetreuung auch, den anderen Elternteil in die Lage zu versetzen, sich um die (Wieder-)Aufnahme der Erwerbstätigkeit zu kümmern. Dies solle gerade nicht dazu führen, dass die Bedarfsgemeinschaft hilfebedürftig im Sinne des SGB II werde bzw. die Hilfebedürftigkeit gefördert werde. Daher könne vom Gesetzgeber eine Berücksichtigung eines Freibetrages von monatlich 300,00 EUR für jeden Elterngeldberechtigten bei Parallelbezug nicht gewollt gewesen sein. Der im Gesetz genannte Freibetrag sei pro Kind zu gewähren, stelle aber nicht einen individuellen Freibetrag des Elterngeldberechtigten dar. Zudem habe sich gegenüber dem bisherigen Erziehungsgeldgesetz die Höhe des Freibetrages, der sich auf das Kind beziehe, nicht geändert. Schließlich würde eine Erhöhung des Freibetrages bei Parallelbezug zu einer Ungleichbehandlung in Bezug auf den Leistungsanspruch nach dem SGB II führen, was vom Gesetzgeber nicht gewollt sein könne.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 30. Januar 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg und seine Begründung für zutreffend.
Die Beteiligten haben im Berufungsrechtszug einer Entscheidung durch Urteil ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zugestimmt.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die dem Gericht vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung ist zulässig (§ 143 SGG), aber nicht begründet.
Das SG Oldenburg hat im Urteil vom 30. Januar 2009 zutreffend dargelegt, dass die Kläger, entgegen den Feststellungen im Bescheid vom 10. März 2008 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2008), gegen den Beklagten für den Zeitraum Januar 2008 bis März 2008 Anspruch auf Leistungen i. H. v. insgesamt 339,00 EUR (monatlich 113,00 EUR) entsprechend der im Urteil des Sozialgerichts vorgenommenen individuellen Berechnung haben.
Beteiligt sind auf Klägerseite im vorliegenden Verfahren, neben den Klägern zu 1. und 2. selbst, auch deren Kinder, die von Amts wegen vom Senat im Wege der Berichtigung in das Rubrum aufzunehmen waren; auch das Sozialgericht ist ausweislich seiner Urteilsgründe bereits hiervon ausgegangen. Die Kinder gehören im streitigen Bewilligungszeitraum mit zur Bedarfsgemeinschaft; die Kläger zu 1. und 2. haben das Klageverfahren von Anfang an ohne juristischen Beistand betrieben, ohne dass es einen Hinweis darauf gegeben hätte, dass sie als gesetzliche Vertreter nicht auch Ansprüche ihrer Kinder geltend machen wollten. Soweit die Anrechnung des den Klägern zu 1. und 2. zugeflossenen Elterngeldes als Einkommen auch Auswirkungen auf die Ansprüche der Kinder gehabt hat, mussten diese ihre Rechte zwar selbst - vertreten durch die Kläger als ihre Erziehungsberechtigten - geltend machen (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 24. Februar 2011 - B 14 AS 45/09 R - juris Rn. 12). Dass sie dies auch getan haben, lässt sich indes im Wege der Auslegung der gestellten Anträge unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips ermitteln. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Kläger zu 1. und 2. nur im eigenen Namen, und nicht auch im Namen ihrer ebenfalls von der Höhe der streitgegenständlichen Leistungsansprüche betroffenen Kinder, handeln wollten.
Auf Beklagtenseite ist das Jobcenter als gemeinsame Einrichtung i. S. des § 44 b Abs. 1 Satz 1 SGB II, die mit Wirkung vom 1. Januar 2011 kraft Gesetzes entstanden ist, als Rechtsnachfolger kraft Gesetzes an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten; auch das Passivrubrum war dementsprechend von Amts wegen zu berichtigen (BSG, aaO., Rn. 13).
Die Leistungsansprüche der Kläger für den genannten Zeitraum sind im Rahmen der erhobenen Anfechtungs- und Leistungsklage unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Dem steht nicht entgegen, dass im gerichtlichen Verfahren nur die Frage der Rechtmäßigkeit der vom Beklagten vorgenommenen Berücksichtigung des Elterngeldes thematisiert worden ist. Denn bei einem Streit um höhere Leistungen nach dem SGB II sind alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (BSG, Urteil vom 5. September 2007 - B 11b AS 15/06 R - BSGE 99, 47 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 5 - juris Rn. 16, m. w. Nachw.). Indes sind Berechnungsfehler des Sozialgerichts nicht ersichtlich; da zudem lediglich der Beklagte Rechtsmittel eingelegt hat, sind etwaige noch höhere Leistungsansprüche der Kläger nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Der Senat verweist hinsichtlich der Berechnung sowie hinsichtlich der Aufteilung des im Tenor des Urteils des Sozialgerichts Oldenburg vom 30. Januar 2009 genannten Betrages i. H. von 339,00 EUR in Anwendung des § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Gründe im Urteil des Sozialgerichts.
Die Kläger gehören zum Kreis der Berechtigten im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II. Danach erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die u. a. hilfebedürftig (Nr. 3) sind; das Vorliegen der übrigen dort genannten Leistungsvoraussetzungen ist nicht zweifelhaft. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften oder Mitteln, hierin einbezogen das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Für die Beurteilung der Hilfebedürftigkeit der Kläger kommt es hierauf darauf an, inwieweit das Elterngeld als privilegiertes, z. T. anrechnungsfreies Einkommen anzusehen ist.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen. Das von den Klägern bezogene Elterngeld ist eine Einnahme in Geld, die von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II als Einkommen erfasst wird. Nach § 11 Abs. 3a SGB II in der aufgrund des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5. Dezember 2006 - BGBl. I, S. 2748 - vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2010 geltenden und hier anzuwendenden Fassung wurde jedoch abweichend von den Absätzen 1 bis 3 (lediglich) der Teil des Elterngeldes, der die nach § 10 BEEG anrechnungsfreien Beträge übersteigt, in voller Höhe berücksichtigt. Durch die Formulierung sollte im Übrigen auch sichergestellt werden, dass über den nach § 10 BEEG anrechnungsfreien Teil weitere Beträge nach § 11 SGB II nicht abgesetzt werden können; insbesondere § 11 Abs. 2 SGB II ist also in diesem Fall unanwendbar (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucksache 16/1889, S. 29).
Auf der Grundlage der vorstehenden rechtlichen Vorgaben erweist sich die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 30. Januar 2009 als unbegründet. Das Elterngeld sowohl des Klägers zu 1. als auch der Klägerin zu 2. bleibt jeweils in Höhe von 300,00 EUR monatlich anrechnungsfrei, ohne dass eine Zusammenrechnung zu erfolgen hätte.
§ 10 BEEG lautete in der vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2010 geltenden und hier anzuwendenden Fassung wie folgt:
"Verhältnis zu anderen Sozialleistungen: (1) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf das Elterngeld angerechneten Leistungen bleiben bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt. (2) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf das Elterngeld angerechneten Leistungen dürfen bis zu einer Höhe von 300 Euro nicht dafür herangezogen werden, um auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, zu versagen. (3) In den Fällen des § 6 Satz 2 bleibt das Elterngeld nur bis zu einer Höhe von 150 Euro als Einkommen unberücksichtigt und darf nur bis zu einer Höhe von 150 Euro nicht dafür herangezogen werden, um auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, zu versagen. (4) Die nach den Absätzen 1 bis 3 nicht zu berücksichtigenden oder nicht heranzuziehenden Beträge vervielfachen sich bei Mehrlingsgeburten mit der Zahl der geborenen Kinder."
Im Ausgangspunkt ist zu berücksichtigen, dass es sich sowohl beim Anspruch auf Elterngeld nach den Bestimmungen des BEEG als auch beim Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II um Individualansprüche handelt; so ist auch nach den Bestimmungen des SGB II das Elterngeld als Einkommen dem jeweils bezugsberechtigten Elternteil zuzurechnen (Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 11 Rn. 44). Der Senat verweist hinsichtlich des Bestehens von Individualansprüchen zunächst in Anwendung des § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Gründe im Urteil des Sozialgerichts nebst den dortigen weiteren Nachweisen. Soweit eine Einzelnorm eine Ausnahme von diesem Grundsatz konstituieren soll, bedarf es dafür hinreichend klarer Anhaltspunkte im Gesetz. Diese ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass nach § 10 Abs. 1 BEEG das Elterngeld bis zu einer Höhe von "insgesamt" 300,00 EUR im Monat als Einkommen unberücksichtigt bleibt. Denn das Wort "insgesamt" bezieht sich nicht die Menge "zwei Elternteile", sondern auf die im Gesetz genannte Menge "Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf das Elterngeld angerechneten Leistungen", also auf den Gesamtbetrag aus diesen Leistungen (so auch Lenz, in: Rancke (Hrsg.), Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit, Handkommentar, § 10 BEEG, Rn. 2).
Aus dem Zusammenwirken von § 2 Abs. 5 BEEG, § 10 BEEG und § 11 Abs. 3a SGB II ergibt sich, dass der Gesetzgeber den Mindestbetrag des Elterngeldes i. H. von 300,00 EUR bis zum Jahresende 2010 als reine Förderungsleistung ausgestaltet hat, nur der darüber hinausgehende Betrag hat Entgeltersatzfunktion (vgl. Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, 8. Aufl. 2008, § 10 BEEG, Rn. 5). Zweck des Elterngeldes ist insoweit ein Ausgleich für finanzielle Einschränkungen in den ersten 12 oder 14 Lebensmonaten eines Kindes sowie die Anerkennung für die Betreuungsleistung; das Elterngeld soll den Eltern bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage ohne größere finanzielle Nöte helfen (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs in BT-Drucksache 16/1889, S. 26, vgl. dort auch S. 15, 16, sowie Jung, SGb 2007, 449 (453)). Daraus ergibt sich, dass die Elterngeldzahlung in dieser Höhe für jeden der 12 bzw. 14 Anspruchsmonate keine Zweckidentität mit den Leistungen nach dem SGB II aufweist (vgl. insoweit die - im Rahmen des § 11 Abs. 3a SGB II freilich nicht unmittelbar anwendbare - Vorschrift des § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II, jeweils in der zur Zeit des Leistungsfalles geltenden Fassung). So ist in der Gesetzesbegründung auch ausdrücklich ausgeführt worden, das Elterngeld zähle i. H. von 300,00 EUR nicht als Einkommen für andere Sozialleistungen bei allen Familien auch tatsächlich zu einer Erhöhung des verfügbaren Haushaltsnettoeinkommens führe, (Begründung des Gesetzentwurfs in BT-Drucksache 16/1889, S. 17).
Der Bezugspunkt des genannten Betrages i. H. von 300,00 EUR ist der Anspruchsmonat. Was unter einem Anspruchsmonat zu verstehen ist, ergibt sich aus der Vorschrift des § 4 Abs. 2 BEEG, die wie folgt lautet: "Elterngeld wird in Monatsbeträgen für Lebensmonate des Kindes gezahlt. Die Eltern haben insgesamt Anspruch auf zwölf Monatsbeträge. Sie haben Anspruch auf zwei weitere Monatsbeträge, wenn für zwei Monate eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt. Die Eltern können die jeweiligen Monatsbeträge abwechselnd oder gleichzeitig beziehen." Hieraus wird deutlich, dass für die 12 bzw. 14 Anspruchsmonate grundsätzlich auch ein Doppelbezug im gleichen Monat möglich ist, wie dies durch den Gesetzgeber auch ausdrücklich gewollt war (vgl. Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 16/1889, S. 23). § 4 Abs. 2 Satz 4 BEEG stellt klar, dass die Eltern die 12 oder 14 Monatsbeträge, auf die sie Anspruch haben, auch gleichzeitig in Anspruch nehmen können. Zeiten gleichzeitiger Inanspruchnahme von Elterngeld führen dabei zu einem doppelten Verbrauch von Monatsbeträgen und zu einer entsprechenden Verkürzung des Bezugszeitraums (Gesetzesbegründung, aaO., S. 23, vgl. auch S. 16). Die konsequente Durchhaltung eines strikten Grundsatzes in dem Sinne, dass ein Anspruchsmonat (und sein Verbrauch) jeweils einem (einzelnen) Elternteil zuzurechnen ist, zeigt sich auch in der Ablehnung eines Änderungsantrages, mit welchem eine gleichzeitige Teilzeitarbeit beider Elternteile in Abwandlung dieses Grundsatzes nur zum Verbrauch eines Anspruchsmonats führen sollte (BT-Drucks. 16/2785 vom 27. September 2006, S. 33).
Vor diesem Hintergrund bestimmt § 11 Abs. 3 a SGB II die Anrechnungsfreiheit des Betrages nach § 10 BEEG. Dies ist auf den Betrag i. H. von 300,00 EUR und auf den Anspruchsmonat zu beziehen, wie dies (allein) dem System des BEEG entspricht. Wenn es an einer konkreten Zielsetzung des Gesetzgebers fehlt, welche die Auslegung einer Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut gebietet, so ist für richterliche Rechtsfortbildung kein Raum. Somit obliegt die Beurteilung der Frage, in welcher Höhe Empfängern von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ein Betrag vom Elterngeld anrechnungsfrei verbleiben muss, nicht den Gerichten. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine sozialpolitische Entscheidung allein des Gesetzgebers, der sich eindeutig für die Möglichkeit des Doppelbezuges von Elterngeld durch beide Elternteile mit der Konsequenz des doppelten Verbrauchs von Anspruchsmonaten entschieden hat. Dieses System des BEEG ist auch für den Anwendungsbereich des SGB II hinzunehmen (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. November 2010 - L 6 AS 1118/10 B - juris Rn. 12).
Schließlich können auch aus § 10 Abs. 3, 4 BEEG die vom Beklagten gezogenen Schlussfolgerungen im Wege der Auslegung nicht gewonnen werden. Denn diese Bestimmungen befassen sich allein mit dem individuellen Anspruch eines Elternteils in Sonderfällen, nicht aber mit der Frage einer gleichzeitigen Inanspruchnahme von Elternzeit durch beide Elternteile, die für die dort getroffenen Regelungen keinerlei Relevanz hat. Da der Adressat der Leistung und mithin der Leistungsberechtigte zudem der jeweils betreuende Elternteil, nicht aber das Kind ist (so auch ausdrücklich die Begründung des Gesetzentwurfs in BT-Drucksache 16/1889, S. 17), ist die Argumentation des Beklagten in Bezug auf Mehrlingsgeburten - vgl. insoweit § 10 Abs. 4 BEEG - keineswegs als zwingend. Auch in diesen Fällen handelt es sich nämlich nicht um Ansprüche der Kinder, sondern um einen einheitlichen, entsprechend erhöhten Anspruch des elterngeldberechtigten Elternteils.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).