Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 03.05.2012, Az.: S 30 AS 1308/08

Anrechnung von Einkommen im Rahmen der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
03.05.2012
Aktenzeichen
S 30 AS 1308/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 36344
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGLUENE:2012:0503.S30AS1308.08.0A

Tenor:

Der Bescheid des Beklagten vom 3. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2008 wird abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung der von Herrn F. erhaltenen Beträge als Einkommen im Sinne des SGB II zu gewähren. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anrechnung von Einkommen.

Die Klägerin lebte im streitbefangenen Zeitraum in eine Wohnung mit Herrn G. F., der pflegebedürftig ist. Die Klägerin pflegt Herrn F ... Hierfür erhielt sie eine Gegenleistung von ihm.

Mit Bescheid vom 3. Juni 2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 181,00 EUR für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2008. Dabei wurde der Klägerin ein Einkommen in Höhe von 170,00 EUR angerechnet. Hierbei ging die Beklagte von einem Einkommen der Klägerin in Höhe von 200,00 EUR aus, wobei ein Freibetrag für Versicherungen in Höhe von 30,00 EUR abgezogen wurde. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, dass ihr hinsichtlich dieses Einkommens ein Freibetrag in Höhe von 100,00 EUR zustehe, der nicht auf ihre Regelleistung anzurechnen sei.

Der Beklagte wies den Widerspruch zurück mit der Begründung, dass die Klägerin von Herrn F. monatlich 400,00 EUR erhalte, aus denen die Einkäufe für den gemeinsamen Bedarf finanziert werden sollten. Die Hälfte dieses Betrages, also 200,00 EUR, seien als Einkommen bei der Klägerin anzurechnen. Hiervon seien 30,00 EUR Versicherungspauschale abgezogen worden. Ein Freibetrag von 100,00 EUR falle nur bei erwerbstätigen Personen an. Dies sei bei der Klägerin jedoch nicht der Fall. Das Einkommen sei daher als "sonstiges Einkommen" zu berücksichtigen, wobei der Freibetrag nicht abgezogen werden könne.

Hiergegen erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Lüneburg.

Sie trägt vor, sie habe von Herrn F. monatlich insgesamt 400,00 EUR erhalten. Das Geld sei Teil des Pflegegeldes, das Herr F. erhalte. Hiervon seien 200,00 EUR als Entlohnung für die Pflegetätigkeit gedacht gewesen. Von den restlichen 200,00 EUR habe die Klägerin Lebensmittel und andere Gegenstände des täglichen Bedarfs für beide einkaufen sollen, weil die Klägerin in der Regel das Essen für Herrn F. mit zubereitet habe. In der mündlichen Verhandlung erläuterte die Klägerin , die Abmachung mit Herrn F. sei so ausgestaltet, dass sie am Anfang und am Ende des Monats jeweils 100,00 EUR für sich selbst erhalte und jeweils weitere 100,00 EUR in die "Essenskasse" gehen. Die Essenskasse sei für sie selbst und Herrn F ... Er teile der Klägerin mit, was er benötige und diese kaufe das dann für ihn ein. In der mündlichen Verhandlung trägt die Klägerin des Weiteren vor, ihrer Auffassung handele es sich bei den Beträgen, die Herr F. ihr überlasse, um weitergegebenes Pflegegeld im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 4 ALG II-VO. Diese Einnahmen seien daher nicht als Einkommen im Sinne des SGB II zu berücksichtigen. Hilfsweise trägt sie vor, es handele sich mindestens um eine Entlohnung, so dass die Freibeträge bei Erwerbstätigkeit hier anzurechnen seien.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 3. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2008 abzuändern und der Klägerin Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung der von Herrn F. erhaltenen Beträge als Einkommen zu gewähren,

hilfsweise,

auf die von Herrn F. erhaltenen Beträge den Freibetrag für Erwerbstätigkeit anzuwenden.

Der Vertreter des Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, die Klägerin habe in einem früheren Widerspruchsverfahren erklärt, sie erhalte im Laufe eines Monats von Herrn Kunath 400,00 EUR, jedoch nicht für eine Pflegetätigkeit. Herr F. gebe ihr das Geld für ihren gemeinsamen täglichen Bedarf, wie Lebensmittel. Die 400,00 EUR würden etwa zur Hälfte und zur anderen Hälfte für Herrn F. ausgegeben. Dies hätten die Klägerin und Herr F. durch Unterschrift bestätigt. Nunmehr werde das genaue Gegenteil behauptet.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten des Beklagten sowie der Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.

Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung der von Herrn F. erhaltenen Beträge als Einkommen im Sinne dieses Gesetzes.

Die Kammer ist nach den überzeugenden Ausführungen sowohl der Klägerin als auch des Zeugen G. F. in der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass die Klägerin für den Zeugen eine Pflegetätigkeit ausübt. Des Weiteren ist die Kammer davon überzeugt, dass der Zeuge Herr G. F. an die Klägerin sein Pflegegeld in Höhe von 400,00 EUR in der Form weitergibt, dass er ihr im Monat 200,00 EUR zur eigenen Verfügung überlässt und 200,00 EUR in eine gemeinsame Versorgungskasse zahlt. Des Weiteren ist die Kammer davon überzeugt, dass die Weitergabe dieses Geldes an die Klägerin aufgrund von deren Pflegetätigkeit erfolgt.

Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 ALG II-VO in der Fassung vom 18. Dezember 2008 sind als Einkommen nicht zu berücksichtigen nicht steuerpflichtige Einnahmen einer Pflegeperson für Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung. Die Klägerin ist eine Pflegeperson in diesem Sinne, da sie gegenüber dem Zeugen Herrn F. Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung erbringt. Eine Steuerpflicht der Klägerin für diese Einnahmen besteht nicht.

Aus Sicht der Kammer fallen die Beträge, die der Zeuge an die Klägerin weitergibt, unter diese Vorschrift.

Soweit die Klägerin und der Zeuge im August 2007 in einem damaligen Widerspruchsverfahren etwas anderes behauptet haben, geht die Kammer davon aus, dass die damaligen Angaben erfolgten, um sich Unannehmlichkeiten zu ersparen im Hinblick auf die Einkommensanrechnung, da der Klägerin und dem Zeugen seinerzeit nicht klar gewesen war, wie diese Einnahmen rechtlich einzuordnen sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.