Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 04.07.2013, Az.: 17 UF 49/13

Zulässigkeit der Abänderung eines öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
04.07.2013
Aktenzeichen
17 UF 49/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 42185
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2013:0704.17UF49.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Lüneburg - 14.02.2013

Fundstellen

  • FPR 2013, 7
  • FamFR 2013, 421
  • NJW-Spezial 2013, 614
  • NZS 2014, 31-33

Amtlicher Leitsatz

1. Wird durch die veränderte Bewertung eines Anrechts die relative oder absolute Wesentlichkeitsgrenze nach §§ 51 Absatz 2 VersAusglG i. V. m. 225 Abs.2 und 3 FamFG nicht überschritten, kommt eine Abänderung dennoch unter dem Gesichts-punkt in Betracht, dass dadurch eine für die Versorgung des Ausgleichsberechtigten maßgebende Wartezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt wird.

2. An der erforderlichen Kausalität für eine Abänderung nach § 51 Absatz 5 VersAusglG fehlt es jedoch, wenn der Berechtigte durch eine weitere Abänderung zum Versorgungsausgleich aus einer früheren Ehe bereits die erforderlichen Wartezeitvoraussetzungen erreicht.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lüneburg vom 14. Februar 2013 abgeändert.

Der Antrag des Antragstellers auf Abänderung des Ausspruchs zum Versorgungsausgleich in dem Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lüneburg vom 22. April 2003 (30 F 106/02) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beläuft sich auf 2.250 €.

Gründe

I.

Mit dem vorliegenden Abänderungsverfahren möchte der Antragsteller bewirken, dass der Ausspruch zum Versorgungsausgleich anlässlich der Ehescheidung von der Antragsgegnerin einer Überprüfung und Abänderung unterzogen wird.

1. Durch Urteil vom 03.09.2002 hat das Amtsgericht - Lüneburg - die am 30. März 1995 geschlossene Ehe der Beteiligten geschieden.

Durch Beschluss vom 22. April 2003 hat es sodann den Versorgungsausgleich durchgeführt. Dem lag eine Ehezeit vom 1. März 1995 bis zum 30. April 2002 zugrunde. Das Amtsgericht hat seinerzeit zu Lasten der bei dem Land Niedersachsen für den Ehemann bestehenden Anwartschaften auf Beamtenversorgung Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 282,61 € bezogen auf den 30. April 2002 als Ende der Ehezeit auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte begründet. Diesem Ausgleich lag zugrunde, dass die Ehefrau monatliche Anwartschaften in Höhe von monatlich 35,37 € in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hatte, während der Ehemann beamtenrechtliche Versorgungsanwartschaften in Höhe von monatlich 610,58 € erworben hatte. Das Amtsgericht hat die Hälfte des Wertunterschiedes im Wege des Quasi-Splittings ausgeglichen. Der Höchstbetrag ist durch diesen Ausgleich nicht überschritten worden.

2. Im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht die Auskünfte der Versorgungsträger eingeholt.

Die Oberfinanzdirektion Niedersachsen hat unter dem 2. Juli 2012 mitgeteilt, dass sich der Ehezeitanteil der auszugleichenden Versorgung bezogen auf den 30.04.2002 als Ende der Ehezeit nunmehr auf 569,61 € belaufe, was einen Ausgleichswert von 284,31 € zur Folge habe. Der Ausgleichswert entspreche einem korrespondierenden Kapitalwert von 61.293,66 €.

Die Deutsche Rentenversicherung Westfalen wiederum hat durch Auskunft vom 28. Juni 2012 mitgeteilt, dass sich der Ehezeitanteil des Anrechts der Ehefrau bezogen auf das Ende der Ehezeit am 30.04.2002 mit 1,3901 Entgeltpunkten ergebe, was einer Monatsrente von 35,19 € entspreche. Mithin seien 0,6951 Entgeltpunkte auszugleichen, der korrespondierende Kapitalwert belaufe sich insoweit auf 3.786,17 €. Die auszugleichenden Entgeltpunkte entsprächen einer Monatsrente von 17,60 €.

Zuletzt hat die Deutsche Rentenversicherung Bund für den Ehemann mitgeteilt, dass dieser während der Ehezeit keine für die Rentenversicherung erheblichen Zeiten zurückgelegt habe, die zu einem Anrecht führen.

Wegen der Einzelheiten der Auskünfte nimmt der Senat auf die zu den Akten gereichten Unterlagen der Versorgungsträger Bezug.

Unter dem 11. Oktober 2012 hat die Deutsche Rentenversicherung Bund ergänzend mitgeteilt, dass sich bei einem internen Ausgleich der 0,6951 Entgeltpunkte der Ehefrau zugunsten des Ehemannes eine Wartezeit von 23 Monaten aus dem Versorgungsausgleich ergebe. Der Antragsteller habe allerdings einen Abänderungsantrag zu seiner ersten Ehe bei dem Amtsgericht Lüneburg gestellt (30 F 89/12). Hierzu liege ein Entwurf über den Versorgungsausgleich vor, aus dem hervorgehe, dass der Antragsteller auch aus dieser Ehe einen Bonus in der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten werde (2,7286 Entgeltpunkte). Nach Umrechnung der Entgeltpunkte in Monate ergebe sich eine Wartezeit von insgesamt 111 Monaten.

3. Das Amtsgericht hat durch seinen Beschluss die Entscheidung über den Versorgungsausgleich vom 22. April 2003 mit Wirkung ab dem 1. Mai 2012 dahingehend abgeändert, dass nunmehr im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen zugunsten des Ehemanns ein Anrecht in Höhe von 0,6951 Entgeltpunkten auf dessen Versicherungskonto übertragen werde, während im Wege der externen Teilung zu Lasten des Anrechts des Ehemannes bei der Oberfinanzdirektion Niedersachsen zu Gunsten der Ehefrau ein Anrecht in Höhe von monatlich 284,81 € auf ihrem Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen begründet werde.

Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der Antrag nach §§ 51 Abs. 5 VersAusglG, 225 Abs. 4 FamFG zulässig sei, da sich bei fiktiver Hinzurechnung des im hiesigen Verfahren mitgeteilten Ausgleichswertes von 0,6951 Entgeltpunkten eine Wartezeit von insgesamt 111 Monaten für den Antragsteller ergebe mit der Folge eines Rentenanspruchs aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Dass der Antragsteller die Wartezeiten erst in der Zusammenschau mit der aus einem weiteren Versorgungsausgleich erworbenen Anrechte erfülle, spiele insoweit keine Rolle. Im Übrigen bezieht sich das Amtsgericht bei der Durchführung des Ausgleiches auf die von den Versorgungsträgern mitgeteilten Auskünfte. Insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen im Beschluss des Amtsgerichts.

4. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde. Damit macht sie geltend, dass der Abänderungsantrag nicht zulässig sei. Durch die Abänderung der ursprünglichen Entscheidung werde eine für die Versorgung der ausgleichsberechtigte Person maßgebliche Wartezeit gerade nicht erfüllt. Die erforderliche Wartezeit von 60 Monate erreiche der Antragsteller alleine durch seinen Abänderungsantrag zur ersten Ehe. Im Rahmen dieser Abänderung erlange er eine Wartezeit von insgesamt 88 Monaten. Dementsprechend fehle es an einer Kausalität zwischen der Abänderung des zwischen den Beteiligten bestehenden Versorgungsausgleichs und der Erfüllung der Wartezeiten nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI.

5. Der Antragsteller verteidigt die angefochtene Entscheidung.

6. Wegen des weiteren Vorbringens im Beschwerdeverfahren verweist der Senat auf die Beschwerdebegründung und Beschwerdeerwiderung.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Sie führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

§ 51 VersorgungsausgleichsG regelt die Voraussetzungen für die Abänderung einer Entscheidung über den öffentlich-rechtlichen Wertausgleich, die nach dem bis zum 31.08.2009 geltenden Recht - wie hier - getroffen worden ist. Die Vorschrift wird durch § 52 VersorgungsausgleichsG ergänzt, der Bestimmungen über die Durchführung des Verfahrens erhält. Beide Vorschriften kommen nur zur Anwendung, wenn sich das Abänderungsverfahren nach neuem Recht richtet. Das ist hier ebenso der Fall, weil dieses Verfahren durch die Antragsschrift vom 10. April 2012, bei dem Amtsgericht eingegangen am 11. April 2012, eingeleitet worden ist.

1. § 51 VersorgungsausgleichsG soll die Abänderung einer Entscheidung über den öffentlich-rechtlichen Wertausgleich ermöglichen, wenn sich durch nachträgliche Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art der Ausgleichswert von in den Versorgungsausgleich einbezogenen Anrechten wesentlich verändert hat. §§ 51 Abs. 1 und 2 VersorgungsausgleichsG regeln deshalb in Verbindung mit § 225 Abs. 2 und 3 FamFG die Zulässigkeit einer Abänderung wegen einer Wertänderung von Anrechten, die in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einbezogen worden waren. Für die Zulässigkeit des Abänderungsbegehrens nach neuem Recht genügt, dass sich der Ausgleichswert (d. h. die Hälfte des Ehezeitanteils, § 1 Abs. 2 Satz 2 VersorgungsausgleichsG) nur eines Anrechts, das in den Ausgleich einbezogen worden war, wesentlich geändert hat. In diesem Rahmen sind nur Anrechte von Bedeutung, die im Erstverfahren in den Ausgleich einbezogen worden waren. Für die Zulässigkeit der Abänderung kommt es darauf an, inwieweit sich der Ausgleichswert eines in der Erstentscheidung berücksichtigten Anrechts aufgrund von nach Ende der Ehezeit eingetretenen rechtlichen oder tatsächlichen Veränderungen rückwirkend betrachtet verändert hat. Zu vergleichen sind danach der bisherige, d. h. der im Ursprungsverfahren festgestellte Ausgleichswert (§ 225 Abs. 3 FamFG) und der aktuelle Ausgleichswert des Anrechts, der sich unter Berücksichtigung der nach Ende der Ehezeit eingetretenen, aber zurückwirkenden rechtlichen und tatsächlichen Veränderungen ergibt (§ 225 Abs. 2 FamFG). Die Wesentlichkeitsgrenze bestimmt sich gemäß § 51 Abs. 2 VersorgungsausgleichsG nach §§ 225 Abs. 2 und § FamFG. Eine Wertänderung ist danach wesentlich, wenn der Ausgleichswert eines Anrechts im Zeitpunkt der Abänderungsentscheidung um mindestens 5 % von dem Ausgleichswert abweicht, der in der abzuändernden Entscheidung für dieses Anrecht zugrunde gelegt worden ist (relative Wesentlichkeitsgrenze, § 225 Abs. 3 1. Alternative FamFG). Darüber hinaus muss die Veränderung des Ausgleichswerts auch eine absolute Wesentlichkeitsgrenze überschreiten. Diese beträgt bei einem in Form eines Rentenbetrags ausgedrückten Anrechts 1 % der am Ende der Ehezeit maßgeblichen monatlichen Bezugsgrößen nach § 18 Abs. 1 SGB VI (§ 225 Abs. 3, 2. Alternative FamFG). Diese Grenze belief sich im Jahre 2002 auf 23,45 € (1 % von 2.345 €) (vgl. zu allem Wick in Weinreich/Klein, Familienrecht, 5. Auflage, § 52 VersAusglG, Rn.2-16).

Eine solche wesentliche Veränderung, die sowohl die Kriterien der relativen als auch der absoluten Wesentlichkeitsgrenze erfüllt, ist vorliegend nicht feststellbar. Zwar ist hinsichtlich der beamtenrechtlichen Anwartschaften des Antragstellers die relative Wesentlichkeitsgrenze überschritten, nicht jedoch die absolute.

Aus dem Beschluss des Amtsgerichts Lüneburg vom 22. April 2003 ergibt sich, dass seinerzeit von beamtenrechtlichen Anwartschaften in Höhe von monatlich 610,58 € ausgegangen worden ist. Dies machte einen Ausgleichswert von 305,29 € aus. Eine Veränderung, die die relative Wesentlichkeitsgrenze überschreitet, ist mithin dann gegeben, wenn der Ausgleichswert auf unter 290,03 € abgesunken wäre (305,29 € - 5 %). Das ist vorliegend der Fall. Aus der Auskunft der Oberfinanzdirektion Niedersachsen vom 02.07.2012 ist ein Ausgleichswert von 284,81 € zu entnehmen.

Allerdings überschreitet die Differenz der Ausgleichswerte nicht die absolute Wesentlichkeitsgrenze von 23,45 €, da sie sich nur auf einen Betrag von 20,48 € beläuft.

2. In Fällen, in denen eine Wesentlichkeit der Wertänderung nach § 51 Abs. 1 und 2 VersorgungsausgleichsG nicht festzustellen ist, kommt ausnahmsweise jedoch eine Abänderung nach § 51 Abs. 5 VersorgungsausgleichsG i. V. m. § 225 Abs. 4 FamFG in Betracht, wenn durch sie eine für die Versorgung des Ausgleichsberechtigten maßgebende Wartezeit erfüllt wird (Wick, aaO., Rn. 24). Konkret kommen vorliegend die Wartezeiten des Antragstellers in der gesetzlichen Rentenversicherung in Betracht, insbesondere die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von 5 Jahren als grundsätzliche Voraussetzung dafür, dass überhaupt ein Rentenanspruch entstehen kann (§ 50 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 51 Abs. 5 sind jedoch ebenfalls nicht erfüllt.

Vorliegend ergibt sich aus den für den Antragsteller erteilten Auskünften der gesetzlichen Rentenversicherung, dass dieser dort eigene Wartezeiten von 24 Monaten erworben hat. Um die Wartezeitkriterien für einen eigenen Rentenanspruch zu erfüllen, muss der Antragsteller mithin weitere 36 Monate Anwartzeiten hinzu erwerben.

Dies gelingt ihm jedoch nicht über einen Ausgleich der Versorgung im Verhältnis zur Antragsgegnerin. Die Anzahl von mit dem Versorgungsausgleich erworbenen Wartezeitmonaten ergibt sich, wenn der Zuschlag an Entgeltpunkten aus dem Versorgungsausgleich durch die Zahl 0,0313 geteilt wird (§ 52 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Das Endergebnis ist auf die nächste volle Zahl nach oben zu runden (§ 121 Abs. 3 SGB VI). Von der sich danach ergebenen Zahl der Kalendermonate sind die Ehezeitmonate, die bereits mit eigenen Beitragszeiten des Berechtigten belegt sind, abzuziehen (§ 52 Abs. 1 Satz 5 SGV VI, Wick, aaO., § 10 VersAusglG, Rdnr. 17). Ein Ausgleich im Verhältnis zur Antragsgegnerin von 0,6951 Entgeltpunkten hätte zur Folge, dass der Antragsteller weitere 23 Monate an Wartezeit hinzuerwerben würde (0,6951 : 0,0313 aufgerundet auf volle Monate). Zusammen mit dem aus dem Versorgungsausgleich im Verhältnis zur Antragsgegnerin hinzuerworbenen Wartezeitmonaten käme der Antragsteller folglich auf 47 Wartezeitmonate, was nicht dazu führen würde, dass er einen eigenen Rentenanspruch gegenüber dem Versorgungsträger erwerben würde.

Diese Betrachtung ändert sich auch nicht durch einen Blick auf den Versorgungsausgleich, der dem Antragsteller aus der ersten Ehe über eine Abänderung noch zufließen mag. Rechnet man die 2,7286 Entgeltpunkte aus der früheren Verbindung in Wartezeitmonate um, so ergeben sich 88 Wartezeitmonate für den Antragsteller (2,7286 : 0,0313 aufgerundet auf volle Monate). Dies hat zur Folge, dass der Antragsteller allein durch den Ausgleich der Versorgungen aus seiner ersten Ehe auf 112 Wartezeitmonate kommt, mithin gerade nicht mehr auf einen Ausgleich der Anwartschaften im Verhältnis zur Antragsgegnerin angewiesen ist.

Dies wäre nur dann der Fall, wenn sich nur aus einer Abänderung beider Versorgungsausgleiche - sowohl zur ersten Ehe als auch zur zweiten Ehe des Antragstellers - kumulativ eine Wartezeit ergebe, die 60 Monate übersteigt. Da dies vorliegend nicht der Fall ist, hat es bei der ursprünglichen Entscheidung zu verbleiben. Der Antragsteller ist auf den Ausgleich gegenüber der Antragsgegnerin nicht angewiesen, wenn er den Zuschlag aus der ersten Ehe erhält; andernfalls würde ihm allein der Ausgleich im Verhältnis zur Antragsgegnerin die notwendigen Wartezeitmonate nicht verschaffen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 FamFG, die Wertfestsetzung aus § 51 FamGKG.