Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 18.07.2013, Az.: 16 U 35/13

Nachtragsverteilung; Anordnungsbeschluss

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
18.07.2013
Aktenzeichen
16 U 35/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 64318
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG - 11.02.2013 - AZ: 20 O 120/12

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Keine Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters nach Verfahrensaufhebung, wenn der Beschluss des Insolvenzgerichts den Gegenstand der Nachtragsverteilung nicht ausreichend bestimmt bezeichnet (bestätigt durch BGH, Beschluss vom 12. Februar 2015 - IX ZR 186/13).

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11. Februar 2013 verkündete Urteil des Landgerichts Hannover abgeändert und die Klage als unzulässig abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreites.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Berufungswert: € 45.000.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt Zahlung eines Betrages von € 45.000 aus einer Überweisung auf das Konto der Beklagten in Höhe von € 160.000. Er war Treuhänder über das Vermögen des Ehemanns der Beklagten (im weiteren Schuldner) durch Beschluss vom 24.01.2006. Das Insolvenzverfahren wurde durch Beschluss vom 03.04.2007 aufgehoben, die Wohlverhaltensperiode endete am 24.01.2012. Mit Beschluss vom 29.02.2012 wurde dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt.

Mit Beschluss vom 16.03.2012 (Anlage K 4, Bl. 18 d. A.) wurde über das Vermögen des Schuldners die Nachtragsverteilung angeordnet. Eine Bezugnahme auf die streitgegenständliche oder irgendeine andere Forderung enthält der Beschluss nicht. In den Gründen ist lediglich ausgeführt, dass nach Erteilung der Restschuldbefreiung für den Schuldner erhebliche Vermögenszuflüsse erfolgt seien, die einer Nachtragsverteilung bedürfen.

Hintergrund der Überweisung auf das Konto der Beklagten in Höhe von € 160.000 mit Gutschrift am 27.02.2012 war eine Vergleichszahlung zu Gunsten des Schuldners wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers aus der Zeit Februar/März 2003. Der Versicherer des Krankenhauses führte deswegen ein Aktenzeichen aus dem Jahre 2005. Der Schuldner veranlasste im Jahre 2006 ein selbständiges Beweisverfahren und erhob im Jahre 2009 Klage vor dem Landgericht Hannover gegen das Krankenhaus. Mit Vergleich vom 08.02.2012 einigten sich der Schuldner und die dortige Gegenseite auf eine Vergleichszahlung von € 160.000. Im Insolvenzverfahren und danach in der Wohlverhaltensperiode benannte der Schuldner diesen möglichen Anspruch nicht. Er wies den Versicherer seines Anspruchsgegners an, diesen Vergleichsbetrag auf das Konto seiner Ehefrau, der Beklagten, zu leisten, weil er über kein eigenes Konto verfügte. Auf dieses Konto wurden auch Lohn und Rente des Schuldners gezahlt.

Die Höhe der angemeldeten und zur Zeit noch unbefriedigten Forderungen der Insolvenzgläubiger ist zwischen den Parteien streitig. Sie beliefen sich nach Vortrag des Klägers auf € 29.969,69 und nach Vortrag der Beklagten auf € 11.592,23.

Der Kläger meint, dass er den Betrag in Besitz und Verwaltung zu nehmen habe. Da nur noch Forderungen von € 29.969,69 bestünden und weitere Kosten einzukalkulieren seien, werde lediglich ein Betrag von € 45.000 geltend gemacht.

Die Beklagte meint, dass der Schuldner den Betrag nicht der Verteilungsmasse hätte zuführen müssen, da die Wohlverhaltensperiode vor der Zahlung beendet gewesen sei. Es komme allein ein Anspruch nach § 826 BGB in Betracht, wobei die Beklagte aber als wirtschaftlich unerfahrene Reinigungskraft weder in das Insolvenzverfahren noch in den Arzthaftungsprozess eingebunden gewesen sei. Wie ihr Ehemann sei auch sie nicht davon ausgegangen, dass dieser Betrag für das Insolvenzverfahren relevant sei. Dies gelte insbesondere für das Schmerzensgeld. Sie hat zunächst behauptet, dass sie € 20.000 auf das neu errichtete Konto des Schuldners überwiesen habe. Erstmals mit Einrede der Entreicherung hat sie sodann behauptet, dass der Schuldner € 160.000 über seine Kontovollmacht in mehreren Stückelungen abgehoben oder auf andere Konten eingezahlt habe. Genaueres könne sie dazu nicht sagen, weil sie keine Auszüge zu ihrem Konto besitze. Jedenfalls vor Ablauf des Monats Juni 2012 und damit vor Klagzustellung sei der Betrag vollständig verschwunden.

Das Landgericht hat nach wiederholtem Hinweis, dass die Beklagte eine Entreicherung nicht zureichend dargelegt habe, der Klage antragsgemäß in Höhe von € 45.000 nebst Zinsen stattgegeben. Nach dem Landgericht folge der Anspruch aus §§ 134, 143 II InsO, wobei die Beklagte nicht mit ausreichender Substanz durch Angabe etwaiger Daten und Vorlage von Kontoauszügen eine Entreicherung dargelegt habe.

Gegen das Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie trägt unter Vertiefung ihres bisherigen Vortrages insbesondere vor, dass das Landgericht den Zeugenbeweis zur Entreicherung nicht hätte übergehen dürfen, weil es sich um erheblichen Tatsachenvortrag gehandelt habe. Zudem habe das Landgericht nicht den Vortrag berücksichtigt, dass nur noch Forderungen in Höhe von € 11.592,23 bestünden und insgesamt der Betrag von € 45.000 unklar sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die landgerichtliche Entscheidung als für ihn günstig.

II.

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Denn die Klage ist unzulässig.

Der Kläger ist nach der Verfahrensaufhebung vom 03.04.2007 nicht mehr als Partei kraft Amtes gemäß § 80 InsO prozessführungsbefugt. Der Beschluss des Insolvenzgerichtes vom 16.03.2012, mit dem ohne Benennung eines konkreten Gegenstandes oder einer konkreten Forderung die Nachtragsverteilung angeordnet wurde, entfaltet keine gegenteilige Wirkung. Der dazu völlig unbestimmte Beschluss lässt die Rechtskraft der Restschuldbefreiung vielmehr unberührt. Diese wird auch nicht durch § 826 BGB durchbrochen (Uhlenbruck-ders., InsoKommentar, 13. Aufl. 2010, § 300 Rn. 27).

Zwar können über eine Anordnung einer Nachtragsverteilung die zunächst nach Verfahrensaufhebung frei gewordenen und nachträglich ermittelten Gegenstände ex nunc wieder dem Insolvenzbeschlag unterworfen werden, so dass das Amt des bisherigen Treuhänders/Insolvenzverwalters wieder auflebt (vgl. Uhlenbruck-ders., InsoKommentar, 13. Aufl. 2010, § 203 Rn. 14, § 205 Rn. 2). Dies führt jedoch nicht dazu, dass das bisherige Insolvenzverfahren wieder auflebt. Denn von der Nachtragsverteilung wird nicht das gesamte Vermögen des Schuldners erfasst, sondern nur der Betrag oder Vermögensgegenstand, auf den sich die Nachtragsverteilungsanordnung bezieht. Aufgrund dieser beschränkten Beschlagswirkung, die mit den umfassenden Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gleich zu setzen ist, kann z. B. die Anhängigkeit einer Nachtragsverteilung nicht zur Unzulässigkeit eines (weiteren) Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens führen (BGH, ZIP 2011, 134, 135; Holzer in: Kübler/Prütting/Bork, InsO § 203 Rn. 8). Dieser Bezugnahme auf den streitgegenständlichen Betrag oder irgendeinen anderen Vermögensgegenstand wird der Beschluss des Insolvenzgerichtes vom 16.03.2012 indes nicht gerecht, wenn lediglich allgemein eine Nachtragsverteilung angeordnet wird. Dies ist auch nicht entbehrlich, weil anderenfalls sämtliche Beträge und Vermögensgegenstände des Schuldners und damit wie im ursprünglichen Insolvenzverfahren das Schuldnervermögen in seiner Gesamtheit erfassbar wären. Die lediglich beschränkte Wirkung der Nachtragsverteilung würde damit in ihr Gegenteil verkehrt.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.