Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 11.12.2006, Az.: 17 B 7880/06
Behördensitz; Benehmensherstellung; Beteiligung; Dienststelle; Dienststellenverlegung; Entscheidung; Landesregierung; Organisationsentscheidung; Personalrat; Personalratsbeteiligung; Personalvertretung; Regierungsentscheidung; Sitzverlegung
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 11.12.2006
- Aktenzeichen
- 17 B 7880/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 53342
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 104 BPersVG
- § 63 PersVG ND
- § 64 Abs 2 S 1 PersVG ND
- § 64 Abs 4 PersVG ND
- § 75 Abs 1 Nr 13 PersVG ND
- § 79 Abs 3 S 1 PersVG ND
- Art 38 Verf ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Bei der Auslegung des § 79 Abs. 3 Satz 1 NPersVG ist zu beachten, dass die darin vorgeschriebene Beteiligung in Angelegenheiten der
Regierungsverantwortung eine Ausnahme von dem in § 104 Satz 3 BPersVG verankerten Grundsatz des NPersVG darstellt, wonach Regierungsentscheidungen nicht der Mitbestimmung oder sonstigen Beteiligung nach Maßgabe des NPersVG unterliegen.
2. Muss eine Entscheidung der Nds. Landesregierung über die Verlegung des Sitzes einer Landesbehörde erst durch die oberste Dienstbehörde umgesetzt werden, um für die Bediensteten verbindliche Auswirkungen zu haben, unterliegt sie nicht der besonderen Beteiligungspflicht nach § 79 Abs. 3 Satz 1 NPersVG.
Gründe
I.
Die Niedersächsische Landesregierung beriet am 13. Dezember 2005 über ein mit Vorlage des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vorbereitetes Konzept, das die Neuorganisation der Aus- und Fortbildung im öffentlichen Dienst des Landes vorsah. Darin war unter anderem vorgeschlagen worden, die Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege mit Sitz in Hildesheim aufzulösen und die Fortsetzung des Studiums beim ehemaligen Fachbereich Rechtspflege an einer in Celle neu einzurichtenden Norddeutschen Fachhochschule für Rechtspflege anzubieten. In ihrer darauf folgenden Sitzung am 20. Dezember 2005 beschloss die Landesregierung aber abweichend von der Vorlage, dass die künftige Norddeutsche Fachhochschule für Rechtspflege ihren Sitz in Hildesheim nimmt. Ferner fasste Landesregierung folgenden Beschluss:
"Das Niedersächsische Landesjustizprüfungsamt nimmt seinen Sitz in Celle. Die bei der Verlagerung entstehenden Mietkosten trägt das Justizministerium, jedoch lediglich bis zur Höhe der fiktiven Mietkosten, die bei einem Einzug in das Behördenhaus Hannover entstanden wären."
Das Niedersächsische Landesjustizprüfungsamt ist als Abteilung im Niedersächsischen Justizministerium eingerichtet und in dem Gebäude E. in Hannover untergebracht.
Nach Bekanntgabe des Kabinettsbeschlusses machte der Antragsteller am 20. Januar 2006 gegenüber der Beteiligten geltend, dass die Dienststelle bei der Verlegung wesentlicher Teile von Dienststellen nach § 75 Abs. 1 Nr. 13 NPersVG das Benehmen mit dem Personalrat herzustellen habe. Wenn die Landesregierung über die Verlegung entscheide, müsse das Niedersächsische Justizministerium als oberste Dienstbehörde, deren Geschäftsbereich die Entscheidung betreffe, nach § 79 Abs. 3 Satz 1 NPersVG ihn als die zuständige Personalvertretung rechtzeitig beteiligen. Dies sei aber nicht erfolgt.
Die Beteiligte teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 7. Juni 2006 mit, dass der Umzug des Landesjustizprüfungsamtes nach Celle voraussichtlich im Januar 2007 erfolgen werde und bat diesen, das Benehmen zur Verlagerung des Sitzes herzustellen.
Der Antragsteller beschloss, das Benehmen zu der Maßnahme nicht herzustellen und begründete seine Entscheidung gegenüber der Beteiligten wie folgt:
Gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 NPersVG hätte er rechtzeitig vor Ergehen des Beschlusses der Landesregierung beteiligt werden müssen, wobei das Verfahren zur Benehmensherstellung nach § 79 Abs. 3 Satz 3 NPersVG auch verlange, dass seine Stellungnahme der Landesregierung vor deren Entscheidung mitgeteilt werde. Eine nachträgliche Beteiligung des Personalrats stehe mit diesen gesetzlichen Bestimmungen nicht im Einklang.
In der Sache seien die Voraussetzungen für eine Billigung der Maßnahme durch den Personalrat nicht erfüllt, weil die Maßnahme die Beschäftigten des Landesjustizprüfungsamtes in unzumutbarer Weise benachteilige, was sich neben der erheblichen Verlängerung des Weges zur Dienststelle insbesondere in familien- und frauenpolitischer Hinsicht auswirke und auch Belange der Schwerbehinderten betreffe. Demgegenüber wäre eine Verlagerung des Sitzes des Landesjustizprüfungsamtes nach Celle weder erforderlich noch mit irgendwelchen Vorteilen verbunden.
Die Beteiligte wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 28. August 2006 zur Verhandlung der Sache an den bei dem Niedersächsischen Justizministerium eingerichteten Hauptpersonalrat. Sie teilte diesem ihre Rechtsauffassung mit, wonach die Entscheidung der Landesregierung über die Sitzverlagerung des Landesjustizprüfungsamtes nicht benehmensherstellungspflichtig sei und führte aus, nach § 64 Abs. 4 NPersVG entfalle die Mitbestimmung bei Organisationsentscheidungen der Landesregierung, und in der abschließenden Aufzählung der Benehmensherstellungstatbestände in § 75 NPersVG seien Organisationsentscheidungen der Landesregierung nicht aufgeführt. Eine Beteiligung finde danach erst statt, wenn die oberste Landesbehörde als Dienststelle die Regierungsentscheidung tatsächlich umsetze. Im Übrigen nahm die Beteiligte zu den die Auswirkungen auf die Beschäftigten betreffenden Einwendungen des Personalrats gegen einen Umzug des Prüfungsamtes Stellung.
Der Hauptpersonalrat bei dem Niedersächsischen Justizministerium versagte ebenfalls die Herstellung des Benehmens und teilte dieses der Beteiligten unter dem 4. Oktober 2006 mit. Dabei schloss er sich den verfahrensrechtlichen Ausführungen des Antragstellers an und erklärte sinngemäß, er könne sich inhaltlich erst dann zu der Maßnahme äußern, wenn eine erneute Befassung der Landesregierung unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Personalvertretung stattgefunden habe.
Am 30. Oktober 2006 hat der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz zur Vermeidung des Vollzugs der streitbefangenen Maßnahme nachgesucht.
Zur Antragsbegründung macht er geltend, dass die personalvertretungsrechtliche Beteiligung an Regierungsentscheidungen in Abweichung vom Partnerschaftsprinzip nach § 79 Abs. 3 Satz 1 NPersVG ersatzweise den Personalvertretungen der obersten Landesbehörden zugewiesen werde, um zu verhindern, dass eine der Sache nach beteiligungspflichtige Angelegenheit beteiligungsfrei bleibe. Da seine danach gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung unterlassen worden sei, dürfe die Beteiligte die Maßnahme nach § 63 NPersVG nicht vollziehen. Daraus resultiere ein Unterlassungsanspruch der Personalvertretung, der im Wege einstweiliger Verfügung gesichert werden könne. Der Verfügungsgrund folge aus dem drohenden Zeitablauf in einem Hauptsacheverfahren und der sich daraus ergeben Unmöglichkeit einer Rückgängigmachung der Sitzverlagerung des Landesjustizprüfungsamts.
Der Antragsteller beantragt,
der Beteiligten im Wege einstweiliger Verfügung zu untersagen, den Beschluss der Niedersächsischen Landesregierung vom 20. Dezember 2005, dass das Niedersächsische Landesjustizprüfungsamt seinen Sitz in Celle nimmt, auszuführen, solange nicht ein Verfahren zur Herstellung des Benehmens durchgeführt und eine erneute Entscheidung der Landesregierung ergangen ist.
Die Beteiligte beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Beteiligte vertritt die Auffassung, dass nach § 64 Abs. 4 Nr. 1 NPersVG eine personalvertretungsrechtliche Beteiligung nicht vorgesehen sei. Danach entfalle die Mitbestimmung bei Organisationsentscheidungen der Landesregierung. Die Landesregierung sei ein Verfassungsorgan, dem nach Art. 38 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung die Organisationshoheit über die Landesverwaltung zustehe und könne kraft ihrer unmittelbaren verfassungsrechtlichen Legitimation für sämtliche Dienststellen des Landes deren Organisationsstruktur, Arbeitsabläufe sowie Aufgabenzuweisung verbindlich vorgeben, ohne dass eine Mitbestimmung der Personalvertretungen erfolgen müsse. Dies gelte auch dann, wenn die Landesregierung über Einzelfragen der Dienststellenorganisation entscheide und hierbei nach den §§ 64 ff. NPersVG an sich eine Beteiligung der Personalräte vorgesehen wäre. Lege die Landesregierung wie durch Beschluss vom 20. Dezember 2005 geschehen fest, dass das Niedersächsische Landesjustizprüfungsamt seinen Sitz in Celle zu nehmen hat, unterliege das als organisatorische Entscheidung nicht der personalvertretungsrechtlichen Mitbestimmung.
Ein Fall der Benehmensherstellung nach § 75 Abs. 1 NPersVG liege ebenfalls nicht vor. Abgesehen davon, dass Organisationsentscheidungen der Landesregierung in dem abschließenden Katalog des § 75 NPersVG nicht aufzählt seien, handele es sich bei dem Kabinettsbeschluss nicht um die Maßnahme einer Dienststelle im Sinne von § 75 Abs. 1 NPersVG. Die Erforderlichkeit der Benehmensherstellung ergebe sich auch nicht aus § 79 Abs. 3 NPersVG. Zwar sei nach § 75 Abs. 1 Nr. 13 NPersVG für den Fall der Verlegung von Dienststellen oder wesentlichen Teilen von ihnen von der Dienststelle das Benehmen mit dem Personalrat herzustellen. Wenn in diesen Fällen nach § 79 Abs. 3 NPersVG die oberste Dienstbehörde rechtzeitig die zuständige Personalvertretung beteiligen müsse, würden damit nur Fälle erfasst, in denen die Landesregierung eine für die Bediensteten einer oder mehrerer oberster Dienstbehörden unmittelbar verbindliche Verlegungsentscheidung treffe oder zu treffen beabsichtige. Dagegen sei diese Vorschrift nicht anzuwenden, wenn die durch Organisationsentscheidung des Kabinetts beschlossenen Verlegungsvorgaben noch durch die oberste Dienstbehörde konkret umgesetzt werden müssten, um für die Bediensteten verbindlich zu werden. In derartigen Fällen unterliege erst die Umsetzung der Entscheidung für den Bereich der betreffenden obersten Dienstbehörde der personalvertretungsrechtlichen Beteiligung. So setze der Beschluss der Niedersächsischen Landesregierung vom 20. Dezember 2006 zwar verbindlich fest, dass das Landesjustizprüfungsamt seinen Sitz in Celle nehme und in welcher Höhe das Justizministerium die Mietkosten zu tragen habe. Darüber hinaus treffe er aber keine konkrete Regelung.
II.
Der Antrag ist nach den §§ 83 Abs. 2 NPersVG, 85 Abs. 2 ArbGG i.V.m. den §§ 935 ff., 944 ZPO zulässig, aber nicht begründet.
Die Kammer lässt es offen, ob der Antragsteller angesichts des Standes und der rechtlichen und tatsächlichen Auswirkungen des bevorstehenden Umzugs der Einrichtungen des Niedersächsischen Landesjustizprüfungsamtes von Hannover nach Celle einen ihr Rechtsschutzbegehren tragenden Verfügungsgrund nach § 936 i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht hat.
Jedenfalls kann der Antragsteller nicht glaubhaft machen, dass die Beteiligte personalvertretungsrechtlich verpflichtet wäre, es zu unterlassen, den Beschluss der Landesregierung vom 20. Dezember 2005 auszuführen, solange nicht ein Verfahren zur Herstellung des Benehmens durchgeführt und eine erneute Entscheidung der Landesregierung über die Verlegung des Sitzes des Niedersächsischen Landesjustizprüfungsamtes ergangen ist.
Ein Verfügungsanspruch der Personalvertretung dieses Inhalts ließe sich nur auf das verfahrensrechtliche Vollzugsverbot in § 63 Satz 1 Nr. 1 NPersVG stützen, wonach Maßnahmen, bei denen die gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung unterlassen worden ist, nicht vollzogen werden dürfen. Da die Regelung des Vollzugsverbots alle Formen der gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungen erfasst, darf auch die in § 75 Abs. 1 Nr. 13 NPersVG aufgezählte Maßnahme der Verlegung eines wesentlichen Teiles einer Dienststelle erst vollzogen werden, wenn das in § 76 NPersVG vorgeschriebene Verfahren der Herstellung des Benehmens verfahrensfehlerfrei (vgl. § 63 Satz 1 Nr. 2 NPersVG), gegebenenfalls unter vorläufiger Regelung der Angelegenheit (§§ 74, 76 Abs. 5 NPersVG), durchgeführt worden ist.
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 63 Satz 1 Nr. 1 NPersVG liegen aber nicht vor, denn die am 20. Dezember 2005 durch Kabinettsbeschluss getroffene Entscheidung der Niedersächsischen Landesregierung, dass das Niedersächsische Landesjustizprüfungsamt seinen Sitz in Celle nimmt, stellt sich nicht als Maßnahme im Sinne des Niedersächsischen Personalvertretungsgesetzes dar.
Der unbestimmte Rechtsbegriff der Maßnahme ist in § 64 Abs. 2 Satz 1 NPersVG verbindlich definiert. Danach sind Maßnahmen nur Handlungen oder Entscheidungen von Dienststellen, welche die Beschäftigten der Dienststelle nicht nur geringfügig berühren oder innerdienstliche Verhältnisse nicht nur unwesentlich und nicht nur kurzfristig verändern. Diese Definition folgt der Zielsetzung des Niedersächsischen Personalvertretungsgesetzes, das nur Mitbestimmungsrechte und andere Formen der Beteiligung von Personalvertretungen innerhalb der in § 1 Abs. 1 NPersVG beschriebenen Verwaltungen, Gerichte, Körperschaften, Anstalten und Stiftungen vorsieht, wobei sich die Beteiligung der Personalvertretung - im Bereich der unmittelbaren Landesverwaltung - stets auf die Entscheidungen (Maßnahmen) der Dienststelle im Sinne des Gesetzes (§ 6 NPersVG) beschränkt, bei der die Personalvertretung eingerichtet worden ist. Die Beteiligte weist im Hinblick auf die streitbefangene Entscheidung über den Sitz des Niedersächsischen Landesprüfungsamtes zutreffend darauf hin, dass die Niedersächsische Landesregierung danach keine Dienststelle im Sinne von § 6 NPersVG, sondern das Verfassungsorgan ist, das im Land die vollziehende Gewalt (Art. 2 Abs. 1 NV) ausübt. Als Verfassungsorgan trifft die Landesregierung organisatorische Entscheidungen, die der rahmengesetzlichen Vorgabe des § 104 Satz 3 BPersVG entsprechend nicht der Mitbestimmung oder anderweitigen Mitwirkung nach Maßgabe des NPersVG unterworfen sind. Diese Stellung der Landesregierung kommt insbesondere in § 81 Abs. 4 Nr. 1 NPersVG zum Ausdruck, wonach sie allgemeine Regelungen über organisatorische Maßnahmen, die zwischen den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und der zuständigen Landesbehörde vereinbart worden sind, jederzeit aufheben kann, ohne dabei an bestimmte Formen der Beteiligung gebunden zu sein. Ferner bestimmt § 64 Abs. 4 Nr. 2 NPersVG ausdrücklich, dass die Mitbestimmung bei Organisationsentscheidungen der Landesregierung entfällt; auch hierin drückt sich allein der Umstand aus, dass die Landesregierung nicht den personalvertretungsrechtlichen Pflichten von Dienststellen der Landesverwaltung unterworfen ist (vgl. Nds. Landtag, Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für das Nds. PersVG vom 12.1.1993, Drs. 12/4370 zu § 63 Abs. 4 des Entwurfs, S. 145).
Abweichend von diesen Grundsätzen der Dienststellenbezogenheit personalvertretungsrechtlicher Zuständigkeiten hat der Gesetzgebers in § 79 Abs. 3 NPersVG ein besonderes Beteiligungsverfahren vorgeschrieben, das nur ausnahmsweise zur Anwendung kommt, wenn die Entscheidung über eine in den Beteiligungstatbeständen des NPersVG geregelte Angelegenheit nicht von einer Dienststelle, sondern unmittelbar von der Landesregierung getroffen wird. Das sind namentlich die in Art. 38 Abs. 1 und 2 NV geregelten Fälle der Organisation der öffentlichen Verwaltung und der dienstrechtlichen Entscheidungen über Ernennungen und Entlassungen von Berufsrichtern und Beamten, in denen die Landesregierung diese Entscheidungsbefugnisse nicht durch einen generellen oder im Einzelfall getroffenen Beschluss auf die obersten Landesbehörden delegiert hat (Nds. Landtag, a.a.O., Drs. 12/4370 zu § 78 Abs. 3 des Entwurfs, S. 171).
Danach will der Gesetzgeber in den Fällen der Entscheidungen nach Art. 38 Abs. 1 und 2 NV keine Beteiligungslücke dadurch entstehen lassen, dass die Mitbestimmung und andere Formen der Beteiligung nach Maßgabe des NPersVG an die Entscheidungszuständigkeit von Dienststellen geknüpft sind, die Landesregierung als Verfassungsorgan aber nicht Dienststelle im Sinne des NPersVG ist. Das folgt eindeutig aus 79 Abs. 3 Satz 1 NPersVG, wonach die oberste Dienstbehörde, deren Geschäftsbereich die Entscheidung betrifft, rechtzeitig die zuständige Personalvertretung beteiligt. Hierzu zählen auch unzweifelhaft die in § 75 Abs. 1 Nr. 13 NPersVG geregelten Fälle der Sitzverlagerung von wesentlichen Teilen von Dienststellen. Der Antragsteller weist zu Recht darauf hin, dass eine solche Beteiligung nach Sinn und Zweck der Vorschrift auch stattfinden muss, bevor die Landesregierung die Entscheidung in der organisatorischen oder personellen Angelegenheit trifft.
Entscheidend dafür, dass die Beteiligte nicht verpflichtet ist, das Verfahren nach § 79 Abs. 3 Satz 1 NPersVG durchzuführen, ist indessen, dass es sich bei dem Beschluss der Landesregierung vom 20. Dezember 2005 nicht um eine Regierungsentscheidung handelt, die sich, wäre sie von einer Dienststelle getroffen worden, als Maßnahme im Sinne von § 75 Abs. 1 Nr. 13 NPersVG darstellen würde. Nach der auch für die Tatbestände des § 75 Abs. 1 NPersVG maßgeblichen Definition des Begriffs der Maßnahme, sind Maßnahmen nicht Handlungen, die eine Maßnahme nur vorbereiten. Dazu zählen auch Grundsatzentscheidungen, die in der Hierarchie der öffentlichen Verwaltung verwaltungsintern von einer anderen Stelle getroffen werden, mangels konkreter Regelung aber noch der Umsetzung durch die zuständige Dienststelle bedürfen (Bieler/Müller-Fritzsche, Niedersächsisches Personalvertretungsgesetz [NPersVG], 12. Aufl., § 64 Rdnr. 17). Dies gilt auch für die in den Fällen des Art. 38 NV in Regierungsverantwortung getroffenen Grundsatzentscheidungen, wenn sie die Einzelheiten der Verwaltungsorganisation, welche die betroffenen Beschäftigten im Sinne von § 64 Abs. 2 Satz 1 NPersVG berühren oder deren innerdienstliche Verhältnisse verändern, noch nicht konkret festlegen. Muss eine Entscheidung der Landesregierung in diesem Sinne erst durch die oberste Dienstbehörde umgesetzt werden, um für die Bediensteten verbindliche Auswirkungen zu haben, fällt sie danach nicht unter die Beteiligungspflicht nach § 79 Abs. 3 Satz 1 NPersVG (Dembowski/Ladwig/Sellmann, Das Personalvertretungsrecht in Niedersachsen, § 79 Rdnr. 18).
Der Beschluss der Landesregierung vom 20. Dezember 2005 enthält zwar eine organisatorische Grundsatzentscheidung zum zukünftigen Sitz des Niedersächsischen Landesjustizprüfungsamtes als gesetzlich bestimmte Prüfungsbehörde des Landes Niedersachsen (§ 11 NJAG). Er kommt aber inhaltlich nicht einer Maßnahme im Sinne von § 75 Abs. 1 Nr. 13 NPersVG gleich. Denn mit dieser Entscheidung ist nur der Sitz des Amtes neu bestimmt worden. Diese Bestimmung des Behördensitzes berührt für sich allein noch nicht die kollektiven Beteiligungsinteressen der Beschäftigten des Niedersächsischen Justizministeriums, denn sie lässt mangels Festlegung eines Umzugszeitpunktes und der Bestimmung, welche Teile der Prüfungsbehörde zukünftig in Celle tätig sein werden, nicht erkennen, welcher Kreis der am 20. Dezember 2005 bei dem Niedersächsischen Justizministerium Beschäftigten von einer Verlegung des Prüfungsamtes betroffen sein werden. Vielmehr bleibt die Verlegung dieses Dienststellenteiles des Justizministeriums im Sinne des gesetzlichen Beteiligungstatbestandes nach § 75 Abs. 1 Nr. 13 NPersVG der näheren Bestimmung durch die beteiligte Niedersächsische Justizministerin überlassen. Die Kammer hat auch keine Möglichkeit, den unbestimmten Rechtsbegriff der Maßnahme in Fällen dieser Art weit auszulegen und auf vorbereitende Regierungsentscheidungen mit Grundsatzcharakter auszudehnen. Denn die in § 79 Abs. 3 Satz 1 NPersVG vorgeschriebene Beteiligung in Angelegenheiten der Regierungsverantwortung stellt eine Ausnahme von dem oben dargestellten, in § 104 Satz 3 BPersVG verankerten Grundsatz des NPersVG dar, wonach Regierungsentscheidungen nicht der Mitbestimmung oder sonstigen Beteiligung nach Maßgabe des NPersVG unterliegen. Bei der Auslegung dieser Vorschrift ist zu beachten, dass dem Gesetzgeber nach der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai 1995 - 2 BvF 1/92 - (BVerfGE 93, 37 ff. = NVwZ 1996 S. 574 ff.) bei einer Beteiligung der Beschäftigten an Maßnahmen, mit denen Staatsgewalt ausgeübt wird, durch das Erfordernis hinreichender demokratischer Legitimation Grenzen gesetzt sind. Insbesondere organisatorische Entscheidungen, die schwerpunktmäßig die Erledigung von Amtsaufgaben betreffen, sind stets von so großer Bedeutung für die Erfüllung des Amtsauftrages, dass die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung für sie keine substantielle Einschränkung erfahren darf. Dem entspricht der allgemeine Wille des Niedersächsischen Gesetzgebers, Organisationsentscheidungen der Landesregierung im Grundsatz weiterhin nicht beteiligungspflichtig werden zu lassen (vgl. Nds. Landtag, a.a.O., Drs. 12/4370 zu § 63 Abs. 4 S. 145). Im Interesse der kollektiven Interessen von Beschäftigten den Maßnahmebegriff im Rahmen von Entscheidungen nach § 79 Abs. 3 Satz 1 NPersVG weit auszulegen, hieße daher, den Gesetzgeber zu korrigieren.