Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 28.12.2006, Az.: 12 B 3886/06
Rechtmäßigkeit einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für eine Biogasanlage; Beurteilung der Erheblichkeit der von einer Biogasanlage ausgehenden Lärmbelästigungen und Geruchsbelästigungen
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 28.12.2006
- Aktenzeichen
- 12 B 3886/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 33036
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2006:1228.12B3886.06.0A
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs. 1 BImSchG
- § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG
- § 6 Abs. 1 BImSchG
- § 1 Abs. 1 S. 1 4. BImSchV
- Nr. 3.2.1 Abs. 1 TA Lärm
Verfahrensgegenstand
Anfechtung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für eine Biogasanlage - Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO -
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Hannover -12. Kammer -
am 28. Dezember 2006
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren vorläufigen Rechtsschutz gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung.
Unter dem 03.05.2005 beantragte die Beigeladene die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Biogasanlage mit einer Leistung von 1250 kw. Die Anlage soll auf dem Grundstück Hxxx in Ixxx, Flurstücke 47/2 und 47/8, Flur 31 der Gemarkung Ixxx errichtet werden. Der Bebauungsplan Nr. 19 "Gewerbegebiet II" des Fleckens Ixxx setzt für das Grundstück ein Gewerbegebiet "GE" fest.
Nach dem Inhalt der Betriebsbeschreibung (3.1 der Antragsunterlagen) sollen in der Anlage Grasschnitt, nachwachsende Rohstoffe und Gülle energetisch genutzt werden. Das in den Fermentern erzeugte Biogas soll in zwei Motorheizkraftwerken an der Anlage und in einem weiteren Motorheizkraftwerk in der nahegelegenen Grundschule genutzt werden. Die Anlage soll in Kooperation mit regionalen Landwirten betrieben werden, die nachwachsende Rohstoffe wie Gras, Ganzpflanzengetreide oder Mais anbauen und daraus zur Konservierung Silage herstellen und diese in zwei sog. Biomasse-Logistik-Zentren (vgl. S. 14 der Geruchsimmissionsprognose des TÜV Rheinland vom 15.07.2005) lagern. Zusätzlich soll Getreide zugekauft werden. Silage und Gülle werden zur Biogasanlage geliefert und in dem geschlossenen Biomassevorrat gelagert. Zur Lieferung der Feststoffe wird ein Abschiebewagen verwendet, der circa 50 cm in den Biomasse-Vorrat hineinfahren kann und das Substrat direkt an den Transportboden übergibt. Pro Tag - so die Betriebsbeschreibung - sind circa 2 bis 3 Fahrten erforderlich. Der Biomassevorrat reicht für 2 bis 3 Tage. Aus dem geschlossenen Biomassevorrat wird Silage automatisch mit einem sog. walking-floor nach hinten transportiert und einem gekapselten Transportsystem (Dosierer und Schnecken) übergeben, das das Substrat in die Fermenter fördert. Das Getreide wird in Tankfahrzeugen angeliefert, in einem Hochsilo für zwei Wochen bevorratet, nach Bedarf gemahlen und über ein Schneckensystem den Fermentern zugeführt. Gülle wird mit einem Vakuumfasswagen angeliefert. Der Wagen dockt automatisch an eine Annahmestation an und die Gülle wird in den Güllevorrat gepumpt. Der Abtransport des Gärrestes erfolgt über eine weitere Station, an die das Fahrzeug ebenfalls automatisch andocken kann. Die Abfüllstation mit Substratannahme und Gärrestabgabe und die Fläche vor dem Biomassevorrat ist betoniert und kann gereinigt werden. Die Lagerung der Gülle erfolgt in einem abgedeckten Wellstahlbehälter.
Etwa 100 m südöstlich der geplanten Anlage betreibt die Firma Jxxx ein Sägewerk. Zu dem Werk gehören zwei Trockenkammern, die sich in einem Abstand von etwa 65 m östlich der Biogasanlage befinden.
Der Antragsteller zu 1) ist Eigentümer des Grundstücks Kxxxstraße 17 A, die Antragstellerin zu 3) ist Eigentümerin des Grundstücks Kxxxstraße 14 in Ixxx. Die Grundstücke sind mit je einem Wohnhaus bebaut und befinden sich etwa 160 m nordöstlich des Standortes der geplanten Biogasanlage in einem Baugebiet, bei dem es sich nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten um ein Mischgebiet handelt. Der Antragsteller zu 2) ist Eigentümer des Grundstücks Lxxx 6. Das Grundstück liegt etwa 300 m nördlich der Anlage in einem allgemeinen Wohngebiet.
Mit Bescheid vom 08.03.2006 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Biogasanlage mit zwei Motorheizkraftwerken, zwei Biogasspeichern, zwei Fermentern, einem Nachgärer, einem Getreidesilo, einem Gülle- und einem Biomassevorrat. Nach der Nebenbestimmung 2.1 der Genehmigung ist der Betrieb der Anlage so zu gestalten, dass die Einhaltung eines Lärmimmissionsrichtwertes von 60 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts (22.00 - 06.00 Uhr) an den nächstgelegenen Wohnhäusern (Kxxxstraße 18 und 17a) in Ixxx, von 55 dB(A) tagsüber und 40 dB(A) nachts (22.00 - 06.00 Uhr) am Wohnhaus Mxxx 17 in Ixxx und von 65 dB(A) tagsüber und 50 dB(A) nachts (22.00 - 06.00 Uhr) am Wohnhaus Nxxxstr. 22 in Ixxx sichergestellt ist. Bei der Ermittlung des Beurteilungspegels sind alle betriebsbedingten Lärmquellen, also auch Radladerverkehr, An- und Ablieferungsvorgänge usw. zu berücksichtigen. Die Einhaltung der o.g. Immissionsrichtwerte ist messtechnisch durch eine nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz zugelassene Messstelle spätestens 3 Monate nach Inbetriebnahme überprüfen zu lassen. Wegen des weiteren Inhalts der Genehmigung wird auf den Bescheid vom 08.03.2006 Bezug genommen.
Gegen den Bescheid erhoben die Antragsteller unter dem 05.04.2006 bzw. unter dem 10.04.2006 Widerspruch, über den noch nicht entschieden wurde.
Am 26.04.2006 ordnete der Antragsgegner auf Antrag der Beigeladenen die sofortige Vollziehung mit der Begründung an, den im Einzelnen dargelegten, nachvollziehbaren wirtschaftlichen Interessen der Beigeladenen sei ein größeres Gewicht einzuräumen als den Interessen der Antragsteller, die ihre Einwände gegen die Biogasanlage noch nicht näher erläutert hätten. Eventuellen berechtigten Interessen der Antragsteller könne durch nachträgliche Anordnungen Rechnung getragen werden. Insbesondere sei das Vorhandensein von Gesundheits- und Umweltgefahren, die es rechtfertigen könnten das Vorhaben trotz seiner Dringlichkeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung zurückzustellen, im Genehmigungsverfahren nicht festgestellt worden.
Am 23.06.2006 bzw. 20.07.2006 haben die Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht:
Die der Beigeladenen erteilte Genehmigung sei rechtswidrig.
Die der Genehmigung beigefügten Nebenbestimmungen zum Schutz vor unzumutbaren Lärmbelästigungen seien zu unbestimmt und nicht ausreichend, um sicherzustellen, dass die nach der TA-Lärm einzuhaltenden Immissionsrichtwerte auch tatsächlich eingehalten würden. Erforderlich sei vielmehr eine Abschätzung der zu erwartenden Umwelteinwirkungen und ggf. Vorkehrungen zu deren Reduzierung. Daran fehle es hier. Die im Genehmigungsverfahren bzw. im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Gutachten des TÜV Rheinland berücksichtigten die Lärmvorbelastung nur völlig unzureichend und hätten die Beurteilungspegel lediglich für die Nachtzeit bestimmt. Nicht nur die Trockenkammern des Sägewerks, sondern auch die - in erster Linie tagsüber betriebenen - Kettensägen, der Portalkran, die An- und Abfuhr durch Lkw, die Schälmaschine für Baumstämme, Förderbänder und Gabelstapler bildeten - ebenso wie die Steinbrecheranlage der Firma Oxxx, der von der Firma Pxxx verursachte Lärm und der Schwerlastverkehr zu der Firma Qxxx - Geräuschquellen, die bei der Ermittlung der Vorbelastung zu berücksichtigen seien. Bei den von dem Gutachter vorgenommenen Schallpegelmessungen seien die Trockenkammern des Sägewerks nur teilweise in Betrieb gewesen. Zu Unrecht sei der Gutachter von einem Abstand der Trockenkammern von 160 m ausgegangen und habe darüber hinaus ebenerdig gemessen, obwohl die Störquellen in etwa 6 m Höhe lägen. Bei der Bestimmung der von der Biogasanlage ausgehenden Zusatzbelastung sei es im Hinblick auf die Größe der bewirtschafteten Fläche unrealistisch, von lediglich 2 bis 3 Fahrten täglich für die Anlieferung der Feststoffe auszugehen. Ungerechtfertigt sei schließlich auch der von dem Gutachter vorgenommene Abzug von Toleranzen zu Lasten der Nachbarn.
Es sei auch zu erwarten, dass von der Biogasanlage unzumutbare Geruchsbelästigungen ausgehen würden. Nach dem Ergebnis der Geruchsimmissionsprognose des TÜV Rheinland vom 15.07.2005 betrage die Geruchshäufigkeit 9,6% der Jahresstunden. Da das Gutachten die Vorbelastung einer bereits vorhandenen Biogasanlage sowie der vorhandenen Gewerbe- und landwirtschaftlichen Betriebe nicht berücksichtigt habe, sei davon auszugehen, dass die zulässige Geruchshäufigkeit von 10% der Jahresstunden überschritten werde, zumal auch die Auflagen zum Schutz vor unzumutbaren Geruchsbelästigungen zu unbestimmt und völlig unzureichend seien.
Die geplante Biogasanlage sei auch bauplanungsrechtlich unzulässig. Aufgrund ihres typischen Gefährdungspotentials handele es sich nicht um einen "nicht erheblich belästigenden" Gewerbebetrieb. Die Anlage sei daher nicht in einem Gewerbegebiet, sondern allenfalls in einem Industriegebiet oder einem Sondergebiet "Biogasanlage" zulässig. Durch die Genehmigung sei nicht sichergestellt, dass die im Bebauungsplan festgesetzten Schallleistungspegel von 63 dB(A) - tags - bzw. 48 dB(A) - nachts - eingehalten würden.
Schließlich gehe von der geplanten Biogasanlage eine erhebliche Brand- und Explosionsgefahr aus. Der Antragsgegner habe die im Genehmigungsverfahren geäußerten Bedenken des Landkreises Exxx gegen die Verlegung von Gasleitungen im vorhandenen Kanalnetz und den zu geringen Abstand zwischen dem Sägewerk und der Biogasanlage nicht beachtet.
Die Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 08.03.2006 wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er tritt der Auffassung der Antragsteller, die Auflagen zum Schutz vor Lärm- und Geruchsbelästigungen seien zu unbestimmt und unzureichend, sowie der Kritik an den vorgelegten Geräusch- und Geruchsimmissionsprognosen entgegen und trägt vor, es sei eine Frage des Einzelfalls, ob eine Biogasanlage aufgrund ihres Störpotentials in einem Gewerbegebiet bauplanungsrechtlich zulässig sei. Der vorgeschriebene Sicherheitsabstand von 10 m zwischen Sägewerk und Biogasanlage sei eingehalten und in die geänderten Planunterlagen der Beigeladenen eingearbeitet worden.
Die Beigeladene beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie sei bereit, die Empfehlungen zum Lärmschutz des TÜV Rheinland in seinem Nachtrag vom 07.08.2006 zu befolgen, und habe bereits entsprechende Aufträge vergeben und eine Ergänzung der ihr erteilten Genehmigung bei dem Antragsgegner beantragt. Aber auch ohne die beabsichtigten Schallminderungsmaßnahmen würden die maßgeblichen Immissionsrichtwerte nicht überschritten. Nach der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen des TÜV Rheinland vom 13.12.2006 würden die Geräuschemissionen der Biogasanlage maßgeblich durch die Motorheizkraftwerke bestimmt. Ihre Geräuschemissionen unterschieden sich nicht immissionsrelevant tagsüber und nachts. Der Betrieb der Biogasanlage verursache an den in der Genehmigung genannten Wohnhäusern nachts Beurteilungspegel, die mehr als 10 dB(A) unter den Immissionsrichtwerten tags lägen. Daher lägen diese Wohnhäuser am Tag nicht im Einwirkungsbereich der Biogasanlage, so dass eine etwa vorhandene Vorbelastung am Tag unerheblich sei. Von der Anlage gehe auch keine erhöhte Brand- oder Explosionsgefahr aus. Die Bedenken des Landkreises Exxx hätten sich nicht auf den Abstand zum Sägewerk, sondern auf den Abstand zum Nachbarbetrieb der Firma Rxxx bezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen; ihr Inhalt war Gegenstand der Beratung.
II.
Der nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässige Antrag, ist unbegründet.
Die für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegebene Begründung genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung wird bereits genügt, wenn überhaupt eine schriftliche, einzelfallbezogene und nicht lediglich formelhafte Begründung vorhanden ist, die die von der Behörde getroffene Interessenabwägung erkennen lässt. Diese Voraussetzungen werden von der hier gegebenen Begründung erfüllt. Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise damit begründet, dass den im Einzelnen genannten, nachvollziehbaren wirtschaftlichen Interessen der Beigeladenen an der sofortigen Ausnutzung der ihr erteilten Genehmigung größeres Gewicht einzuräumen sei, da eine besondere Betroffenheit von Schutzgütern der Antragsteller, insbesondere Gesundheits- und Umweltgefahren, die eine Zurückstellung des geplanten Vorhabens rechtfertigen könnten, im Genehmigungsverfahren nicht habe festgestellt werden können.
Das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verfügung überwiegt auch nach Auffassung des Gerichts das private Interesse der Antragsteller.
Im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO bedarf es einer Abwägung der gegenseitigen Interessen der Beteiligten. Maßgeblich ist, ob das private Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs oder das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Ausnutzung der Genehmigung überwiegt. Für das Interesse der Antragsteller, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache einzulegenden Rechtsbehelfs von besonderer Bedeutung. Ein überwiegendes Interesse der Antragsteller an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn bereits die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene summarische Überprüfung ergibt, dass der Verwaltungsakt voraussichtlich Rechte der Antragsteller verletzt. Umgekehrt überwiegt bei voraussichtlicher Rechtmäßigkeit in der Regel das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Ausnutzung der Genehmigung. Gemessen daran überwiegt hier das Interesse der Beigeladenen.
Die der Beigeladenen für die Errichtung und den Betrieb einer Biogasanlage erteilte Genehmigung vom 08.03.2006 verletzt voraussichtlich keine Rechte der Antragsteller.
Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist nach § 4 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetzes - BImSchG - i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Vierten Verordnung zur Durchführung des BImSchG - 4. BIlmSchV - und Nrn. 1.4 b) aa) und 9.36, jeweils Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG erteilt worden. Die Genehmigung ist gemäß § 6 Abs. 1 BImSchG zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 BImSchG und einer auf Grund des § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden und andere öffentlichrechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.
Die Antragsteller können allerdings nur die Verletzung solcher Vorschriften geltend machen, die ihrer Zweckbestimmung nach - zumindest auch - dem Nachbarschutz dienen.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können.
Ob eine Genehmigung dem Schutzgrundsatz des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG Rechnung trägt, ist unter Berücksichtigung der ihr beigefügten einschränkenden Maßnahmen zu entscheiden, es sei denn, die Genehmigungseinschränkungen sind ungeeignet, weil die Anlage ohne Verstoß gegen sie überhaupt nicht betrieben werden kann (vgl. BVerwGE 68, 58 [BVerwG 30.09.1983 - 4 C 74/78]; OVG Lüneburg, Urt. v. 25.05.1988 - 7 A 130/87 -).
Von der entsprechend der Genehmigung vom 08.03.2006 errichteten Biogasanlage der Beigeladenen und deren Betrieb werden voraussichtlich keine erheblichen Belästigungen oder sonstigen Gefahren die Grundstücke der Antragsteller ausgehen.
a)
Von dem Betrieb der Biogasanlage gehen keine unzumutbaren Lärmbelästigungen aus.
Zur Beurteilung der Erheblichkeit der von der Biogasanlage ausgehenden Lärmbelästigungen können die Richtwerte der Technischen Anleitung zum Schutz vor Lärm - TA Lärm - vom 26.08.1998 (GMBl S. 503) herangezogen werden. Die darin vorgesehenen Richtwerte stellen im Allgemeinen einen geeigneten Maßstab für die Bestimmung der Erheblichkeit von Geräuschbelästigungen dar. Welcher Lärm noch zumutbar ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der durch die Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse bestimmten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit. Die Schutzbedürftigkeit wird vor allem durch den jeweiligen Gebietscharakter und durch eine planerische oder tatsächliche Vorbelastung bestimmt. Die TA Lärm setzt in Nr. 6.1 als Orientierungshilfe heranzuziehende Immissionsrichtwerte für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden fest, die nach dem jeweiligen Gebietscharakter gestaffelt sind.
Nach Nr. 3.2.1 Abs. 1 TA Lärm ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche sichergestellt, wenn die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte nach Nummer 6 nicht überschreitet. Die Ermittlung der Gesamtbelastung setzt im Genehmigungsverfahren zunächst stets eine Prognose der Geräuschimmissionen der zu beurteilenden Anlage voraus. Sofern im Einwirkungsbereich der Anlage neben den Geräuschen durch die zu beurteilende Anlage (Zusatzbelastung) auch andere Anlagengeräusche auftreten, ist außerdem die Vorbelastung zu bestimmen. Die Prognose muss sich auf alle zu betrachtenden Orte und einzuhaltenden Immissionsrichtwerte erstrecken.
Nach der Geräuschimmissionsprognose des TÜV Rheinland in der Fassung des "Nachtrags" vom 07.08.2006 beträgt der Gesamtbeurteilungspegel nachts am Grundstück des Antragstellers zu 1) - Immissionsort IO2 - 43,9 dB(A) und liegt somit unter dem nach Nr. 6.1 Buchst. c TA Lärm nachts in einem Mischgebiet einzuhaltenden Immissionsrichtwert von 45 dB(A). Gleiches ist für das Grundstück der Antragstellerin zu 3) anzunehmen, da es von der Biogasanlage und den Trockenkammern des Sägewerkes - wenn auch geringfügig - weiter entfernt liegt und die südlich dieses Grundstücks vorhandene Bebauung außerdem die von der Biogasanlage und den Trockenkammern hervorgerufenen Geräusche zumindest teilweise abdecken dürfte. Da nach der Geräuschimmissionsprognose des TÜV Rheinland der Gesamtbeurteilungspegel an dem Grundstück "Sxxx 17" - 104 - 39,6 dB(A) beträgt und somit unter dem nach Nr. 6.1 Buchst. d nachts in allgemeinen Wohngebieten einzuhaltenden Immissionsrichtwert von 40 dB(A) liegt, ist unter Zugrundelegung der Prognose des TÜV davon auszugehen, dass dieser Wert auch am Grundstück des Antragstellers zu 2) eingehalten wird, da es von der Biogasanlage und den Trockenkammern weiter entfernt liegt als das Grundstück "Sxxx 17" und die zwischen beiden Grundstücken vorhandene Bebauung die von der Biogasanlage und den Trockenkammern verursachten Lärmimmissionen noch vermindern dürfte.
Zweifel an der vom TÜV Rheinland erstellten Geräuschimmissionsprognose für die Nachtzeit ergeben sich zunächst nicht daraus, dass der Gutachter lediglich die Schallpegel der beiden Trockenkammern und nicht auch der Kettensägen und der sonstigen von dem Sägewerk betriebenen Maschinen gemessen hat. Denn der Betrieb dieser Maschinen vor 6.00 Uhr ist unzulässig, worauf der Antragsgegner die Firma Jxxx auch bereits hingewiesen hat. Entgegen der Behauptung der Antragsteller hat der Gutachter des TÜV Rheinland den Schallpegel der Trockenkammern auch bei Volllast - siehe sein Schreiben vom 07.09.2006 - und in einer Höhe von 4,0 bis 4,5 m - siehe S. 5 des Nachtrags zur Geräuschimmissionsprognose vom 07.08.2006 - gemessen. Der Gutachter ist auch nicht von einem Abstand von 160 m zwischen Trockenkammern und den Immissionsorten IO1 und IO2, sondern - zutreffend - davon ausgegangen, dass der Abstand 83,7 bis 103,5 m beträgt (vgl. Tabellen A3.3 und A3.4, S. 18 und 19 der Geräuschimmissionsprognose vom 07.08.2006). Die Angabe eines Abstandes von 160 m bezieht sich dagegen auf den Abstand zwischen Biogasanlage und den Immissionsorten IO1 und IO2 (vgl. Tabelle 3.1 der Geräuschimmissionsprognose vom 07.08.2006). Gegen die Annahme, dass an den Grundstücken der Antragsteller die maßgeblichen Immissionsrichtwerte nachts eingehalten werden, spricht schließlich auch nicht, dass der Gutachter des TÜV Rheinland von einer Prognoseunsicherheit von +2,0/-1,3 dB(A) ausgeht. Denn im Genehmigungsbescheid sind Immissionswerte nachts von 45 dB (A) bzw. 40 dB(A) verbindlich vorgegeben. Dass diese Werte von vornherein nicht eingehalten werden können, ergibt sich aus dieser Unsicherheit nicht. Darüber hinaus sind die Antragsteller durch die Möglichkeit, der Beigeladenen nachträglich die Einhaltung der jeweiligen Immissionsrichtwerte aufzugeben, hinreichend geschützt.
Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist auch nicht zu beanstanden, dass eine Geräuschimmissionsprognose für die Tagzeit nicht erstellt worden ist. Nach Nr. 2.2 Buchst. a TA Lärm liegen nur diejenigen Flächen im Einwirkungsbereich der zu beurteilenden Anlage, in denen die von der Anlage ausgehenden Geräusche einen Beurteilungspegel verursachen, der weniger als 10 dB(A) unter dem für diese Fläche maßgebenden Immissionsrichtwert liegt. Da die von der Biogasanlage ausgehenden Geräusche Beurteilungspegel verursachen, die die maßgeblichen Richtwerte für die Nachtzeit von 45 bzw. 40 dB(A) nicht überschreiten, verursachen die von der Anlage ausgehenden Geräusche lediglich Beurteilungspegel, die mehr als 10 dB(A), nämlich mindestens 15 dB(A) unter den für die Tageszeit geltenden Richtwerten von 60 bzw. 55 dB(A) liegen. Davon ist angesichts der Größenordnung der Unterschreitung selbst dann auszugehen, wenn - wie die Antragsteller meinen - entgegen der Auffassung des Gutachters die tagsüber zusätzlich auftretenden anlagenbezogenen Geräusche, insbesondere die dann stattfindenden Transportgeräusche, zu einer Erhöhung der Zusatzbelastung führen, weil angesichts der Größe der bewirtschafteten Fläche von mehr als lediglich 2 bis 3 Fahrten täglich für die Anlieferung der Feststoffe auszugehen sei.
b)
Von dem Betrieb der Biogasanlage gehen auch keine für die Antragsteller unzumutbaren Geruchsbelästigungen aus.
Bei der Beurteilung, ob die von der Biogasanlage ausgehenden Geruchsimmissionen erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind, legt das Gericht als Entscheidungshilfe die Immissionswerte und Bewertungsverfahren der Verwaltungsvorschrift zur Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen - GIRL - in der Fassung vom 21.09.2004, die durch den Gemeinsamen Runderlass vom 30.05.2006 (Nds.MBl. S. 57) eingeführt worden ist (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 23.08.2006 - 7 ME 116/05 -), sowie die auf dieser Grundlage erstellte Geruchsimmissionsprognose des TÜV Rheinland vom 15.07.2005 in der Fassung der "Nachbesserung" vom 29.11.2005 zugrunde.
Die GIRL legt für verschiedene Baugebiete Immissionswerte fest, wobei zwischen Wohn-/ Mischgebieten sowie Gewerbe-/Industriegebieten unterschieden wird. Die Grundstücke der Antragsteller liegen in einem Wohn- bzw. Mischgebiet. Für diese Gebiete legt die GIRL einen Immissionswert von 0,10 zugrunde. Danach liegt eine erhebliche Belästigung durch Gerüche vor, wenn die relative Häufigkeit der Geruchsstunden 10 v.H. der Jahresstunden überschreitet, wobei eine Geruchsstunde dadurch bestimmt ist, dass während eines Messzeitintervalls (10 Minuten je Messstelle) in mindestens 10 v.H. der Zeit Geruchsimmissionen erkannt werden.
Der TÜV Rheinland kommt in seiner Geruchsimmissionsprognose unter Zugrundelegung des in der GIRL vorgesehenen Ausbreitungsmodels AUSTAL2000G - dabei handelt es sich um ein verbessertes Ausbreitungsmodell, das in der GIRL i.d.F. vom 21.09.2004 zur Ermittlung der Geruchsausbreitung vorgesehen ist (vgl. auch Nds. OVG, Beschl. v. 16.05.2006 - 7 ME 6/06 -) - allerdings zu dem Ergebnis, dass die maximale Geruchshäufigkeit im Bereich der Wohnbebauung nordwestlich der Biogasanlage bzw. östlich des Biomasse-Logistik-Zentrums 9,6% der Jahresstunden beträgt. Diese Geruchshäufigkeit wird jedoch nach dem Inhalt des Gutachtens im Wesentlichen durch die Emissionen eines der Biomasse-Logistik-Zentren, das nicht Gegenstand der angefochtenen Genehmigung ist, hervorgerufen. Im Einwirkungsbereich der Biogasanlage selbst, in dem die Grundstücke der Antragsteller zu 1) und 3) liegen, ergeben sich daher - so das Gutachten - deutlich geringere Geruchshäufigkeiten. So ergeben sich für die Grundstücke der Antragsteller zu 1) und 3) aus der Abbildung 2a (S. 24 des Gutachtens) Geruchsstundenhäufigkeiten von nur 1,6 bis 2,6% der Jahresstunden und für das Grundstück des Antragstellers zu 2), das in etwa 300 m Entfernung eines der Biomasse-Logistik-Zentren liegt, von lediglich 6,1% der Jahresstunden. Im Hinblick auf dieses Ergebnis und im Hinblick darauf, dass das Gutachten bei seiner Prognose bereits von ungünstigen Betriebsbedingungen (Abgabe von 1% Biogasproduktion in die Umgebung) ausgeht, ist die Annahme der Antragsteller, die Geruchsstundenhäufigkeit sei grenzwertig und ein Überschreiten des Grenzwertes von 0,10 sei daher im Hinblick auf die nach ihrer Auffassung völlig unzureichenden Nebenbestimmungen zum Schutz vor unzumutbaren Geruchsbelästigungen (Nr. 2.2, 2.5, 2.8, 2.11) mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten, nicht nachvollziehbar. Dies gilt selbst dann, wenn das Gutachten etwa vorhandene Geruchsvorbelastungen - die Antragsteller haben diese konkret nicht benannt - nicht oder nicht vollständig berücksichtigt haben sollte. Insoweit ist allerdings anzumerken, dass der Gutachter des TÜV Rheinland wesentliche andere Geruchsquellen bei seiner Ortbesichtigung nicht festgestellt hat. Lediglich von dem unmittelbar an die Biogasanlage angrenzenden Sägewerk gehen danach in geringem Maße Geruchsemissionen (Holzgeruch) aus, die jedoch aufgrund ihrer Geruchsqualität und -intensität nicht wesentlich zur Geruchsimmission im Bereich der benachbarten Wohnbebauung beitragen.
Soweit während des Befüll- und Aufheizungsvorgangs im Laufe des Monats Dezember 2006 Geruchsbelästigungen aufgetreten sind, hat die Beigeladenen dies unwidersprochen damit erklärt, dass beim Einschalten der Heizung der Mindestfüllstand des Fermenters noch nicht erreicht bzw. ein nicht optimal "angeimpfter" Filter eingebaut worden war. Da es sich dabei um ausschließlich während der "Anfahrphase" auftretende Probleme handelt, ist nicht davon auszugehen, dass die Biogasanlage während des Dauerbetriebs für die Antragsteller unzumutbare Geruchsbelästigungen verursachen wird.
c)
Von der Biogasanlage gehen voraussichtlich auch keine sonstigen Gefahren, insbesondere keine Brand- und Explosionsgefahren aus. Denn nach der Stellungnahme des Landkreises Exxx vom 21.06.2006 sind die "Sicherheitstechnischen Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von Biogasanlagen" vom 01.11.2002 (MBl. S. 977), deren Geeignetheit die Antragsteller nicht in Frage gestellt haben, in die Planunterlagen der Antragstellerin eingearbeitet worden, so dass gegen die entsprechend der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 08.03.2006 errichtete Biogasanlage Bedenken aus der Sicht des vorbeugenden Brandschutzes nicht bestehen. Mit ihrem Einwand, die Bedenken des Landkreises Exxx gegen die Verlegung einer Gasleitung durch das vorhandene Kanalnetz seien nicht beachtet worden, können die Antragsteller nicht mit Erfolg geltend machen, durch die der Beigeladenen erteilte Genehmigung würden nachbarschützende Vorschriften verletzt. Denn diese Gasleitungen sind nicht Gegenstand der Genehmigung.
d)
Die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung verstößt auch nicht gegen andere öffentlich-rechtliche - insbesondere baurechtliche - Vorschriften, die ihrer Zweckbestimmung nach zumindest auch dem Schutz der Antragsteller zu dienen bestimmt sind.
Dahingestellt bleiben kann, ob es sich - wie die Antragsteller meinen - bei der Biogasanlage der Beigeladenen um einen erheblich belästigenden Gewerbebetrieb handelt, der nur in einem Industriegebiet nach § 9 BauNVO oder in einem Sondergebiet "Biogasanlage" zulässig ist. Denn lediglich Eigentümer von Grundstücken in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Gewerbegebiet haben einen bauplanungsrechtlichen Abwehranspruch gegen die Genehmigung einer in einem Gewerbegebiet nicht allgemein zulässigen Anlage. Im Rahmen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll jeder Planbetroffene im Sinne eines vorsorgenden Immissionsschutzes das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets verhindern können. Nachbarn, deren Grundstücke - wie hier die Grundstücke der Antragsteller - außerhalb des Gewerbegebietes liegen, haben einen Abwehranspruch gegen die Genehmigung dagegen nur, wenn sie selbst durch sie unzumutbar beeinträchtigt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.09.1992 - 7 C 7/92 -, NVwZ 1993, 987; VG Stade, Beschl. v. 10.07.2001 - 6 B 278/01 -, NVwZ 2002, 619). Das aber ist - wie oben dargelegt - gerade nicht der Fall.
Die Antragsteller können sich daher auch nicht mit Erfolg darauf berufen, es sei nicht sichergestellt bzw. nicht nachgewiesen, dass die im Bebauungsplan festgesetzten flächenbezogenen Schallleistungspegel eingehalten werden. Denn auch insoweit steht ihnen ein Abwehranspruch nur zu, wenn sie durch den von der Anlage ausgehenden Lärm in unzumutbarer Weise beeinträchtigt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, §§ 159, 162 Abs. 3 VwGO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,00 Euro festgesetzt.
Die Entscheidung hinsichtlich des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 3, § 52 Abs. 1, § 39 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 8 Buchst. a des Streitwertkatalogs der Bausenate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Nds. VBl. 2002, 192). Der danach für ein entsprechendes Hauptsacheverfahren anzunehmende Wert von 10.000,00 Euro für jedes der drei Grundstücke ist im Hinblick auf das vorliegende Eilverfahren zu halbieren.
Behrens
Dr. Hombert