Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 20.04.2006, Az.: 3 A 456/05

Asyl; Asylantragsteller; Asylbewerber; Asylverfahren; Ausländer; Einleitung; Einreise; Einreisedatum; Familie; Familieneinheit; Fiktion; Flüchtling; Kind; politische Verfolgung; Zuwanderungsgesetz

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
20.04.2006
Aktenzeichen
3 A 456/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 53368
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

§ 14 a Abs. 2 AsylVfG gilt nicht für ledige, unter 16 Jahre alte Kinder von Ausländern, wenn sie vor dem 01.01.2005 eingereist oder im Bundesgebiet geboren worden sind (entgegen Nds. OVG, Urteil vom 15.03.2006 - 10 LB 7/06).

Tatbestand:

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Der am I..2004 in J. /Bundesrepublik Deutschland geborene Kläger ist togoischer Staatsangehöriger. Hinsichtlich seines aus Togo stammenden Vaters stellte das Bundesamt aufgrund rechtskräftiger Verpflichtung (VG Braunschweig, Urteil vom 26.06.1995 - 9 A 9088/95 -; Nds.OVG, Beschluss vom 14.08.1995 - 3 L 5129/95 -) fest, dass in seiner Person die Voraussetzungen des § 53 Abs. 4 AuslG vorliegen. Das Asylverfahren seiner Mutter ist - soweit ersichtlich - noch nicht abgeschlossen. Mit Formularschreiben vom 01.02.2005 gab die zuständige Ausländerbehörde gegenüber der Außenstelle K. des Bundesamtes eine Meldung nach § 14 a AsylVfG ab. Das Bundesamt führte daraufhin für den Kläger ein Asylverfahren durch und lehnte mit Bescheid vom 26.07.2005 den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen; der Kläger wurde unter Fristsetzung und Abschiebungsandrohung nach Togo zur Ausreise aufgefordert.

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Am 02.08.2005 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er geltend macht, § 14 a Abs. 2 S. 1 AsylVfG greife in seinem Fall nicht ein.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 26.07.2005 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung beruft sie sich auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid, wonach maßgeblicher Zeitpunkt für den Eintritt der Fiktion des § 14 a Abs. 2 AsylVfG der Zugang der Anzeige beim Bundesamt sei. Danach gelte die Anzeigepflicht des Vertreters des Kindes und der Ausländerbehörde seit dem 01. Januar 2005. Unerheblich sei, wann das Kind nach Asylantragstellung der Eltern oder des Vertreters geboren worden sei.

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Nach Anhörung der Beteiligten hat die Kammer den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die den Beteiligten vorab übersandte Erkenntnismittelliste, die Gerichtsakte und die beigefügten Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge Bezug genommen. Die Unterlagen sind Gegenstand der Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid vom 26.07.2005 ist rechtswidrig, verletzt den Kläger in seinen Rechten und ist deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Ein fiktiver Asylantrag gemäß § 14 a Abs. 2 S. 1, 2. Alt. und S. 3 AsylVfG liegt für den Kläger nicht vor. Diese gemäß Art. 15 Abs. 3 des Zuwanderungsgesetzes ab dem 01.01.2005 geltende Regelung ist für den am I..2004 in J. geborenen Kläger nicht anwendbar. Der Einzelrichter folgt in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung weiterer Kammern des erkennenden Gerichts (VG Göttingen, Urteile vom 09.09. 2005 - 1 A 64/05 - und vom 18.01.2006 - 2 A 506/05 -) und anderer niedersächsischer Verwaltungsgerichte (VG Oldenburg, Beschluss vom 22.06.2005 - 11 B 2465/05 -; VG Lüneburg, Beschluss vom 01.08.2005 - 4 B 31/05 -) nach nochmaliger Überprüfung nicht dem 10. Senat des Nds.OVG (Urteil vom 15.03.2006 - 10 LB 7/06 -), sondern weiterhin der eingehenden Begründung im Beschluss der 3. Kammer des Gerichts vom 17.03.2005 (3 B 272/05), worin insbesondere ausgeführt wurde:

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§ 14a Abs. 2 AsylVfG dürfte entgegen der Annahme der Antragsgegnerin nicht eingreifen. Diese - mit Wirkung vom 1.1.2005 durch Art 3 Nr. 10 und Art. 15 Abs. 1 Halbs. 1 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.7.2004 (BGBl. I S. 1950) in das AsylVfG eingefügte - Norm lautet wie folgt:

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„Reist ein lediges, unter 16 Jahre altes Kind des Ausländers nach dessen Asylantragstellung ins Bundesgebiet ein oder wird es hier geboren, so ist dies dem Bundesamt unverzüglich anzuzeigen, wenn ein Elternteil eine Aufenthaltsgestattung besitzt oder sich nach Abschluss seines Asylverfahrens ohne Aufenthaltstitel oder mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes im Bundesgebiet aufhält (Satz 1). Die Anzeigepflicht obliegt neben dem Vertreter des Kindes im Sinne von § 12 Abs. 3 auch der Ausländerbehörde (Satz 2). Mit Zugang der Anzeige beim Bundesamt gilt ein Asylantrag für das Kind als gestellt (Satz 3).“

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Schon der Wortlaut der vorgenannten Norm dürfte eine Anwendung auf die Antragsteller nicht zulassen, da diese erkennbar weder am 1.1.2005 oder danach in das Bundesgebiet eingereist oder hier geboren worden sind. Hätte der Bundesgesetzgeber gewollt, dass von dem ab 1.1.2005 geltenden § 14a Abs. 2 AsylVfG auch Kinder erfasst werden, die vor dem 1.1.2005 in das Bundesgebiet eingereist sind oder hier geboren worden sind, hätte er nach dem Sprachgebrauch des Zuwanderungsgesetzes bzw. des AsylVfG a.F. eine andere Formulierung gewählt, indem er den 1. Halbsatz des § 14a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG sinngemäß etwa wie folgt gefasst hätte: „Ist ein lediges, unter 16 Jahre altes Kind des Ausländers nach dessen Asylantragstellung ins Bundesgebiet eingereist“ (vgl. insoweit § 15a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 AufenthG sowie § 87a Abs. 1 Satz 2 AsylVfG) „oder ist es hier geboren worden“ (vgl. insoweit § 104 Abs. 3 AufenthG). Selbst wenn man den Wortlaut des § 14a Abs. 2 AsylVfG entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht für „eindeutig“ halten wollte, deutet er jedenfalls nicht darauf hin, dass die Neuregelung auch alle bei ihrem In-Kraft-Treten am 1.1.2005 vorhandenen „Altfälle“ hat erfassen wollen.

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Würde der ab 1.1.2005 geltende § 14a Abs. 2 AsylVfG u.a. - wie im Falle der Antragsteller - auch für alle vor dem 1.1.2005 im Bundesgebiet geborenen minderjährigen ledigen Kinder von ehemaligen Asylbewerbern gelten, wäre dies eine Rückbewirkung von belastenden Rechtsfolgen für Sachverhalte eines Zeitraums, in dem die Gesetzesvorschrift mangels Verkündung noch nicht rechtlich existent war. Mit der „fiktiven“ Asylantragstellung können gravierende aufenthaltsrechtliche Konsequenzen verbunden sein. Nach § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG ist ein unbegründeter Asylantrags als offensichtlich unbegründet anzulehnen, wenn er für einen nach diesem Gesetz handlungsunfähigen Ausländer (d. h. beispielsweise für ein Kind vor Vollendung des 16. Lebensjahres, § 12 Abs. 1 AsylVfG) gestellt worden ist, nachdem zuvor Asylanträge der Eltern oder des allein sorgeberechtigten Elternteils unanfechtbar abgelehnt worden sind. Geht man davon aus, dass als „gestellter Asylantrag“ im Sinne des § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG auch ein solcher anzusehen ist, der nach § 14a Abs. 1 oder 2 AsylVfG als gestellt gilt, ist nach § 10 Abs. 3 Satz 2 und 3 AufenthG beispielsweise die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 oder 5 AufenthG vor der Ausreise ausgeschlossen. Selbst wenn der Vertreter eines ledigen minderjährigen Kindes unter 16 Jahren nach § 14a Abs. 3 AsylVfG auf die Durchführung eines Asylverfahrens für das Kind verzichten würde, dürfte dem Kind, wenn man diesen Verzicht mit einer Rücknahme des Asylantrages gleichsetzen würde, nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG vor der Ausreise nur eine Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe des Abschnitts 5 (§§ 22 bis 26) des AufenthG erteilt werden, es sei denn, es greift die Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG (Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis) ein. Eine Rückbewirkung von belastenden Rechtsfolgen wäre bei verfahrensrechtlichen Regelungen zwar nicht ohne Weiteres unzulässig, erforderte aber jedenfalls eine rechtsstaatlich gebotene eindeutige Übergangsregelung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.7.1992 - 2 BvR 1631, 1728/90 -, NVwZ 1992, 1182/1183). Zwar hat der Gesetzgeber des Zuwanderungsgesetzes bezogen auf die Änderungen des AsylVfG eine Übergangsregelung erlassen (vgl. § 87b AsylVfG), diese bezieht sich aber zweifelsfrei nicht auf die hier in Rede stehende Problematik des § 14a AsylVfG.

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Dem Gesetzgeber des Zuwanderungsgesetzes musste nach Ansicht des Gerichts im Übrigen bekannt sein, dass die Anwendung des neuen § 14a AsylVfG auf „Altfälle“ wie den der Antragsteller einer ausdrücklichen Übergangsregelung bedurft hätte. Die Norm mit ihrer Fiktion der Asylantragstellung für ledige Kinder bis zum vollendeten 16. Lebensjahr, durch die verhindert werden soll, dass durch sukzessive Asylantragstellung überlange Aufenthaltszeiten in Deutschland ohne aufenthaltsrechtliche Perspektive für die Betroffenen entstehen (vgl. BT-Drucks. 15/420, S. 108), geht maßgeblich auf einen Gesetzesantrag des Landes Niedersachsen („Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes“) zurück. Vor Einbringung des Gesetzesantrages im Bundesrat hat das Nds. Justizministerium u.a. die Präsidenten aller niedersächsischen Verwaltungsgerichte um Stellungnahme gebeten. Der damalige Präsident des VG Göttingen (und jetzige Präsident des Nds.OVG) hat in seinem Bericht an den Präsidenten des Nds. OVG zu diesem Gesetzesantrag vom 14.4.2000 - Geschäfts-Nr.: 373/6 - zu Artikel 3 (Inkrafttreten) ausdrücklich festgestellt, ihm erschienen „Übergangsregelungen unverzichtbar“ (Bericht S. 9). Beispielsweise sei „dringend regelungsbedürftig“ (Bericht, a.a.O.), ob etwa die formellen Vorschriften dieses Gesetzes „ausnahmsweise, nur teilweise oder überhaupt nicht auch für Ausländer gelten sollen, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eingereist bzw. im Bundesgebiet geboren worden sind, für die aber bisher kein eigener Asylantrags gestellt worden ist (vgl. § 14a E-AsylVfG)“. Wenn der Bundesgesetzgeber trotz solcher Hinweise Übergangsvorschriften zu § 14a AsylVfG nicht getroffen hat, spricht dies dafür, dass er sie nicht etwa „vergessen“ hat, sondern dass er sie bewusst nicht hat treffen wollen.

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Mangels einer im AsylVfG enthaltenen oder einer anderweitig im Zuwanderungsgesetz bestimmten und hier anwendbaren Übergangsvorschrift ist davon auszugehen, dass § 14a Abs. 2 AsylVfG nur Sachverhalte erfassen soll, bei denen minderjährige ledige Kinder von Asylbewerbern oder ehemaligen Asylbewerbern ab 1.1.2005 ins Bundesgebiet einreisen oder ab 1.1.2005 hier geboren werden. Zu diesem Personenkreis gehören die Antragsteller aber zweifelsfrei nicht.“

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Der 10. Senat des Nds.OVG (Urteil vom 15.03.2006, aaO., S. 9 ff) hält dagegen § 14 a Abs. 2 AsylVfG auch auf vor dem 01.01.2005 im Bundesgebiet geborene Kinder für anwendbar. Mangels einer ausdrücklichen Regelung des zeitlichen Anwendungsbereichs oder einer allgemeinen Übergangsregelung folge dies aus einer Auslegung der Norm. Deren Wortlaut beschränke die Anwendbarkeit - insbesondere durch die verwendeten Zeitformen - nicht auf die nach dem 01.01.2005 geborenen oder eingereisten Kinder. Der systematische Zusammenhang mit § 26 AsylVfG sowie der Sinn und Zweck der Vorschrift, nämlich die Asylverfahren zu straffen und zu beschleunigen sowie dem Missbrauch des Verfahrens durch sukzessive Antragstellungen entgegenzuwirken, sprächen ebenso für eine Anwendung auf die so genannten Altfälle wie die allgemeinen Grundsätze des intertemporalen Rechts; als rein verfahrensrechtliche Regelung eines Ersatzes der Asylantragstellung sei § 14 a Abs. 2 AsylVfG einschränkungslos anwendbar. Es handele sich nicht um eine echte (materiellrechtliche) Rückwirkung eines Gesetzes, sondern lediglich um eine tatbestandliche Rückanknüpfung. Weder Verfassungs- noch EU-Gemeinschaftsrecht ständen einer Anwendung auch auf vor dem 01.01.2005 im Bundesgebiet geborene Kinder entgegen.

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Diese Auffassung berücksichtigt nicht, dass der Gesetzgeber Kenntnis davon gehabt haben muss, dass die Rechtsprechung in der Anhörung des Gesetzgebungsverfahrens eine Übergangsvorschrift für erforderlich hielt, wenn diejenigen minderjährigen Ausländer, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eingereist bzw. im Bundesgebiet geboren worden sind, für die aber bisher kein eigener Asylantrags gestellt worden ist, von § 14 a AsylVfG erfasst werden sollten; erlassen wurde eine Übergangsvorschrift indes nicht, was dafür spricht, dass der Gesetzgeber die Altfälle nicht erfassen wollte. Diesem Argument kann nicht mit dem Sinn und Zweck der Gesetzesnovelle begegnet werden. Einer der wesentlichen mit dem Zuwanderungsgesetz verfolgten Zwecke war zweifelsohne, dass der Gesetzgeber das Asylverfahren beschleunigen und seinem Missbrauch durch sukzessive Antragstellungen sowie überlangen Verfahrensdauern entgegenwirken wollte (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 1 und 65). Diese Zielsetzungen liegen indes nahezu jeder Änderung des Asylverfahrensrechts seit mindestens 1993 zu Grunde und werden aller Voraussicht nach auch bei allen weiteren Änderungen eine wesentliche Rolle spielen, so dass aus dem Sinn und Zweck nicht zwingend folgt, der Gesetzgeber habe mit dem Zuwanderungsgesetz eine endgültige und umfassende Beschleunigung sowie die Schließung aller bereits erkannten verfahrensrechtlichen Missbrauchsmöglichkeiten beabsichtigt. Letzteres zeigt sich ins-besondere darin, dass zweifelsfrei eine Beschleunigungsregelung für ledige 16- bis 18-jährige ebenso wenig beabsichtigt war wie beispielsweise für minderjährige verheiratete Kinder, Ehegatten von Ausländern oder Folgeanträge. Wenn aber ersichtlich keine umfassende Einbeziehung aller potenziellen minderjährigen Mitglieder von Familienverbänden in das Asylverfahren eines der Elternteile beabsichtigt war, besteht auch kein Anlass, durch eine teleologisch argumentierende Auslegung den Anwendungsbereich des § 14 a Abs. 2 AsylVfG ausschließlich auf die vor dem 01.01.2005 im Bundesgebiet geborenen oder eingereisten ledigen Kinder unter 16 Jahren zu erweitern. Die Hoffnung des Gesetzgebers, mit der Einführung des § 14a AsylVfG würden auch die in der Vergangenheit regelmäßig als notwendig erachteten Altfall- und Härteregelungen weitgehend entfallen können (BT-Drs. 15/420, S. 108; vgl. Nds.OVG, Urteil vom 15.03.2006, aaO, S. 13) dürfte auf grundlegend falschen Voraussetzungen beruhen. Denn Alt- und Härtefallregelungen wurden bisher weitaus überwiegend nicht etwa erforderlich, weil Asylverfahren durch sukzessiv gestellte Asylerstanträge von Familienangehörigen über Jahre hinweg verzögert worden wären. Sie werden vielmehr hauptsächlich dann für erforderlich gehalten, wenn freiwillige Rückreisen und Abschiebungen nach dem Abschluss der Asylverfahren aufgrund von Bürgerkriegssituationen in den Herkunftsländern, ihren wirtschaftlichen Nachwirkungen, im Heimatstaat nicht behandelbaren Erkrankungen, unklaren Staatsangehörigkeiten, unzureichenden Rückführungsabkommen und schleppender Bearbeitung der Beschaffung von Reisedokumenten durch die Botschaften oder Konsulate über viele Jahre hinweg unmöglich bzw. unzumutbar waren und eine Beendigung des Hindernisses nicht absehbar ist.

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Auch die systematische Auslegung des § 14 a Abs. 2 AsylVfG durch das Urteil des 10. Senates (aaO., S. 11 f) vermag nicht zu überzeugen. „Unverzüglich“ ist in § 14 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG ein Bestandteil der Rechtsfolgenseite der Norm, bei dem ein Verstoß keine Sanktion zur Folge hat. Weder wäre eine Verletzung des Unverzüglichkeitsgebotes straf- oder bußgeldbewehrt (vgl. §§ 84 - 86 AsylVfG), noch ist ein Verlust von Verfahrensrechten oder ein Ausschluss des Vorbringens - wie beispielsweise in §§ 10 Abs. 2, 20 Abs. 2 Satz 1, 22 Abs. 3 Satz 2 oder 23 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG - oder gar die Unwirksamkeit einer nicht unverzüglichen Anzeige (vgl. § 14 a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG) damit verbunden. In § 26 a Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 AsylVfG in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung war „unverzüglich“ dagegen eine Voraussetzung des gesetzlichen Tatbestands, bei deren Verletzung der Anspruch auf Gewährung von Familienasyl unterging (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.05.1997 - 9 C 35.96 -, BVerwGE 104, 362-367). Durch das Erfordernis der Antragstellung unverzüglich nach der Geburt sollte, wie das BVerwG (aaO., Seite 365 unten) betonte, auch verhindert werden, dass eine verzögerte, bei mehreren Kindern auch sukzessive Stellung des Asylantrags die Beendigung des Aufenthalts der gesamten Familie im Falle der Erfolglosigkeit der Asylanträge der Eltern erschwerte; dies entspricht auffällig der Zielsetzung, die der Gesetzgeber mit der im Zuwanderungsgesetz erfolgten Abschaffung dieses Unverzüglichkeitsverbots verfolgen wollte. Wie angesichts der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ein Beschleunigungseffekt in Asylverfahren von Familienverbänden herbeigeführt werden könnte, indem für den nicht selbständig asylrechtlich handlungsfähigen Teil des Familienverbandes das sanktionsbewehrte Unverzüglichkeitsgebot aufgehoben und in einer anderen Norm als sanktionsloser Auftrag an die Vertreter der Kinder und die Ausländerbehörden im Rahmen einer Rechtsfolge wieder eingebaut wird, erschließt sich dem Einzelrichter nicht und hat auch der 10. Senat nicht dargelegt. Immerhin muss bei einem systematischen Vergleich zwischen § 14 a Abs. 2 AsylVfG und § 26 AsylVfG in der alten und neuen Fassung auch berücksichtigt werden, dass mit der Änderung des § 26 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG die aktuelle Rechtslage - gegenüber der bis zum 31.12.2004 geltenden -eine sanktionslose Verzögerung des Asylantrags durch die Vertreter der Kinder überhaupt erst ermöglich: sofern die zuständige Ausländerbehörde keine Anzeige beim Bundesamt erstattet, können sich die Vertreter der Kinder - denen der Gesetzgeber ja ein Interesse an der Verzögerung unterstellt - nunmehr beliebig Zeit lassen, weil ihr Verstoß gegen das Unverzüglichkeitsgebot folgenlos bleibt und die in Abs. 2 Satz 2 normierte Jahresfrist nicht gilt.

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Überdies zeigt der systematische Vergleich zwischen § 14 a und § 26 AsylVfG deutliche Unvereinbarkeiten auf. Zu denken ist dabei zum einen an asylsuchende Familien, bei denen ein Elternteil bereits unanfechtbar als asylberechtigt anerkannt ist und diese Anerkennung nicht aufzuheben ist, während der Asylantrag des anderen Elternteils noch nicht abschließend bearbeitet worden ist. Für Kinder, die die Voraussetzungen des § 14 a Abs. 2 AsylVfG erfüllen, gilt dann mit Rücksicht auf den (noch) nicht asylberechtigten Elternteil die Anzeigepflicht nach § 14 a Abs. 2 AsylVfG, mit Rücksicht auf den asylberechtigten Elternteil jedoch § 26 Abs. 2 AsylVfG, der nicht nur eine Jahresfrist zur Antragstellung hinsichtlich eines Teils der betroffenen Kinder einräumt, sondern auch die Gewährung von Familienasyl von einem darauf gerichteten Antrag abhängig macht. In der Anzeige des Aufenthalts nach § 14 a Abs. 2 AsylVfG durch die Ausländerbehörde ist ein solcher Antrag jedoch nicht enthalten, so dass die Ausländerbehörde mit der Anzeige die gesetzlich zugestandene Jahresfrist verkürzt, sowie einen unmittelbaren Einfluss auf den Prüfungsumfang des Bundesamtes und damit auf die materielle Rechtsposition des Kindes nehmen kann. Zum anderen gilt § 14 a Abs. 2 AsylVfG seinem Wortlaut nach auch für Ehepartner von Deutschen oder EU-Ausländern, die selbst nicht aus einem EU-Staat stammen und einen Asylantrag gestellt haben. Während die gemeinsamen Kinder in Bezug auf den Elternteil, der EU-Ausländer bzw. Deutscher ist, den entsprechenden ausländerrechtlichen Statusanspruch, einen Einbürgerungsanspruch oder gar die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, können sie durch eine Anzeige nach § 14a Abs. 2 AsylVfG in ein statusrechtlich relevantes Asylverfahren gedrängt werden. Unter diesen Umständen kann in § 26 AsylVfG kein systematisches Argument für eine erweiternde Auslegung des § 14 a Abs. 2 AsylVfG in Bezug auf die vor dem 01.01.2005 im Bundesgebiet geborenen oder eingereisten ledigen minderjährigen Kinder gesehen werden.

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Der systematische Zusammenhang zwischen den Absätzen 1 und 2 des § 14 a AsylVfG wurde im Urteil des 10. Senats des Nds.OVG vom 15.03.2006 nicht berücksichtigt. Während Abs. 1 für diejenigen minderjährigen, ledigen und nicht aufenthaltsberechtigten Kinder, die mit dem ausländischen Elternteil vor dessen Asylantragstellung einreisen, die Stellung eines Asylantrags gleichzeitig mit dem Elternteil fingiert, bezieht sich Abs. 2 auf die nach der Asylantragstellung (mindestens) eines Elternteils erfolgte Einreise oder Geburt des Kindes im Bundesgebiet, konstituiert insofern (zunächst nur) eine Anzeigepflicht und verschiebt den Eintritt der Fiktionswirkung auf den Zeitpunkt des Zugangs der Anzeige beim Bundesamt (Abs. 2 Satz 3). Zum Grund für die unterschiedliche Behandlung der beiden Fallgruppen in Bezug auf den Zeitpunkt der fiktiven Asylantragstellung äußert sich die Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drs. 15/420, S. 108) nicht; er dürfte darin liegen, dass dem Bundesamt in aller Regel der Aufenthalt der mit dem Elternteil eingereisten Kinder im Bundesgebiet mit dem Asylantrag des Elternteils bekannt wird, was bei einer nachträglichen Einreise des Kindes oder der Geburt in Deutschland eher nicht der Fall sein dürfte. Wäre Abs. 2 als bloßes Verfahrensrecht auch auf Kinder anwendbar, die vor dem 01.01.2005 eingereist oder im Bundesgebiet geboren sind, müsste dies entsprechend - für vor dem 01.01.2005 mit einem Elternteil eingereiste Kinder - logischerweise auch für Abs. 1 gelten, denn eine materiellrechtliche Wirkung, die sich von derjenigen des Abs. 2 unterscheidet, ist nicht zu erkennen. Das würde dann allerdings bedeuten, wenn der Elternteil den Asylantrag vor dem 01.01.2005 gestellt hat, dass die Fiktionswirkung gemäß Abs. 1 („gilt ... als gestellt“) des Asylantrags des Kindes über den Stichtag hinausreichen würde und damit der Asylantrag des Kindes als in einem Zeitpunkt als gestellt anzusehen wäre, an dem § 14 a Abs. 1 AsylVfG - der diese Fiktion anordnet - noch gar nicht in Kraft getreten war. Weil dies als „echte“ Rückwirkung jedoch unzulässig wäre und kein Grund ersichtlich ist, die in den Absätzen 1 und 2 des § 14 a AsylVfG geregelten Fallgruppen unterschiedlich zu behandeln, kann auch Abs. 2 nicht über den 01.01.2005 hinaus zurückwirken. Eine Regelungslücke kann dadurch nicht entstehen, weil auch jeder Asylfolgeantrag eines Elternteils nach dem 01.01.2005 als Asylantrag i.S.d. § 14 a AsylVfG zu werten wäre und die Fiktionswirkung hinsichtlich der Kinder auslösen würde.

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Nach alledem hält der Einzelrichter daran fest, dass der Wortlaut des § 14a Abs. 2 AsylVfG Kinder nicht erfasst, die vor dem 01.01.2005 im Bundesgebiet geboren wurden. Die Entstehungsgeschichte der Norm - im Hinblick auf die erfolgte Anhörung der Verwaltungsgerichtsbarkeit - und die zuletzt dargelegte systematische Überlegung stützen diese Auffassung, und andere systematische wie teleologische Argumente stehen ihr zumindest nicht entgegen. Es kommt nicht darauf an, ob die allgemeinen Grundsätze des intertemporalen Rechts, allgemeine Grundsätze des Anwendungszeitpunkts von neu geschaffenem Verfahrensrecht oder eine nur tatbestandliche Rückwirkung nicht einer Anzeigepflicht in Bezug auf die vor dem 01.01.2005 im Bundesgebiet geborenen oder eingereisten ledigen minderjährigen Kinder entgegenstehen würden. Dies wäre nur dann relevant, wenn der Gesetzgeber hinreichend bestimmt eine entsprechende Geltung des § 14 a Abs. 2 AsylVfG - ggf. durch eine Übergangsvorschrift - angeordnet hätte; dies ist jedoch nicht der Fall.

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Ebenfalls auf den Kläger unanwendbar ist § 14a Abs. 1 AsylVfG. Danach gilt mit der Asylantragstellung eines Ausländers zwar ein Asylantrag auch für jedes seiner Kinder als gestellt, wenn hinsichtlich des Kindes bestimmte weitere, vorliegend unzweifelhaft erfüllte Voraussetzungen vorliegen; wie bereits dargelegt, gilt dies aber nicht für Asylanträge, die vor dem 01.01.2005 gestellt wurden. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 26.07.2005, der trotz Fehlens eines rechtswirksam gestellten oder als gestellt geltenden Asylantrages (vgl. §§ 13f AsylVfG) erlassen worden ist, ist nach alledem rechtswidrig und kann keinen Bestand haben.

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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Zwar weicht die Entscheidung von dem Urteil des 10. Senates des Nds.OVG vom 15.03.2006 - 10 LB 7/06 - ab und beruht auf dieser Abweichung; dennoch sieht sich der Einzelrichter durch § 78 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG an einer Zulassung der Berufung gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO gehindert (ebenso Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 78 Rn 34).