Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 03.08.2010, Az.: 2 Ws 264/10
Fortdauer einer vor dem 31.01.1998 angeordneten Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 03.08.2010
- Aktenzeichen
- 2 Ws 264/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 22724
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2010:0803.2WS264.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - AZ: 17b StVK 10/10
Rechtsgrundlage
- § 67d Abs. 3 StGB
Fundstellen
- BewHi 2011, 102-103
- ZIS 2011, 44
Amtlicher Leitsatz
Art. 5 Abs. Abs. 1 Satz 2 und Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK in der Auslegung durch den EGMR vom 17.12.2009 stellen keine anderen gesetzlichen Bestimmungen im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB dar, die die Fortdauer einer vor dem 31.01.1998 angeordnete erste Sicherungsverwahrung über 10 Jahre hinaus hindern.
Tenor:
Die Sache wird dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt:
Stehen der Vollstreckung einer vor dem 31.01.1998 angeordneten ersten Sicherungsverwahrung über die Dauer von 10 Jahren hinaus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 lit. a) EMRK und Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK in Form der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 17.12.2009 (Individualbeschwerde Nr. 19359/04) als andere gesetzliche Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB entgegen?
Gründe
I. Mit Urteil vom 02.05.1990 verurteilte das Landgericht Lüneburg den Beschwerdeführer wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren und ordnete die anschließende Sicherungsverwahrung an.
Das Landgericht Lüneburg hat festgestellt, dass der Verurteilte in der Zeit von April 1972 bis Januar 1980 neun Mal wegen Diebstahlstaten verurteilt wurde, unter anderem zu einer Jugendstrafe von 9 Monaten, einer weiteren Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten, einer weiteren Jugendstrafe von unbestimmter Dauer zwischen zwei Jahren sechs Monaten und vier Jahren unter Einbeziehung der vorgenannten Jugendstrafen. Später wurde die Jugendstrafe in eine Jugendstrafe von vier Jahren umgewandelt. In den Jahren 1975 bis 1980 wurden gegen den Verurteilten wegen Diebstählen Freiheitsstrafen von vier Monaten, neun Monaten, zehn Monaten und zwei Jahren und drei Monaten verhängt und vollstreckt. Die Diebstahlstaten hatte der Verurteilte in einem Fall während eines Ausbruchs aus der JVA und in einem weiteren Fall während eines Hafturlaubs begangen. Am 14.01.1983 verurteilte das Landgericht Verden den Beschwerdeführer wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten, die bis zum 04.12.1989 vollstreckt wurde. Das Landgericht Verden stellte damals fest, dass der Verurteilte einen Rentner, mit dem er zuvor zusammen Alkohol getrunken hatte, am 02.06.1982 mit seinem Auto zunächst zum Bahnhof hatte fahren wollen, jedoch statt dessen nach vorangegangenen Beleidigungen des Rentners mit diesem von der Straße abgefahren war, sein späteres Opfer aus seinem Auto gezerrt und ihm mehrfach mit der Faust ins Gesicht geschlagen hatte. Der Rentner war umgefallen und der Verurteilte hatte ihm danach mit aller Kraft mit der Spitze seiner Stiefeletten gegen Brust und Bauch getreten. Als der Verurteilte glaubte, sein Opfer sei bereits tot, nahm er dessen Bargeld an sich und lud den Verletzten in den Kofferraum seines Autos. Er fuhr mit seinem Fahrzeug weiter zu einem kleinen Fluss und warf den Rentner dort hinein. Das Opfer wurde 3 Tage später, am 05.06.1982, gefunden.
Am Tag der Haftentlassung, den 04.12.1989, vereinbarte der Verurteilte mit zwei Mittätern, die damalige Marktleiterin der K. KG in U. zu überfallen, wenn diese die Tageseinnahmen zur dortigen Volksbank bringe. In Ausführung des gemeinsamen Plans ließen sich der Verurteilte und ein Mittäter von einem Dritten zur Volksbank fahren. Der Verurteilte und der Mittäter passten die später Geschädigte vor der Volksbank ab. Der Mittäter bedrohte sie mit einer vom Verurteilten am Tag der Entlassung von seinem Entlassungsgeld in Höhe von 800,00 DM gekauften Schreckschusspistole und riss ihr die Geldbombe mit über 12.000,00 DM aus der Hand. Sodann zwangen beide die Marktleiterin mit ihnen nach C. zu fahren, wo sie aussteigen musste. Der Versuch des Verurteilten, mit dem Wagen der Geschädigten weiter zu fliehen misslang, so dass beide Täter zu Fuß weiter flüchteten. Der Verurteilte gab dem Mittäter von der zwischenzeitlich von ihm abgezählten Beute 5.000,00 DM mit dem Bemerken, der Mittäter solle dem Dritten von diesem Betrag 2.000,00 DM abgeben.
Bis zum Ende der Strafhaft erhielt der Verurteilte keine Lockerungen. Die Aussetzung der anschließenden Sicherungsverwahrung zur Bewährung wurde durch Beschluss vom 06.12.1996 mit der Begründung abgelehnt, er sei bisher mangels Außenkontakten nicht in Vollzugslockerungen erprobt. Der Sachverständige Dr. L. kam in seinem Gutachten vom 12.02.1997 zur Diagnose einer dissozialen Persönlichkeitsstörung des Verurteilten. Dieser habe sich bis dahin in keiner Weise emotional mit seinen Taten auseinandergesetzt.
Am 01.04.2003 verurteilte ihn die große Strafkammer des Landgerichts Lüneburg mit Sitz in Celle wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Cannabis und Diamorphin) in 153 Fällen und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (Cannabis) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, die der Verurteilte in der Zeit vom 10.10.2003 bis zum 09.04.2007 verbüßte. Das Landgericht Lüneburg stellte in dem Urteil fest, dass der Verurteilte Heroin und Cannabis an Mithäftlinge verkauft hatte.
Alle Stellungnahmen der JVA bis zum 28.09.2007 enthalten den Hinweis auf die Verweigerung sämtlicher Behandlungsangebote. In der Stellungnahme vom 28.09.2007 wurde der Verurteilte als hasserfüllt beschrieben. Auch in den weiteren Stellungnahmen, zuletzt vom 10.05.2010 berichtete die JVA von einem unveränderten Zustand, insbesondere einer weiteren Ablehnung sämtlicher Behandlungsangebote.
Der psychiatrische Sachverständige Dr. W. kam in seinem Gutachten vom 02.04.2010, das er aufgrund der Weigerung des Verurteilten ohne vorangegangene Exploration nur nach Aktenlage erstattete, zu dem Schluss, dass bei dem Verurteilten eine hohe Wahrscheinlichkeit neuer Gewalttaten von 44 % innerhalb der nächsten 7 Jahre bestehe. Diese Wahrscheinlichkeit könne aber noch viel höher liegen, weil der Begutachtung zu wenige fein differenzierte Angaben zu der Biographie des Verurteilten zugrunde gelegen hätten. Ohne Tataufarbeitung sei von einem Fortbestehen der tatursächlichen Persönlichkeitsanteile auszugehen. Es seien beim Verurteilten keinerlei Hemmmechanismen erkennbar. Daraus resultiere diese hohe Gefahr neuer Gewalttaten.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 28.05.2010 ordnete die große Strafvoll-streckungskammer des Landgerichts Lüneburg mit Sitz in Celle die Fortdauer der Sicherungsverwahrung an, die am 04.06.2010 zehn Jahre vollstreckt wurde.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel zu verwerfen.
II. Der Senat will die sofortige Beschwerde als unbegründet verwerfen, würde damit aber von den Entscheidungen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24.06.2010 (3 Ws 485/10), des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 15.07.2010 (2 Ws 458/09), des Oberlandesgerichts Hamm vom 06.07.2010 (III-4 Ws 157/10) und des Oberlandesgerichts Schleswig vom 15.07.2010 (1 OJs 2/10 und 1 OJs 3/10) abweichen.
1. Der Senat geht von einem fortbestehenden Hang des Verurteilten zur Begehung schwerer Straftaten aus, durch die die Opfer schwer geschädigt werden. Er schließt sich der Einschätzung des Sachverständigen Dr. med. W., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, an, dass nach wie vor ein Hang zur Begehung von Taten vorliegt, die nach Art und Schweregrad auch der abgeurteilten Körperverletzung mit Todesfolge und dem am 04.12.1989 begangenen schweren Raub entsprechen. Diese Schlussfolgerung ist nachvollziehbar mit der fehlenden Aufarbeitung der tatursächlichen Persönlichkeitsanteile des Verurteilten begründet. Den Ausführungen zur Exploration des Sachverständigen Dr. L. in seinem Gutachten vom 12.02.1997 ist zu entnehmen, dass der Verurteilte hinsichtlich der Tötung des Rentners keinerlei Reue empfand. Er äußerte hierzu lediglich "Das war 'ne Sauferei und dann ist das passiert. Wenn mich einer soweit bringt, dass ich über meine Grenzen hinausgehe, dann hat er Pech gehabt." Eine neue Exploration verweigerte der Verurteilte. Zu der Raubtat aus Dezember 1989 äußerte er gegenüber Dr. L, damals eine "Stinkwut" gehabt zu haben, so dass "etwas passieren musste". Außerdem meinte er, es sei für einige Leute gut gewesen, dass er so schnell wieder in Haft gekommen sei.
2. Zu der Vorlagefrage hat der Senat in seinem Beschluss vom 25.05.2010 (2 Ws 169/10 und 2 Ws 170/10) ausgeführt:
"a) Nach der derzeit geltenden Regelung in § 67 d Abs. 3 StGB erklärt die Strafvollstreckungskammer die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach 10 Jahren Sicherungsverwahrungsvollzug nur dann für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, durch die die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Nach der Entscheidung des EGMR vom 17.12.2009 (Individualbeschwerde Nr. 19359/04), rechtskräftig durch Ablehnung des Verweisungsantrages der Bundesregierung durch den Ausschuss der großen Kammer vom 10.05.2010, stellt sich jedoch die Frage, ob § 67 d Abs. 3 StGB in der derzeit geltenden Fassung angewendet werden darf oder die Sicherungsverwahrung nach Ablauf von 10 Jahren ohne weitere Voraussetzungen für erledigt zu erklären ist.
§ 67 d Abs. 3 StGB in der derzeit geltenden Fassung ist durch das Gesetz vom 26.01.1998 zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten, in Kraft getreten am 31.01.1998, in dasStGB eingefügt worden. Während zuvor die erste Unterbringung in der Sicherungsverwahrung eine Dauer von 10 Jahren nicht übersteigen durfte (§ 67 d Abs. 1 StGB a. F.), wurde nunmehr bestimmt, dass die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach 10 Jahren Sicherungsverwahrungsvollzug nur dann für erledigt zu erklären ist, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Der EGMR hat mit Urteil vom 17.12.2009 entschieden, dass in dem ihm zur Entscheidung vorgelegten Fall M. gegen Deutschland eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 EMRK (Recht auf Freiheit) sowie eine Verletzung von Art. 7 Abs. 1 EMRK (Keine Strafe ohne Gesetz) durch die Freiheitsentziehung des Beschwerdeführers nach Ablauf von 10 Jahren der Sicherungsverwahrung vorliege. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass zwischen der Verurteilung des Beschwerdeführers im Jahr 1986 und seiner nach dem Zeitraum von 10 Jahren fortgesetzten Freiheitsentziehung im Rahmen der Sicherungsverwahrung kein hinreichender Kausalzusammenhang bestehe, da die weitere Freiheitsentziehung erst durch die später erfolgte Gesetzesänderung möglich wurde. Der Gerichtshof sieht ferner einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 der EMRK, da die Sicherungsverwahrung nach deutschem Recht als "Strafe" i. S. von Art. 7 Abs. 1 der Konvention einzustufen sei, insbesondere, weil es keinen wesentlichen Unterschied zwischen dem Vollzug einer Freiheitsstrafe und dem Vollzug einer angeordneten Sicherungsverwahrung gebe. Er stellt fest, dass es derzeit an zusätzlichen und wesentlichen Maßnahmen fehle, um sicherzustellen, dass die betreffenden Personen von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten werden.
Nach dieser Entscheidung stellt sich im vorliegenden Fall die Frage, ob § 67 d Abs. 3 StGB in der derzeit geltenden Fassung für die Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung des Untergebrachten in der Sicherungsverwahrung anzuwenden ist, da auch der Untergebrachte A. vor Inkrafttreten der jetzt gültigen Fassung des § 67 d Abs. 3 StGB verurteilt wurde bzw. die der Sicherungsverwahrung zugrunde liegenden Taten begangen hat.
Hinsichtlich der zeitlichen Anwendbarkeit der Vorschriften über die Maßregeln der Besserung und Sicherung bestimmt § 2 Abs. 6 StGB, dass nach dem Gesetz zu entscheiden ist, das zur Zeit der Entscheidung gilt, wenn gesetzlich nichts Anderes bestimmt ist. Nach einhelliger Auffassung gilt dabei § 2 Abs. 6 StGB nicht nur für die Anordnung der Maßregel, sondern auch für die Fortdauerentscheidungen im Rahmen der Vollstreckung der Maßregel (vgl. dazu BVerfGE 109, 133, [BVerfG 05.02.2004 - 2 BvR 2029/01] Rdnr. 182, zitiert nach juris, m. w. N.). Fraglich ist demnach, ob Art. 7 EMRK in der Auslegung durch den EGMR als andere gesetzliche Bestimmung i. S. von § 2 Abs. 6 StGB anzusehen ist (so Grabenwater, Rechtsgutachten zu den Rechtsfolgen des Urteils des EGMR vom 17.12.2009, S. 48). Dies wird vom Senat im Ergebnis verneint.
Zur Frage der Bindungswirkung von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für die deutschen Gerichte hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Görgülü-Beschluss vom 14.10.2004, 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307 ff. - einige grundlegende Entscheidungen getroffen. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, dass die materielle Rechtskraft aus Entscheidungen im Individualbeschwerdeverfahren vor dem EGMR durch die personellen, sachlichen und zeitlichen Grenzen des Streitgegenstandes begrenzt ist. Insbesondere verfüge das Konventionsrecht nicht über eine § 31 Abs. 1 BVerfGG vergleichbare Vorschrift, wonach alle Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden an die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gebunden sind. Innerstaatlich werden jedoch durch entsprechenden Konventionsbestimmungen in Verbindung mit dem Zustimmungsgesetz sowie durch rechtsstaatliche Anforderungen (Art. 20 Abs. 3, Art. 59 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG) alle Träger der deutschenöffentlichen Gewalt grundsätzlich an die Entscheidungen des Gerichtshofs gebunden. Danach unterliegen, so das Bundesverfassungsgericht, auch die deutschen Gerichte einer Pflicht zur Berücksichtigung der Entscheidungen des EGMR (BVerfG, aaO., Rdnr. 46, zitiert nach juris). Dies bedeutet konkret, so das Bundesverfassungsgericht, dass die deutschen Gerichte im Rahmen ihrer Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) die Gewährleistungen der EMRK und der Entscheidungen des EGMR im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung zu berücksichtigen haben. Sowohl die fehlende Auseinandersetzung mit einer Entscheidung des Gerichtshofs als auch deren gegen vorrangiges Recht verstoßende schematische Vollstreckung können deshalb gegen Grundrechte in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verstoßen (BVerfG, aaO., Rdnr. 47). Die Gerichte sind daher nicht gezwungen, Entscheidungen des EGMR schematisch zu vollstrecken, sondern müssen sich, so das Bundesverfassungsgericht, mit der Entscheidung des EGMR erkennbar auseinandersetzen und gegebenenfalls nachvollziehbar begründen, warum sie der völkerrechtlichen Rechtsauffassung gleichwohl nicht folgen. Das Bundesverfassungsgericht nennt dann als Beispiel für Fälle, in denen die Gerichte zu einem anderen Ergebnis kommen können, solche, in denen die Gerichte mehrpolige Grundrechtsverhältnisse auszugestalten haben, in denen es auf sensible Abwägungen zwischen verschiedenen subjektiven Rechtspositionen ankomme (BVerfG, aaO., Rdnr. 50).
Zieht man diese Grundsätze für die Beantwortung der Frage heran, ob Art. 7 EMRK in der Auslegung durch den EGMR als andere gesetzliche Bestimmung in § 2 Abs. 6 StGB angesehen werden kann, so ist demnach zu prüfen, ob sich dies noch im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung halten lässt. Der Senat kommt insoweit, anders als etwa Grabenwater in seinem Rechtsgutachten, zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall ist. Dies folgt aus den einschlägigen Passagen desEinführungsgesetzes zum StGB zur zeitlichen Anwendbarkeit des § 67 d StGB in der Fassung des Gesetzes vom 26.01.1998 zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten. In Art. 1 a Abs. 3 EGStGB in der Fassung vom 26.01.1998 bis zum 31.03.2004 hat der Gesetzgeber ausdrücklich bestimmt, dass § 67 d des StGB in der Fassung dieses Gesetzes uneingeschränkt Anwendung findet, während in Art. 1 a Abs. 2 EGStGB bestimmt wurde, dass § 66 Abs. 3 StGB nur Anwendung finden soll, wenn der Täter eine der Straftaten der in § 66 Abs. 3 Satz 1 des StGB bezeichneten Taten nach dem 31.01.1998 begangen hat. In den Gesetzesmaterialien heißt es soweit ausdrücklich, dass für die Neuregelung der Sicherungsverwahrung in § 66 Abs. 3 StGB eine eingeschränkte Rückwirkung vorgesehen wird, wonach es genügt, wenn eine der dort in Satz 1 genannten Taten nach dem Inkrafttreten der Neuregelung begangen wird. Diese Regelung erfolge mit Blick auf den aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Grundsatz des Vertrauensschutzes und stelle sicher, dass sich der - regelmäßig voll schuldfähige - Täter mit seinem künftigen Verhalten noch auf die neue Rechtslage einstellen könne. Hingegen sehe der Entwurf vor, die Änderung in § 67 d StGB - also die Änderung zur Dauer der Sicherungsverwahrung - uneingeschränkt rückwirkend in Kraft zu setzen. Da diese Neuregelungen nicht die Anordnung, sondern allein die Dauer der Sicherungsverwahrung betreffen, seien an den Rückwirkungsschutz von Verfassungs wegen nicht dieselben hohen Anforderungen wie im Fall des § 66 Abs. 3 StGB-E zu stellen (BT-Drucksache 13/9062, Bericht des Rechtsausschusses, S. 12). Es entspricht mithin dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, der Neuregelung in § 67 d Abs. 3 StGB zur zeitlichen Dauer der Sicherungsverwahrung zeitlich uneingeschränkt Geltung zu verschaffen, während er im Hinblick auf die Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung ausdrücklich eine eingeschränkte zeitliche Geltung, nämlich erst für Taten ab Inkrafttreten der Neuregelung, vorgesehen hat. Im Hinblick auf diesen im EGStGB auch eindeutig zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers zur zeitlich uneingeschränkten Anwendbarkeit der Neuregelung zur Dauer der Sicherungsverwahrung erscheint es dem Senat methodisch nicht mehr vertretbar, § 2 Abs. 6 StGB so auszulegen, dass Art. 7 EMRK in der Auslegung durch den EGMR eine andere gesetzliche Bestimmung wäre. Dies widerspräche eindeutig dem in Art. 1 a Abs. 3 EGStGB i. d. F. d. G. vom 26.01.1998 deutlich zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers zur rückwirkenden Geltung der Neuregelung zur Dauer der Sicherungsverwahrung.
Auch aus der nachträglichen Streichung der Absätze 2 und 3 in Art. 1 a EGStGB durch das Gesetz vom 23.07.2004, mit dem die nachträgliche Sicherungsverwahrung eingeführt wurde, können keine anderen Schlüsse gezogen werden. Aus den Gesetzesmaterialien folgt, dass die Streichung erfolgte, weil die Regelungen im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 05.02.2004 - 2 BvR 2029/01 - und vom 10.02.2004 - 2 BvR 834/02 u. a. - verzichtbar erschienen (BT-Drucksache 15/2887, S. 20). Bei der Entscheidung vom 05.02.2004 handelt es sich um die bereits zitierte Entscheidung zu dem Fall, der der Entscheidung des EGMR zugrunde lag und in dem das Bundesverfassungsgericht gerade den nachträglichen Wegfall der Zehnjahresgrenze für die erstmalige Anordnung der Sicherungsverwahrung für mit der Verfassung vereinbar erklärt hat. Aus dem Wegfall der gesetzlichen Regelung in Art. 1 a EGStGB durch das Gesetz vom 23.07.2004 lässt sich also kein neuer oder anderer Wille des Gesetzgebers hinsichtlich der zeitlichen Anwendbarkeit der Neuregelung zur Dauer der Sicherungsverwahrung ableiten.
Zum gleichen Ergebnis führt eine Berücksichtigung der Grundsätze der verfassungskonformen Auslegung. In Erwägung zu ziehen ist zwar, ob § 67 d Abs. 3 StGB in der derzeit geltenden Fassung im Lichte des Freiheitsgrundrechtes aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG und Art. 5 Abs. 1 EMRK so auszulegen ist, wie dies der EGMR in seiner Entscheidung vom 17.12.2009 umgesetzt hat. Eine verfassungskonforme Auslegung kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesetzeszusammenhang der einschlägigen Regelungen und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zulassen, von denen eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt. Unter diesen Voraussetzungen ist das verfassungsgemäße Ergebnis geboten (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, vgl. nur BVerfGE 88, 145, 166; BVerfGE 95, 64, 81 und 93; BVerfGE 110, 226, 227; BVerfGE 112, 164, 182 f. [BVerfG 11.01.2005 - 2 BvR 167/02]). Die verfassungskonforme Auslegung des einfachen Gesetzesrechts darf allerdings nicht dazu führen, mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch zu treten (BVerfGE 86, 288, 320 [BVerfG 03.06.1992 - 2 BvR 1041/88]; BVerfGE 95, 64, 93; BVerfGE 101, 312, 329 [BVerfG 14.12.1999 - 1 BvR 1327/98]). Einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz darf nicht ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden (BVerfGE 71, 81, 105 [BVerfG 22.10.1985 - 1 BvL 44/83]; BVerfGE 90, 263, 276; BVerfGE 109, 279, 316 ff.). Auch nach den Grundsätzen der verfassungskonformen Auslegung sind also der gesetzgeberische Wille und der Wortlaut des Gesetzes Grenzen für die Auslegung im Sinne der Entscheidung des EGMR. Da aber der gesetzgeberische Wille seinen eindeutigen Ausdruck gefunden hat eben in Art. 1 a Abs. 3 EGStGB in der Fassung vom 26.01.1998, lässt sich mit den Grundsätzen der verfassungskonformen Auslegung die Nichtanwendung des § 67 d Abs. 3 StGB in der derzeit geltenden Fassung nicht begründen.
Im Übrigen ist im Hinblick auf die verfassungskonforme Auslegung zu berücksichtigen, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zu dem Fall, der auch der Entscheidung des EGMR zugrunde lag, in der derzeitigen Regelung der Dauer der Sicherungsverwahrung in § 67 d StGB keinen Verstoß gegen das Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG und das Rückwirkungsverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG gesehen hat (BVerfGE 109, 133 ff [BVerfG 05.02.2004 - 2 BvR 2029/01]). Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr in jener Sache festgehalten, dass der Staat die Aufgabe habe, die Grundrechte potentieller Opfer vor Verletzungen durch potentielle Straftäter zu schützen. Diese Schutzpflicht des Staates sei umso intensiver, je mehr die Gefährdung sich konkretisiere und individualisiere und je stärker sie die Gefährdung elementarer Lebensbereiche betreffe. Je existentieller die Grundrechte für den Einzelnen seien, desto intensiver müsse der staatliche Schutz vor Gefährdungen und Beeinträchtigungen sein. Vor diesem Hintergrund sei die Aufhebung der Zehnjahreshöchstfrist verfassungsrechtlich unbedenklich. Das Bundesverfassungsgericht hat ferner entschieden, dass das absolute Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG die Maßregeln der Besserung und Sicherung des StGB nicht umfasse, da diese im Gegensatz zur Strafe nicht dem Zweck dienen, begangenes Unrecht zu sühnen, sondern dazu, die Allgemeinheit vor dem Täter zu schützen (BVerfGE 109, 133, [BVerfG 05.02.2004 - 2 BvR 2029/01] Rdnr. 123, 145, zitiert nach juris). Die Neuregelung stehe auch im Einklang mit dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgebot. Nach § 2 Abs. 6 StGB habe nämlich die Zehnjahreshöchstfrist ebenso wie alle anderen Regelungen über Maßregeln der Besserung und Sicherung von Anfang an unter dem Vorbehalt einer gesetzlichen Änderung gestanden (BVerfG aaO., Rdnr. 182).
Gegen eine schematische Übertragung der Entscheidung des EGMR vom 17.12.2009 auf weitere Fälle, in denen die Sicherungsverwahrung vor 1998 angeordnet wurde, spricht auch, dass es sich in diesen Fällen stets um mehrpolige Grundrechtsverhältnisse handelt, in denen, so das Bundesverfassungsgericht in dem oben zitierten Görgülü-Beschluss, die Abwägung durch das deutsche Gericht auch anders ausfallen kann. Zwar wird teilweise vertreten, dass die Einschränkungen, die das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung bezüglich der Bindungswirkung der EGMR-Urteile für das Zivilrecht macht, wegen der im Strafrecht fehlenden mehrpoligen Rechtsverhältnisse keine Geltung beanspruchen könnten (Kinzig, NStZ 2010, S. 233). Diese Einschränkung überzeugt jedoch nicht. Das Bundesverfassungsgericht bezeichnet das Privatrecht ausdrücklich als Beispiel für Fälle, in denen staatliche Gerichte mehrpolige Grundrechtsverhältnisse auszugestalten haben ("in denen staatliche Gerichte wie im Privatrecht mehrpolige Grundrechtsverhältnisse auszugestalten haben"). Angesichts der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den aus den Grundrechten resultierenden Schutzpflichten des Staates für Grundrechte potentieller Opfer vor Verletzungen durch potentielle Straftäter (BVerfGE 109, 133, [BVerfG 05.02.2004 - 2 BvR 2029/01] Rdnr. 185, zitiert nach juris) erschließt sich dem Senat nicht, warum bei der Frage der Beendigung der Sicherungsverwahrung keine mehrpoligen Grundrechtsverhältnisse zueinander in Abwägung zu bringen sein sollen. Vielmehr erscheint dem Senat die Frage der Beendigung der Sicherungsverwahrung und damit die Abwägung der Grundrechte potentieller Opfer vor Verletzungen durch potentielle Straftäter und das Freiheitsrecht der Untergebrachten geradezu ein Musterbeispiel für ein mehrpoliges Grundrechtsverhältnis.
Im Rahmen der sodann vorzunehmenden Abwägung der grundrechtlich geschützten Positionen potentieller Opfer und des Freiheitsrechtes des Untergebrachten ist - im Einklang mit dem Willen des deutschen Gesetzgebers (s. dazu Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 13.9062 S. 7) - den Grundrechten potentieller Opfer höheres Gewicht zuzumessen als dem Freiheitsrecht des Untergebrachten, sofern die Voraussetzungen des § 67 d Abs. 3 StGB erfüllt sind. Dabei ist zudem zu berücksichtigen, dass auch in der Rechtsprechung des EGMR aus den Freiheitsrechten folgende Schutzpflichten des Staates grundsätzlich anerkannt sind. Die Rechtsprechung des EGMR ist insgesamt nicht eindeutig, so dass allein aus der Entscheidung vom 17.12.2009 keine Schlussfolgerungen daraus gezogen werden können, wie der EGMR in vergleichbaren Fällen entscheiden würde. Der EGMR ist nämlich in der Entscheidung vom 17.12.2009 mit keinem Wort auf die aus den Freiheitsrechten resultierenden Schutzpflichten des Staates eingegangen, die nach der Rechtsprechung des EGMR im Übrigen gleichwohl anerkannt sind. In der Entscheidung vom 24.10.2002 - 37703/97 (Mastromatteo/Italien) - NJW 2003, 3259 -, hat die große Kammer des EGMR nämlich entschieden, dass Art. 2 Abs. 1 Satz 1 EMRK die Staaten nicht nur dazu verpflichtet, vorsätzliches und rechtswidriges Töten zu unterlassen, sondern auch dazu, notwendige Maßnahmen zum Schutz des Lebens von Personen zu treffen, die ihrer Hoheitsgewalt unterstehen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs besteht eine solche positive Verpflichtung zum Handeln, wenn bewiesen ist, dass die Behörden das Bestehen einer wirklichen und unmittelbaren Gefahr für das Leben einer oder mehrerer Personen kannten oder hätten kennen müssen, und dennoch nicht im Rahmen ihrer Möglichkeiten Maßnahmen getroffen haben, die nach vernünftiger Beurteilung die Gefahr hätten vermeiden können. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall behauptete der Beschwerdeführer, dass die italienischen Behörden ihre positive Verpflichtung, das Leben seines Sohnes zu schützen, dadurch verletzt hätten, dass sie gefährlichen Gewohnheitsverbrechern erlaubt hätten, das Gefängnis zu verlassen. Der zuständige Richter habe seine Pflichten besonders deswegen verletzt, weil er den Gefangenen beurlaubt habe, der seinen Sohn ermordet habe. In dem konkreten Fall hat der EGMR eine Konventionsverletzung verneint, weil das italienische System ausreichende Maßnahmen vorgesehen habe, um den Schutz der Gesellschaft zu gewährleisten. Es habe auch keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass es notwendig sein könnte, zusätzliche Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass die beurlaubten Gefangenen außerhalb des Gefängnisses keine Gefahr für die Gesellschaft darstellten (Z. 76). Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung der großen Kammer des EGMR ist es unverständlich, warum die 5. Kammer des EGMR in ihrer Entscheidung vom 17.12.2009 mit keinem Wort auf die aus der EGMR resultierenden Pflichten zum Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Straftätern eingeht.
Festzuhalten ist daher im Ergebnis, dass Art. 7 EMRK in der Auslegung durch den EGMR vom 17.12.2009 nicht als andere gesetzliche Bestimmung i. S. von § 2 Abs. 6 StGB herangezogen werden kann, da sich eine solche Auslegung nicht mehr im Rahmen methodisch vertretbarer oder verfassungskonformer Gesetzesauslegung hält und bei der erforderlichen Abwägung zwischen den Freiheitsrechten des Untergebrachten und den Grundrechten potentieller Opfer vor Verletzungen deren Grundrechten der Vorrang einzuräumen ist.
Dementsprechend kann auch Art. 5 EMRK in der Auslegung durch den EGMR in seiner Entscheidung vom 17.12.2009 nicht als andere gesetzliche Bestimmung i. S. von § 2 Abs. 6 StGB herangezogen werden. Hier stellen sich die gleichen Fragen nach der Bindungswirkung der Entscheidung des EGMR wie zu Art. 7, die im Ergebnis nicht anders zu beurteilen sind, da die Entscheidung des EGMR zu Art. 5 EMRK letztlich gegenüber der Argumentation zu Art. 7 EMRK keinen eigenständigen Gehalt aufweist. Der EGMR begründet den Konventionsverstoß gegen Art. 5 EMRK zwar damit, dass die Sicherungsverwahrung, in der sich der Verurteilte befinde, nicht mehr kausal auf die ursprüngliche Gerichtsentscheidung zurückführen lasse. Kausalität wird damit jedoch offensichtlich nicht verstanden als conditio sine qua non, sondern als Wertungszusammenhang, der durch die Neufassung des Gesetzes zur Dauer der Sicherungsverwahrung von 1998 wegen des Verbots rückwirkender Geltung von Strafgesetzen durchbrochen worden sei. Damit wird der Verstoß gegen Art. 5 EMRK tatsächlich ebenso wie der Verstoß gegen Art. 7 EMRK damit begründet, dass ein rückwirkendes Gesetz erlassen worden ist, also wiederum mit dem Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot aus Art. 7 EMRK. Im Hinblick auf den Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot kann jedoch auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Schließlich ist auch im Hinblick auf Art. 5 EMRK und die ursprüngliche Entscheidung des erkennenden Gerichts zur Verhängung der Sicherungsverwahrung zu berücksichtigen, dass deren Verhängung wegen § 2 Abs. 6 StGB von Beginn an unter dem Vorbehalt späterer gesetzlicher Änderungen stand."
Dem sind im Ergebnis das Oberlandesgericht Stuttgart mit Beschluss vom 01.06.2010 (1 Ws 57/10), das Oberlandesgericht Koblenz mit Beschlüssen vom 22.06.2010 (1 Ws 240/10) und vom 07.06.2010 (1 Ws 108/10), das Oberlandesgericht Nürnberg mit Beschlüssen vom 24.06.2010 (1 Ws 315/10 und 2 Ws 78/10) und das Oberlandesgericht Köln mit Beschluss vom 14.07.2010 (2 Ws 431/10) gefolgt.
An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest und möchte deshalb die sofortige Beschwerde des Verurteilten verwerfen.
Demgegenüber halten das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, das Oberlandesgericht Hamm, das Oberlandesgericht Schleswig und das Oberlandesgericht Karlsruhe (jeweils aaO.) Art. 5 und 7 Abs. 1 EMRK für andere gesetzliche Bestimmungen im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB. Zur Begründung führen diese Beschlüsse im Ergebnis aus, die EMRK stehe nach der Transformation in deutsches Recht im Range eines einfachen Bundesgesetzes, wobei nicht nur die Konvention selbst, sondern auch die Rechtsauffassung des EGMR in seinen Entscheidungen zur Auslegung der Konvention die deutschen Gerichte binde, und zwar nicht nur in dem jeweils der Entscheidung zugrundeliegenden Einzelfall, sondern auch in anderen Fällen. Das von den genannten Oberlandesgerichten verwendete Argument, die in der Senatsentscheidung vom 25.05.2010 vorgenommene Auslegung von § 2 Abs. 6 StGB entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers, da die Regelung des § 1a Abs. 3 EGStGB im Jahr 2004 wieder gestrichen wurde (so u.a. OLG Hamm aaO.), überzeugt nicht. Wie der Senat in dem Beschluss vom 25.05.2010 bereits ausgeführt hat, wurden die Absätze 2 und 3 in Art. 1 a EGStGB wieder gestrichen, weil der Gesetzgeber sie nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 05.02.2004 und vom 10.02.2004 für verzichtbar hielt (BT-Drucksache 15/2887, S. 20). Für eine geänderte Intention des Gesetzgebers zur Frage des Geltungsumfangs von § 2 Abs. 6 StGB bei der Problematik der Sicherungsverwahrung lässt sich daraus nichts herleiten, vielmehr deutet die Gesetzesbegründung auf eine Beibehaltung des ursprünglichen gesetzgeberischen Willens hin.
Im Ergebnis unterscheidet sich die Rechtsprechung des Senats und der Oberlandesgerichte Stuttgart, Nürnberg, Koblenz und Köln von den Entscheidungen der Oberlandesgerichte Frankfurt, Hamm, Karlsruhe und Schleswig in der Frage der praktischen Bindungswirkung einer Entscheidung des EGMR. Während der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weiterhin die Auffassung vertritt, eine Entscheidung des EGMR betreffe nur den jeweiligen Einzelfall, allerdings seien ihre Grundsätze in anderen Einzelfällen in die jeweilige Abwägung einzubeziehen, entnehmen die abweichenden Entscheidungen den Ausführungen des EGMR eine grundsätzliche, auch für andere Fälle bindende Bedeutung.
III. Der Senat legt die Sache dem Bundesgerichtshof gemäß § 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG in der seit dem 30.07.2010 geltenden Fassung zur Entscheidung der im Tenor genannten Rechtsfrage vor.
IV. Zu einer Aussetzung der Vollziehung der Sicherungsverwahrung nach § 307 Abs. 2 StPO sah der Senat sich im Hinblick auf seine Entscheidung vom 25.05.2010 nicht veranlasst.