Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 06.08.2010, Az.: 32 Ss 92/10
Unzutreffende Angaben zur Trinkmenge i.R.e. Polizeikontrolle rechtfertigen alleine nicht den Schluss auf eine vorsätzliche Begehung einer Trunkenheitsfahrt; Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen bei einer Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 06.08.2010
- Aktenzeichen
- 32 Ss 92/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 36903
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2010:0806.32SS92.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 20.11.2009
- LG Hannover - 20.04.2010
Rechtsgrundlage
- § 316 Abs. 1 StGB
Verfahrensgegenstand
Fahrlässige Trunkenheit im Verkehr
Amtlicher Leitsatz
Zu den Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen bei einer Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt.
In der Strafsache
...
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil der 15. kleinen Strafkammer des Landgerichts Hannover vom 20. April 2010 nach Anhörung und teilweise nach Antrag der Generalstaatsanwaltschaft
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht,
die Richterin am Oberlandesgericht sowie
den Richter am Oberlandesgericht
am 6. August 2010
einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Revision der Angeklagten wird mit der Maßgabe verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO), dass sie einer fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 2 StGB schuldig ist.
Die Angeklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 20.11.2009, mit dem diese wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 65 EUR verurteilt wurde, die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen entzogen und der Führerschein eingezogen wurde sowie die Verwaltungsbehörde angewiesen wurde, der Angeklagten vor Ablauf von drei Monaten keine neue Fährerlaubnis zu erteilen, verworfen.
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteiles hatte die - strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getretene Angeklagte gemeinsam mit ihrem Ehemann am 12.02.2009 im Restaurant "Metaxa" in Laatzen gegessen und in nicht mehr feststellbarem Umfang alkoholische Getränke zu sich genommen. Trotz der Alkoholbeeinflussung - die knapp eine Stunde nach Trinkende entnommene Blutprobe wies eine Blutalkoholkonzentration von 1,34 g /00 auf - und dem Wissen um ihre Fahruntüchtigkeit befuhr die Angeklagte mit dem Pkw Mercedes ihres Ehemannes u.a. die Straße ,Am Kamp" in Laatzen. Die Angeklagte gab gegenüber den sie kontrollierenden Polizeibeamten zunächst an, in dem Restaurant nur ein Bier getrunken zu haben, bei Entnahme der Blutprobe änderte sie ihre Angaben dahin, ein Bier zu 0,33 I, ein kleines Glas Ouzo und ein Glas Rosewein getrunken zu haben. Den kontrollierenden Polizeibeamten fiel während der Kontrolle der leicht schwankende Gang der Angeklagten auf.
Das Landgericht hat die festgestellte Tat als vorsätzlich begangene Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 StGB) gewertet.
Zur inneren Tatseite hat es u.a. ausgeführt, die Angeklagte sei aufgrund der festgestellten, nur leicht über der Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit liegenden Blutalkoholkonzentration bei Fahrtantritt in der Lage gewesen, ihre Fahrtüchtigkeit zu überprüfen und zu beurteilen. Da sie ihren schwankenden Gang erkannt habe, habe sie zumindest billigend in Kauf genommen, aufgrund der genossenen Alkoholmenge- nach den Ausführungen des die Strafkammer beratenden Sachverständigen ca. 3 1/2 I Bier oder zwei Flaschen Weißwein - nicht mehr fahrtüchtig zu sein. Die bloße Behauptung der Angeklagten, sie habe sich "noch fahrtüchtig gefühlt" sei nicht geeignet, ernsthafte Zweifel am Vorliegen des zumindest bedingten Vorsatzes zu begründen. Für die billigende Inkaufnahme ihrer Fahruntüchtigkeit sprächen vielmehr auch ihre Angaben über ihre Trinkmenge im Rahmen der Polizeikontrolle und später bei der Entnahme der Blutprobe, mit denen sie deutlich geringere Trinkmengen angegeben habe, als sie tatsächlich konsumiert habe.
Die zulässig erhobene Revision führt auf die Sachrüge zu der in der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruches. Im Übrigen erweist sie sich als offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Zwar hat das Landgericht zutreffend erkannt, dass die Annahme einer vorsätzlichen Tat nicht allein auf die Höhe der festgestellten Blutalkoholkonzentration gestützt werden kann (vgl. Fischer, StGB, 57. Aufl., § 316 Rdnr. 46 m.w.N.). Es bedarf vielmehr der Feststellungen weiterer, auf eine vorsätzliche Begehungsweise hinweisender Umstände (OLG Celle, NZV 1998, 123).
Die von dem Sachverständigen errechnete Trinkmenge von 3 1/2 Liter Bier oder zwei Flaschen Weißwein rechtfertigt die Annahme vorsätzlichen. Handelns nicht, denn es gibt keinen Erfahrungssatz dahin, dass derjenige, der viel trinkt, seine Fahruntüchtigkeit kennt und billigt (vgl. Schönke-Schröder-Sternberg-Lieben/Hecker, StGB, 28. Aufl., § 316 Rdnr. 23 m.w.N.; Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Auflage 2010, § 316 Rdnr. 29; OLG Saarbücken StraFo 2001, 203 ff. -zitiert. nach [...]), denn die Erkenntnis- und Kritikfähigkeit vermindert sich mit steigender Alkoholisierung (OLG Celle 2. Strafsenat, Beschl. v. 15.06.2010 - 32 Ss 70/10 -). Die Tatsache, dass die Angeklagte während der Polizeikontrolle und später während der Entnahme der Blutprobe unzutreffende Angaben zu ihrer Trinkmenge gemacht hat, trägt die Annahme vorsätzlicher Begehungsweise ebenfalls nicht. Das "Herunterdrücken" der Trinkmenge lässt sich auch dadurch erklären, dass die Angeklagte hoffte, auf diese Weise einer näheren und unter Umständen zeitaufwendigen Kontrolle zu entgehen, ohne dass sie tatsächlich von Fahruntüchtigkeit ausgegangen wäre oder auch nur mit einer solchen gerechnet hätte. Soweit das Landgericht festgestellt hat, die Angeklagte habe ihren schwankenden Gang vor Fahrtantritt erkennen können, belegt diese Ausfallerscheinung nicht, dass die Angeklagte - worauf es für die Vorsatzfrage allein ankommt - ihren schwankenden Gang tatsächlich als solchen wahrgenommen hat.
Da die von dem Landgericht festgestellten und zur Belegung vorsätzlicher Tatbegehung herangezogenen.Umstände weder als einzelne Umstände noch in ihrer Gesamtschau die Annahme vorsätzlicher Begehungsweise zu tragen vermögen, konnte die rechtliche Würdigung des Landgerichts keinen Bestand haben.
Die danach erforderliche Berichtigung des Schuldspruchs nimmt der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO vor. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen lassen eine abschließende Beurteilung zu. Es ist nicht zu erwarten, dass ergänzende Feststellungen zur inneren Tatseite getroffen werden können, welche die Annahme vorsätzlicher Begehung zu tragen vermögen. Eines vorherigen rechtlichen Hinweises gemäß § 265 Abs. 1 StPO bedarf es nicht. Es erscheint ausgeschlossen, dass sich die Angeklagte nach einem solchen Hinweis anders verteidigt hätte (vgl. BGHSt 28, 224; 33, 44).
Die Berichtigung des Schuldspruches führt nicht zur Aufhebung im Rechtsfolgenausspruch. Da § 316 StGB für die vorsätzliche wie für die fahrlässige Begehungsweise denselben Strafrahmen vorsieht und die dahingehende Beurteilung aufgrund derselben tatsächlichen Feststellungen erfolgt, kann der Strafausspruch des Landgerichts trotz der Richtigstellung des Schuldspruchs bestehen bleiben. Der Senat hält es im Hinblick auf die Höhe der verhängten Strafe von 40 Tagessätzen für ausgeschlossen, dass das Landgericht unter Berücksichtigung von lediglich fahrlässiger Tatbestandsverwirklichung auf eine noch niedrigere als die zuerkannte Strafe erkannt hätte.
Da das Urteil im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten erkennen lässt, war die Revision auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO. Die Abänderung des Schuldspruchs bei einem unbeschränkt eingelegten Rechtsmittel stellt keinen Teilerfolg i.S.v. § 473 Abs. 4 StPO dar, wenn - wie hier - die Rechtsfolgen des Urteils im Übrigen Bestand haben (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 473 Rdnr. 25; OLG Hamm, VRS 103, 428 ff. -zitiert nach [...]).