Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 03.04.2023, Az.: 8 W 124/03

Im Eilverfahren zu erlassende Leistungsverfügung bzgl. eines in der Hauptsache bereits anhängigen Anspruchs auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente; Glaubhaftmachen der Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
03.04.2023
Aktenzeichen
8 W 124/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 40727
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Bückeburg - AZ: 2 O 354/02

In der Beschwerdesache
J. H., ...,
Antragsteller und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. N., ...,
gegen
... Lebensversicherung AG, ...,
Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. K., ...,
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Richter am
Oberlandesgericht ... als Einzelrichter auf die sofortige Beschwerde
des Antagstellers vom 25. März 2003 gegen den Beschluss des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg vom 4. März 2003 am
3.April 2003 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Beschwerdewert: bis zu 38.000 EUR

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Zwar kommt bezüglich eines in der Hauptsache bereits anhängigen Anspruchs auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente eine im Eilverfahren zu erlassende Leistungsverfügung nach § 940 ZPO ausnahmsweise in Betracht, wenn dies zur Behebung einer akuten Notlage des Antragstellers geboten ist, wobei die Anordnung gegenständlich und zur Höhe auf die Deckung eines akuten Notbedarfs zu beschränken ist und diese nur für den Zeitraum in Betracht kommt, der zur Erwirkung eines Titels im Hauptsachverfahren benötigt wird (vgl. auch OLG Celle VersR 1990, 212, OLG Hamm MDR 2000, 847).

Erforderlich ist jedoch stets, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung, insbesondere Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund, ausreichend glaubhaft gemacht werden (§§ 920 Abs. 2, 935, 936, 940 ZPO). Das Landgericht ist in dem angefochtenen Beschluss im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller seinen Verfügungsanspruch nicht ausreichend glaubhaft gemacht hat. Es ist weder erwiesen noch hat er glaubhaft gemacht, dass er zu mindestens 50 % dauernd außerstande ist, seinen zuletzt ausgeübten Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die er aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausüben kann und die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Im Hauptsacheverfahren kann der zu erbringende Beweis in der Regel nur durch die Einholung eines medizinischen oder arbeitsmedizinischen und evtl. berufskundlichen Sachverständigengutachtens durch vom Gericht zu bestellende Sachverständige erbracht werden. Im Eilverfahren haben die Parteien die Möglichkeit, ihr jeweiliges Vorbringen durch Vorlage bereits zuvor eingeholter Gutachten lediglich glaubhaft zu machen, soweit diese die Berufsunfähigkeit (oder das Gegenteil) hinreichend belegen. Legen die Parteien einander widersprechende Gutachten vor und ist von einer wesentlich höheren Überzeugungskraft der vom Antragsteller vorgelegten Belege nicht auszugehen, so können die Voraussetzungen eines Verfügungsanspruchs nicht mit einem für das Eilverfahren ausreichenden Überzeugungsgrad festgestellt werden. Es fehlt dann an der erforderlichen Glaubhaftmachung (non liquet). Beziehen sich beide Parteien auf Sachverständigengutachten, so ist der Streitstoff daher für eine Entscheidung im Eilverfahren regelmäßig nicht geeignet, da das selbst nicht sachverständige Gericht in diesen Fällen nicht sofort, sondern erst nach Einholung eines geeigneten Gutachtens, entscheiden kann.

So liegt es auch hier. Der Antragsteller hat Befunde der behandelnden Ärzte Dr. K., Dr. B. und Dr. M. vorgelegt. Das Gutachten Dr. K. belegt nicht abschließend, dass der Antragsteller, auch nach ihm zumutbaren organisatorischen Maßnahmen und in den genannten Vergleichsberufen, zu mehr als 50 % in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt bleiben wird. Es ist danach gerade nicht auszuschließen, dass er mit Ruhepausen im Abstand von zwei Stunden noch in einem gewissen Umfange leistungsfähig ist. Die Befunde dere Ärzte Dr. B. und Dr. M. beziehen sich inhaltlich nicht ausreichend auf diese Fragen und enthalten zur Berufsunfähigkeit (§ 2 Nr.1 BUZ) im Wesentlichen lediglich (nicht weiter begründete) Wertungen aufgrund der jeweils festgestellten Arbeitsunfähigkeit.

Die Antragsgegnerin hat diesen Befunden zudem das von der Landeversicherungsanstalt eingeholte Gutachten des ärztlichen Dienstes gegenübergestellt, wonach der Antragsteller als Fuhrunternehmer arbeitstäglich noch bis zu 6 Stunden leistungsfähig sein soll. Dieses ist nicht weniger überzeugungkräftig als die vom Antragsteller vorgelegten Befunde. Die inhaltliche Richtigkeit und Zuverlässigkeit des jeweiligen Parteivortrages kann unter diesen Umständen erst nach Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht beurteilt werden, das sich, nach medizinischer Untersuchung des Antragstellers, im Einzelnen mit den Privatgutachten auseinandersetzt.

Der Antragsteller hat ferner nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass ihm weitergehender Versicherungsschutz, als nach den Versicherungsbedingungen vorgesehen, zugesagt worden sei. Er kann sich im Eilverfahren insbesondere nicht darauf berufen, dass ihm bei Vertragsschluss von dem Mitarbeiter der Antragsgegnerin D. gesagt worden sei, diese werde auch bei vorübergehender Berufsunfähigkeit (in der Art einer Krankentagegeldversicherung ?) eintreten und eine Verweisung auf einen anderen zumutbaren Beruf nicht in Betracht ziehen. Soweit der Beweis für ein solches Vorbringen bereits im Hauptverfahren hätte erbracht werden können oder dieser sogar fehlgeschlagen ist, reicht im Eilverfahren die bloße Glaubhaftmachung durch eidesstattlichen Versicherung regelmäßig nicht mehr aus (enger Zöller - Vollkommer ZPO, 23. Auflage 2002, Rn. 11 zu § 920 ZPO). Dies gilt umso mehr, als die Behauptungen eines Verzichts auf wesentliche Risikobegrenzungen, entgegen den vereinbarten

Vertragsbedingungen und entgegen dem erklärtem Willen der Antragsgegnerin, sowie eines Vertrauens des Antragstellers auf entsprechend weitgehende Befugnisse des Versicherungsvertreters, nicht sonderlich wahrscheinlich sind und in besonderem Maße kritischer Überprüfung bedürfen. .

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind (§ 574 Abs. 2 ZPO).