Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 13.05.1997, Az.: 12 U 7/97
Verantwortlichkeit eines Tierarztes für den Tod eines Pferdes durch Schock
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 13.05.1997
- Aktenzeichen
- 12 U 7/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 21760
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1997:0513.12U7.97.0A
Fundstelle
- VersR 1998, 902-903 (Volltext mit red. LS)
Amtlicher Leitsatz
Keine Verantwortlichkeit des Tierarztes für Tod eines Pferdes durch Schock, wenn entspr. Komplikationen bei Medikamentengabe bis dahin nicht bekannt.
Gründe
Zwar schuldet ein Tierarzt auf Grund eines Behandlungsvertrages eine sorgfältige und gewissenhafte Untersuchung des Pferdes, die Beratung über die nach den bestehenden tierärztlichen Erkenntnissen möglichen Behandlungen sowie die Durchführung der danach vereinbarten und erforderlichen Therapie (BGH NJW 83, 2077); Ob der Bekl. diesen Forderungen in allen Punkten gerecht geworden ist, kann jedoch dahinstehen. Denn nach den getroffenen Feststellungen scheidet die diagnostizierte und behandelte Grunderkrankung - eine Infektion der oberen Luftwege - als Todesursache aus. Es handelt sich hierbei um eine von Pferden im Allgemeinen leicht zu überwindende Krankheit, die nach allgemeiner Erfahrung dann auch nicht zu einem plötzlich eintretenden Tod führt. Wie die Kl. im Berufungsverfahren selber vorbringt und auch der Sachverständige bei seiner Anhörung ausgeführt hat, hätten die Erkrankung und die gewählte Medikation normalerweise nicht zum baldigen Tod des Pferdes führen können. Dieser wäre allenfalls erst nach einem längeren Krankheitsverlauf eingetreten. Der hingegen unstreitig nur wenige Minuten nach dem Setzen der 4. Spritzen plötzlich eintretende Tod spricht daher entscheidend gegen einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Ausgangserkrankung. Es ist aus diesen Gründen vielmehr überzeugend, wenn der Sachverständige Prof. Dr. D den Tod auf einen durch eine Unverträglichkeitsreaktion hervorgerufenen anaphylaktischen oder phylaktoiden Schock zurückführt. Tatsächliche Anhaltspunkte, welche auf eine andere Todesursache hindeuten könnten, gibt es zudem nicht, so dass kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Beurteilung zu zweifeln. Wenn aber - wovon im Berufungsverfahren auch die Kl. ausgeht - der Tod des Pferdes auf einen Schockzustand zurückzuführen ist, trifft den Bekl. hierfür keine Verantwortung.
Denn diese Folge war für ihn bei der gewählten Behandlung nicht vorhersehbar. Wie der Sachverständige bei seiner Anhörung ausgeführt hat, sind nach Anwendung von "Terosot" bislang bei Pferden keine Todesfälle bekannt geworden. Hiervon hat er sich durch eine Rückfrage beim Bundesgesundheitsamt überzeugt. Dann bestand aber für den Bekl. kein Grund zu der Annahme, dass es bei der Anwendung dieses Mittels zu Komplikationen kommen könnte. Denn Kenntnisse, welche noch über das auf Grund dieses konkreten Zwischenfalls aktualisierte Wissen des Sachverständigen hinausgehen, sind von ihm nicht zu erwarten. Da auch die Gebrauchsinformation keinerlei Hinweise auf Nebenwirkungen enthält, ist bei dem damaligen Kenntnisstand des Bekl. weder der Einsatz dieser Mittel als fehlerhaft zu bewerten, noch kann ihm zum Vorwurf gemacht werden, wenn er das Tier nach der Behandlung nicht längere Zeit unter ärztlicher Aufsicht hielt. Auch insoweit besteht kein Anlass, von der sachverständigen Beurteilung abzuweichen. Dass der Sachverständige bei seiner Anhörung Zweifel daran geäußert hat, ob das Mittel "Terosot" eine neuere Prüfung auf Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bestehen würde, ändert hieran nichts. Denn für die rechtliche Beurteilung kommt es nicht entscheidend auf den heutigen Wissensstand eines Hochschullehrers, sondern darauf an, welche Kenntnisse zum Vorfallszeitpunkt von dem Bekl. zu erwarten waren. Entsprechendes gilt auch für das zusätzlich verabreichte Medikament "Predixon", dessen Gebrauchshinweise ebenfalls keine Hinweise auf derartige Komplikationen enthalten und das dem Bekl. nach seinem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen ebenfalls als durch eine "ausgezeichnete Verträglichkeit" bekannt war. Dass die gewählte Therapie vertretbar war, hat der Sachverständige Prof. Dr. D ausdrücklich bestätigt, so dass sich keine Tatsachen ergeben, auf Grund derer dem Bekl. ein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der tierärztlichen Wissenschaft angelastet werden könnte. Bei dem aufgetretenen Schockzustand handelt es sich demnach um einen plötzlich und für den Bekl. unvorhersehbaren Zwischenfall, für den er mangels Verschulden weder vertraglich noch auf Grund der damit verbundenen Eigentumsverletzung haftet (vgl. OLG Frankfurt/M. NJW-RR 91, 476).
Ebenso wenig kann aus diesen Gründen eine Haftung des Bekl. auf eine unterbliebene Aufklärung gestützt werden. Die Aufklärungspflicht eines Tierarztes besteht nicht nach denselben Grundsätzen, wie sie von der Rspr. als Ausfluss des Selbstbestimmungsrechts eines Patienten für die Humanmedizin entwickelt worden sind. Die tierärztliche Aufklärung hat sich vielmehr von Art und Umfang an den für den Tierarzt erkennbaren Interessen des Tierhalters zu orientieren (BGH NJW 80, 1904; NJW 82, 1327). Unter diesen Umständen bedurfte es hier über die Besprechung der Behandlung hinaus keiner weiteren Hinweise. Es handelte sich um einen geringfügigen Eingriff. Bei dessen Ausführung waren nach Angaben des Sachverständigen keine Komplikationen zu erwarten. Solche waren bis dahin auch nicht anderweitig bekannt geworden. Dann wären die an eine sachgerechte Information zu stellenden Anforderungen überspannt, wenn man von einem Tierarzt noch verlangen wollte, über theoretisch vorstellbare Risiken zu informieren, für deren Verwirklichung es bei einem sachgerecht durchgeführten Eingriff keinerlei Anhaltspunkte gab.