Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 27.05.1997, Az.: 5 U 187/96
Haftung des Krankenhausträgers für fehlerhafte ärztliche Behandlung im Krankenhaus; Umfang der ärztlichen Hinweispflichten und Aufklärungspflichten; Voraussetzungen für die Annahme eines Behandlungsfehlers; Pflicht zum Hinweis auf den lebensbedrohlichen Zustand des Patienten und Aufklärung über die Notwendigkeit der Verlegung in eine Spezialklinik; Anforderungen an den Kausalzusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden; Umfang der Haftung des erstbehandelnden Arztes; Voraussetzungen der Einstandspflicht des erstbehandelnden Arztes für Behandlungsfehler des nachbehandlenden Arztes; Zurechnung grober Fehler des nachbehandelnden Arztes zum erstbehandelnden Arzt
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 27.05.1997
- Aktenzeichen
- 5 U 187/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 21750
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1997:0527.5U187.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 823 Abs. 1 BGB
- § 847 BGB
- § 31 BGB
- § 89 BGB
Fundstellen
- MedR 1999, 417
- VersR 1998, 1110-1111 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Zur Verpflichtung des Arztes, den an einem Harnleiterstein leidenden Patienten auf seinen lebensbedrohlichen Zustand hinzuweisen.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schmerzensgeld- und Feststellungsansprüche wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung im Krankenhaus L. geltend, deren Träger die Beklagte zu 1) ist.
Die 1966 geborene Klägerin wurde am 19.4.1992 (Ostersonnabend) wegen stechender, ziehender Schmerzen im rechten Unterbauch in das Krankenhaus L. eingeliefert. Der Beklagte zu 2) war dort als Chefarzt der Chirurgie tätig. Noch am Aufnahmetag wurde die Klägerin unter der Diagnose "akute Appendicitis" operiert. Wie im Operationsbericht festgehalten ist, war der Wurmfortsatz jedoch lediglich im Sinne einer subakuten Appendicitis vermehrt gefäßindiziert. Auch die pathologische Untersuchung des Blinddarms ergab eine nur geringgradig subakut exazerbierte Appendicitis.
Am Tag nach der Operation litt die Klägerin unter heftigen Schmerzen in der Nierengegend und entwickelte Temperaturen von 39 Grad. Sie erhielt ein Morphiumpräparat, das jedoch nicht anschlug. Nach vorübergehender Abfieberung stieg das Fieber am 21.4.1992 auf über 39 Grad und im Verlauf des 23.4.1992 auf 40 Grad. Für den 22.4.1992 sind in den Krankenunterlagen zunehmende Schmerzen und Schüttelfrost dokumentiert. Die Klägerin erhielt ein Antibiotikum sowie Blasen- und Nierentee. Zudem musste sie mehrfach erbrechen. Eine am Nachmittag des 23.4.1992 durchgeführte Sonographie ergab einen Stau des rechten Nierenbeckens.
Bei unverändert hohem Fieber (40 Grad) wurden am 24.4.1992 Röntgenuntersuchungen der Nieren durchgeführt; diese zeigten einen rechtsseitigen, bohnengroßen Harnleiterstein. Außerdem ließ die rechte Niere keine Kontrastmittelausscheidung erkennen. Sie war ausscheidungsurographisch "stumm". Die Körpertemperatur der Klägerin ging im Laufe desselben Tages auf Normalwerte zurück. Die Klägerin, die weiterhin schmerzstillende Medikamente erhielt, war in der Folgezeit im Wesentlichen beschwerdefrei und wurde am 27.4.1992 aus dem Krankenhaus entlassen.
Der Beklagte zu 2) eröffnete der Klägerin am 24.4.1992, dass er einen Harnleiterstein gefunden habe. Zwischen den Parteien ist streitig, ob er ihr darüber hinaus dringend riet, sich angesichts ihres bedrohlichen Krankheitsbildes umgehend in urologische Behandlung zu begeben.
Die Klägerin suchte am 28.4.1992 den Urologen Dr. S. in S. auf, der ihre Aufnahme in den S. Kliniken in O. veranlasste. Dort wurden am 30.4.1992 der rechte Harnleiter und die rechte Niere retrograd mittels eines Katheders sondiert, wobei sich Eiter aus der Niere entleerte. Eine Funktionsuntersuchung ergab bei guter Funktion der linken Niere (98 %) einen fast völligen Ausfall der rechten Niere (2 %). Der leitende Arzt der urologischen Abteilung der S. Kliniken in O. hielt daher in einem Arztbrief vom 19.5.1995 an Dr. S. eine Entfernung der rechten Niere (Nephrektomie) für höchstwahrscheinlich erforderlich.
Nach ihrer Entlassung aus dem O. Krankenhaus wurde die Klägerin vom 19.5. bis zum 27.5.1992 im Kreiskrankenhaus S. behandelt, wo ihr am 19.5.1992 die rechte Niere entfernt wurde. Bei der pathologischen Untersuchung dieser Niere wurde festgestellt, dass sich diese weitgehend erholt hatte.
Entscheidungsgründe
Die Beklagten schulden der Klägerin ein Schmerzensgeld von 30.000,- DM sowie die Feststellung ihrer Verpflichtung, die materiellen und immateriellen Zukunftsschäden der Klägerin zu ersetzen (§§ 823 Abs. 1, 847, 31 und 89 BGB).
1.
Den behandelnden Ärzten der Beklagten zu 1) ist allerdings nicht vorzuwerfen, irrtümlich eine Appendektomie durchgeführt zu haben, weil, wie der Sachverständige Prof. Dr. S. ausgeführt hat, die akuten Bauchbeschwerden der Klägerin am 19.4.1992 schwer zu deuten waren und der Entschluss zur Entfernung des Blinddarms im Nachhinein nicht zu beanstanden ist.
2.
Dem Beklagten zu 2) ist aber am 24.4.1992 ein schuldhafter Behandlungsfehler unterlaufen, weil er es nach Diagnostizierung eines Harnleitersteins und einer dadurch bedingten "stummen Niere" unterließ, die Klägerin auf ihren lebensbedrohlichen Gesundheitszustands hinzuweisen und mit dem gebotenen Nachdruck dafür zu sorgen, dass sie sich unverzüglich, also noch am selben Tag, in eine urologische Klinik begab, wo die dringend erforderliche Entlastung der Niere hätte durchgeführt werden können. Wie die Beklagten einräumen, hatte der Beklagte zu 2), der die Blinddarmoperation nicht durchgeführt hatte, die Behandlung der Klägerin zu diesem Zeitpunkt übernommen.
Der Sachverständige Prof. Dr. S. hat überzeugend dargelegt, dass die behandelnden Ärzte der Beklagten zu 1) den postoperativen Beschwerden der Klägerin nicht ausreichend Aufmerksamkeit widmeten. So steht fest, dass die Klägerin unter starken Schmerzen, hohem Fieber, Schüttelfrost und Erbrechen litt. Im Krankenblatt sind zudem bereits für den 20.4.1992 heftige Schmerzen in der Nierengegend dokumentiert. Am 24.4.1992 wurde röntgenologisch ein Harnleiterstein als Ursache des hohen Fiebers erkannt. Um 14.32 Uhr desselben Tages wurde nach einer Kontrastmittelinfusion eine weitere Röntgenaufnahme gefertigt, die zeigte, dass die linke Niere das Kontrastmittel ausschied, während dies bei der rechten Niere nicht der Fall war; sie war ausscheidungsurographisch stumm. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Klägerin, wie der Sachverständige Prof. Dr. S. weiter überzeugend dargelegt hat, in einer lebensbedrohlichen Lage, weil die erhebliche Gefahr bestand, dass infolge der weiter bestehenden Stauung des rechten Nierenhohlraumsystems resistente Keime gezüchtet werden, die zu einer tatsächlichen Bedrohung führen können (so ebenfalls der im Schlichtungsverfahren tätige Sachverständige Prof. Dr. B. und der von den Beklagten beauftragte Gutachter Prof. Dr. V.). Es hätte unverzüglich ein fachurologisches Konsil stattfinden und für eine Druckentlastung der gestauten rechten Niere gesorgt werden müssen (Prof. Dr. B.). Da im Krankenhaus Ludmillenstift der Beklagten zu 1) keine urologische Abteilung vorhanden war, hätte der Beklagte zu 2) der Klägerin ihre lebensbedrohliche Lage eröffnen und ihre unverzügliche Verlegung in eine urologische Klinik veranlassen müssen. Dabei hätte er ihr die Situation so drastisch vor Augen führen müssen, dass sie der Empfehlung nur aus irrationalen Gründen nicht hätte Folge leisten können (so Prof. Dr. S.).
Eine andere Beurteilung lässt sich auch nicht aus dem von den Beklagten im zweiten Rechtszug vorgelegten Gutachten von Prof. Dr. S. herleiten, der u.a. meint, entscheidend für den Funktionsverlust der Niere sei nicht die Zeit vom 24. bis 28.4.1992, sondern der Zeitraum vom 2. bis 18.5.1992. Hiergegen spricht entscheidend das Ergebnis der am 30.4.1992 in den S. Kliniken in O. durchgeführten Nierenfunktionsszintigraphie, bei der für die rechte Niere ein Wert von lediglich 2 % der Gesamtnierenfunktion ermittelt wurde. Im Übrigen ist die nicht näher begründete Auffassung von Prof. Dr. S. nicht geeignet, die insoweit übereinstimmende Beurteilung der übrigen Gutachter in Zweifel zu ziehen. Es bestand daher weder Anlass, die Gutachter ergänzend zu hören noch ein weiteres Gutachten einzuholen.
Nach der vom Senat durchgeführten ergänzenden Beweisaufnahme steht fest, dass der Beklagte zu 2) es am 24.4.1992 unterlassen hat, die Klägerin nachdrücklich auf den Ernst der Lage hinzuweisen und die dringend gebotene Entlastung der Niere in die Wege zu leiten. Es erscheint bereits sehr zweifelhaft, ob der Beklagte zu 2) tatsächlich den lebensbedrohlichen Zustand der Klägerin erkannt hat. So heißt es in einem von ihm und dem Zeugen Dr. K. unterzeichneten Arztbrief vom 28.4.1992 u.a., dass eine Sonographiekontrolle vom 25.4.1992 eine nicht mehr gestaute rechte Niere zeigte. Dies traf jedoch nicht zu, wie sich aus einem Röntgenbefund vom selben Tag ergibt. Vielmehr war die rechte Niere bis zur Entlastung durch eine innere Harnleiterschiene am 30.4.1992 massiv gestaut (Gutachten Prof. Dr. V.). Auch der weitere Inhalt des Arztbriefs vom 28.4.1992 spricht dagegen, dass der Beklagte zu 2) die Ernsthaftigkeit der Erkrankung erkannt hat. Es heißt dort weiter:
"Zum Entlassungszeitpunkt ist die Patientin subjektiv beschwerdefrei, die Wunde ist reizlos verheilt, das Abdomen ist klinisch unauffällig.
Der Patientin wurde empfohlen, sich weiterhin viel zu bewegen und viel zu trinken.
Eine Verlegung in die urologische Abteilung des St. B.-Hospitals in L. wurde ihr nahegelegt. Zur weiteren Betreuung stellt sich die Patientin bei Ihnen vor."
Die in diesem Arztbrief zum Ausdruck kommende Einschätzung des Krankheitsbildes der Klägerin wird bestätigt durch die Erklärungen des Beklagten zu 2) in dem Verhandlungstermin vom 22.4.1997. Wie er angegeben hat, sah er - als er die Behandlung der Klägerin übernahm - keinen Grund für überstürzte Maßnahmen, insbesondere für eine sofortige Entlastung der Niere, weil die Klägerin schmerz- und fieberfrei war. Dies war für ihn auch Veranlassung, sie "am lockeren Zügel zu lassen." Dieser verharmlosenden Beurteilung des Krankheitszustandes entspricht der Umstand, dass die Klägerin bis zum 27.4.1992 stationär im Krankenhaus L. verblieb, ohne dass die dringend gebotenen Behandlungsmaßnahmen eingeleitet wurden.
Angesichts dieser Äußerungen des Beklagten zu 2) und der weiteren Umstände ist auch durch die Aussagen der Zeugen Dr. K., des zuständigen Stationsarztes, und Dr. M., des Oberarztes, nicht bewiesen, dass der Klägerin ihre lebensbedrohliche Lage mit der erforderlichen Deutlichkeit eröffnet und ihr geraten wurde, sich sofort in stationäre urologische Behandlung zu begeben. Die Angaben des Zeugen Dr. K. entsprechen im Wesentlichen dem auch von ihm verfassten Arztbrief vom 28.4.1992, in dem es - wie erwähnt - heißt, dass der Klägerin eine Vorstellung in der urologischen Abteilung des Krankenhauses in L. nahegelegt wurde. Der Zeuge Dr. K. hatte mit dieser Klinik bereits einen Termin zur stationären Übernahme vereinbart. Der Aussage des Zeugen Dr. K. lässt sich hingegen nicht entnehmen, dass der Klägerin deutlich eröffnet wurde, sie gefährde die Existenz ihrer Niere und befinde sich in Lebensgefahr, wenn sie sich nicht unverzüglich durch einen Urologen behandeln lasse. Dies gilt auch für die Bekundungen des Zeugen Dr. M., der - wie er eingeräumt hat - ohnehin nicht unmittelbarer Zeuge der maßgebenden Gespräche war, sondern davon lediglich in seiner Funktion als Oberarzt erfuhr.
3.
Dieser Behandlungsfehler des Beklagten zu 2) führte zu weiter anhaltenden gravierenden Funktionsstörungen der rechten Niere und darüber hinaus zu einer Gefahrenlage, die schließlich ursächlich für die am 19.5.1992 durchgeführte Nephrektomie wurde. Wie Prof. Dr. S. weiter ausgeführt hat, hätte sich seiner Überzeugung nach die Niere bei rechtzeitiger Druckentlastung am 24.4.1992 erholen können. Im Übrigen zeigt auch der pathologische Bericht des Prof. Dr. L. vom 25.5.1992, dass sich die entfernte Niere tatsächlich erholt hatte.
Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass der Zurechnungszusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler des Beklagten zu 2) und dem Gesundheitsschaden, dem Verlust der Niere, den die Klägerin erlitten hat, nicht dadurch unterbrochen worden ist, dass bei der nachfolgenden Behandlung im Kreiskrankenhaus S. den behandelnden Ärzten Fehler unterlaufen sind, weil ohne weitere Kontrolluntersuchungen eine Niere entfernt wurde, die sich bereits ausreichend erholt hatte. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass der erstbehandelnde Arzt grundsätzlich für alle Schadensfolgen aufzukommen hat, die mit dem von ihm zu verantwortenden schlechten Zustand des Patienten in adäquatem Kausalzusammenhang stehen, also insbesondere auch mit der von ihm veranlassten Belastung des Patienten mit einer Nachbehandlung und der mit dieser verbundenen Gefahr von Fehlern des nachbehandelnden Arztes. Die Grenze, bis zu welcher der Erstschädiger dem Verletzten für die Folgen einer späteren fehlerhaften ärztlichen Behandlung einzustehen hat, wird in der Regel erst überschritten, wenn es um die Behandlung einer Krankheit geht, die mit dem Anlass für die Entstehung in keinem inneren Zusammenhang steht, oder wenn der die Zweitbeschädigung herbeiführende Arzt in außergewöhnlich hohem Maße die an ein gewissenhaftes ärztliches Verhalten zu stellenden Anforderungen außer acht gelassen und derart gegen alle ärztlichen Regeln und Erfahrungen verstoßen hat, dass der eingetretene Schaden seinem Handeln haftungsrechtlich wertend allein zugeordnet werden muss (BGH NJW 1989, 767, 768 [BGH 20.09.1988 - VI ZR 37/88]; OLG Köln, VersR 1994, 987 [OLG Köln 28.04.1993 - 27 U 144/92]; OLG Hamm, VersR 1992, 610 [OLG Hamm 05.11.1990 - 3 U 179/87], jeweils m.w.N.).
Ungeachtet des Umstandes, dass das Fieber der Klägerin am 24.4.1992 abklang, steht fest, dass ihre rechte Niere am 30.4.1992 nahezu funktionslos war. Wie der mit der Erstellung eines Ergänzungsgutachtens beauftragte Nuklearmediziner Dr. M. ausgeführt hat, wurde am 30.4.1992 in der Röntgenabteilung der S. Kliniken O. eine Nierenfunktionsszintigraphie durchgeführt, wobei für die rechte Niere ein Wert von 2 % der Nierengesamtfunktionsleistung ermittelt wurde. Bei einer derartigen Funktionsstörung wird von Fachärzten im Allgemeinen eine Entfernung des Organs als unproblematisch angesehen, weil die verbleibende Niere die Funktion des entfernten Organs übernimmt. Dementsprechend teilte der leitende Arzt der Urologie der S. Kliniken O., Prof. Dr. Z., Dr. S. aus M. mit Arztbrief vom 19.5.1992 mit, dass sehr wahrscheinlich eine Nephrektomie erforderlich sein werde.
Bei diesem vom Beklagten zu 2) zu verantwortenden Krankheitsbild kann nicht festgestellt werden, dass Dr. S. durch die Entfernung der rechten Niere in derart außergewöhnlich hohem Maße die an ein gewissenhaftes ärztliches Verhalten zu stellenden Anforderungen außer acht gelassen hat, dass der Schaden allein seinem Handeln haftungsrechtlich zuzuordnen ist. Selbst wenn Dr. S. der Arztbrief vom 19.5.1992 nicht vor der Operation zugegangen ist, ist davon auszugehen, dass er über das Krankheitsbild im Wesentlichen unterrichtet war. So hatte er die Klägerin am 28.4.1992 untersucht, die vorliegenden Röntgenaufnahmen in Augenschein genommen und durch eine Sonographie eine massive Harnstauung auf der rechten Seite festgestellt. Der Befund war für ihn Anlass, die Klägerin nach O. zu überweisen. Wie die Beklagten nicht bestritten haben, hatte Prof. Dr. Z. ihm überdies den wesentlichen Inhalt des Arztbriefes vom 19.5.1992 fernmündlich vorab mitgeteilt und ferner erklärt, dass die Niere entfernt werden müsse. Bei diesem Kenntnisstand stellt es keine den Zurechnungszusammenhang unterbrechende Fehlleistung dar, dass Dr. Schreyer ohne weitere Kontrolluntersuchungen (Nierenfunktionsszintigraphie, Funktionsleistungsbestimmung) die Niere entfernte. Dr. M. sieht in dieser Unterlassung keinen groben Kunstfehler, da es sich um eine Frage ärztlichen Ermessens handele. Auch der Sachverständige Prof. Dr. S. hat eingeräumt, erst im vorliegenden Rechtsstreit erfahren zu haben, dass eine schwerstgeschädigte Niere, wie die der Klägerin, in ca. 5 % der Fälle in der Lage ist, sich zu erholen. Er hätte daher bei damaligem Kenntnisstand ebenfalls die Nephrektomie durchgeführt, ohne zusätzliche Funktionsuntersuchungen durchzuführen.
Selbst wenn die von Dr. S. durchgeführte Nephrektomie als grober Behandlungsfehler zu bewerten wäre, wie der Sachverständige Prof. Dr. V. meint, ließe dies die Einstandspflicht der Beklagten nicht entfallen, weil auch grobe Fehler des nachbehandelnden Arztes dem erstbehandelnden Arzt noch zuzurechnen sind (OLG Köln, OLG Hamm, jeweils a.a.O.) und der Behandlungsfehler des Beklagten zu 2) bei wertender Betrachtung noch in engem zeitlichen und medizinischen Zusammenhang mit der Operation vom 19.5.1992 steht.
Das der Klägerin hiernach zustehende Schmerzensgeld hat der Senat auf 30.000,- DM bemessen (§ 847 BGB). Wegen der Zumessungserwägungen kann zunächst auf Seite 12, 2. Absatz des landgerichtlichen Urteils verwiesen werden. Da neben dem Behandlungsfehler des Beklagten zu 2) auch die vorschnelle Nephrektomie durch Dr. S. ursächlich für den Dauerschaden der Klägerin geworden ist, erachtete es der Senat jedoch als angemessen, das Schmerzensgeld auf 30.000,- DM herabzusetzen.