Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 21.05.1997, Az.: 4 U 5/97

Voraussetzungen für die Abrechnung eines Unfallschadens auf Neuwagenbasis; Vorliegen einer erheblichen Beschädigung des Fahrzeugs

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
21.05.1997
Aktenzeichen
4 U 5/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 21736
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1997:0521.4U5.97.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 10.12.1996 - AZ: 7 O 2171/96

Fundstelle

  • MDR 1997, 734 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Schadensersatz

Prozessführer

C... Versicherungen, ... , ... S... ,
vertr. d. d. Vorstand,
dieser vertr. d. K... J... , ... ,

Rechtsanwälte ...

Prozessgegner

M... F... , ... , ... S...

Rechtsanwalt ...

In dem Rechtsstreit
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 1997
durch
die Richter am Oberlandesgericht ... , ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 10.12.1996 unter Zurückweisung der Rechtsmittel im Übrigen abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 23.075,52 DM nebst 4 % Zinsen auf 22.744,34 DM seit dem 03.08.1996 und 4 % Zinsen auf 331,18 DM seit dem 27.04.1997 Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkws F... , ... , zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme dieses Kraftwagens in Verzug befindet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden dem Kläger zu 1/26 und der Beklagten zu 25/26 auferlegt; von den Kosten der Berufungsinstanz tragen der Kläger 1/25 und die Beklagte 24/25.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt für beide Parteien nicht 60.000,-- DM.

Entscheidungsgründe

1

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, § 543 Abs. 1 ZPO.

2

Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig.

3

In der Sache hat sie - wie auch die Anschlussberufung - nur zum Teil Erfolg.

4

Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Kläger seinen Schaden auf Neuwagenbasis abrechnen darf.

5

Das Fahrzeug war angesichts der Fahrleistung von lediglich 70 km und der Nutzungsdauer von nur einem Tag neuwertig.

6

Auch die weitere Voraussetzung einer erheblichen Beschädigung des betroffenen Fahrzeugs ist gegeben (vgl. BGH NJW 1982, 433; OLG München NJW 1982, 52 [OLG München 16.09.1980 - 5 U 1110/80]; Berr, "Abrechnung auf Neuwagenbasis" DAR 1990, 313 ff).

7

Nach dem von den Parteien nicht in Frage gestellten Sachverständigengutachten waren auf Grund eines seitlichen Anstoßes hinten rechts der Radlauf der Seitenwand eingedrückt sowie die Radhausaußenschale leicht verformt worden. Das zum Zeitpunkt der Begutachtung ausgetauschte Hinterrad wies bei Drehbewegungen auf einem Auswuchtgerät einen Seitenschlag auf. Demzufolge mussten insbesondere eine Seitenwand und ein Radhaus in Stand gesetzt und ein Scheibenfenster (mit Rahmen) neu eingebaut werden. Zudem konnte der Sachverständige konkrete Aussagen über eine evtl. Veränderung der Hinterachsgeometrie nicht treffen; er hielt eine Achsvermessung für erforderlich. Diese hat der Kläger durchführen lassen. Die entsprechenden Messwerte haben eine Abweichung für die hintere Spur und den Sturz ergeben. Auch wenn einiges dafür spricht, dass der Unfall die Ursache hierfür war und unter Umständen jedenfalls der Achszapfen mit einem Kostenaufwand von 299,-- DM erneuert werden muss, kann diese Position bei der Entscheidung außer Betracht bleiben. Denn angesichts des vom Sachverständigen festgestellten Reparaturaufwandes von 1.968,63 DM (incl. Mehrwertsteuer) im Übrigen und des merkantilen Minderwerts von 1.100,-- DM liegt eine erhebliche Beschädigung vor, die eine Abrechnung auf Neuwagenbasis rechtfertigt. Bereits die Höhe der Reparaturkosten und ihr Verhältnis zum Neupreis des Fahrzeugs (nahezu 7,5 %) sprechen für eine Erheblichkeit der Beschädigung (vgl. OLG Karlsruhe DAR 1994, 26 f [OLG Karlsruhe 25.11.1992 - 1 U 137/92]). Der Zeitwert des in Stand gesetzten Kraftwagens gleicht hier auch unter Berücksichtigung des zudem nicht unerheblichen Minderwertes von 1.100,-- DM nicht den Betrag aus, den das unfallbeschädigte Fahrzeug als praktisch neues für den Kläger gehabt hätte, zumal der Unfallschaden auch Bereiche betrifft, die für den verkehrssicheren Zustand des Pkws von nicht unmaßgeblicher Bedeutung sind (vgl. auch OLG Celle ZFS 1992, 300). Schließlich wäre der Kläger im Falle der Weiterveräußerung des Wagens auch bei ordnungsgemäß durchgeführter Reparatur ohne nähere Nachfragen seitens des Käufers verpflichtet gewesen, den Vorschaden anzugeben (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.). Es handelt sich nämlich nicht um einen nicht offenbarungspflichtigen Bagatellschaden, der den etwaigen Kaufentschluss eines Käufers bei vernünftiger Betrachtungsweise nicht beeinflussen konnte (vgl. BGH NJW 1982, 1386 [BGH 03.03.1982 - VIII ZR 78/81] sowie BGHZ 57, 137 ff [BGH 14.10.1971 - VII ZR 313/69]).

8

Der Höhe nach geht der Senat - wie das Landgericht - von einem Neupreis des Kraftwagens in Höhe von 26.750,50 DM aus. Insoweit nimmt der Senat gemäß § 543 Abs. 1 ZPO auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils, denen er beitritt, Bezug. Auch in der Berufungsinstanz hat der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt, wie sich der von ihm angegebene Gesamtpreis von 27.347,49 DM errechnet. Danach ergibt sich der Höhe nach der vom Landgericht ausgeurteilte Betrag in Höhe von 22.888,02 DM.

9

Der Kläger muss sich jedoch im Wege der Vorteilsausgleichung die von ihm nach dem Unfall gezogenen Gebrauchsvorteile anrechnen lassen. Zwar ist eine Abrechnung auf Neuwagenbasis jedenfalls grundsätzlich bis zu einer Kilometerleistung von 1000 Kilometern möglich, jedoch gilt diese Laufleistung nur bis zum Zeitpunkt des Unfalls. Der Kläger muss sich hier die Gebrauchsvorteile anrechnen lassen, weil er das Fahrzeug auch nach dem Unfall noch genutzt hat. Den anzurechnenden Nutzungsvorteil beziffert der Senat gemäß § 287 ZPO mit 0,16 DM je Kilometer. Da der Kilometerstand des Fahrzeuges nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Klägers derzeit 968 km beträgt, er mithin nach dem Unfall weitere 898 km gefahren ist, errechnet der Nutzungsvorteil auf 143,68 DM.

10

Die mit der Anschlussberufung geltend gemachten Beträge begehrt der Kläger nur zum Teil zu Recht:

11

Die von ihm verauslagten Kosten in Höhe von 168,13 DM für die Achsvermessung, die den Ausführungen des Sachverständigen zufolge erforderlich war, sind unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes, § 249 BGB, gerechtfertigt.

12

An Versicherungsbeiträgen hat der Senat 99,30 DM, die in der Zeit vom 10.05.1996 bis zum 01.07.1996 vom Kläger zu entrichten waren, in Ansatz gebracht. Für den weiter gehenden Zeitraum bis zum 09.07.1996 kann der Kläger insoweit keine Beträge verlangen, weil es ihm im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht, § 254 BGB, oblegen hätte, das Fahrzeug jedenfalls bis zum 30.06.1996 abzumelden.

13

Aus den genannten Gründen hat der Senat verauslagte Kfz-Steuer in Höhe von lediglich 23,75 DM in Ansatz gebracht (171,-- DM : 360 Tage = 0,475 DM täglich x 50 Tage).

14

Schließlich kann der Kläger eine allgemeine Unkostenpauschale in Höhe von 40,-- DM beanspruchen. Damit sind allerdings auch sämtliche Unannehmlichkeiten ausgeglichen. Warum der Kläger zur Abwicklung des Schadensfalles am 13.05.1996, also zwei Tage nach dem Unfall, und am 24.05.1996 hat Urlaub nehmen müssen, ist weder dargelegt noch ersichtlich.

15

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

16

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.

17

... ... ...

Streitwertbeschluss:

Der Wert der Beschwer übersteigt für beide Parteien nicht 60.000,-- DM.