Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.07.2004, Az.: 11 ME 12/04
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 08.07.2004
- Aktenzeichen
- 11 ME 12/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 44265
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2004:0708.11ME12.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Lüneburg - AZ: 6 B 216/03
Fundstellen
- GesR 2004, 387-390
- NVwZ-RR 2004, 840-842 (Volltext mit amtl. LS)
- ZLR 2005, 126-139 (Volltext mit amtl. LS)
In der Verwaltungsrechtssache
der Firma SanPharma, vertreten durch den Kaufmann A.,
Antragstellerin und Beschwerdegegnerin,
Proz.-Bev.: Rechtsanwälte Gerstenberg und andere,Brienner Straße 10, 80333 München,
gegen
die Bezirksregierung Lüneburg, Auf der Hude 2, 21339 Lüneburg,
Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin,
Streitgegenstand: Untersagung des Inverkehrbringens und des Rückrufs von Produkten
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 11. Senat - am 8. Juli 2004 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 6. Kammer - vom 22. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert des Verfahrens wird unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszüge auf je 50.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den angefochtenen Beschluss bleibt ohne Erfolg.
Die Firma SanPharma - Antragstellerin - bezieht seit etwa zwei Jahren von der Firma MykoVital Vertriebs GmbH (B.) in Glasbehälter abgefüllte Pilzerzeugnisse (Pilzpulver in Zellulosekapseln), die sie neu etikettiert und unter der Bezeichnung Mykosan 1 - 8 sowie Mykosan Extra - die Produkte Mykosan 9 - 12 sind nicht mehr Gegenstand des Verfahrens - in den Verkehr bringt. Nach Angaben der Herstellerfirma befinden sich in diesen Produkten ausschließlich folgende Pilzsorten:
Shii-take (Mykosan 1),
Schopftintling (Mykosan 2),
Igel-Stachelbart (Mykosan 3),
Glänzender Lackporling (Mykosan 4),
Maitake (Mykosan 5),
Eichhase (Mykosan 6),
Judasohr oder Chinesische Morchel (Mykosan 7),
Shii-take, Lackporling und Pleurotus - Austernpilz - (Mykosan 8) und
Lärchenporling (Mykosan Extra).
Auf den Etiketten der betreffenden Glasbehälter, die mit einem Kunststoff-Schraubdeckel verschlossen sind, befinden sich u. a. die jeweiligen Produktnamen und die Aufschrift "Nahrungsergänzung" sowie Angaben zu Inhalt (Name des pulverisierten Pilzes in lateinischer Sprache, Anzahl und Gewicht der Kapseln) und Dosierung.
Die Antragstellerin bringt daneben das Produkt Intestisan in den Verkehr. Nach Angaben des Inhabers der Antragstellerin handelt es sich um ein Kräutergetränk, das folgende Zutaten enthält: Kräutermischung (bestehend aus Süßholzwurzel, Petersilie, Dill, Minze, Thymian, Basilikum, Majoran, Roter Sonnenhut, Boxhornkleesamen, Brennessel, Seegras und Traubenkerne), Wasser, Zucker und die im Laufe des Säuerungsprozesses entstehenden Milchsäurebakterien. Das Produkt ist in Flaschen abgefüllt, auf deren Etikett neben dem Produktnamen u. a. die Aufschrift "Kräutertrunk fermentiert mit Milchsäurebakterien" und "Nahrungsergänzungsmittel" sowie Angaben zur Dosierung enthalten sind. Die Antragstellerin bezieht dieses Produkt von einer Firma aus Dänemark.
Mit Verfügung vom 29. September 2003 untersagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG unter Anordnung des Sofortvollzuges das In-Verkehrbringen der Mittel Mykosan 1 bis 12, Mykosan Extra sowie Intestisan und ordnete für die bereits in den Verkehr gebrachten Produkte den Rückruf bis zum 30. Oktober 2003 an, da es sich um Arzneimittel handele, für die die erforderliche Zulassung bzw. Genehmigung nach § 21 Abs. 2 AMG fehle. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolge zum Schutz der Gesundheit der Patienten und aus Gründen der Arzneimittelsicherheit. Dagegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein, den die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 16. Januar 2004 zurückwies. Dagegen hat die Antragstellerin Klage erhoben. Dem ebenfalls gestellten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 29. September 2003 gab das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 22. Dezember 2003 statt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin.
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 29. September 2003 überwiegt. Allerdings teilt der Senat nicht die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen sei. Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand spricht vielmehr Überwiegendes dafür, dass die angefochtene Verfügung rechtswidrig ist. Würde man wie das Verwaltungsgericht eine reine - erfolgsunabhängige - Interessenabwägung vornehmen, müsste diese voraussichtlich zu Lasten der Antragstellerin ausfallen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des beschließenden Senats hat in einem solchen Fall der Schutz der Bevölkerung vor gesundheitlichen Gefahren grundsätzlich Vorrang vor der wirtschaftlichen Betätigung von Produzenten oder Vertreibern selbst dann, wenn es sich - wie hier - um existenzgefährdende Maßnahmen handelt (vgl. Beschlüsse v. 07.11.2003 - 11 ME 280/03 -, v. 09.10.2001 - 11 MB 4745/01 - und v. 04.09.2001 - 11 MA 1850/01 -). Dabei bedarf es nicht des konkreten Verdachts, dass von dem betreffenden Produkt tatsächlich Gefahren ausgehen, sondern es kann im Interesse des Schutzes von so hochrangigen Rechtsgütern wie Leben und Gesundheit der Patienten und Verbraucher nicht hingenommen werden, dass ein möglicherweise als Arzneimittel anzusehendes Erzeugnis ohne Prüfung auf seine Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit auf den Markt gelangt (vgl. dazu OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.04.1985 - 8 OVG B 5/83 -; OVG NRW, Beschl. v. 20.08.2003, LRE 46, 337; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 22.02.2000, LRE 39, 79; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Komm., § 69 AMG Anm. 6 und 12; Klein, Nahrungsergänzung oder Arzneimittel ?, NJW 1998, 791). Der Vorrang des öffentlichen Interesses ergibt sich ferner aus der Verhinderung von Wettbewerbsvorteilen gegenüber gesetzestreuen Konkurrenzunternehmen, welche die Zulassung durch die zuständige Behörde abwarten (vgl. Hamb. OVG, Beschl. v. 07.05.1996, LRE 33, 244; Kloesel/Cyran, a. a. O.). Dies hat das Verwaltungsgericht verkannt. Seine Entscheidung ist aber gleichwohl im Ergebnis richtig. Auch wenn keine sichere Prognose über den Ausgang des Hauptsacheverfahrens getroffen werden kann, ist nach der in einem Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung davon auszugehen, dass es sich bei den Produkten Mykosan 1 - 8 und Mykosan Extra sowie Intestisan eher um Lebensmittel in der Gestalt von Nahrungsergänzungsmitteln und nicht um Arzneimittel im Sinne des § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG handelt. Dazu im Einzelnen:
Nach § 2 Abs. 1 AMG sind Arzneimittel Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper u. a. Krankheiten, Leiden, Schäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (Nr. 1), Krankheitserreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe abzuwehren, zu beseitigen oder unschädlich zu machen (Nr. 4) oder die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktion des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen (Nr. 5). Diese Legaldefinition des Arzneimittels stimmt mit den Vorgaben der Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel (ABl. Nr. 22, S. 369) in der Fassung der Richtlinie 93/39/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 (ABl. L 214, S. 22, im Folgenden: Richtlinie 65/65/EWG) überein. Nach Art. 1 Nr. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 65/65/EWG sind Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten bezeichnet werden (Arzneimittel "nach der Bezeichnung"). Nach Unterabs. 2 dieser Bestimmung gelten ebenfalls als Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die dazu bestimmt sind, im oder am menschlichen oder tierischen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen oder tierischen Körperfunktion verwandt zu werden (Arzneimittel "nach der Funktion"). Allerdings ist die Richtlinie 65/65/EWG abgelöst worden von der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Human-arzneimittel vom 6. November 2001 (ABl. Nr. L 311, S. 67, im folgenden Richtlinie 2001/83/EG), doch hat dies zu keiner Änderung des gemeinschaftsrechtlichen Arzneimittelbegriffes geführt. Denn der maßgebliche Art. 1 Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG ist inhaltsgleich mit Art. 1 Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinie 65/65/EWG.
Keine Arzneimittel sind dagegen gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne des § 1 LMBG, zu denen auch die sogenannten Nahrungsergänzungsmittel gehören. Damit sind Lebensmittel aus dem Arzneimittelbegriff ausgeklammert. Dies war notwendig, weil auch Lebensmittel dazu dienen, den Körperzustand zu beeinflussen. Lebensmittel sind nach § 1 Abs. 1 Halbs. 1 LMBG Stoffe, die dazu bestimmt sind, in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitetem Zustand von Menschen verzehrt zu werden; gemäß § 1 Abs. 1 Halbs. 2 LMBG sind davon jedoch Stoffe ausgenommen, die überwiegend dazu bestimmt sind, zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuss verzehrt zu werden. Nach der Definition in Art. 2 der VO (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (Amtsbl. L 31, S. 1, im Folgenden: BasisVO) sind Lebensmittel alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden (Abs. 1). Nicht zu den Lebensmitteln gehören u. a. Arzneimittel im Sinne der Richtlinien 65/65/EWG und 92/73/EWG (Abs. 3 d)) und damit gemäß Art. 128 Abs. 2 der diese aufhebenden Richtlinie 2001/83 EG auch im Sinne der zuletzt genannten Richtlinie. Nach dieser Systematik des Regel-Ausnahme-Verhältnisses kommt die Qualifizierung eines Erzeugnisses als Arzneimittel dann nicht in Betracht, wenn seine Eigenschaft als Lebensmittel festgestellt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.12.1997, NJW 1998, 3433 [BVerwG 18.12.1997 - 3 C 46/96]; BGH, Urt. v. 11.07.2002, BGHZ 151, 286 = NJW 2002, 3469, u. Urt. v. 10.02.2000, NJW-RR 2000, 1284 [BGH 10.02.2000 - I ZR 97/98] = LRE 38, 157). Der selbe Stoff kann nicht gleichzeitig Lebensmittel und Arzneimittel sein (vgl. BGH, Urt. v. 10.02.2000, a. a. O.; OLG Köln, Urt. v. 03.01.2003, LRE 45, 168; OLG Stuttgart, Urt. v. 13.02.2003, LRE 45, 176).
Eine allgemeingültige gesetzliche Definition des Begriffs "Nahrungsergänzungsmittel" gibt es bisher nicht. Aus § 25 Nr. 6 ApBetrO und § 1 Abs. 3 der Nährwert-Kennzeichnungsverordnung - NKV -, die beide den Begriff "Nahrungsergänzung" verwenden, lässt sich jedoch schließen, dass diese Mittel die tägliche Nahrung ergänzen sollen und deshalb grundsätzlich den Lebensmitteln zuzuordnen sind (vgl. etwa Klein, NJW 1998, 791, 792; Kloesel/Cyran, a. a. O., § 2 Anm. 76 ff.; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Komm., § 1 LMBG, Rdnrn. 37 b und 155). In der amtlichen Begründung zu § 1 Abs. 3 NKV wird ausgeführt, dass Nahrungsergänzungen der Ergänzung der Nahrung durch die gezielte Zufuhr von z. B. Vitaminen, Mineralstoffen, essentiellen Fettsäuren oder bestimmten Eiweißstoffen oder Kohlehydraten dienen sollen (BR-Drs. 796/94 zu § 1 NKV Abs. 3). Inzwischen gibt es aber eine gemeinschaftsrechtliche Definition des Begriffs "Nahrungsergänzungsmittel" in Art. 2 a der Richtlinie 2002/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Nahrungsergänzungsmittel (ABl. L 183, S. 51, im Folgenden: Richtlinie 2002/46/EG). Danach sind Nahrungsergänzungsmittel Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die normale Ernährung zu ergänzen und die aus Einfach- oder Mehrfachkonzentration von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung bestehen und in dosierter Form in den Verkehr gebracht werden, d. h. in Form von z. B. Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen von Flüssigkeiten und Pulvern zur Aufnahme in abgemessenen kleinen Mengen.
Es ist allgemein anerkannt, dass für die Abgrenzung der Arzneimittel von den Lebens- bzw. Nahrungsergänzungsmitteln die an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung des Produkts entscheidend ist, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher darstellt. Dabei knüpft die Verkehrsauffassung regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihre Anwendung an, die wiederum davon abhängt, welche Verwendungsmöglichkeiten solche Mittel ihrer Art nach haben. Die Vorstellung der Verbraucher von der Zweckbestimmung des Produktes kann weiter durch die Auffassung der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft beeinflusst sein, ebenso durch die dem Mittel beigefügten oder in Werbeprospekten enthaltenen Indikationshinweise und Gebrauchsanweisungen sowie die Aufmachung, in der das Mittel dem Verbraucher allgemein entgegentritt (vgl. zum Vorstehenden neben den oben zitierten Gerichtsentscheidungen Kloesel/Cyran, a. a. O., § 2 AMG Anm. 9 f; Rehmann, AMG, 2. Aufl. 2003, § 2 Rdnrn. 2 u. 25; Zipfel/Rathke, a. a. O., § 1 LMBG, Rdnrn. 34 ff. u. 129 ff.). Ein verständiger Durchschnittsverbraucher wird im allgemeinen nicht annehmen, dass ein als Nahrungsergänzungsmittel angebotenes Präparat tatsächlich ein Arzneimittel ist, wenn es in der empfohlenen Dosierung keine pharmakologischen Wirkungen hat (BGH, Urt. v. 11.07.2002, a. a. O.). Eine pharmakologische Wirkung und damit die Einordnung als Arzneimittel kommt dann in Betracht, wenn durch das Produkt über die ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehend eine gezielte Beeinflussung des Zustandes und der Funktion des Körpers stattfindet. So sind beispielsweise Vitaminpräparate als Arzneimittel einzustufen, wenn sie in starken Dosen zu therapeutischen Zwecken bei bestimmten Krankheiten verwendet werden, deren Ursache nicht der Vitaminmangel ist (vgl. etwa EuGH, Urt. v. 29.4.2004, C-387/99). Dagegen ist eine Gesundheitsgefahr nicht Voraussetzung für die Bejahung der Arzneimitteleigenschaft (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 20.08.2003, a. a. O; KG, Urt. v. 06.02.2003, LRE 45, 326). Lässt sich nicht feststellen, welcher Verwendungszweck überwiegt, wird das Erzeugnis regelmäßig als Lebensmittel eingeordnet (vgl. etwa BGH, Urt. v. 11.07.2002, a. a. O; OLG Stuttgart, Urt. v. 13.02.2003, LRE 45, 176; OLG Köln, Urt. v. 03.01.2003, LRE 45, 168; BayVGH, Beschl. v. 13.05.1997, NJW 1998, 845 = LRE 34, 450; Kloesel/Cyran, a. a. O., § 2 AMG Anm. 73 und 77; Zipfel/Rathke, a. a. O., § 1 LMBG Rdnrn. 35 und 46; Rehmann, a. a. O., § 2 AMG Rdnr. 25; Behler/Schröder, Das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz, 2002, S. 30; Sander, Arzneimittelrecht, Kommentar, § 2 AMG Anm. 34; a. A.: OVG NRW, Vorlagebeschl. v. 07.05.2003, ZLR 2003, 585, der aus der Definition des Begriffs "Lebensmittel" in Art. 2 BasisVO folgert, dass es für die Abgrenzung von Lebens- und Arzneimitteln nicht mehr auf ein Überwiegen der (objektiven) Zweckbestimmung ankomme, sondern ein Produkt, das sowohl die Voraussetzung eines Lebens- als auch eines Arzneimittels erfülle, rechtlich immer - nur - ein Arzneimittel sei).
Gemessen an diesen Kriterien lässt sich sowohl bei den in Rede stehenden Mykosan-Produkten (1) als auch bei dem Kräutertrunk Intestisan (2) derzeit ein Überwiegen der arzneilichen Wirkung nicht feststellen.
1. Zwischen den Beteiligten ist weitgehend unstreitig und wird auch durch die von ihnen wechselseitig eingereichten Informationsmaterialien belegt, dass die Pilzsorten, welche die Antragstellerin in pulverisierter Form ohne Beimengung anderer Stoffe vertreibt, nicht nur der Ernährung dienen, sondern auch gesundheitsfördernde Wirkungen haben können. Sie werden insbesondere in der asiatischen Küche als Speisepilze seit Jahrhunderten verwendet; daneben werden sie aber auch zu Heilzwecken (etwa im Rahmen der Traditionellen Chinesischen Medizin) eingesetzt. Allerdings sind ein Teil dieser Pilzsorten dem Verbraucher in Europa fremd. In den letzten Jahren haben aber auch Pilzarten wie Shiii-take, Maitake und Austernpilz einen größeren Bekanntheitsgrad erlangt. Nach übereinstimmenden wissenschaftlichen Aussagen enthalten Speisepilze generell eine Fülle ernährungsphysiologisch wertvoller Substanzen wie Vitamine des B-Komplexes sowie Mineralien und Spurenelemente, die bei Menschen entsprechende Mangelerscheinungen beheben oder ihnen vorbeugen können (vgl. etwa die von der Antragstellerin vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen von Dr. Reimann, München, vom 29. Oktober 2003, 11. Februar und 29. März 2004, von Prof. Dr. Gedek, Ismaning, vom 1. Februar 2004 und von Prof. Dr. Lelley vom 1. März 2004). Speziell zu der Pilzart Shii-take hat das OLG Köln (Urt. v. 19.07.2000, LRE 40, 185) festgestellt, dass es in der Fachliteratur keine einzige Stimme gebe, die diesem Pilz eine gesundheitsfördernde Fähigkeit abspreche. Insbesondere sei er geeignet, den Cholesterinspiegel zu senken, Viren zu bekämpfen und das Immunsystem zu stärken. Im Hinblick auf diese vorbeugenden und heilenden Eigenschaften der streitbefangenen Pilze, die eine Einordnung als Lebensmittel nicht von vornherein ausschliessen (vgl. Kloesel/Cyran, a. a. O., § 2 AMG Anm. 78 d)), dürfte sich in Deutschland aber noch keine gefestigte Verkehrsauffassung gebildet haben. Es ist eher davon auszugehen, dass der Verbraucher asiatische Speisepilze grundsätzlich als Nahrungsmittel ansieht. Das dürfte auch für das hier in Rede stehende Pilzpulver gelten, das erst seit einigen Jahren in Deutschland auf dem Markt ist. Stoffe, die üblicherweise der Ernährung (oder dem Genuss) dienen, deuten nämlich auf ein Lebensmittel hin.
Hat sich aber noch keine allgemeine Verkehrsauffassung zu einem bestimmten Mittel gebildet, so ist als nächstes die Zweckbestimmung zu prüfen, die ihm der Hersteller oder derjenige, der es sonst in den Verkehr bringt, gegeben hat (vgl. Kloesel/Cyran, a. a. O., § 2 AMG Anm. 78 g; Zipfel/Rathke, a. a. O., § 1 LMBG RdNr. 43 a). Dabei ist grundsätzlich die objektive Zweckbestimmung des Erzeugnisses, nicht aber der subjektive Wille des Herstellers oder Vertreibers maßgeblich. Die bloße Erklärung, das betreffende Präparat sei ein Lebensmittel (Nahrungsergänzungsmittel), bewirkt für sich genommen noch nicht, dass es auch entsprechend einzustufen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.1994, BVerwGE 97, 132 [BVerwG 24.11.1994 - 3 C 2/93]). Andererseits macht nicht jeder Hinweis auf eine Verwendung bei Krankheiten das Erzeugnis zu einem Arzneimittel (vgl. Zipfel/Rathke, a. a. O., § 1 LMBG RdNr. 127).
Die Antragsgegnerin leitet die Arzneimitteleigenschaft der fraglichen Mykosan-Produkte vor allem aus dem Inhalt der von der Antragstellerin herausgegebenen Broschüre "SanPharma TM Holistische Therapie" ab. Dort werden zur Mykotherapie (Heilbehandlung mit Pilzen) nicht nur allgemeine gesundheitsbezogene Aussagen getroffen, sondern es wird auch bei den einzelnen Mykosan-Produkten ihre Heilwirkung bei bestimmten Krankheiten, wie z. B. Krebs, Schlaganfall, Herzinfarkt, deutlich herausgestellt. Durch diese hervorgehobene Nennung von Indikationen wird der Anschein von Arzneimitteln erweckt. Darauf hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen. Allerdings ist einschränkend zu berücksichtigen, dass diese Broschüren nach den glaubhaften Angaben der Antragstellerin nicht für die Endverbraucher bestimmt sind, sondern ausschließlich an Ärzte, Apotheker, Heilpraktiker und Ernährungsberater auf Anfrage abgegeben werden. Im übrigen hat die Antragstellerin (vgl. ihr Schreiben vom 15. September 2003 an die Antragsgegnerin) inzwischen selbst eingesehen, dass in ihren Informationsbroschüren "einige Nachbesserungen vorgenommen werden müssen, um nicht einen Monokausaltherapieeffekt anklingen zu lassen". Ausweislich eines Aktenvermerks hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin am 3. November 2003 der Antragsgegnerin telefonisch ergänzend angeboten, die gesundheitsbezogene Auslobung "massiv herunterzufahren". Angesichts dessen hätte die Antragsgegnerin aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zumindest erwägen können, ob statt eines Vertriebsverbots Auflagen zur Bewerbung der streitbefangenen Produkte als weniger belastende Maßnahmen ausgereicht hätten. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 18. Februar 2004 (S. 33) sogar vorgetragen, dass die beanstandeten Werbebroschüren überhaupt nicht mehr verwendet würden. Diese Behauptung muss gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren überprüft werden. Auf frühere Aussagen in der Präsentation und Werbung könnte in einem solchen Fall unter Umständen nicht mehr zurückgegriffen werden (vgl. zu diesem Gedanken: BGH, Urt. v. 10.02.2000, a. a. O.; Kloesel/Cyran, a. a. O., § 2 AMG, § 78 f).
Es bestehen Zweifel, ob sich die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang auf die von ihr vorgelegten Veröffentlichungen aus dem Internet, in denen andere Anbieter von vergleichbaren Pilzerzeugnissen mit dem Hinweis auf ihre heilende Wirkung bei der Bekämpfung von Krebs und anderen Krankheiten werben, berufen kann. Zum einen werden dadurch die Verbraucher direkt angesprochen, während die Antragstellerin ihr Informationsmaterial ausschließlich den genannten Fachkreisen auf deren Anforderung zur Verfügung stellt und die von der Antragsgegnerin beanstandeten Broschüren auch nicht mehr in der bisherigen Form verwenden will. Zum anderen können am Markt befindliche Konkurrenzprodukte in der Präsentation und Aufmachung durchaus Unterschiede aufweisen, so dass in diesem Bereich nicht ohne weiteres von der Zurechenbarkeit der Äußerungen Dritter auszugehen ist.
Ebenso wenig ergeben sich aus anderen Abgrenzungskriterien wie Produktbezeichnung, Firmenname, Aufmachung, Darreichungsform, Vertriebsweg und Preisgestaltung tragfähige Anhaltspunkte für die Einordnung der streitigen Mykosan-Erzeugnisse als Arzneimittel. Allerdings ist gerade bei den verstärkt auf den Markt drängenden Nahrungsergänzungsmitteln eine Annäherung des Erscheinungsbildes an Arzneimittel festzustellen, was die ohnehin schwierige Abgrenzung nicht erleichtert. So ist es üblich geworden, dass Nahrungsergänzungsmittel wie Arzneimittel in Tabletten-, Kapsel- oder Pulverform angeboten werden (vgl. BGH, Urt. v. 10.02.2000, a. a. O.). Nach Art. 2 a der Richtlinie 2002/46/EG ist eine derartige Darreichungsform sogar Merkmal eines Nahrungsergänzungsmittels. Dementsprechend kann etwa ein Dosierungshinweis für die Einordnung als Arzneimittel oder Lebensmittel nicht ausschlaggebend sein. Auch bei einem Nahrungsergänzungsmittel kann ein Bedürfnis des Verkehrs nach einem Hinweis darauf bestehen, welche Mengen pro Tag sinnvollerweise eingenommen werden sollten (vgl. BGH, Urt. v. 10.02.2000, a. a. O.). Ebenso ist der Vertrieb über Apotheken kein sicherer Anhaltspunkt für eine Zweckbestimmung als Arzneimittel. Nahrungsergänzungsmittel, die vielfach wie Arzneimittel verpackt werden, gehören zu den apothekenüblichen Waren (§ 25 Nr. 6 Apothekenbetriebsordnung - ApBetrO -). Ein besonders hoher Preis kann allenfalls ein Indiz für die Annahme eines Arzneimittels sein (vgl. Klein, NJW 1998, 791, 794).
Hiervon ausgehend finden sich keine ausreichenden Hinweise darauf, dass die in Rede stehenden Pilzerzeugnisse eher den Arzneimitteln zuzurechnen sind. Zwar ist es richtig, dass die Produktbezeichnung "Mykosan" eine eindeutige Beurteilung nicht zulässt. Der Begriff Mykologie stammt aus dem Griechischen und bedeutet Pilzkunde. Die Silbe "san" ist lateinischer Herkunft ("sanare") und deutet auf eine Heilwirkung hin. Die Antragstellerin hat aber belegt, dass es viele Nahrungsergänzungsmittel gibt, die ebenfalls mit altsprachlichen Bezeichnungen vertrieben werden und/oder die Silbe "san" in ihren Namen führen. Ähnlich verhält es sich mit der Firmenbezeichnung "SanPharma" der Antragstellerin. Zwar erinnert diese Bezeichnung mehr an eine Arzneimittelfirma, doch hat auch hier die Antragstellerin belegt, dass andere Unternehmen, die ebenfalls Nahrungsergänzungsmittel vertreiben, den Bestandteil "Pharma" in ihren Namen tragen. Die Aufmachung der Mykosan-Produkte rechtfertigt eine Einordnung als Arzneimittel ebenso wenig. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die früher schwerpunktmäßig bei Arzneimitteln übliche Verpackungsform (hier: Zellulose-Kapseln in Glasflaschen) sich inzwischen auch bei Nahrungsergänzungsmitteln durchgesetzt habe. Derartig verpackte Mittel seien in ganz erheblicher Zahl in Lebensmittelmärkten, Reformhäusern, Fitnessstudios usw. anzutreffen. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Etikettierung der Glasflaschen. Dort steht unterhalb des jeweiligen Produktnamens die Aufschrift "Nahrungsergänzung". Die stoffliche Zusammensetzung wird durch den Namen des jeweiligen Pilzes in lateinischer Sprache gekennzeichnet. Krankheitsaussagen werden auf den Etiketten nicht getroffen. Die Dosierungsempfehlungen ("1 - 2 Kapseln vor jeder Mahlzeit") lassen - wie bereits ausgeführt - ebenfalls keinen Schluss auf das Vorliegen eines Arzneimittels zu. Auch der ausschließliche Vertriebsweg über Ärzte, Heilpraktiker, Apotheker und Ernährungsberater stellt nach dem oben Gesagten kein maßgebliches Indiz für die Annahme eines Arzneimittels dar. Eine derartige Einschätzung wird auch nicht durch die Preisgestaltung hervorgerufen. Die Antragsgegnerin beruft sich darauf, dass z. B. den hier streitigen Mykosan-Produkten entsprechende Pilzerzeugnisse von einem anderen Unternehmen im Internet pro Glas für 51,00 Euro angeboten würden. Diese Preishöhe hat die Antragstellerin nicht bestritten, sondern darauf hingewiesen, dass es auch andere Nahrungsergänzungsmittel gebe, die zu einem vergleichsweise hohen Preis vertrieben würden. Ein Abgrenzungsmerkmal in der Weise, dass teure Erzeugnisse als Arzneimittel und billige stets als Nahrungsergänzungsmittel einzuordnen wären, erscheint nicht sachgerecht, zumal es auch preiswerte Arzneimittel gibt (so auch Klein, NJW 1998, 791, 794). Die Preisgestaltung kann allenfalls dann ein Indiz für die Zweckbestimmung eines Erzeugnisses sein, wenn es sich um besonders markante Preisdifferenzen handelt, die einer nachvollziehbaren Begründung entbehren. In den Flaschen der streitigen Mykosan-Produkte befinden sich 100 bzw. 90 Kapseln, so dass nicht von einem weit überhöhten Preis auszugehen ist. Hinzu kommt, dass zumindest ein Teil der Pilze, welche die Antragstellerin pulverisiert in Zellulose-Kapseln vertreibt, als wertvoll bzw. sehr kostspielig angesehen werden, was auch die bei der Antragsgegnerin beschäftigte Pharmazieoberrätin C. in ihrer Stellungnahme vom 7. Januar 2004 einräumt.
Ferner können auch die Ansichten der europäischen Verbraucher die Zweckbestimmung eines Erzeugnisses beeinflussen (vgl. Klein, NJW 1998, 791, 796). Die Antragstellerin macht insoweit geltend, pulverisierte Pilzprodukte, welche die gleichen oder vergleichbare Speisepilze wie die Mykosan-Produkte enthielten, würden in Belgien und Frankreich mit Zustimmung der zuständigen Behörden als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben. Ob dies der Fall ist, musste nicht näher geprüft werden. Da eine völlige Harmonisierung der zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes erforderlichen Maßnahmen im Bereich der EU bisher fehlt, verbietet nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der Umstand, dass ein Erzeugnis in einem Mitgliedsstaat als Lebensmittel qualifiziert wird, es nicht, ihm in einem anderen Staat die Eigenschaft eines Arzneimittels zuzuerkennen, wenn es dessen Merkmale aufweist, insbesondere pharmakologische Wirkungen hat (vgl. zuletzt Urt. v. 29.04.2002 - C-387/99 -). Mit einer Klärung der Verhältnisse in Belgien und Frankreich wäre deshalb für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens nicht viel gewonnen.
Dagegen kommt der Auffassung der pharmazeutischen und medizinischen Wissenschaft über die Eignung des betreffenden Produkts als Lebens- oder Arzneimittel im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung eine besondere Bedeutung zu. Dies gilt insbesondere für die wichtige Frage, ob ein - wie hier - als Nahrungsergänzungsmittel angebotenes Präparat pharmakologische Wirkungen hat oder nicht. Die Antragstellerin hat dazu mehrere gutachtliche Stellungnahmen eingereicht, wonach die streitbefangenen Pilzarten, auch wenn sie als Pulver in Kapseln abgefüllt sind, zu den Lebensmitteln (Nahrungsergänzungsmitteln) gehören. Der Antragsgegnerin ist es nicht gelungen, diese Beurteilung zu erschüttern.
Der von der Antragstellerin beauftragte Dr. Reimann (München), der öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Abgrenzung Arzneimittel - Lebensmittel - Nahrungsergänzungsmittel ist, hat bereits in seiner Stellungnahme vom 29. Oktober 2003 die Auffassung vertreten, dass es sich bei den in Rede stehenden Pilzerzeugnissen nicht um Arzneimittel, sondern um Lebensmittel bzw. Nahrungsergänzungsmittel handele. Diese Auffassung hat er in Auseinandersetzung mit den Gegenargumenten der Antragsgegnerin in den Schriftsätzen vom 9. Januar und 18. März 2004 bekräftigt und vertieft (gutachterliche Stellungnahmen v. 11.02. u. 29.03.2004). Auch die ebenfalls von der Antragstellerin eingeschaltete Sachverständige für Mikroökologie und Mykotoxinologie Prof. Dr. Gedek (Ismaning) vertritt in ihrer Stellungnahme vom 1. Februar 2004 den Standpunkt, dass Makromyceten (Großpilze) auch in der hier vorliegenden pulverisierten Form in die Kategorie der Nahrungsergänzungen gehörten. Ebenso ordnet der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für das Fachgebiet landwirtschaftliche Sonderkulturen - Pilzanbau - Prof. Dr. Lelley (Köln) in seiner für die Antragstellerin erstatteten gutachtlichen Stellungnahme vom 1. März 2004 die in Rede stehenden Pilze den Lebensmitteln zu. Diesen gutachtlichen Stellungnahmen ist gemeinsam, dass sie die gesundheitserhaltende und gesundheitsfördernde, teilweise auch heilende Wirkung der Pilze, die ernährungsphysiologisch begründet sei, in den Vordergrund stellen. Sie verschweigen aber andererseits nicht, dass in Einzelfällen bzw. unter gewissen Voraussetzungen auch pharmakologische Effekte erzielt werden können. So weist Dr. Reimann in seiner Stellungnahme vom 11. Februar 2004 ausdrücklich darauf hin, dass ein Nahrungsmittel bis zum sogenannten Safety-Limit nur eine ernährungsphysiologische Wirkung habe. Doch sei dies bei isolierten, hochdosierten Einzelsubstanzen möglicherweise differenzierter zu sehen. Diese Gefahr sieht er aber - ebenso wie die anderen beiden Gutachter - für die von der Antragstellerin jeweils empfohlenen Tagesdosierungen nicht. Der Senat hat keinen Anlass, an diesen nachvollziehbar begründeten Einschätzungen zu zweifeln, zumal die Antragsgegnerin dem nicht substantiiert entgegengetreten ist. Sie hat selbst ausgeführt, dass sie nicht sicher beurteilen könne, ob bzw. in welchem Maße die von der Antragstellerin angebotenen Produkte eine pharmakologische Wirkung haben (Schriftsatz v. 18.03.2004, S. 2). Allerdings sei es durchaus vorstellbar, dass sich bei der Einnahme über einen längeren Zeitraum eine pharmakologische Wirkung zeige. Dabei handelt es sich jedoch um eine Spekulation, die nicht hinreichend belegt ist. Soweit die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang den Wert der gutachterlichen Stellungnahme von Prof. Dr. Lelley deshalb in Zweifel zieht, weil dieser selbst Pilzprodukte aus eigener Aufzucht vermarkte, kann dem nicht gefolgt werden. Der Senat sieht darin keinen Grund an der Sachkunde des Gutachters, der Professor für Mykologie an der Universität Bonn und Leiter der Versuchsanstalt Pilzanbau in Krefeld sowie öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Gebiet landwirtschaftlicher Sonderkulturen/Pilzanbau ist, zu zweifeln. Demgegenüber sind die von der Antragsgegnerin vorgelegten behördlichen Stellungnahmen nicht geeignet, die Aussagekraft der von der Antragstellerin eingeholten gutachterlichen Stellungnahmen in Frage zu stellen. Die Untersuchungsberichte des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Lebensmittelinstitut Oldenburg) vom 14. August und 18. September 2003, die zu dem Ergebnis gelangen, dass die in Rede stehenden Produkte der Antragstellerin aufgrund der überwiegenden Zweckbestimmung nicht als Lebensmittel einzustufen seien, stützen sich im wesentlichen auf die Darstellungen in den genannten Broschüren der Antragstellerin, welche die pharmakologischen Wirkungen der Produkte hervorheben würden. Der Senat hat dazu jedoch im einzelnen ausgeführt, dass diese Broschüren nicht allein maßgeblich für die Entscheidung der Frage, ob Arzneimittel oder Lebensmittel (Nahrungsergänzungsmittel) im vorliegenden Fall anzunehmen sind, sein können. Ebenso wenig führt die Stellungnahme der Pharmazieoberrätin C. vom 7. Januar 2004 weiter. Soweit es um die in Rede stehenden Pilzsorten geht, gibt sie lediglich wieder, was in deutschen Arzneibüchern bzw. in "Hager‘s Handbuch der pharmazeutischen Praxis" dazu ausgeführt ist.
Der Antragsgegnerin ist es auch nicht gelungen, die anderen von ihr befürchteten Gefahren, die durch die Einnahme der streitbefangenen Produkte entstehen könnten, durch wissenschaftliche Veröffentlichungen zu untermauern. Soweit sie mögliche mikrobielle Belastungen anführt, hat der Sachverständige Dr. Reimann in seiner Stellungnahme vom 11. Februar 2004 zutreffend darauf hingewiesen, dass auch ein Lebensmittel (Nahrungsergänzungsmittel) in dieser Hinsicht allen Qualitätsanforderungen entsprechen muss. Sollten gleichwohl von einzelnen Stoffen Gesundheitsrisiken ausgehen, bestünde die Möglichkeit, hiergegen nach dem LMBG Maßnahmen zu ergreifen. Die ferner von der Antragsgegnerin angesprochene Gefahr, dass einige der in den streitbefangenen Produkten enthaltenen Inhaltsstoffe unerwünschte Wirkungen oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten etwa gegen Krebs haben könnten, ohne dies näher zu belegen, erscheint gering. Das gleiche gilt für die von der Antragsgegnerin aufgestellte These, ein Verbraucher könnte bei einer Erkrankung anstelle von Medikamenten die Produkte der Antragstellerin einnehmen und dadurch gesundheitliche Schäden erleiden. Dies hat bereits das Verwaltungsgericht als wirklichkeitsfremd angesehen. Auch dürfte die Gefahr einer unkontrollierten Verwendung nicht ernsthaft bestehen, da die Produkte nur von Fachkreisen wie Ärzte, Heilpraktiker, Apotheker und Ernährungsberater, von denen ein verantwortungsbewusster Umgang mit den Mitteln und eine entsprechende Aufklärung der Patienten bzw. Verbraucher erwartet werden kann, weitergegeben werden.
Schließlich fällt bei der Gesamtbetrachtung besonders ins Gewicht, dass das Regierungspräsidium D., in dessen Zuständigkeitsbereich die Firma MykoVital Vertriebs GmbH (B.) ihren Sitz hat, von der die Antragstellerin die in Rede stehenden Produkte bezieht, keinen Anlass zum Einschreiten nach dem AMG gesehen hat. Die Bezirksregierung Lüneburg hat mit Schriftsatz vom 18. März 2004 mitgeteilt, sie habe mittlerweile in Erfahrung gebracht, dass das Regierungspräsidium D. die betreffenden Pilzerzeugnisse als Lebensmittel eingestuft hat. Nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Antragstellerin im Schriftsatz vom 14. November 2003 soll diese Firma die identischen Produkte schon seit über 5 Jahren vertreiben. Dies spricht dafür, dass bisher keine von ihnen ausgehenden Gesundheitsgefahren bekannt geworden sind. Auch aus diesem Grund bestehen Zweifel an der Notwendigkeit der Anordnung des Sofortvollzuges nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im vorliegenden Fall.
Aus alledem ergibt sich, dass die in Rede stehenden Mykosan-Produkte eher als Lebensmittel (Nahrungsergänzungsmittel) denn als Arzneimittel anzusehen sind, so dass die Voraussetzungen für ein Einschreiten nach § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG voraussichtlich nicht erfüllt sind.
2. Auch bei dem von der Antragstellerin ebenfalls vertriebenen Kräutertrunk Intestisan lässt sich ein Überwiegen der arzneilichen Wirkung nicht feststellen.
Zur Begründung verweist der Senat zunächst auf die vorstehenden Ausführungen, die weitgehend auch für das Produkt Intestisan zutreffen. Die unter 1) behandelten Mykosan-Produkte stehen im Mittelpunkt des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Auch im Beschwerdeverfahren setzten sich die Beteiligten nur am Rande mit dem Kräutertrunk Intestisan auseinander. Ergänzend ist folgendes auszuführen: Auch beim Produkt Intestisan spricht Überwiegendes dafür, dass es sich um ein Nahrungsergänzungsmittel handelt. Es enthält eine Kräutermischung (bestehend aus Süßholzwurzel, Petersilie, Dill, Minze, Thymian, Basilikum, Majoran, Roter Sonnenhut, Boxhornkleesamen, Brennessel, Seegras und Traubenkerne), Wasser, Zucker und im Laufe des Säuerungsprozesses entstehende Milchsäurebakterien. Abgefüllt ist es in Flaschen, auf deren Etikett neben dem Produktnamen unter anderem die Aufschrift "Kräutertrunk fermentiert mit Milchsäurebakterien" und "Nahrungsergänzungsmittel" sowie Angaben zur Dosierung enthalten sind. Nach seiner stofflichen Zusammensetzung und Aufmachung wird ein verständiger Durchschnittsverbraucher im allgemeinen nicht annehmen, dass es sich entgegen der Deklarierung um ein Arzneimittel handelt. Tragfähige Anhaltspunkte für eine gleichwohl gegebene pharmakologische Wirkung sind nicht ersichtlich. Allerdings muss sich auch hier die Antragstellerin vorhalten lassen, dass sie in ihrer Broschüre "SanPharma TM Darmsanierung" nicht nur darauf hingewiesen hat, dass mit der Einnahme von Intestisan eine Regenerierung des Darmes erreicht werden könne, sondern zugleich auch Darmkrankheiten wie Dünndarmentzündungen und Verstopfung sowie andere Leiden wie Gicht, Migräne und Asthma bekämpft werden könnten. Aber auch hier gelten die bereits zu den Mykosan-Produkten vom Senat angeführten Besonderheiten. Im übrigen hat der Sachverständige Dr. Reimann in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 11. Februar 2004 die Auffassung vertreten, dass die in dem Produkt Intestisan enthaltenen Pflanzen (überwiegend Küchenkräuter) ebenfalls den Lebensmitteln zuzuordnen seien, da eine pharmakologische Wirkung in der Regel nicht belegt sei oder nur für eine topische Anwendung (z. B. Senf) gelte. Diese Beurteilung hat die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren nicht entkräften können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Streitwertbeschluss:
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus §§ 25 Abs. 2 Satz 2, 20 Abs. 3 und 13 Abs. 1 Satz 1 GKG: Die Antragstellerin hat angegeben, dass mit den streitbefangenen Produkten ein monatlicher Umsatz zwischen 24.000,-- Euro und 28.000,-- Euro erzielt werde. Das Verwaltungsgericht hat diese Umsatzzahlen seiner Streitwertfestsetzung zugrunde gelegt und den sich daraus etwa ergebenden Jahreswert von ca. 300.000,-- Euro gedrittelt, was zu einem Streitwert von 100.000,-- Euro geführt hat. Die Antragsgegnerin hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass als Streitwert von der Höhe des Jahresbetrages des erzielten oder erwarteten Gewinns auszugehen sei. Sie hat diesen auf ca. 1/3 des Umsatzes geschätzt, so dass sich ein Jahresgewinn von ca. 100.000,-- Euro ergeben würde. Dies hält der Senat für plausibel. Da es sich jedoch um ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren handelt, beträgt der Streitwert in der Regel die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts (vgl. I 7. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedr. in Redeker/von Oertzen, VwGO, 13. Aufl., § 165 RdNr. 19). Dementsprechend ist der Streitwert des vorliegenden Verfahrens unter Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Rechtszüge auf je 50.000,-- Euro festzusetzen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.