Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 20.10.2004, Az.: 1 A 318/04
Altersteilzeit; Lehrer; Rückwirkung; Teilzeitmodell; Vertrauensschutz; Verwaltungspraxis
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 20.10.2004
- Aktenzeichen
- 1 A 318/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50872
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 80b BG ND
- § 8a LehrArbZV ND
- Art 3 GG
Tatbestand:
Die 1949 geborene Klägerin erstrebt die Gewährung von Altersteilzeit.
Sie unterrichtet mit einer Regelstundenzahl von 27,5 Unterrichtsstunden am Gymnasium B.. Mit Formularantrag vom 29. August 2003, der vom Schulleiter befürwortet wurde, beantragte sie Altersteilzeit in der Form des Teilzeitmodells zum 1. August 2004 (Ruhestandsbeginn: 1. August 2014). Zu diesem Zeitpunkt galt noch die alte Fassung des § 80 b NBG, wonach Voraussetzung für den Antrag die Vollendung des 55. Lebensjahres war. Nach Anhebung der Altersgrenze auf das 59. Lebensjahr - durch Änderung des genannten Gesetzes im Oktober 2003 - lehnte die Beklagte mit ihrem Bescheid vom 16. März 2004 den gestellten Antrag unter Hinweis auf die geänderte Gesetzeslage ab.
Zur Begründung ihrer nach einem erfolglosen Widerspruchsverfahren am 20. August 2004 erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, der Ablehnung ihres Antrages stehe der Grundsatz des Vertrauensschutzes entgegen, aber auch der Gleichheitssatz: Kultusminister Busemann habe noch im Februar 2003 zugesagt, die Regelungen zur Altersteilzeit behielten bis zum 1. August 2004 unverändert ihre Gültigkeit. Entsprechende Anträge seien bis dahin auch bewilligt worden. Noch bis zum Beginn der Sommerferien 2003 sei von den zuständigen Sachbearbeitern auf Nachfrage mitgeteilt worden, ihren Anträgen werde entsprochen. So seien landesweit 122 Anträge auch bewilligt worden, diese Bewilligungen nicht wieder rückgängig gemacht worden, was noch mit Erlass vom Januar 2004 bekräftigt worden sei. Die individuelle Betroffenheit der Klägerin sei nicht gewürdigt worden, ihr Antrag vielmehr „formelhaft“ abgelehnt worden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. März 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2004 zu verpflichten, der Klägerin Altersteilzeit ab dem 1. August 2004 an dem Gymnasium C. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf die geänderte Gesetzeslage sowie die einschlägige Rechtsprechung dazu sowie darauf, dass nach der Verwaltungspraxis frühestens 6 Monate vor dem Beginn der Altersteilzeit über entsprechende Anträge entschieden worden sei und werde. Verfrühte Bewilligungen von Altersteilzeit in einzelnen Fällen - wohl in 28 Fällen - änderten an der regelmäßig eingehaltenen Praxis nichts, vor allem nichts zugunsten der Klägerin, die sich insoweit nicht auf den Gleichheitssatz berufen könne. Auch Vertrauensschutz verhelfe der Klägerin nicht zu einem Anspruch.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Über die Klage kann im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden als Einzelrichter entschieden werden, §§ 87a, 101 VwGO.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
1. Nach § 80 b NBG in der bis zum 7. November 2003 geltenden Fassung in Verbindung mit § 8 a der Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen - ArbZVO-Lehr - in der ebenfalls bis zum 7. November 2003 geltenden Fassung konnte Lehrkräften, die - wie die Klägerin - vor dem 1. Februar 2004 das 56. Lebensjahr vollendeten, Altersteilzeit zu den Anfangszeitpunkten 1.8.2002, 1.2. und 1.8.2003 sowie 1. 2. und 1. 8. 2004 bewilligt werden. Nach einem Merkblatt (SVBl. 2000, 481) war der Antrag spätestens sechs Monate vor dem gewünschten Beginn einzureichen. Gemäß dem am 8. November 2003 in Kraft getretenen Gesetz vom 31. Oktober 2003 (Nds. GVBl. S. 372) darf eine ab dem 1. 8. 2004 beginnende Altersteilzeit jedoch - von Sonderfällen abgesehen- erst nach Vollendung des 59. Lebensjahres bewilligt werden.
2. Die Klägerin hat auf der Grundlage dieser - seit November 2003 geänderten - Gesetzeslage keinen Anspruch auf die von ihr verfolgte Gewährung von Altersteilzeit zum 1.8.2004. Denn es fehlt bei ihr - wie sie selbst anerkennt - an dem inzwischen gesetzlich vorgeschriebenen Alter von 59 Jahren. Da sie nicht zum Personenkreis der schwerbehinderten bzw. begrenzt dienstfähigen Lehrkräften gehört, für den es bei der Altersgrenze von 55 Jahren verblieben ist, ist für die Klägerin (inzwischen) eine gesetzliche Voraussetzung nicht erfüllt, an der sie sich jedoch - wie auch die Verwaltung und das Gericht (Art. 20 Abs. 3 GG) - jetzt festhalten lassen muss. Die neue Gesetzeslage ist verbindlich.
2.1 Hieran ändert der von der Klägerin vorgetragene Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nichts. Denn ein Vertrauen in den unveränderten Fortbestand gesetzlicher Regelungen gibt es nicht - auch dann nicht, wenn das vom zuständigen Ministerium zuvor noch anders dargestellt worden sein mag. Insoweit kann ergänzend auf den Beschluss des Nds. Oberverwaltungsgericht vom 26. 3. 2004 - 5 ME 32/04 - verwiesen werden:
"Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur Unzulässigkeit belastender gesetzlicher Vorschriften mit echter Rückwirkung ist auf die hier vorliegende Konstellation nicht übertragbar. Das maßgebliche Gesetz (§ 80 b NBG) stellte die Bewilligung von Altersteilzeit auch in der bisherigen Fassung schon in das Ermessen der Behörde und machte dies vom Vorliegen bestimmter Voraussetzungen abhängig. Der Antragsteller musste also sowohl damit rechnen, dass sich an den Voraussetzungen (nämlich dem Nichtentgegenstehen dringender dienstlicher Belange; Erfordernisse der Unterrichtsversorgung) etwas ändern würde, als auch damit, dass in der Ermessensbetätigung aus sachlichen Gründen (wozu z.B. auch fiskalische Erwägungen gehören können) eine andere Praxis Platz greifen würde. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, dass der Antragsteller eine rechtliche Position erlangt hätte, auf deren Bestand er hätte vertrauen können. Er konnte nur die unsichere Hoffnung auf eine Fortsetzung der bisherigen großzügigen Bewilligungspraxis hegen. Dieses Interesse darf die Antragsgegnerin indessen hinter dem öffentlichen Interesse an einer möglichst ausgeglichenen Unterrichtsversorgung und an der Konsolidierung des Landeshaushalts zurück treten lassen.“
2.2 Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 20 Charta der Grundrechte der EU) ist hier nicht dadurch verletzt, dass - wie die Klägerin vorträgt - landesweit bei 122 Lehrkräften noch Altersteilzeit zum 1. August 2004 bewilligt wurde, ihr Antrag dagegen - obgleich schon im August 2003 gestellt - abgelehnt wurde.
Die Beklagte beruft sich insoweit nämlich auf eine von ihr verfolgte und geübte allgemeine Verwaltungspraxis, derzufolge aus Sachgründen regelmäßig erst ca. 6 Monate vor einem Altersteilzeittermin über die gestellten Anträge entschieden werde. So sei auch im Falle der Klägerin verfahren worden: Es seien daher nach dem 1. Februar 2004 insgesamt 366 Altersteilzeitanträge zum 1. August 2004 abgelehnt worden. Wenn das in Einzelfällen anders gehandhabt worden sei, so ergebe sich daraus keine Rechtsposition der Klägerin, die nicht beanspruchen könne, in fehlerhafter Abweichung von der ständigen Verwaltungspraxis mit nur wenigen Einzelfällen gleich behandelt zu werden.
Hiergegen ist nichts einzuwenden. Gerade der Gleichbehandlungssatz fordert die Behandlung und Bearbeitung des Antrages der Klägerin zusammen und in Abgleich mit der Vielzahl eingegangener Anträge, so wie das von der Beklagten im Allgemeinen auch gehandhabt worden ist. An wenigen Einzelfällen muss sich die Beklagte nicht festhalten lassen. Ein Anspruch auf Abweichung von der Verwaltungspraxis und verfrühte Bearbeitung ihres Antrages hatte und hat die Klägerin nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.