Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 05.10.2004, Az.: 10 A 3/04

Antrag auf Entscheidung; beweispflichtig; Dienstherr; Dienstvergehen; Disziplinarkammer; Disziplinarverfügung; Gehaltskürzung; Geldbuße; genehmigungspflichtige Nebentätigkeit; Genesungspflicht; Gesunderhaltungspflicht; Gesundungsprozess; Hingabepflicht; Kürzung; Nebentätigkeit; Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten; Ruhegehalt; Spekulation; Verdacht; Vorermittlungsführer

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
05.10.2004
Aktenzeichen
10 A 3/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 50873
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Bei genehmigter Nebentätigkeit kann die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten außerdienstlich regelmäßig nur dann beeinträchtigt werden, wenn der Beamte sich nicht mehr genehmigungstreu verhält.

2. Solange der Beamte aufgrund ärztlicher Atteste vom Dienst freigestellt ist, scheidet eine Verletzung der Hingabepflicht grundsätzlich aus; sie reduziert sich auf eine Gesundungs- und Genesungspflicht.

3. Auch die während der Freistellung vom Dienst verbliebene Gesundungs- und Genesungspflicht wird durch eine genehmigte Nebentätigkeit erst dann verletzt, wenn diese den Genesungsprozess nach medizinischer Beurteilung zu beeinträchtigen vermag.

4. Eine während der Freistellung vom Dienst weiterhin ausgeübte Aufsichtstätigkeit vermag bei einer Schulteroperation den Genesungsprozess nicht zu beeinträchtigen.

Gründe

1

I. Der am D. geborene Beamte trat E. in den Nieders. Justizvollzugsdienst ein. Er wurde zuletzt - 1999 - zum Hauptsekretär im JVD befördert und versah seinen Dienst in der Justizvollzugsanstalt F.. Mit Bescheid dieser JVA vom 15.2.1996 war ihm eine Hilfstätigkeit (Auswechseln von Ersatzteilen, Ölbrennerservice, Montage und Verkauf von Heizungsteilen) bei der Fa. seiner Ehefrau G. - Heizungszubehör und Service - als Nebentätigkeit widerruflich genehmigt worden, wobei die zeitliche Beanspruchung 1/5 der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit nicht überschreiten dürfe. Der Beamte ist verheiratet. Mit Feststellungsbescheid des Versorgungsamtes Hannover vom 15. Februar 2001 wurde der Beamte dem Personenkreis der Schwerbehinderten zugerechnet und sein Grad der Behinderung für die Zeit ab 6. September 2000 mit 50 % festgestellt. Ihm war Altersteilzeit im Blockmodell gewährt worden.

2

Vom 21. Februar 2002 bis zum 8. November 2002 war dem Beamten - mit Unterbrechungen - von ärztlicher Seite Dienstunfähigkeit attestiert worden, vom 9. September 2002 bis zum 8. November 2002 durchgängig. Der Beamte war vom 8. bis 16. April 2002 wegen einer Rotatorenmanschettenruptur des rechten Schultergelenks in stationärer Behandlung. Am 9. September 2002 wurde bei ihm in H. eine arthroskopische Operation am linken Schultergelenk durchgeführt und ihm für die nachfolgenden 4 Wochen ein Schulterbewegungsstuhl verordnet.

3

II. Dem Beamten wird vorgeworfen, dadurch gegen seine Pflichten verstoßen zu haben, dass er im Rahmen eines genehmigten Bauvorhabens (Ausbau einer Einliegerwohnung) auf dem Grundstück „I.“ in J. in der Zeit vom 2. Oktober 2002 bis zum 25. Oktober 2002 während seiner ärztlich attestierten Dienstunfähigkeit Klempner- bzw. Heizungsbauarbeiten mit ausgeführt und dabei „Maß und Umfang“ der Nebentätigkeitsgenehmigung vom Februar 1996 überschritten habe. Er habe sich insgesamt 14 Stunden und 15 Minuten auf dem Baugrundstück aufgehalten und dort „gearbeitet bzw. arbeitsgleiche Tätigkeiten“ ausgeübt.

4

Durch Bedienstete der JVA K., die das durch jeweils schriftliche Vermerke festgehalten hatten, war festgestellt worden, dass der Beamte

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- am 2. Oktober 2002 um 16.30 Uhr ein Baufahrzeug auf das gen. Baugrundstück hereinwinkte,

6

- am 7. Oktober 2002 seinen PKW L. auf dem gen. Grundstück geparkt hatte und dort in der Zeit von 17.00 - 18.10 Uhr etwas einlud,

7

- am 9. Oktober 2002 seinen PKW wiederum auf dem gen. Grundstück abgestellt hatte und er um 16.30 Uhr Werkzeuge und Materialien in seinen mit Edelstahlrohren und Heizungsmaterialien beladenen PKW brachte,

8

- am 10. Oktober 2002 wiederum seinen PKW auf dem gen. Grundstück geparkt hatte, er das Grundstück um 15.25 Uhr verließ,

9

- am 11. Oktober 2002 um 9.15 Uhr gemeinsam mit einer anderen Person einen Anhänger vor das gen. Grundstück schob, er dort wiederum seinen PKW für ca. 1 Stunde (10.45 bis 11.45 Uhr) abgestellt hatte,

10

- am 22. Oktober 2002 seinen PKW für ca. eine halbe Stunde auf dem gen. Grundstück geparkt hatte,

11

- am 25. Oktober 2002 wiederum seinen PKW auf dem gen. Grundstück für ca. 1 ½ Std. geparkt hatte, er mit verschmutzter Kleidung Lötfittinge in seinen mit Baumaterialien beladenen PKW verlud und er - auf seine Tätigkeit angesprochen -„nervös reagierte“ und äußerte: „....nicht was ihr denkt, ich habe jemanden, der im Haus arbeitet.“

12

Durch Verfügung vom 19. Februar 2003 leitete der Leiter der M. gegen den Beamten disziplinarische Vorermittlungen ein, weil der Verdacht bestehe, dass der Beamte sich treuwidrig verhalten und vor allem mit dem Hinausgehen über die genehmigte Nebentätigkeit gegen seine Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf verstoßen habe.

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Der Verteidiger des Beamten nahm mit Schreiben vom 26. März 2003 zu dem Verdacht Stellung. Im Rahmen der Vorermittlungen wurden sodann als Zeugen gehört die Bauherren N., der Angestellte der Fa. O. P. sowie der Amtsinspektor im JVD Q.. Es wurde noch festgestellt, dass Obersekretär im JVD R. sich gegenüber dem Leiter des Vollzugsdienstes „verplappert“ und so ein Angebot des Beamten zu Wartungsarbeiten während der Phase der Krankschreibung mitgeteilt habe. Das wesentliche Ergebnis der Vorermittlungen vom 5. August 2003 ist dem Beamten mitgeteilt worden; er hat dazu mit Schreiben vom 3. September 2003 im Einzelnen Stellung genommen und beantragt, das Verfahren einzustellen.

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Der Beamte vollendete im September 2003 das 60. Lebensjahr, so dass er mit Ablauf des 30. September 2003 in den Ruhestand trat (§§ 230 a, 228, 51 Abs. 1 NBG).

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Der Anstaltsleiter der JVA K. hielt seine Disziplinarbefugnisse nicht für ausreichend und legte daher die Disziplinarvorgänge im Januar 2004 der beteiligten Behörde zur Entscheidung vor.

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Nachdem die beteiligte Behörde es zunächst noch für erforderlich gehalten hatte, die Vorgänge „dem zuständigen Gesundheitsamt mit der Fragestellung vorzulegen, ob der Bedienstete durch seine Tätigkeiten gegen seine Gesunderhaltungspflicht verstoßen haben kann“ (Vermerk vom 5.1.04), übernahm sie einen vom Vorermittlungsführer vorgefertigten Entwurf einer Disziplinarverfügung und ergänzte ihn - bei redaktionellen Änderungen - um eine Rechtsbehelfsbelehrung: Gegen den Beamten wurde durch die angefochtene Verfügung vom 16. Februar 2004 zunächst eine Gehaltskürzung „um 6 der Ruhegehaltsbezüge für die Dauer von 1/20 Monaten“ verhängt, was durch die Verfügung vom 19. März 2004 dann dahin korrigiert wurde, dass eine Gehaltskürzung um 1/20 für die Dauer von 6 Monaten verhängt werde.

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Ihrer disziplinarrechtlichen Würdigung legte die beteiligte Behörde zugrunde, dass der Beamte „in der Phase der Krankschreibung einer Nebentätigkeit nachging, indem er Heizungsbau- bzw. Heizungsinstallationsarbeiten im Bauvorhaben S., mit durchführte“ (S. 4 der Verfügung). Nach „allgemeiner Lebenserfahrung“ und aufgrund der „getroffenen Beobachtungen“ sei es ausgeschlossen, dass der Beamte nicht selbst gearbeitet habe. Die Zeugenaussagen widersprächen den „tatsächlichen Beobachtungen um und auf der Baustelle“, seien untereinander nicht schlüssig und wirkten abgesprochen (S. 8 der Verfügung). Nach Lage der Dinge müsse davon ausgegangen werden, dass der Beamte in der Zeit vom 2. bis 25. Oktober 2002 seinen Dienstgeschäften in der JVA K., die Überwachungstätigkeiten zum Gegenstand gehabt hätten, ebenso hätte nachgehen können wie der ausgeübten Nebentätigkeit. Er sei daher, gemessen an der dienstlichen Verwendung, „zumindest nicht vollständig dienst- bzw. arbeitsunfähig“ gewesen (S. 10 der Verfügung). Jedenfalls hätte er dem Dienstherrn auch seine eingeschränkte Arbeitskraft zur Verfügung stellen können und auf eine gleichzeitige Nebentätigkeit verzichten müssen.

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III. In seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch die Disziplinarkammer vom 17. März 2004 rügt der Beamte zunächst den nicht vollstreckbaren Tenor der Verfügung vom 16. Februar 2004 und wiederholt sodann seine Auffassung, die Vorermittlungen seien eindeutig mit einer „Belastungstendenz“ geführt worden. Die Behauptungen über Heizungsbau- bzw. Heizungsinstallationsarbeiten beruhten auf „reiner Spekulation bzw. auf Zirkelschlüssen“. Die Anstaltsleitung und die beteiligte Behörde gingen von einem unzutreffenden Sachverhalt und von Annahmen aus, die bereits logisch nicht stringent seien, da in unzulässiger Weise allein aus der Anwesenheit auf der Baustelle auf die eigene Durchführung von Heizungsbau- bzw. Heizungsinstallationsarbeiten bzw. die Mitdurchführung derartiger Bauarbeiten geschlossen werde. Die in der Verfügung als „Beleg“ für „arbeitsgleiche“ Arbeiten aufgeführten Tätigkeiten ließen in keiner Weise auf die ihm zur Last gelegten Installationsarbeiten schließen. Den Zeugenaussagen zufolge habe er gerade keine Bau- bzw. Installationsarbeiten verrichtet. Da diese Aussagen aber „nicht gepasst“ hätten, habe man sie pauschal verworfen und Spekulationen Vorrang eingeräumt. Dabei sei zu korrigieren, dass der Beamte am 11. Oktober 2002 nicht gemeinsam mit einer anderen Person einen Anhänger geschoben habe, sondern diese Person nur begleitet habe. Vor allem aber gehe aus den vorgelegten Lieferscheinen ganz eindeutig hervor, dass der ganz überwiegende Teil des Einbaus einer Heizungsanlage nicht schon im Oktober / November 2002 erfolgte, sondern erst im Januar bis März 2003. Sogar die ärztlich attestierte Dienstunfähigkeit werde in Zweifel gezogen und ihm eine eingeschränkte Dienstfähigkeit zugesprochen. Dass er diese - ggf. für 3 Stunden pro Tag - dem Dienstherrn trotz seiner angeschlagenen Gesundheit zur Verfügung zu stellen habe, sei nicht verständlich. Solange er dienstunfähig und das auch ärztlich attestiert sei, habe er keinerlei Dienst zu verrichten, sei er vom Dienst suspendiert. Nicht nachvollziehbar seien dann auch die Zumessungserwägungen: Er sei weder - worauf verwiesen worden sei - wiederholt verspätet zum Dienst erschienen noch habe er - worauf auch Bezug genommen worden sei - unerlaubt eine Nebentätigkeit ausgeübt. Da er die vermuteten Tätigkeiten so nicht verrichtet habe, habe er seine Genesung nicht gefährdet bzw. sei er seiner Gesunderhaltungspflicht nachgekommen.

19

Der Beamte beantragt,

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die Disziplinarverfügung des Niedersächsischen Justizministeriums vom 16. Februar 2004, zugestellt am 19. Februar 2004, aufzuheben und das gegen den Beamten gerichtete Vorermittlungsverfahren einzustellen.

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Die beteiligte Behörde beantragt,

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den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 17. März 2004 als unbegründet zurückzuweisen.

23

Sie ist der Auffassung, die Disziplinarverfügung vom 16. Februar, berichtigt durch die Verfügung vom 19. März 2004, stelle auf der Grundlage der getroffenen Erhebungen und Indizien fest, dass der Beamte in der Phase der Krankschreibung einer Nebentätigkeit nachgegangen sei (Beteiligung am Einbau einer neuen Heizungsanlage) und er seine eingeschränkte Dienstfähigkeit zu Gunsten der (entgeltlichen) eigenen Nebentätigkeit nicht dem Dienstherrn zur Verfügung stellte. Die festgestellten Tatsachen unterlägen der freien Beweiswürdigung durch den Disziplinarvorgesetzten und belegten in ihrer Gesamtheit eine unerlaubte Tätigkeit während einer dienstunfähigen Erkrankung. Der Beamte sei im Sinne der verwaltungsgerichtlichen Rechsprechung eingeschränkt dienstfähig gewesen - so wie das für den polizeilichen Innendienst gelte. Stattdessen habe er auf der Baustelle gearbeitet. Die Zumessungserwägungen seien zulässig, das Disziplinarmaß angesichts der Schwere des Vergehens moderat.

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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

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IV. Der Antrag auf Entscheidung durch die Disziplinarkammer ist gemäß § 32 Abs. 3 NDO zulässig und in der Sache auch begründet.

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1. Dahinstehen kann hier, ob die Fertigung eines kompletten Entwurfs der ergangenen Disziplinarverfügung durch den Vorermittlungsführer, der von der beteiligten Behörde vollständig fast wörtlich übernommen und im Wesentlichen nur noch durch Anfügen einer Rechtsbehelfsbelehrung ergänzt wurde, bereits aus diesem Grunde rechtlich fehlerhaft ist. Immerhin ist so belegt, dass es sich bei den Einzelheiten der Disziplinarverfügung nicht um eine eigene Entscheidung der beteiligten Behörde als des Inhabers der Disziplinargewalt handelt. Diese hat jedoch gem. § 28 NDO eine in jeder Hinsicht eigenständige, von ihrer Entscheidungsfreiheit geprägte Entscheidung zu treffen, so wie das für jede andere Disziplinarentscheidung auch gilt.

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2. Die Kammer vermag einen sachlich feststehenden, tatsächlich Pflichtenverstöße des Beamten eindeutig aufzeigenden und sie auch belegenden Sachverhalt nicht zu erkennen. Das in der angegriffenen Disziplinarverfügung dem Beamten zur Last gelegte Verhalten und die dort aufgeführten Tatsachen stellen kein Dienstvergehen dar.

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2.1 Die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 62 Satz 3 NBG) ist vom Beamten, der hier außerdienstlich tätig war, nicht nachhaltig (§ 85 Abs. 1 S. 2 NBG) beeinträchtigt worden, da das in aller Regel nur möglich ist, wenn eine Nebentätigkeit ohne die erforderliche Genehmigung ausgeübt wird (BVerwGE 86, 370; BVerfG, 1.Kammer des 2. Senats, Beschl. v. 19.2.2003 - 2 BvR 1413/01 - ). Der Beamte besaß hier jedoch eine Nebentätigkeitsgenehmigung und hat sich - soweit feststellbar - auch genehmigungstreu verhalten.

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2.2 Eine Verletzung der Hingabepflicht (§ 62 S. 1 NBG) ist nicht ersichtlich, da eine Nebentätigkeit diese Pflicht erst dann verletzt, wenn durch sie die dienstliche Einsatzfähigkeit des Beamten eingeschränkt wird (BVerfG, aaO.) Hier durfte der Beamte gemäß § 81 Abs. 1 NBG seinem Dienst jedoch ohne Genehmigung des Dienstherrn fernbleiben. Er war vom Dienst aufgrund ärztlicher Atteste freigestellt. Der Beamte hatte sich also dienstlichen Verpflichtungen nicht mehr „voll hinzugeben“.

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2.3 Aus der Hingabepflicht folgt jedoch auch die Pflicht, sich gesund zu erhalten. Diese Pflicht kann durch Nebentätigkeiten verletzt werden, falls diese eine Genesung beinträchtigen. Die Gesunderhaltungspflicht (Zängl, GKÖD, K § 54 BBG Rn. 73 m.w.N.) kann somit erfordern, Nebentätigkeiten während der Zeit einer ärztlich attestierten Dienstunfähigkeit mit Rücksicht auf den Gesundungsprozess zu unterlassen. Dabei ist jedoch Ausgangspunkt, dass die Ausübung einer ordnungsgemäß genehmigten Nebentätigkeit während einer ärztlich attestierten Dienstunfähigkeit für sich genommen noch keine Dienstpflichtverletzung darstellt. Eine Nebentätigkeit, die angesichts des konkreten Krankheitsbildes den Gesundungsprozess nicht beeinträchtigt, begründet keine entsprechende Pflichtverletzung. Entscheidend für die disziplinarrechtliche Beurteilung sind vielmehr Art und Umfang der ausgeübten Nebentätigkeit sowie ihre Eignung, die dem Beamten während seiner Dienstunfähigkeit verbliebenen Pflichten wie die Gesunderhaltungs- und Genesungspflicht konkret zu beeinträchtigen. Erst dann, wenn zu besorgen ist, dass die ausgeübte Nebentätigkeit den Genesungsprozess tatsächlich nach medizinischer Beurteilung zu beeinträchtigen vermag, ist das Verhalten des Beamten disziplinarrechtlich erheblich. Daran fehlt es hier.

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Der beweispflichtige Dienstherr, der stets einen zeitlich und sachlich genau bezeichneten Tatbestand disziplinarer Verfehlungen substantiiert festzulegen hat, hat hier kein Fehlverhalten des Beamten für die Zeit vom 2. bis 25. Oktober 2002 unter dem Blickwinkel der Gesunderhaltungspflicht konkret belegt. Keiner der Kollegen des Beamten hat im Einzelnen darzulegen vermocht, was der Beamte in dem Gebäude, in dem eine Einliegerwohnung ausgebaut wurde, tatsächlich gemacht und getan hat. Die Mehrzahl der Zeugen hat ausgesagt, der Beamte habe dort nur Aufsicht geführt. Danach ist der Nachweis für eine genesungswidrige Tätigkeit des Beamten auf der Baustelle nicht erbracht. Die beteiligte Behörde hat weder dargelegt noch aber durch eine ärztliche Stellungnahme festgestellt, dass die allein belegte Ausübung von Aufsicht den Genesungsprozess beeinträchtigt hat. Denn Anfang Oktober 2002 waren seit der Schulteroperation vom 9. Sept. 2002 bereits 3-4 Wochen vergangen, so dass die Zeit für die Verordnung des „Schulterbewegungsstuhles“ verstrichen war, zugleich aber auch Bewegung innerhalb der 3-4 Wochen - nämlich von dreimal täglich für 20 Minuten - ärztlich für erforderlich gehalten wurde ( Fachärztl . Attest v. 16.2. 2003, Bl. 119 Beiakten B). Deshalb kann die generelle Eignung der lediglich festgestellten Aufsichtstätigkeit des Beamten auf der Baustelle dafür, den Genesungsprozess zu verzögern oder gar zu beeinträchtigen, nicht festgestellt werden.

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Die festgestellten Tatsachen belegen auch keine entsprechende Pflichtverletzung des Beamten. Der Dienstherr ist für Pflichtenverstöße in vollem Umfange beweispflichtig. Allein ein erheblicher Verdacht rechtfertigt für sich allein genommen nicht die Feststellung eines Dienstvergehens (KG, Urt. v. 23.3.2001, NVwZ-RR 2001, 496 [KG Berlin 23.03.2001 - 9 U 6532/99]; Claussen-Janzen, BDO, 8. Auflage, § 27 Rdn. 2 a).

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Hierzu im Einzelnen:

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Eine eigenhändige „Arbeit“ des Beamten am Heizungssystem in der Einliegerwohnung „I.“ ist nicht nachgewiesen, schon gar nicht der Einbau und die Installation von Heizkörpern, die nach den Lieferscheinen der Fa. T. vom 18. und 22.1. 2003 erst am 27. Januar 2003 - also nach dem hier in Rede stehenden Zeitraum - angeliefert worden sind. Der Vorwurf der beteiligten Behörde, der Beamte habe bei der Installation einer Heizungsanlage, speziell eines neuen Heizkessels (vgl. die Aussage des Zeugen U.) selbst „Hand angelegt“ und war daran beteiligt, ist nicht bewiesen: Zunächst ist offen geblieben, ob dieser Heizkessel im Zeitraum Oktober/November 2002 überhaupt installiert wurde, sodann aber auch, ob und ggf. in welchem Umfang der Beamte daran eigenhändig beteiligt war. Der Mitarbeiter V. hat dazu ausgesagt, er selbst habe die Heizungsanlage „unter Anleitung des Herrn O. gebaut“, dieser habe ihn „angeleitet“ und er habe „das ausgeführt“. Speziell zum Heizkessel hat der Angestellte V. - ohne sich an den genauen Zeitpunkt des Einbaus noch erinnern zu können - ausgesagt: „Den Kessel habe ich installiert. Die meisten Arbeiten habe ohnehin ich gemacht. Herr W. hat mir dabei geholfen, gewissermaßen als Bauhelfer.“ Hiernach war der Bauherr W. beim Einbau des Kessels als „Bauhelfer“ tätig, nicht aber der Beamte. Das stimmt mit der Aussage des Bauherrn W. vom 26. Mai 2003 überein, der selbst „Handlangerarbeiten“ übernommen haben will: „Die eigentlichen Installationsarbeiten, namentlich das Schweißen, wurden von Herrn X. durchgeführt.“ Der Beamte hat offenbar danach die Arbeiten nur beaufsichtigt und war „gelegentlich zugegen“ (so Zeuge W. am 26.5.2003). Welcher Tätigkeit im Einzelnen der Beamte in den von Mitarbeitern der JVA beobachteten Zeiten innerhalb des Hauses nachgegangen ist, ist nicht festgestellt worden. Lediglich die „Anwesenheit“ des PKW des Beamten und zeitweilig auch des Beamten selbst auf der Baustelle sowie geringfügige Tätigkeiten (Einwinken eines LKW, Lagerung von leichten Montageteilen im PKW, Beaufsichtigung des Schiebens eines Anhängers) sowie das Tragen verschmutzter Kleidung an einem Tag ist durch die Beobachtungen von Bediensteten der JVA für bestimmte Zeiten festgestellt worden. Die daraus nach „allgemeiner Lebenserfahrung“ gezogenen Schlüsse haben den Feststellungen gegenüber allenfalls den Charakter von Vermutungen und Unterstellungen. Die Tatsache, dass der Beamte „an drei aufeinanderfolgenden Tagen erhebliche Zeiten auf der Baustelle verbrachte“ (S. 5 oben der Disziplinarverfügung), ist noch kein Nachweis für eine eigenhändige körperlich anstrengende Arbeit.

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3. Eine rechtlich verfehlte Spekulation ist auch die Annahme der beteiligten Behörde, der Beamte hätte „in der Zeit vom 02.10. bis zum 25.10.2002 seinen Dienstgeschäften in der JVA K.“ nachgehen können, er sei „zumindest nicht vollständig dienst- bzw. arbeitsunfähig“ gewesen (S. 10 oben der Disziplinarverfügung). Es steht eindeutig fest, dass dem Beamten für die genannte Zeit von ärztlicher Seite Dienstunfähigkeit attestiert worden ist. Damit durfte er dem Dienst gemäß § 81 Abs. 1 NBG fernbleiben. Diese Dienstunfähigkeit, von Ärzten bescheinigt, kann nicht durch Verweis auf die „tatsächlichen Erkenntnisse“ der JVA (S. 10 a.a.O.) in Frage gestellt oder gar als beseitigt bewertet werden. Ob der Beamte dienstfähig war - auch bei Abgleich seiner Dienstaufgaben und seiner angeblichen „Arbeit“ - , kann nicht vom Dienstherrn, dem die einschlägigen medizinischen Kenntnisse fehlen, festgestellt werden, sondern nur durch medizinisch geschulte Ärzte bzw. Amtsärzte, woran es hier fehlt.

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4. Selbst dann, wenn man im Verhalten des Beamten mit der beteiligten Behörde überhaupt eine disziplinarrechtlich erhebliche Pflichtverletzung sehen wollte, käme auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts lediglich ein Verweis, allenfalls eine Geldbuße in Betracht, jedenfalls aber nicht eine Kürzung des Ruhegehalts (§ 12 Abs. 1 iVm § 9 Abs. 1 NDO). Hierfür bedürfte es entsprechend gravierender Pflichtenverstöße, an denen es hier jedoch eindeutig fehlt. Das Verfahren hätte daher auch insoweit gem. §§ 5 Abs. 2, 63 NDO eingestellt werden müssen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 114 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 und § 115 Abs. 8 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 NDO.

38

Dieser Beschluss ist gemäß § 32 Abs. 5 Satz 2 NDO unanfechtbar.