Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.03.1997, Az.: V 437/96 Ki

Rechtmäßigkeit der Rückforderung von Kindergeld; Wegfall der Bereicherung im öffentlichen Recht

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
20.03.1997
Aktenzeichen
V 437/96 Ki
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 17782
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1997:0320.V437.96KI.0A

Verfahrensgegenstand

Kindergeld

Der V. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 20. März 1997,
an der mitgewirkt haben:
1. Vizepräsidentin des Finanzgerichts ...
2. Richter am Finanzgericht ...
3. Richter am Finanzgericht ...
4. ehrenamtlicher Richter ...
5. ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten.

Tatbestand

1

Die Klägerin bezog bis einschließlich April 1996 Kindergeld für drei Kinder, darunter den am 13. Januar 1985 geborenen ... lebt mindestens seit dem 15. Juni 1995 in ... im Haushalt der Großmutter und ist dort gemeldet. Das Einwohnermeldeamt ... hat das Kind, das noch polizeilich im Haushalt der Mutter gemeldet war, von Amts wegen abgemeldet. Der Beklagte forderte die Klägerin im April/Mai 1996 mehrfach auf, über den Aufenthaltsort ihres Sohnes ... Auskunft zu geben und die Kindergeldbescheinigung zurückzugeben. Am 28. Mai 1996 teilte der Ehemann der Klägerin dem Beklagten telefonisch mit, daß ... "durchgehend im Haushalt der Kindesmutter lebe."

2

Unter dem Datum 05.08.1996 erließ der Beklagte einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, in dem er die Festsetzung des Kindergeldes von Januar bis April 1996 i.H.v. 300,00 DM monatlich aufhob und gemäß § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) 1.200,00 DM zurückforderte.

3

Dagegen erhob die Klägerin Einspruch, der am 6. August 1996 beim Beklagten einging. Zur Begründung trug sie vor: Auch, wenn der Sohn nicht in ihrem Haushalt gemeldet gewesen sei, habe sie das Kindergeld seit Jahren per Dauerauftrag an die Großmutter überwiesen und sich nicht daran bereichert.

4

Der Beklagte wies den Einspruch als unzulässig zurück, weil die Klägerin die Einspruchsfrist nicht eingehalten habe. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid sei tatsächlich unter dem 05.06 .1996 ergangen. Der Einspruch vom 06.08.1996 sei daher verspätet.

5

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Klage. Zur Begründung trägt sie vor: Der angefochtene Bescheid sei tatsächlich unter dem 05.08 .1996 ergangen. Ihr stehe das Kindergeld zu, weil sie bis Juni 1996 für ... Unterhalt gezahlt habe.

6

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 5. August 1996 in Form der Einspruchsentscheidung vom 21. August 1996 aufzuheben.

7

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Er hält den Vortrag, der Bescheid sei bereits im Juni 1996 ergangen, nicht mehr aufrecht. Er meint jedoch, ... lebe mindestens seit Juni 1995 im Haushalt der Großmutter. Deshalb stehe der Klägerin ab Januar 1996 für dieses Kind kein Kindergeld zu.

9

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im übrigen verweist der Senat auf die Gerichtsakte und die unter ... beim Beklagten geführte Kindergeldakte.

Entscheidungsgründe

10

Die Klage ist unbegründet.

11

Der angefochtene Erstattungs- und Rückforderungsbescheid ist zu Recht ergangen. Die Klägerin ist in der Zeit von Januar bis April 1996 für ihr Kind ... nicht kindergeldberechtigt.

12

Als Kinder, für die ein Anspruch auf Kindergeld geltend gemacht werden kann, werden gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 EStG berücksichtigt: 1. Kinder i.S.d. § 32 Abs. 1, 2. vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Kinder seines Ehegatten, 3. vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Enkel. Für jedes Kind wird jedoch nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt, § 64 Abs. 1 EStG. Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat, § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG. Das war im Zeitraum des Streites die Großmutter.

13

Der Rückforderungsanspruch ist der Höhe nach berechtigt. Zwar beträgt das Kindergeld für das erste und zweite Kind 200,00 DM und für das dritte 300,00 DM, und ... war in der Reihenfolge der Geburten das erste Kind der Klägerin. Die Höhe des Kindergeldes bestimmt sich jedoch nicht allein nach dem Alter der Kinder, sondern danach, an welcher Stelle das bei dem Berechtigten zu berücksichtigende Kind in der Folge der Geburten steht (vgl. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 15. Aufl., § 66 Rz. 1). Da der Sohn ... bei der Klägerin in der Zeit von Januar bis April 1996 nicht zu berücksichtigen war, stand ihr nur Kindergeld in Höhe von je 200,00 DM für zwei Kinder zu 300,00 DM pro Monat hat sie zu Unrecht bezogen.

14

Ob sie das Kindergeld teilweise oder in voller Höhe an die Großmutter weitergeleitet hat, spielt im Verhältnis zur Familienkasse keine Rolle. Insoweit bestehen ggf. zivilrechtliche Ausgleichsansprüche zwischen ihr und ... Großmutter.

15

Gegenüber der Familienkasse kann die Klägerin schließlich nicht einwenden, sie sei nicht bereichert. Der Rechtsgedanke des Wegfalls der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) findet im öffentlichen Recht keine Anwendung, ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, zuletzt im Beschluß vom 9. April 1991 VII B 168/90, BFH-NV 1992 (149), vgl. auch die Zusammenstellung der Rechtsprechung und Literatur bei Tipke/Kruse, § 37 AO Tz. 25.

16

Ebensowenig gelten für die Klägerin im Streitfall die Grundsätze von Treu und Glauben, auf die sie sich in der mündlichen Verhandlung berufen hat. Ein Vertrauensschutz konnte für sie nicht entstehen, weil sie - offenbar mehrere Jahre lang - der Familienkasse gegenüber verschwiegen hat, daß ... bei der Großmutter lebt und auf mehrere Rückfragen im April/Mai 1996 sogar noch erklären ließ, er lebe in ihrem Haushalt.

17

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.