Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.03.1997, Az.: IX 431/90

Erzielung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit; Voraussetzungen für die Geltendmachung von Werbungskosten; Begriff der "beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung"

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
14.03.1997
Aktenzeichen
IX 431/90
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 16209
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1997:0314.IX431.90.0A

Verfahrensgegenstand

Doppelte Haushaltsführung

In dem Rechtsstreit
hat der IX. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 14. März 1997,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob und in welcher Höhe Aufwendungen des Klägers auf eine beruflich veranlaßte doppelte Haushaltsführung zurückgeführt und deshalb als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit anerkannt werden können.

2

Die Kläger sind seit dem 29. Oktober 1987 verheiratet und wurden im Streitjahr 1988 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger bezieht als Monteur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

3

Seit 1982 arbeitete der Kläger in B. und dort zunächst für die Firma .... Ab 1. Februar 1986 arbeitete er dann in B. als Monteur in der Abteilung "VO Montage" für die ... KG (fortan ... KG), ..., und hatte Anspruch auf "zusätzlich 10 % VO-Zulage im Außendienst". Im Arbeitsvertrag vom 30. Januar 1986 war als Erfüllungsort für die vom Kläger zu erbringende Arbeitsleistung der Betrieb in ... vereinbart und war das Arbeitsverhältnis zunächst bis zum 31. Juli 1987 befristet. Danach wurde das Arbeitsverhältnis faktisch auf Dauer verlängert. Der Kläger arbeitete dann in der Abteilung "Fertigung Vor-Ort" als Monteur für wechselnde Einsatzstellen. Bis auf eine 3-wöchige auswärtige Tätigkeit in ... (25.04.-14.05.1988) arbeitete der Kläger im Streitjahr 1988 für die ... KG ausnahmslos auf einer Arbeitsstelle in B., nämlich beim ....

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In der Zeit von Mai 1985 bis Mai 1989 hatte der Kläger in B., für eine monatliche Warmmiete von 830 DM eine 70 qm-Wohnung gemietet. Von dort ging er im Streitjahr seiner Arbeit in B. nach und fuhr er für einen kurzen Zeitraum von drei Wochen nach .... Die Wohnung in B. hatte der Kläger als zweiten Wohnsitz angemeldet und in B. hatte er auch seinen PKW zugelassen.

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Bis 1984 hatte der Kläger in ... gewohnt. Nachdem der Kläger bereits seit 1982 von seiner ersten Ehefrau (...) getrennt gelebt hatte, heiratete er dann 1984 Frau ... und bezog mit ihr im selben Jahre eine 2 1/2-Zimmerwohnung im Hause seines Schwiegervaters in A.,. Diese Wohnung will der Kläger trotz seiner (Zweit-)Wohnung in B. bis 1987 beibehalten haben, obwohl er bereits seit 20. Mai 1985 von seiner Ehefrau dauernd getrennt lebte und sich dann auch von ihr am 14. August 1987 scheiden ließ. Die Wohnung in A. soll in diesen zwei Jahren auch sein Lebensmittelpunkt geblieben sein und dorthin will er auch im Streitjahre mehrfach von B. (heim-)gefahren sein. Seine zu dieser Zeit noch nicht von ihm geschiedene Ehefrau ... wohnte lt. Einkommensteuererklärung 1986 vom 29.09.1987 in B., (am 31.12.1986: ...). Nach Heirat seiner nicht berufstätigen (Anfang Juni 1987 kennengelernten) dritten Ehefrau ... am 29. Oktober 1987 zog er mit ihr zu deren bisherigen Lebensmittelpunkt im Hause ihrer Eltern in ...,. Diese 2 1/2-Zimmerwohnung bewohnte er mit der Klägerin bis Ende Juli 1989. Zum 1. August 1989 bezogen dann die Kläger das von ihnen mit Kaufvertrag vom 21. Januar 1989 für 127.500 DM erworbene Zweifamilienhaus in ....

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Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) ging im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1988 davon aus, daß der Kläger nach Trennung von seiner (zweiten) Ehefrau ... (...) seine Wohnung in B. zum Lebensmittelpunkt gemacht und dementsprechend seinen Hausstand in A. aufgegeben hatte. Der nach Heirat seiner nicht berufstätigen (dritten) Ehefrau ... (...) erfolgte Umzug in deren elterliches Wohnhaus in C. geschah dann nach Ansicht des FA aus rein privaten Gründen. Damit war nach Auffassung des FA im Jahre 1988 keine beruflich veranlaßte doppelte Haushaltsführung mehr gegeben. Statt der vom Kläger beantragten Werbungskosten von 21.897 DM sah daher das FA nur 6.557 DM als berücksichtigungsfähig an, so daß es letztlich wegen eines vom Arbeitgeber des Klägers gezahlten steuerfreien Zuschusses von 8.035 DM für diesen Sachkomplex gar keine Werbungskosten berücksichtigte und darüber hinaus die steuerpflichtigen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, noch um (8.035 DM - 6.557 DM =) 1.478 DM erhöhte.

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Der dagegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Hiergegen richtet sich die Klage.

8

Die Kläger bleiben dabei, daß der Kläger von seiner (zweiten) Ehefrau ... (...) "einvernehmlich auseinandergegangen" und bis zur Heirat seiner (dritten) Ehefrau ... (...) in A. wohnen geblieben sei. Er habe daher ununterbrochen im damaligen Bundesgebiet seinen ersten Wohnsitz und Lebensmittelpunkt gehabt und allein wegen seiner Wechseltätigkeit in B. aus beruflichen Gründen dort einen zweiten Wohnsitz begründet und zweiten Haushalt geführt. Nach Auffassung der Kläger sind deshalb Aufwendungen von

1.155 DMfür die jeweiligen ersten und letzten Fahrten vom ersten Wohnsitz zum jeweiligen Beschäftigungsort und zurück,
5.785 DMfür 45 Heimfahrten von B. nach C.,
10.265 DMfür Wohnungskosten wie Miete und Strom in B. und von ...
4.692 DMfür Verpflegungsmehraufwendungen in B. und
9

abzüglich der Arbeitgeber-Erstattung von 8.035 DM, also 13.862 DM als weitere Werbungskosten anzuerkennen und sind außerdem die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um die zu Unrecht hinzugesetzten 1.478 DM zu kürzen.

10

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung des Einspruchsbescheides vom 10. Juli 1990 und Änderung des Einkommensteuerbescheides 1988 vom 22. Januar 1996 die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um 1.478 DM herabzusetzen und beim Kläger weitere Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit von 13.862 DM zu berücksichtigen.

11

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Nach Ansicht des FA war spätestens mit der Trennung (20. Mai 1985) des Klägers von seiner (zweiten) Ehefrau ... (...) keine doppelte Haushaltsführung mehr gegeben und wurde neben dem vom Kläger im Mai 1985 in B. begründeten Wohnsitz und Lebensmittelpunkt dann 1987 der Haushalt mit der (dritten) Ehefrau ... (...) in C. allein aus privaten Gründen eingerichtet.

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Zum Sachverhalt im übrigen wird auf die Steuerakten (St.-Nr.: ...), die Gerichtsakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. März 1997 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14

Die Klage ist unbegründet.

15

Der angefochtene Steuerbescheid ist rechtmäßig. Durch ihn werden die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt. Die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen sind bereits dem Grunde nach nicht nach den Grundsätzen beruflich veranlaßter doppelter Haushaltsführung als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar.

16

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes für 1988 (EStG) sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlaß begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Nach der vom Gericht geteilten Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofes (BFH) beruht die Begründung der doppelten Haushaltsführung nicht auf beruflichen, sondern auf privaten Gründen, wenn Ehegatten, von denen nur einer berufstätig war, nach der Verheiratung die außerhalb des Arbeitsortes (des allein berufstätigen Ehegatten) liegende Wohnung des nicht berufstätigen Ehegatten zur gemeinsamen Familienwohnung bestimmt haben. In derartigen Fällen ist das die doppelte Haushaltsführung auslösende Moment allein die Heirat, also ein ausschließlich dem Privatbereich zuzurechnender Umstand (vgl. Urteile des BFH vom 23. Februar 1990 VI R 87/86, BFH/NV 1990, 764, und vom 22. September 1988 VI R 53/85, BFHE 155, 77, BStBl II 1989, 293 m.w.N.).

17

Danach ist im Streitfall von einer auf privaten Gründen beruhenden doppelten Haushaltsführung des Klägers im Jahre 1988 auszugehen. Die Kläger haben nach der Heirat am 29. Oktober 1987 ihren Hausstand im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG außerhalb des Beschäftigungsortes des Klägers (in B.) am Lebensmittelpunkt der Klägerin in C. begründet, ohne daß dieses durch eine Berufstätigkeit der Klägerin geboten gewesen wäre.

18

Ein Abzug von Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG kommt auch nicht wegen Beibehaltens einer (möglicherweise bis Mai 1985) auf beruflichen Gründen beruhenden doppelten Haushaltsführung in Betracht. Nach dem für 1988 geltenden EStG sind die Gründe, aus denen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird, unbeachtlich, und kann ein einmal beruflich begründeter zweiter Haushalt (z.B.) auch durch bloßen Zeitablauf seine berufliche Veranlassung nicht verlieren. Andererseits können sich die Umstände derart wesentlich verändern, daß von einer Beendigung einer einmal beruflich begründeten doppelten Haushaltsführung ausgegangen werden muß (vgl. Urteil des BFH vom 25. März 1993 VI R 148/88, BFH/NV 1993, 538). Ein solcher Sachverhalt liegt auch hier vor, wo sich der Kläger im Mai 1985 von seiner zweiten Ehefrau ... (...) dauernd trennte und sich dann auch von ihr im August 1987 scheiden ließ. Das Gericht hat sich keine Überzeugung davon bilden können, daß der Kläger trotz der Trennung von seiner zweiten Ehefrau ... (...) den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen und den eigenen Hausstand in A. beibehalten hat. Vielmehr geht das Gericht davon aus, daß der Kläger mit der dauernden Trennung im Mai 1985 seinen eigenen Hausstand in die neu angemietete Wohnung in B. verlegte. Dafür spricht, daß die Wohnung in B. zeitgleich mit der dauernden Trennung von der zweiten Ehefrau ... (...) angemietet wurde. Da die neue Wohnung ebenfalls 2 1/2 Zimmer groß war, konnte darin auch der Hausstand aus der früheren Wohnung in A. untergebracht werden. Es widerspricht zudem der Lebenserfahrung, daß der Kläger trotz der bereits am 22. März 1988 geborenen Tochter noch bis zur Heirat seiner dritten Ehefrau ... (...) am 29. Oktober 1987 bzw. bis zum Umzug in ihre Wohnung in C. seinen Lebensmittelpunkt und eigenen Hausstand ununterbrochen in A. beibehalten hat. Da nach der Trennung im Jahre 1985 auch die zweite Ehefrau des Klägers ... (...) von A. nach (zunächst) ... und dann auch B. fortgezogen ist und zudem das Haus in A. dem früheren Schwiegervater des Klägers gehörte, reicht der Vortrag der Kläger nicht aus, um trotz der dagegen sprechenden Umstände gleichwohl von einem in A. weiter geführten eigenen Hausstand und dortigen Lebensmittelpunkt des Klägers ausgehen zu können. Dazu hätte substantiiert vorgetragen und unter Beweis gestellt werden müssen, welche sozialen Kontakte und in welchem Umfang weiterhin vom Kläger in A. aufrechterhalten worden sind. Allein die schriftliche Mitteilung seines früheren Schwiegervaters ... vom 26. Februar 1996, daß der Kläger bis 1987 in seinem Haus in A. gewohnt habe, reicht nach Auffassung des Gerichts nicht aus, zumal sich der Zeuge später mit Schriftsatz vom 18. Februar 1997 auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berief. Die zunächst als Zeugin geladene zweite Ehefrau ... (...) machte später mit Schriftsatz vom 24. Februar 1997 gleichfalls von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und teilte schriftlich mit, zu dem streitigen "Vorgang keine Aussage machen" zu können. Davon abgesehen fehlt auch der Nachweis, daß der Kläger nach seiner dauernden Trennung und Scheidung von seiner zweiten Ehefrau (...) die Wohnung in A. (weiterhin) aus eigenem Recht (z.B. Eigentum, eigener Mietvertrag) genutzt (vgl. Urteile des BFH vom 19. Januar 1996 VI R 68/95, BFH/NV 1996, 403, und vom 22. September 1995 VI R 41/95, BFH/NV 1996, 122) und so einen eigenen Hausstand i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG unterhalten hat. Trotz Aufforderung durch das Gericht (vgl. Verfügung vom 23. Februar 1996) wurde auch (z.B.) ein evtl. mit dem damaligen Schwiegervater (...) geschlossener Mietvertrag nicht vorgelegt. Nach alledem geht das Gericht davon aus, daß der Kläger im Mai 1985 seinen eigenen Hausstand und Lebensmittelpunkt nach B. verlegte und erst wieder mit seiner dritten Ehefrau ... (...) aus privaten Gründen einen eigenen Hausstand in C. neu begründete.

19

Da der Kläger aus den bereits genannten Gründen schon ab Mai 1985 einen eigenen Hausstand i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG ausschließlich am Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in B. unterhielt, führen auch die Grundsätze der Rechtsprechung des BFH zur zeitlich beschränkten doppelten Haushaltsführung (gelegentlich als unechte oder quasi doppelte Haushaltsführung bezeichnet), wie sie der BFH z.B. in den Gründen seines Urteils vom 10. Oktober 1991 VI R 44/90 (BFHE 166, 68, BStBl II 1992, 237, unter 1.) dargelegt hat und wie sie z.B. in Abschnitt 43 Abs. 5 Nr. 2 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1993 wiedergegeben worden sind, im Streitfall nicht zum Abzug der von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen (vgl. Urteil des BFH vom 6. Oktober 1994 VI R 39/93, BFHE 176, 32, BStBl II 1995, 186). Ob das durch Arbeitsvertrag vom 30. Januar 1986 mit der SABO-KG geschlossene Arbeitsverhältnis überhaupt als nach den e.g. Grundsätzen zeitlich beschränkt angesehen werden kann bzw. ob die e.g. Grundsätze der zeitlich beschränkten doppelten Haushaltsführung überhaupt auf den (ab Mai 1985) dauernd getrennt lebenden und erst ab 14. August 1987 nicht mehr verheirateten Kläger (bis 29. Oktober 1987) angewendet werden und wegen der dann ununterbrochenen doppelten Haushaltsführung und wegen "Beibehaltens" dieser doppelten Haushaltsführung noch im Streitjahr 1988 zum Abzug der geltend gemachten Mehraufwendungen führen können, kann danach unentschieden bleiben.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.