Landgericht Osnabrück
Urt. v. 05.12.2001, Az.: 1 S 28/01 (3)
Arbeitskraftausfall; Arbeitsunfähigkeit; Betriebsergebnisvergleich; entgangener Gewinn; Erwerbsschaden; Kfz-Unfall; Körperverletzung; Minderung der Arbeitsfähigkeit; Minderung der Erwerbsfähigkeit; Schadensersatzanspruch; selbstständiger Handwerker; selbstständiger Unternehmer; Selbstständigkeit; Verdienstausfallschaden; Verkehrsunfall
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 05.12.2001
- Aktenzeichen
- 1 S 28/01 (3)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 40437
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG - 15.11.2000 - AZ: 52 C 377/00 (XXXI)
Rechtsgrundlagen
- § 252 BGB
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts O. vom 15.11.00 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand:
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig.
In der Sache ist das Rechtsmittel jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 9.371,30 DM wegen der von ihr in der Zeit vom 19.03.1999 bis zum 31.01.2000 an den Zeugen E. geleisteten Sozialleistungen in Form von Hilfe zum Lebensunterhalt (HLÜ) aus übergegangenem Recht (§116 SGB X).
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte als Pflichtversicherer für den Schaden, den der Zeuge E bei dem Verkehrsunfall am 19.03.1999 erlitt, zu 2/3 haftet (§§ 823 BGB, 7, 18 StVG, 3 PflVersG).
Ebenso unstreitig ist, dass der Zeuge E., der zum Unfallzeitpunkt 54 Jahre alt war und als selbständiger Fuger arbeitete, erhebliche Verletzungen, nämlich Rippenbrüche und eine Fraktur des 2. Lendenwirbelkörpers davontrug und in der Zeit vom 19.03.1999 bis zum 31.01.2000 unfallbedingt arbeitsunfähig erkrankt war.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin aus übergegangenem Recht den unfallbedingten Erwerbsschaden des Zeugen E. in der von ihr geltend gemachten Höhe zu erstatten. Nach § 252 BGB umfasst der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn.
Dabei gilt als entgangen der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge oder nach den besonderen Umständen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
Zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass der Klägerin hinsichtlich des Nachweises des Erwerbsschaden die Beweiserleichterungen gem. §§ 252 S. 2 BGB, 287 Abs. 1 ZPO zugute kommt.
Der Zeuge E war vor dem Unfall als selbständiger Fuger tätig. Da die Arbeitskraft des freien Unternehmers als solche kein objektives Vermögensgut darstellt und daher deren Minderung bzw. Verlust nicht als Vermögensschaden anzusehen ist (Staudinger-Schiemann, 13. Bearbeitung, § 252 Rdnr. 41), läge ein ersatzfähiger Erwerbsschaden des Zeugen E nur vor, wenn sich der Verlust seiner Arbeitsfähigkeit materiell nachteilig auf die Erträgnisse des Betriebes ausgewirkt hätte.
Konkret festgestellt werden kann eine Gewinnminderung durch einen Vergleich der Betriebsergebnisses vor und nach dem Arbeitsunfall (OLG Oldenburg VersR 1998, 1285, 1286; OLG Düsseldorf NJW-RR 1990, 608, 609),
Bei der Frage, ob ein Selbständiger einen Verdienstausfallschaden erlitten hat oder nicht, ist nämlich entscheidend, wie sich das von ihm betriebene Unternehmen ohne den Unfall voraussichtlich entwickelt hätte (BGH MDR 1998, 595).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass sich die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit des Zeugen E in dem von der Klägerin behaupteten Unfall nachteilig auf die Erträgnisse des Betriebes des Zeugen ausgewirkt haben.
Bei der nach § 252 BGB anzustellenden Prognose bieten die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen, Steuerbescheide für die Jahre 1997, 1996 und 1998, einen wichtigen Anhalt für die Geschäftsentwicklung, wie sie sich ohne den Unfall dargestellt hätte.
Danach belief sich das zu versteuernde Einkommen des Zeugen für das Jahr 1996 auf 19.784,-- DM, für das Jahr 1997 auf 23.584,- DM und für das Jahr 1998 auf 19.784,-- DM, wobei hinsichtlich der Jahre 1996 und 1997 ausweislich der Erläuterungen der Steuerbescheide Einkommensschätzungen zugrunde gelegt wurden.
Darüber hinaus hat der Zeuge E bestätigt, monatlich durchschnittlich etwa Einkünfte in Höhe von 2.000,- DM monatlich aus Fugarbeiten erzielt zu haben. Nach Angaben des Zeugen S. ergibt sich auch aus den Unterlagen der Klägerin, dass der Zeuge E. Einkünfte in Höhe von 1.500,- bis 2.000,- DM monatlich erzielt hat.
Von Bedeutung für die Frage, wie sich das von dem Zeugen betriebene Unternehmen ohne den Unfall voraussichtlich entwickelt hätte, sind darüber hinaus die von der Klägerin vorgelegten Auftragsbelege vom 12.03.1999, 27.02.1999, 29.01.1999 und 15.01.1999. Danach hat der Zeuge E im Jahre 1999 bis zum Unfall einen Umsatz von 5.430,- DM erzielt, was er auch im Rahmen seiner Vernehmung bestätigt hat.
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die von dem Zeugen E geschilderten Einkommensverhältnisse nicht zutreffen, haben sich nicht ergeben. Der Zeuge E. hat im Rahmen seiner Vernehmung darauf hingewiesen, dass er über weitere monatliche Einkünfte in Höhe von 2.500,-- DM aus Kindergeld und 500,- DM aus Wohngeld verfügt habe.
Hinzu kommt, dass die Kosten der medizinischen Versorgung für die Familie des Zeugen, wie der Zeuge S bestätigt hat, durch das Sozialamt getragen worden sind.
Nach der Einschätzung des Zeugen S war der Lebensunterhalt der Familie des Zeugen E. durch die von diesem erzielten Einkünfte, das Kindergeld sowie den Wohngeldzuschuss und die Übernahme der Kosten der medizinischen Versorgung der Familie sichergestellt.
Aufgrund der gesamten unstreitigen und der von den Zeugen E. und S. geschilderten Umstände ist daher davon auszugehen, dass der Zeuge E. vor dem Unfallgeschehen über monatliche Einkünfte aus Fugarbeiten in Höhe von 2.000,- DM verfügte. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass - sich diese Einkünfte noch durch betrieblich bedingte Ausgaben wesentlich verringert haben. Den An gaben des Zeugen E zufolge sind seine Aufwendungen für Arbeitsmittel gering. Lediglich einmal im Jahr falle die Anschaffung eines neuen Arbeitsanzuges an.
Zwei- bis dreimal im Jahr schalte er Kleinanzeigen. Zu den Arbeitsstätten habe er sich durch seine Ehefrau bringen lassen.
Damit steht fest, dass der Zeuge E bis zu dem Unfall den Unterhalt für sich und seine Familie durch seine selbständige unternehmerische Tätigkeit verdient hat.
Ohne gegenteilige Anhaltspunkte ist daher davon auszugehen, dass er ohne den Unfall seine Tatkraft und Fähigkeiten auch weiterhin für eine Erwerbstätigkeit eingesetzt hätte (BGH VersR 1995, 422 f). Denn unstreitig hat er in den letzten Jahren bis zum Unfall keine Leistungen zum Lebensunterhalt bezogen, sondern lediglich den von dem Zeugen S. bestätigten Wohngeldzuschuss.
Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass der Zeuge den Unterhalt für seine Familie im wesentlichen aus Schwarzarbeit erzielt habe, ist dieser Einwand unbeachtlich. Zwar ist ein tatsächlich zu erwartender Gewinn dann nicht ersatzfähig, wenn er nur durch die Verletzung eines gesetzlichen Verbotes hätte erzielt werden können (BGH MDR 1986, 664). Die Annahme der Beklagten beruht jedoch auf eine reine Vermutung, ohne dass sich dafür konkrete Anhaltspunkte ergeben.
Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.