Landgericht Lüneburg
Urt. v. 13.06.2022, Az.: 10 O 316/21

Rückabwiclung; Geschwindigkeitsmessgerät; standardisiertes Messverfahren

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
13.06.2022
Aktenzeichen
10 O 316/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 59272
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1.) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 28.560,00 € nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.10.2021 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Geschwindigkeitsmessgerätes XV3 Messausrüstung, bestehend aus

- XV3 Messeinheit (Sensor XV3 mit Digitalkamera)

- XV3 Rechnereinheit

- XV3 Bedieneinheit

- XV3 Bedienfunkempfänger

- XV3 Monitor

- XV3 Adapter Datenübertragung

- Kabelsatz

- Transportkoffer

- XV3 Akkueinheit 12 V/18 Ah (ca. 4 h)

- XV3 Ladeeinheit 12V/8 A

- XV3 Wetterschutzhaube

- Datenübertragungssoftware Speedtransfer.

2.) Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Antrag zu 1. genannten Geschwindigkeitsmessgeräts nebst Messausrüstung im Annahmeverzug befindet.

3.) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4.) Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

und beschlossen:

Der Streitwert wird auf bis zu 30.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Geschwindigkeitsmessgerät in Anspruch.

Der Kläger führt amtliche Geschwindigkeitsmessungen im Straßenverkehr durch. Die Beklagte stellt Geschwindigkeitsmessgeräte - u.a. das hier streitgegenständliche Gerät L. - her und vertreibt diese.

Der Kläger erbat unter dem 15.09.2020 ein Angebot für die Lieferung einer neuen Messanlage (Anlage K1, Bl. 10 d.A.) und erwarb sodann das L. zu einem Kaufpreis von 28.560,00 €. Wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf die Auftragsbestätigung vom 05.10.2020 (Bl. 11 ff. d.A.) verwiesen. Die Übergabe des Gerätes erfolgte am 13.01.2021.

Bereits vor Abschluss des Kaufvertrages war aufgrund von Versuchen durch unabhängige Sachverständige der Verdacht aufgekommen, dass Geschwindigkeitsüberwachungsgeräte des Typs L. in besonderen Konstellationen Messwerte ausgaben, die die Verkehrsfehlergrenzen nicht einhielten. Auch die Physikalisch Technische Bundesanstalt, die am 02.07.2009 die unbefristete Bauartzulassung erteilt hatte, konnte diese Fehler reproduzieren und informierte hierüber die Beklagte, die in Abstimmung mit der PTB (Anlage K5, Bl. 21 d.A.) zur Fehlerbehebung die Auswertungsvorschriften in der Gebrauchsanweisung für die Geschwindigkeitsmessgeräte änderte. Hierdurch konnten die damals bekannten Fälle unzulässiger Messwertabweichungen (zunächst) ausgeschlossen werden (Schreiben der PTBvom 27.10.2020 mit Nachträgen vom 12.03. und 01.04.2021, Anlage K3, Bl. 18 d.A.).

Mit E-Mail vom 12.03.2021 informierte die Beklagte den Kläger über weitere Auffälligkeiten. Es hatten sich - in Versuchsreihen der PTB später bestätigte - Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das Messgerät L. auch bei Beachtung der Regeln der ergänzten Gebrauchsanweisung nicht die geforderte Verkehrsfehlergrenze einhielt, weswegen gebeten wurde, von weiteren amtlichen Messungen mit dem Gerät Abstand zu nehmen.

Der Landesbetrieb Mess- und Eichwesen Niedersachsen (MEN) stufte die Verwendung von Messwerten, die durch Messungen mit dem Gerät L. erzielt werden, wegen Überschreitung der Verkehrsfehlergrenzen als unzulässig ein und teilte dem Kläger mit Schreiben vom 06.05.2021 (Anlage K6, Bl. 22 d.A.) mit, dass die „Verwendung des Messgerätes L. für amtliche Messungen zur Ahndung von Geschwindigkeitsverstößen bis zur Ergreifung geeigneter Maßnahmen zur Sicherstellung der gesetzlichen Anforderungen durch die Fa. L. unzulässig“ sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens wird auf selbiges Bezug genommen.

In der Folgezeit entschied sich Beklagte, weder einen weiteren Antrag auf Ergänzung zur Gebrauchsanweisung zu stellen, noch eine Zulassung für das Nachfolgegerät weiter zu betreiben (Anlage K4, Bl. 19 d.A.). Das Nacherfüllungsbegehren durch die anschließend beauftragten Prozessbevollmächtigten des Klägers (Anlage K7, Bl. 24 d.A.) ließ sie zurückweisen, woraufhin der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärte (Anlage K9, Bl. 28 d.A.) und die Beklagte - erfolglos - zur Rückzahlung des Kaufpreises bis zum 06.10.2021 aufforderte.

Der Kläger beantragt,

1.) die Beklagte zu verurteilen, an ihn 28.560,00 € nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.10.2021 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Geschwindigkeitsmessgerätes XV3 Messausrüstung, bestehend aus

- XV3 Messeinheit (Sensor XV3 mit Digitalkamera)
- XV3 Rechnereinheit
- XV3 Bedieneinheit
- XV3 Bedienfunkempfänger
- XV3 Monitor
- XV3 Adapter Datenübertragung
- Kabelsatz
- Transportkoffer
- XV3 Akkueinheit 12 V/18 Ah (ca. 4 h)
- XV3 Ladeeinheit 12V/8 A
- XV3 Wetterschutzhaube
- Datenübertragungssoftware Speedtransfer;

2.) festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rückübereignung des im Antrag zu 1. genannten Geschwindigkeitsmessgeräts nebst Messausrüstung im Annahmeverzug befindet;

3.) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von außergerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. 762,49 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises für das Geschwindigkeitsmessgerät XV3 i.H.v. 28.560,00 € entspr. §§ 434 Abs. 1 (in der bis zum 31.12.2021 geltenden Fassung), 437 Nr. 2, 323, 346 Abs. 1 BGB.

Die Parteien haben einen Kaufvertrag über das Gerät L. geschlossen, von dem der Kläger durch Erklärung des Rücktritts mit Schriftsatz vom 22.09.2021 (Anlage K9, Bl. 28 d.A.) i.S.d. § 349 BGB wirksam zurückgetreten ist. Denn ihm stand ein Rücktrittsgrund in Form eines Mangels zu.

Gem. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB a.F. ist - soweit nicht eine Beschaffenheit vereinbart ist, was aufgrund identischer Rechtsfolge offenbleiben kann - die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet.

Die Parteien haben die Verwendung und damit auch die praktische Verwendbarkeit des Gerätes für amtliche und gerichtsverwertbare Geschwindigkeitsmessungen vertraglich vorausgesetzt i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB a.F. - denn es gibt keinen anderen Grund oder Zweck, zu welchem der Kläger, der gem. Ziff. 1 der Richtlinien für die Überwachung des fließenden Straßenverkehrs durch Straßenverkehrsbehörden (Gem. RdErl. d. MI u. d. MW v. 25. 11. 1994 – 21.2-01461/6) für die Überwachung der Einhaltung zulässiger Höchstgeschwindigkeiten zuständig ist, sonst ein Geschwindigkeitsmessgerät erwerben sollte. Auch wenn hiermit auch die Einhaltung der Gurtpflicht überprüft werden kann, so liegt der Schwerpunkt solcher Geräte - das ist allgemeinbekannt - auf der Geschwindigkeitsüberwachung, die insbesondere wegen der Gefährlichkeit von Geschwindigkeitsüberschreitungen von erheblicher praktischer Bedeutung ist. Dies war der Beklagten aufgrund der langjährigen vertraglichen Verbundenheit und der Email vom 15.09.2020 (Anlage K1, Bl. 10 d.A.) auch bewusst. Hieraus ergab sich eindeutig die Notwendigkeit eines verlässlichen Gerätes (Ersatz für eine alte Messanlage mit schlechter werdende Bildqualität) und vor allem aus der Signatur auch die Eigenschaft des hiesigen Klägers als für „Geschwindigkeit/Verkehrsordnungswidrigkeiten“ zuständiger Behörde.

Eine Eignung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung ist nicht gegeben. Denn die Überschreitung der Fehlergrenzen führt dazu, dass die Messergebnisse im Rahmen von Bußgeldverfahren nicht im Sinne von „durch ein standardisiertes Messverfahren erzielter Ergebnisse“ durch den Kläger als zuständiger Bußgeldbehörde und ggf. die Gerichte verwendet werden können. Dabei kann dahinstehen, ob - wie die Beklagte meint - die Bauartzulassung über Bestandsschutz verfügt, oder nicht. Maßgebend ist vielmehr, dass nur solche Verfahren als standardisiert gelten, bei denen es sich um ein durch Regelungen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren handelt, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (BGH NJW 1993, 3081). Nur dann, wenn ein Geschwindigkeitsmessverfahren diesen Anforderungen genügt, kann es mithin den mit der Standardisierung erfolgten Zweck erfüllen, Bußgeldbehörden und Gerichten verlässliche Ergebnisse zu liefern, auf die eine verwaltungsrechtliche Pflichtenmahnung und nötigenfalls auch die Verhängung von Bußgeldern und/oder anderer Maßnahmen gestützt werden kann, ohne dass hierzu - im Regelfall - ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden muss. Die Bejahung der Standardisierung eines Messverfahrens verfolgt ebenso wie die Reduzierung des gemessenen Wertes um einen - die systemimmanenten Messfehler erfassenden - Toleranzwert den Zweck, Ermittlungsbehörden und Gerichte von der Sachverständigenbegutachtung und Erörterung des Regelfalles freizustellen (BGH NJW 1993, 3081 [BGH 19.08.1993 - 4 StR 627/92]). Sie hat die Folge, dass der Tatrichter bei einer mit einem standardisierten Messverfahren durchgeführten Messung ohne weitergehende Beweiserhebung von der Richtigkeit des Messwerts ausgehen kann. Denn das Bußgeldverfahren ist schon im Hinblick auf seine vorrangige Bedeutung für die Massenverfahren des täglichen Lebens auf eine Vereinfachung des Verfahrensganges ausgerichtet (a.a.O.). Die Anerkennung der Standardisierung ist daher von immenser praktischer Bedeutung.

Für die Standardisierung kann - und wird regelmäßig - die bestehende Bauartzulassung ein erstes Indiz sein, allein ausschlaggebend ist sie jedoch nicht. Es kann - unabhängig von Bauartzulassung und/oder Einhaltung der Vorgaben des MessEG, dazu sogleich - entgegen der Auffassung der Beklagten nicht unberücksichtigt bleiben, dass nach der Rechtsprechung - insbesondere des auch für den Landkreis Harburg zuständigen Oberlandesgerichts Celle - keine gerichtsverwertbare Messung mit dem L. erfolgen kann. Das Oberlandesgericht Celle hat im Beschluss vom 18.06.2021 - 2 Ss (OWi) 69/21 (abrufbar zum Beispiel über beck online: BeckRS 2021, 15516) ausgeführt:

„Nach alledem liegt jedenfalls derzeit bei sämtlichen Geschwindigkeitsmessungen mit dem Messgerät L. kein vereinheitlichtes (technisches) Verfahren mehr vor, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind.“ (Rn. 23)

Und weiter:

„Da es sich im vorliegenden Fall nach alledem nicht um eine Geschwindigkeitsmessung im standardisierten Messverfahren handelt, wird die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung durch die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils nicht tragfähig belegt. Diese erweist sich vielmehr als lücken- und somit rechtsfehlerhaft.“ (Rn. 24)

Dies ist auch der Beklagten bewusst, da sie selbst die Empfehlung abgegeben hat, die Geräte mangels Rechtssicherheit der damit erzielten Messergebnisse nicht mehr zu verwenden. Soweit die Beklagte meint, dass es unrichtig sei, dass ihre Messgeräte nicht mehr für amtliche Geschwindigkeitsmessungen verwendet werden dürften, verkennt sie (obwohl sie es zugleich ja selbst betont), dass die Frage der Standardisierung anhand der in PTB-Versuchen beobachteten Messfehler beurteilt wird (vgl. OLG Celle a.a.O.). Die Auffassung, diese Messungen könnten nicht auf die Messungen im realen Straßenverkehr übertragen werden, verfängt nicht. Die Anforderungen an die Genauigkeit unter allen in Betracht kommenden Umständen sind hoch und müssen es wegen der oben aufgezeigten Folgen im Rahmen der tatrichterlichen Überzeugungsbildung auch sein. Wenn die Messanlage keine hinreichende Gewähr mehr für die Annahme bietet, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung zuverlässig ausgewiesen wurde, kann hierauf eine Verurteilung nicht gestützt werden.

Soweit die Beklagte auf die Bindungswirkung der Bauartzulassung für den Zivilrechtsstreit verweist und meint, dass wegen § 62 Abs. 2 MessEG bis zum 31.12.2024 eine unwiderlegbare Vermutung für die Sachmangelfreiheit streite, verkennt sie, dass sich § 62 Abs. 2 MessEG i.V.m. § 6 Abs. 2 MessEG schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut, aber auch nach der systematischen Stellung auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Gerätes bzw. die Zulassung bezieht. Später aufgedeckte Messfehler können für die Annahme eines standardisierten Messverfahrens im o.g. Sinne schlechterdings nicht unberücksichtigt gelassen werden.

Diesen Mangel wies das Messgerät - auch wenn erst die Tests im Jahr 2021 dies zu Tage gebracht haben - bereits bei Übergabe am 13.01.2021 auf. Soweit die Beklagte dies mit der Klageerwiderung (Bl. 46 d.A.) einfach bestritten hat, ist ihr Vortrag derart pauschal, dass der klägerische Vortrag gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Denn als Herstellerin hätte es ihr oblegen, eine substanziierte Gegendarstellung zu geben. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Mangel des streitgegenständlichen Gerätes erst nach Übergabe entwickelt hätte, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Auf eine etwaige Kenntnis der Beklagten bei Abschluss des Kaufvertrages kommt es im Übrigen nicht an.

Der Kläger hat die Beklagte erfolglos aufgefordert, binnen angemessener Frist von rund drei Wochen (Anlage K7, Bl. 24 d.A.) den Mangel durch Nachbesserung an Gerät oder Gebrauchsanweisung zu beheben und der Beklagten damit das Recht zur zweiten Andienung i.S.d. §§ 437 Nr. 2, 439, 323 Abs. 1 BGB gewährt.

Rechtsfolge des wirksamen Rücktritts ist die Rückgewähr der empfangenen Leistungen, § 346 BGB. Die Verurteilung zur Zahlung Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Messgerätes erfolgt gem. § 348 BGB i.V.m. § 322 BGB entspr. - wobei Übergabe und Übereignung geschuldet sind.

Soweit die Beklagte meint, ihr stünden aus dem Rückgewährschuldverhältnis Gegenansprüche im Hinblick auf die erzielten Bußgelder zu, die im Rahmen der Zug um Zug-Verurteilung zu berücksichtigen seien, irrt sie. Bei dem staatlichen Anspruch auf Sanktionsgelder handelt es sich nicht um Nutzungen, Früchte, oder sonstige Gebrauchsvorteile, insbesondere auch nicht um mittelbare Sachfrüchte gleich Miet- oder Pachteinnahmen.

Im Übrigen ist auch keine Nutzungsentschädigung in Abzug zu bringen. Zur Berechnung der Gebrauchsvorteile bei der Rückabwicklung eines Kaufvertrages ist in der Regel davon auszugehen, dass der Wert einer Sache durch die Dauer ihrer Nutzbarkeit bis zum Eintritt der Gebrauchsuntauglichkeit bestimmt wird. Grundsätzlich ist die zeitanteilige lineare Wertminderung maßgebend. Da der Kläger das Geschwindigkeitsmessgerät im vorliegenden Fall aber nur sehr kurzzeitig überhaupt nutzen konnte, nämlich von der Übergabe am 19.01.2021 bis zur Email der Beklagten vom 12.03.2021, geht die Kammer in Anwendung des ihr nach § 287 ZPO eingeräumten Ermessens davon aus, dass es keinen messbaren Wertverlust gibt, anhand dessen die Gebrauchsvorteile bestimmt werden könnten.

Der Anspruch auf die begehrten Zinsen ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des Verzugs aus §§ 280 Abs. 1 u. 2, 286 Abs. 1 u. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Der Kläger kann auch die Feststellung des Annahmeverzuges verlangen, weil er - anders lässt sich der Schriftsatz vom 22.09.2021 (Anlage K9, Bl. 28 d.A.) nicht verstehen - nicht nur Rückübereignung angeboten hat, sondern auch Rückgabe, die schließlich für die Eigentumsübertragung gem. § 929 BGB erforderlich ist. Damit hat er die Beklagte i.S.d. §§ 293, 295 BGB in Annahmeverzug gesetzt. Die Kammer hat den Antrag so ausgelegt, dass er auf Feststellung des Annahmeverzuges hinsichtlich der Rücknahme gerichtet ist und entsprechend tenoriert.

Ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten besteht dagegen weder aus Verzug - der Kläger hat sogleich seine Bevollmächtigten beauftragt - noch unter dem Gesichtspunkt der Mangelgewährleistung. Gem. §§ 434, 437 Nr. 3, 280 BGB i.V.m. § 249 BGB mag grundsätzlich die Erstattung erforderlicher und zweckmäßiger Anwaltskosten verlangt werden können, die durch außergerichtliche Rechtsverfolgung entstanden sind. Allerdings sind nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Maßgeblich ist die ex-ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person, wobei keine überzogenen Anforderungen zu stellen sind. Es kommt darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht des Geschädigten darstellt (BGH NJW 2015, 3793 [BGH 17.09.2015 - IX ZR 280/14] Rn. 8). Bei Anlegung dieses Maßstabes wäre es dem Kläger, der über ein eigenes Rechtsamt verfügt, ohne Weiteres zumutbar und möglich gewesen, seine Rechte zunächst selbst geltend zu machen und erst bei Erfolglosigkeit anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 S. 1 u. 2 ZPO.