Landgericht Lüneburg
Urt. v. 06.04.2022, Az.: 5 O 389/21

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
06.04.2022
Aktenzeichen
5 O 389/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 65419
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Rechtsstreit
der Frau C. K.
Klägerin
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanw. Sch.
gegen
C. AG
Beklagte
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanw. B.
wegen Leistung aus Restschuldversicherung
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 16.03.2022 am 06.04.2022 durch die Richterin am Landgericht V. als Einzelrichterin
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.)

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.)

    Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.)

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt als Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemannes Versicherungsleistung aus einer bei der Beklagten bestehenden Restkreditversicherung.

Am 14.7.2020 schloss der am 30.1.2021 verstorbene Ehemann der Klägerin einen Darlehensvertrag über einen Betrag von 24.828,77 Euro mit der Bank XY GmbH zur Finanzierung eines Fahrzeugkaufs bei der Firma E. GmbH. Vereinbart war eine Tilgung in 60 Monatsraten und einer Schlussrate. Gleichzeitig stellte J. K. in derselben Vertragsurkunde unter Ziffer 11.1. den Antrag auf Abschluss einer Restkreditversicherung zur Absicherung seiner Zahlungsverpflichtung für den Todesfall bei der Beklagten, die den Antrag mit Versicherungsschein vom 19.8.2020 annahm. Die Versicherungsbedingungen waren dem Darlehensvertrag beigefügt gewesen.

Das Bedingungswerk der Beklagten enthält in § 2 Nr. 1 eine Wartezeitklausel mit folgendem Inhalt: "Der Versicherungsschutz beginnt gemäß der in § 3 AVB-RVK getroffenen Regelung, jedoch nicht vor dem Ablauf einer Wartezeit. Die Dauer der Wartezeit ist abhängig von der Laufzeit des Versicherungsvertrages: bei einer Vertragslaufzeit von bis zu 37 Monaten beträgt die Wartezeit 3 Monate, bei einer Vertragslaufzeit von mehr als 37 Monaten beträgt die Wartezeit 6 Monate, jeweils beginnend mit dem Datum der Darlehensauszahlung.

Nachdem die kreditgebende Bank zunächst unter dem 29.07.2020 eine Bescheinigung über ein für J. K., der zu diesem Zeitpunkt Krankengeld bezog, bei der Bundeswehr bestehendes unbefristetes Arbeitsverhältnis erhalten hatte, forderte sie eine weitergehende Bescheinigung über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Nachdem sie eine entsprechende Bescheinigung von J. K. am 4.8.2020 erhalten hatte, zahlte sie die Darlehenssumme am selben Tag an J. K. aus. Dieser verstarb am 30.1.2021.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Wartezeitklausel nicht wirksam vereinbart worden sei, weil sich der Hinweis auf die von der Beklagten herangezogenen Klauseln nicht unter der Restkredit-Risikolebensversicherung unter A), sondern erst unter B) Absicherung Arbeitslosigkeit befunden habe. Zudem sei die Wartezeitklausel als überraschende Klausel unwirksam. Ferner habe die kreditgebende Bank die Auszahlung unrechtmäßig durch die Anforderung der zweiten Bescheinigung über ein künftiges Fortbestehen des Arbeitsverhältnis verzögert, was zu einer zeitlichen Vorverlagerung des Versicherungsbeginns auf den Zeitpunkt des Vorliegens der Auszahlungsvoraussetzungen, mithin den 29.7.2020, abzustellen sei.

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 21.814,71 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit dem 27.2.2021 zu zahlen,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, der A. Versicherungs-AG 1.295,43 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.01.2022 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.

Die Beklagte beantrag,

die Klage abzuweisen.

Die Parteien haben ihre Zustimmung zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin kann von der Beklagten als Alleinerbin und damit Rechtsnachfolgerin ihres Ehemannes keinen Anspruch aus dem Versicherungsvertrag auf Übernahme der Restkreditsumme in Höhe von 21.814,71 Euro, weil der Versicherungsfall vor Ablauf der Wartefrist eingetreten ist.

Gem. § 2 Nr. 1 AVB-RKV gilt für Verträge mit einer Laufzeit ab 37 Monaten eine Wartezeit von 6 Monaten beginnend ab dem Datum der Darlehensauszahlung. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Restkreditversicherung hat J. K. für eine Laufzeit von 61 Monaten, entsprechend der Anzahl der auf das Darlehen zu tilgenden Monatsraten, abgeschlossen. Fristbeginn ist mit Auszahlung des Darlehens der 4.8.2020. Die Frist endet mit Ablauf des 3.2.2021. Der Kläger ist am 30.1.2021 und damit 4 Tage vor Fristablauf verstorben.

Die Wartefrist wurde auch wirksam zwischen den Parteien vor Antragstellung vereinbart, § 305 Abs. 1 BGB.

Es besteht kein Zweifel daran, dass die AVB-RKV wirksam in den Vertrag einbezogen worden sind.

Ausweislich des Darlehensvertrages, wurden die Versicherungsbedingungen vor Antragstellung an den Ehemann der Klägerin ausgehändigt. Gegenteiliges behauptet die Klägerin auch nicht.

Der Standort des Hinweises auf die Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen der Beklagten in Ziffer. 11.1. der Vertragsurkunde steht dem jedenfalls im vorliegenden Einzelfall nicht entgegen. Dass der Hinweis nicht jeweils unter den in A) und B) genannten unterschiedlichen Versicherungsmodellen erfolgt, sondern erstmals unter B) abgedruckt ist, steht dem im vorliegenden Einzelfall nicht entgegen. Denn der Ehemann der Klägerin hat beide Anträge auf Abschluss der jeweiligen Versicherung gestellt. Der sich unmittelbar durch einen Absatz getrennt unter den Ausführungen zu B) befindliche Hinweis erfasst zudem ausdrücklich beide Versicherungen. Diese werden nicht nur namentlich genannt, sondern auch durch erneute Nennungen der Buchstaben A) und B) hervorgehoben. Dort heißt es ausdrücklich, dass sich die jeweils weiteren Voraussetzungen, Ausschlüsse sowie Obliegenheiten zu der Restkredit-Risikolebensversicherung, des Restkredit-Arbeitsunfähigkeitsversicherung als auch der Restkredit-Arbeitslosigkeitsversicherung unter den o.g. Abschnitten A) - B) aus den vor Antragstellung ausgehändigten/per E-Mail zugesendeten Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen ergeben.

In Anbetracht der Antragstellung für beide Versicherungen sowie dem eindeutigen Wortlaut des Hinweises auf das Klauselwerk der Beklagten für beide Versicherungen ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar, dass sich der Hinweis auf die Versicherungsbedingungen auf beide Versicherungsmodelle bezieht.

Die Klausel ist nicht nach § 307 Abs. 3 BGB von der Inhaltskontrolle ausgeschlossen, weil sie eine Nebenabrede enthält, weil die Hauptleistungspflicht, Übernahme der im Todeszeitpunkt bestehenden Restschuld aus dem Darlehensvertrag, erst nach Ablauf einer Wartezeit gewährt wird.

Die Wartezeitklausel ist auch nicht als überraschende Klausel i.S. d. § 305c BGB unwirksam.

Nach § 305c Abs. 1 BGB werden solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nicht Vertragsbestandteil, die nach den äußeren Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht. Dies ist dann der Fall, wenn die Klausel objektiv ungewöhnlich und in subjektiver Hinsicht überraschend ist.

Hiervon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Aufgrund der konkret gewählten Stelle innerhalb der Versicherungsbedingungen ergibt sich objektiv kein Überraschungseffekt.

Das Bedingungswerk der Beklagten besteht insgesamt aus nur 4 Paragrafen, die auf einer halben DINA A4 Seite abgedruckt sind. Deren maßgeblicher § 2 trägt in Fettdruck die Überschrift "Versicherungsleistung, Wartezeit". Bereits die drucktechnische Hervorhebung der Überschrift führt dazu, dass das Schlagwort Wartezeit dem durchschnittlichen Leser auch bei nur kursorischer Lektüre ins Auge springt. Da die Versicherungsleistung regelmäßig das maßgebliche Interesse des durchschnittlichen Versicherungsnehmers weckt, ist durch die gewählte Überschrift auch inhaltlich ein zusätzlicher Anreiz zum Lesen der Klausel gesetzt.

Die Klausel ist auch nicht in subjektiver Hinsicht überraschend, weil sie nicht den subjektiven Erwartungen eines verständigen Versicherungsnehmers widerspricht.

Wartezeitklauseln sind in diversen Versicherungszweigen üblich und in einigen Fällen sogar gesetzlich geregelt, vgl. z.B. § 197 VVG für die Krankheitskostenversicherung. Auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist es offensichtlich, dass ein Versicherer nicht für solche Risiken einstehen will, die bereits bei Vertragsschluss angelegt waren. Es entspricht nämlich dem Grundgedanken und der gesetzlichen Ausgestaltung des Rechts der privaten Versicherungsverträge, dass sie regelmäßig nur Schutz gegen zukünftige ungewisse Ereignisse bieten und Gefahren, die bei Vertragsschluss bereits latent vorhanden sind, ausschließen. Vor diesem Hintergrund ist die Vereinbarung einer Wartezeit ein anerkanntes und probates Mittel, den Versicherungsschutz auf künftige, ungewisse Ereignisse einzugrenzen und sich damit zugleich vor einer zu weiten Einstandspflicht zu schützen.

Die Klausel lässt entgegen der Annahme der Klägerin auch nicht mehrere Auslegungsmöglichkeiten i.S.d. § 305c Abs 2 BGB zu. Fristbeginn ist die Darlehensauszahlung, sodass auch bei kundenfeindlichster Auslegung bei der von der Klägerin angenommenen Teilauszahlung mit der ersten Teilauszahlung die Wartefrist zu laufen beginnen würde. Dies würde den Versicherungsnehmer indes nicht benachteiligen. Für die klägerische Annahme, die Bank befinde sich im Verzug mit der Darlehensauszahlung und verzögere damit den Fristbeginn zum Nachteil des Versicherungsnehmers ist festzuhalten, dass dieser Umstand nicht der Beklagten als Verwenderin der AGB zugerechnet werden kann. Denn diese hat im Unterschied zu ihrem Versicherungsnehmer gar keinen Einfluss auf den Zeitpunkt der Auszahlung. Im Übrigen besteht das versicherte Risiko auch erst mit Auszahlung der Valuta, weil der Versicherungsnehmer vor Auszahlung nicht zur Tilgung verpflichtet ist.

Die Klausel verstößt im Ergebnis weder gegen das Transparenzgebot des §307 Abs. 1, 2 BGB, noch benachteiligt sie die Klägerin unangemessen.

Die Klausel selbst ist sprachlich leicht verständlich verfasst, sodass sich ohne weiteres ergibt, dass der Versicherungsschutz erst nach Ablauf einer Wartezeit, gestaffelt nach der im Vertragslaufzeit, die dem Versicherungsschein mühelos entnommen werden kann, beginnt und maßgeblicher Zeitpunkt für den Fristenlauf die Auszahlung der Valuta ist. Auch dieser Zeitpunkt ist dem Darlehens- und Versicherungsnehmer regelmäßig bekannt.

Die Beklagte verstößt durch Verwendung der Wartezeitklausel nicht gegen Treu und Glauben. Eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung liegt vor, wenn der Klauselverwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Die ist vorliegend nicht der Fall, weil Wartezeitklauseln wie bereits dargelegt ein auch von Gesetzes wegen anerkanntes Mittel sind, um Zweckabschlüsse zum Nachteil des Versicherers auszuschließen. Im Übrigen kommen diese Klauseln der Gemeinschaft der Versicherungsnehmer zugute, indem der Schutz vor Zweckabschlüssen dazu führt, dass die Prämien für alle Versicherungsnehmer niedriger gehalten werden können.

Eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB liegt nicht vor. Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zweifel wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam, wenn sie wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränken, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. § 307 II Nr.?2 BGB erfasst nicht jede Leistungsbegrenzung. Unzulässig ist die Begrenzung erst dann, wenn sie den Vertrag seinem Gegenstand nach aushöhlt und in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos macht (vgl. BGH NJW 2012, 3023f. [BGH 25.07.2012 - IV ZR 201/10] Rn. 18 - beck online). Mit der Wartezeit wird der Beginn der Leistungspflicht der Beklagten für einen geringen Anteil der Vertragslaufzeit, vorliegend 1/10 der Vertragslaufzeit, zeitlich nach hinten verschoben, was letztlich zu einer Leistungsfreiheit während der Wartezeit führt. Die Dauer der Wartezeit von 6 Monaten bei Verträgen, die über eine Laufzeit von mehr als 37 Monaten verfügen, lässt eine Vertragszweckgefährdung auch nicht erkennen. Die Beklagte trägt mit der Staffelung der Dauer der Wartezeit dem Umstand Rechnung, dass die Verträge auf einen längerfristigen Zeitraum angelegt sind.

Mangels Anspruch in der Hauptsache kann die Klägerin auch keine Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren aus Verzug verlangen.

Die Klage war daher mit den sich aus § 91 Abs. 1, 709 Satz 1 und 2 ZPO ergebenden Nebenfolgen abzuweisen.

Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden. Sie ist einzulegen innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem Oberlandesgericht Celle, 29221 Celle, Schloßplatz 2.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Beschwerdegegenstand 600,00 € übersteigt oder das Gericht die Berufung in diesem Urteil zugelassen hat. Zur Einlegung der Berufung ist berechtigt, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift eingelegt. Die Berufung kann nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden.