Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 14.10.1998, Az.: 2 U 179/98

Vorliegen eines Mangels bei der Verlegung von Parkettboden, wenn nach 5 Monaten noch eine Schadstoffbelastung feststellbar ist aber eine Schädigung noch nicht eingetreten ist

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
14.10.1998
Aktenzeichen
2 U 179/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 16506
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1998:1014.2U179.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 08.07.1998 - AZ: 10 O 2847/97

Fundstellen

  • BauR 1999, 502-504 (Volltext mit amtl. LS)
  • IBR 1999, 161 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
  • MDR 1999, 541-542 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1999, 241-242 (Volltext mit amtl. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 1999, 37-38

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Kommt es bei einem neu verlegten Holzpflaster (Parkett) noch nach fünf Monaten zur Belastung der Raumluft mit den wohnraumrelevanten Schadstoffen Ethylacetat und n-Butanol in einem Ausmaß, das ganz erheblich über dem üblicherweise in Haushalten durchschnittlich anzutreffenden Schadstoffgehalt liegt, so entspricht die Werkleistung des Parkettverlegers nicht dem vertraglich vorausgesetzten Gebrauch und ist mangelhaft.

  2. 2.

    Ein Mangel liegt in einem solchen Fall nicht erst dann vor, wenn eine dadurch hervorgerufene Schädigung nachgewiesen ist oder zumindest die Gefahr einer solchen feststeht; ausreichend ist vielmehr ein begründeter Gefahrverdacht, der auf nachweislich tatsächliche Risikomomente gestützt ist (im Anschluß an BGH 1989, 218)

In dem Rechtsstreitverfahren
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 1998
durch
die Richter .........., ............... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 8. Juli 1998 verkündete Grundurteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Die Streithelferin trägt ihre Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer und der Streitwert für den zweiten Rechtszug betragen 44.782,89 DM.

Entscheidungsgründe

1

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 633 Abs. 3 BGB. Die Werkleistung des Beklagten war ohne weiteres mangelhaft, da sie einen Fehler aufwies, der die Tauglichkeit zu dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch zumindest minderte, § 633 Abs. 1 BGB. Ob der Kläger infolgedessen Gesundheitsschäden erlitten hat, wie es das Landgericht angenommen hat, ist nicht entscheidungserheblich.

2

Das vom Beklagten verlegte Holzpflaster war in unzumutbarer Weise mit Schadstoffen belastet. Dies hat zu einer ebenfalls unzumutbaren Schadstoffbelastung der Luft in den betroffenen Räumen geführt. Der vom Kläger beauftragte Privatgutachter E. hat Anfang September 1995 festgestellt, daß die Raumluft im Verlegebereich in erheblicher Weise unter anderem mit den Schadstoffen Ethylacetat und n-Butanol belastet war. Diese Schadstoffbelastung war zumindest zu einem erheblichen Teil auf Ausdünstungen aus dem Holzpflaster bzw. aus den vom Beklagten bei der Verlegung verwandten Spachtel-, Klebe- oder Lackierungsmaterialien zurückzuführen, wobei eine genaue Lokalisierung für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ohne Bedeutung ist.

3

Dies steht entgegen der Auffassung der Berufung aufgrund des im selbständigen Beweisverfahren erstellten Gutachtens des Sachverständigen M. vom 11.03.1996 und nach den ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen vor dem Landgericht im Termin vom 20.01.1998 fest. Zwar dürften die in der Raumluft vom Privatgutachter E. festgestellten diversen Lösungsmittel zum Teil auch aus der im Estrich vorhandenen Styroporisolierung gestammt haben. Die Styroporisolierung war jedoch nicht ursächlich für die in der Luft festgestellten Lösungsmittel Ethylacetat und n-Butanol. Diese beiden Schadstoffe hat der Sachverständige M. ausschließlich in den von ihm untersuchten Parkettproben gefunden und verständige M. nicht in der Styroporschicht. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, daß auch eine "unbehandelte" Parkettprobe bei der Untersuchung durch den Sachverständigen insoweit einen hohen Schadstoffgehalt aufwies; entscheidend ist, daß und in welchem Umfang die genannten Schadstoffe in der aus dem verlegten Holzpflaster entnommenen Probe enthalten waren.

4

Die Berufung nennt als potentielle weitere Schadensursachen unter anderem Farben und Tapeten. Diese Ursachen können jedoch ausgeschlossen werden. Der Sachverständige M. hat Proben auch aus dem Putz, der Tapete und den Gipskartonplatten entnommen und untersucht und darin kein Ethylacetat und n-Butanol gefunden.

5

Der Einwand der Berufung, die in der Luft gemessenen Schadstoffe könnten auch auf andere Materialien, insbesondere Möbelstücke zurückzuführen sein, ist im Ergebnis unerheblich. Gegen die Richtigkeit der Vermutung der Berufung spricht, daß der Sachverständige bei seiner Nachuntersuchung am 20.02.1996, zu einem Zeitpunkt also, in welchem das Holzpflaster bereits entfernt war, keine Luftkontamination festgestellt hat. Selbst wenn jedoch - was theoretisch nicht auszuschließen sein mag - von unbekannten Materialien eine Belastung der Raumluft mit Ethylacetat und n-Butanol mitverursacht worden sein sollte, kann angesichts der Feststellungen des Sachverständigen zum Schadstoffgehalt in der von ihm untersuchten Probe nicht zweifelhaft sein, daß jedenfalls ein ganz wesentlicher Teil der in Rede stehenden Schadstoffbelastung vom Holzpflaster ausgegangen ist.

6

Die festgestellte Schadstoffbelastung stellte einen Mangel dar. Der Senat läßt insoweit offen, ob die vom Kläger behaupteten Gesundheitsschäden auf die aus dem Holzpflaster entwichenen Lösungsmittel zurückzuführen sind und ob die festgestellte Luftkontamination eine Konzentration aufwies, die den sicheren Schluß auf eine Gesundheitsbeeinträchtigung zuläßt. Ein Mangel liegt bei von Baustoffen ausgehenden Schadstoffemissionen nicht erst dann vor, wenn eine dadurch hervorgerufene Schädigung nachgewiesen ist oder die Gefahr einer solchen zumindest feststeht. Ausreichend ist vielmehr ein sogenannter "begründeter Gefahrverdacht", der auf nachweislich tatsächliche Risikomomente gestützt ist (BGH NJW 1989, 218; Beckscher VOB-Kommentar-Ganten, § 13 Rdnr. 45). Dies ist hier der Fall:

7

Unter den gegebenen Umständen war auf seiten des Klägers zumindest der naheliegende und auf zumutbare Weise nicht auszuräumende Verdacht einer gesundheitsschädigenden Luftbelastung, bedingt durch die Werkleistung des Beklagten, gerechtfertigt. Unstreitig handelt es sich nämlich bei den Lösungsmitteln Ethylacetat und n-Butanol bei entsprechender Konzentration um wohnraumrelevante Schadstoffe. Der medizinische Sachverständige Schoch hat zudem in seinem im selbständigen Beweisverfahren erstellten Gutachten unter anderem festgestellt, daß jedenfalls im neurologischen Bereich Spätschäden durch Lösungsmittel beschrieben sind. Die Berufung bestreitet auch lediglich, daß eine für eine Gesundheitsbeeinträchtigung ausreichende Konzentration der Stoffe vorgelegen habe. Die dementsprechende - unter Beweis gestellte - Behauptung kann als richtig unterstellt werden. Es steht jedenfalls fest, daß, wie den Ausführungen des Privatgutachters E. zu entnehmen ist, die Schadstoffkontamination der Luft - Ethylacetat 53 µg/cbm, n-Butanol 112 µg/cbm - ganz erheblich über dem üblicherweise in Haushalten durchschnittlich anzutreffenden Schadstoffgehalt lag. Das rechtfertigt in Verbindung mit den vom Sachverständigen M. bei gaschromatographische Messungen nach Extraktion der verschiedenen Materialien mit einem Lösungsmittel über FID, ECD und MS-Detektion nach der Methode DIN 38407-F 9-1 für die Parkettprobe erzielten Ergebnissen - Ethylacetat 3,6 mg/kg, n-Butanol 1,7 mg/kg - unter den Umständen des vorliegenden Falls den Schluß auf einen Werkmangel. Eine gewisse Schadstoffbelastung dieser Art mag für eine gewisse Zeit unmittelbar nach einer Baumaßnahme zumutbar und von einem Besteller hinzunehmen sein. Hier ist die Schadstoffbelastung jedoch etwa fünf Monate nach Fertigstellung des Fußbodens festgestellt worden. Nach einem derart langen Zeitraum darf ein Besteller regelmäßig erwarten, daß von einem neu verlegten Parkettfußboden keine wesentliche Schadstoffbelastung mehr ausgeht.

8

Die Wesentlichkeit des Mangels entfiele auch nicht, wenn die Schadstoffkonzentration - wie die Berufung behauptet - durch häufiges Lüften hätte verringert werden können. Ein solches Lüften mag einige Zeit nach Fertigstellung eines Fußbodens dem Besteller zuzumuten sein. Fünf Monate nach Abschluß der Arbeiten kann er jedoch erwarten, daß auch ohne häufiges Lüften keine ungewöhnliche Schadstoffkontamination in den Wohnräumen durch den Holzfußboden hervorgerufen wird.

9

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 101, 708 Nr. 10, 713 und 546 Abs. 1 und 2 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Wert der Beschwer und der Streitwert für den zweiten Rechtszug betragen 44.782,89 DM.