Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 21.03.2007, Az.: 1 A 1225/05
Heranziehung zu den Kosten eines Polizeieinsatzes im Falle eines auf die Straße gelaufenen Rindes; Voraussetzungen eines Handelns der Gefahrenabwehrbehörde anstelle des Verpflichteten; "Gegenwärtige Gefahr" i.S.d. niedersächsischen Polizei- und Ordnungsrechts; Gefährdung des Straßenverkehrs durch ein entlaufenes Nutztier
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 21.03.2007
- Aktenzeichen
- 1 A 1225/05
- Entscheidungsform
- Endurteil
- Referenz
- WKRS 2007, 12543
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2007:0321.1A1225.05.0A
Rechtsgrundlagen
- § 2 Nr. 1b SOG, NI
- § 6 SOG, NI
- § 7 SOG, NI
- § 64 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SOG, NI
- § 66 Abs. 1 S. 1 u. 2 SOG, NI
- § 1 VwKostG, NI
- § 3 VwKostG, NI
- § 1 VwVfG, NI
- § 39 Abs. 1 S. 2 VwVfG
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Stade - 1. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 2007
durch
den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Schmidt,
den Richter am Verwaltungsgericht Steffen,
die Richterin Struhs sowie
die ehrenamtlichen Richter D. und E.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu den Kosten eines Polizeieinsatzes, der wegen eines auf die Straße gelaufenen Rindes des Klägers erfolgt ist.
Am 29. März 2005 gelangte ein Rind des Klägers durch eine beschädigte Stelle im Zaun von der Weide auf die öffentliche Straße "F." in der Ortschaft G., Gemarkung H.. Es handelt sich um einen landwirtschaftlich genutzten Bereich nahe des Ortsteils Felde. Dieser Sachverhalt wurde der örtlichen Polizeistation Thedinghausen durch die Funkeinsatzzentrale Verden um 13.50 Uhr desselben Tages mitgeteilt. Zwei Polizeibeamte der Dienststelle fuhren daraufhin sofort zu der angegebenen Örtlichkeit, wo sich das Rind auf den Straßen F. und H. frei bewegte. Die Beamten sicherten den Bereich ab und erkundigten sich bei dem Mieter eines in unmittelbarer Nähe befindlichen Hauses nach dem Tierhalter. Der Anwohner gab an, er sei mit dem Tierhalter - dem Kläger - bekannt und wolle versuchen, diesen telefonisch zu erreichen. Die Polizeibeamten trieben das Tier ohne weiteres Abwarten auf die Weide zurück, stellten das Loch im Weidezaun fest und sicherten dieses provisorisch mit Draht ab. Der Polizeieinsatz endete um 14.30 Uhr.
Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 12. Mai 2005 mit, dass sie beabsichtige, für den Polizeieinsatz Kosten i.H.v. insgesamt 115,00 EUR zu erheben und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme.
Mit Bescheid vom 30. Mai 2005 forderte die Beklagte den Kläger zur Zahlung einer Gebühr i.H.v. 115,00 EUR auf. Für die Amtshandlungen bzw. Leistungen der Polizei bei dem Einsatz am 29. März 2005 seien nach §§ 1, 13 und 14 des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes Gebühren und Auslagen zu erheben. Nach dem Kostentarif Nr. 108.1.4.1. zur Allgemeinen Gebührenordnung sei für den Einsatz von 2 Beamten, je 1 Stunde, eine Gebühr von 100,00 EUR sowie nach Nr. 108.1.4.2 eine Kilometer-Entschädigung von 15,00 EUR festzusetzen.
Der Kläger hat hiergegen am 30. Juni 2005 Klage erhoben, mit der er geltend macht, bei der Abwehr der von dem Rind ausgehenden Gefahr habe es sich um eine normale dienstliche Tätigkeit der Polizeibeamten gehandelt, die durch Steuergelder bereits abgegolten sei und nicht nach dem Verwaltungskostengesetz abgerechnet werden könne. Im übrigen hätte ein Anruf bei dem Kläger genügt, er wäre dann sofort vor Ort gewesen und hätte das Rind selbst auf die Weide zurückgetrieben. Schließlich habe der Einsatz nur 40 Minuten gedauert, so dass keine volle Stunde angesetzt werden könne. Eine Kilometerentschädigung könne ebenfalls nicht verlangt werden, da eine Streifenfahrt vorgelegen habe.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Der Kläger beantragt,
den Gebührenbescheid der Beklagten vom 30.05.2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die eingesetzten Polizeibeamten I. und J. hätten sich nicht auf einer Streifenfahrt befunden, vielmehr sei die Fahrt von der Polizeistation Thedinghausen aus angetreten worden. Der in unmittelbarer Nähe der Gefahrenstelle wohnende Mieter habe für die Beamten den Kläger angerufen und diesen erreicht. Der Kläger habe sein sofortiges Kommen zugesichert. Da von dem auf der Straße laufenden Rind eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer ausgegangen sei, hätten die Beamten sich entschlossen, zügig zu handeln. Das Rind sei im Rahmen der Ersatzvornahme auf die Weide zurückgebracht und diese abgesichert worden. Hierzu sei die Polizei anstelle und auf Kosten des Tierhalters gemäß § 66 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung berechtigt gewesen, weil dieser nicht rechtzeitig habe tätig werden können. Nach dem Niedersächsischen Verwaltungskostengesetz in Verbindung mit der Allgemeinen Gebührenordnung, Kostentarif Nr. 108.1.4.1 analog sei für jeden eingesetzten Beamten je angefangene halbe Stunde ein Betrag von 25,00 EUR, bei dem Einsatz von 2 Beamten für 40 Minuten damit 100,00 EUR zu verlangen. Ferner könne nach Kostentarif Nr. 108.1.4.2 analog für jeden gefahrenen Kilometer ein Betrag von 0,60 EUR, mindestens jedoch 15,00 EUR verlangt werden. Für die zurückgelegten 10 km seien daher 15,00 EUR erhoben worden.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die im Einverständnis der Beteiligten gemäß 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, hat keinen Erfolg.
Sie ist unbegründet, weil der Kostenbescheid vom 30. Mai 2005 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 VwGO.
Zwar kann die Beklagte die Kosten des Polizeieinsatzes am 29. März 2005 nicht, wie in ihrem Bescheid angeführt, auf der Grundlage von §§ 1, 13 und 14 des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes (NVwKostG) in Verbindung mit der Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen und Leistungen (Allgemeine Gebührenordnung -AllGO-) vom 05. Juni 1997 (Nds. GVBl. S. 171, 1998, S. 501), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 7. Dezember 2006 (Nds. GVBl. S. 580) erheben. Rechtsgrundlage für die im Ausgangsbescheid als "Gebühr" bezeichneten Kosten i.H.v. 115,00 EUR sind vielmehr die §§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, 64 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds.SOG), nach denen die Beklagte berechtigt war, anstelle des Klägers die von dem freilaufenden Rind ausgehende Gefahr zu beseitigen und die entstandenen Kosten in Rechnung zu stellen.
1.
Die Vorschriften des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes stehen als Rechtsgrundlage vorliegend nicht zur Verfügung. Denn nach §§ 1 und 3 NVwKostG bilden die Vorschriften dieses Gesetzes die Grundlage für die Erhebung von Kosten nur dann, wenn die gebührenpflichtige Amtshandlung entweder im NVwKostG selbst oder in der Allgemeinen Gebührenordnung bzw. einer sonstigen Gebührenordnung im einzelnen bestimmt ist. Die Inanspruchnahme der öffentlichen Verwaltung löst keine automatische Gebührenpflicht aus, Gebühren dürfen vielmehr nur dann erhoben werden, wenn die gebührenpflichtigen Tatbestände sowie der Umfang der Gebühr in den Gebührenordnungen festgelegt worden ist (vgl. Loeser/ Barthel, NVwKostG, Komm., Stand Juli 2005, § 1 Nr. 5.1.2.2 und § 3 Nr. 1). Dabei muss der Gebührentatbestand hinreichend bestimmt sowie klar formuliert sein, um die Erhebung der Gebühr für den Kostenschuldner vorhersehbar zu machen.
Ein Gebührentatbestand für die von der Beklagten im Hinblick auf das freilaufende Rind des Klägers ergriffenen Maßnahmen ist in der Gebührenordnung nicht geregelt. Soweit die Beklagte sich auf Nr. 108.1.4.1 und Nr. 108.1.4.2 des Kostentarifes (Anlage 1.20 AllGO) beruft, sind die Voraussetzungen dieses Gebührentatbestandes nicht erfüllt. Danach kann eine Gebühr von 25,00 EUR je angefangene halbe Stunde für jeden eingesetzten Beamten der Polizei sowie eine Mindestgebühr von 15,00 EUR für ein eingesetztes Kraftfahrzeug verlangt werden, wenn die Beförderung von Personen sowie der Transport von Tieren oder Sachen mit Fahrzeugen der Polizei erfolgt ist. Dies ist vorliegend aber eindeutig nicht der Fall gewesen, denn die Beamten haben lediglich den Verkehr abgesichert und das Rind des Klägers auf die Weide zurückgebracht, dieses aber nicht mit transportiert. Auch andere Gebührentatbestände der Nr. 108 des Kostentarifes, der die Gebührenpflicht für verschiedene näher bezeichnete polizeiliche Aufgabenbereiche bestimmt, sind nicht verwirklicht worden. Hier sind ausschließlich spezielle Maßnahmen der Polizei zur Gefahrenabwehr umschrieben, wie beispielsweise die Ingewahrsamnahme von Personen oder die Begleitung von Transporten, für die eine Kostenpflicht explizit geregelt wurde.
Der Umstand, dass die Beklagte ihren "Heranziehungsbescheid" vom 30. Mai 2005 auf die Vorschriften des NVwKostG in Verbindung mit der Allgemeinen Gebührenordnung gestützt und damit eine fehlerhafte Rechtsgrundlage herangezogen hat, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Verfügung. Denn nach § 1 des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (NVwVfG) und § 39 Abs. 1 S. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (VwVfG) ist die Begründung dann ausreichend, wenn sie die tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitteilt, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Es reicht danach aus, dass die Beklagte in ihren Bescheid die nach ihrer Ansicht maßgebliche Rechtsgrundlage angeführt hat. Die Begründungspflicht bezieht sich nicht auf die Angabe materiell-rechtlich tragfähiger Gründe, sondern auf die für die Behörde tatsächlich maßgeblichen Gründe, auch wenn diese im Ergebnis nicht haltbar sein sollten (Kopp/ Ramsauer, VwVfG, Komm., 9. Auflage, § 39 Rn 18).
2.
Nach den somit hier anwendbaren §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Nds.SOG war die Beklagte berechtigt, im Wege der Ersatzvornahme die entsprechenden Maßnahmen zur Absicherung des Verkehrs zu treffen sowie das freilaufende Rind des Klägers an dessen Stelle auf die Weide zurückzutreiben.
Nach den genannten Vorschriften kann die Polizei - wenn die Verpflichtung, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch eine andere Person möglich ist, nicht erfüllt wird - diese Handlung auf Kosten der betreffenden Person selbst ausführen oder eine andere Person mit der Ausführung beauftragen. Die Ersatzvornahme kann auch ohne vorausgehenden Verwaltungsakt im Wege des Sofortvollzuges angewendet werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr - insbesondere, weil Maßnahmen gegen verantwortliche Personen nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind - erforderlich ist und die Verwaltungsbehörde hierbei innerhalb ihrer Befugnisse handelt. Eine auf § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds.SOG gestützte Kostenerhebung ist rechtmäßig, wenn eine rechtmäßige Ersatzvornahme stattgefunden hat und auch der Kostenerhebung im Einzelnen hinsichtlich Art und Umfang Bedenken nicht entgegenstehen.
Zunächst lag hier eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit vor. Dies ist eine Gefahr, bei der das schädigende Ereignis bereits begonnen hat oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht, § 2 Nr. 1b) Nds.SOG. Die öffentliche Sicherheit ist dann beeinträchtigt, wenn es zu einem Verstoß gegen Rechtsvorschriften gekommen ist oder Individualrechtsgüter betroffen sind. Beides ist vorliegend der Fall. Zum einen war eine Sachlage gegeben, bei der das Eintreten von Verkehrsbehinderungen sowie von Schäden für die Gesundheit sowie das Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer durch das frei laufende Tier zu erwarten waren. Unabhängig davon, ob es sich bei dem F. sowie der H. angesichts des ländlichen Umfeldes um Straßen mit einem eher geringen Verkehrsaufkommen handelt, war hier jedenfalls mit öffentlichem Verkehr zu rechnen. Zu dessen Schutz musste die Beklagte angesichts der bestehenden Unfallgefahr mit der möglichen Folge von Körper- und Sachschäden sowie auch einer Gefährdung des freilaufenden Rindes selbst umgehend tätig werden. Zum anderen war aber auch eine Störung der öffentlichen Sicherheit durch das auf der Straße frei laufende Rind des Klägers dadurch bereits eingetreten, dass dieser Umstand einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 28 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) bildete. Danach sind Haus- und Stalltiere, die den Verkehr gefährden können von der Straße fernzuhalten. Sie sind dort nur zugelassen, wenn sie von geeigneten Personen begleitet werden, die ausreichend auf sei einwirken können. Unabhängig davon, ob dem Kläger in Bezug auf das Entlaufen des Rindes Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden konnte und er somit auch ordnungswidrig im Sinne des § 49 Abs. 2 Nr. 3 StVO handelte, war jedenfalls durch den objektiven Verstoß gegen Vorschriften der StVO eine Störung der öffentlichen Sicherheit eingetreten.
Der Kläger war als Halter des Rindes auch für die Beseitigung der Gefahr verantwortlich. Als Eigentümer und Inhaber der tatsächlichen Gewalt war er zunächst ohnehin für die Abwendung der von dem Tier ausgehenden Gefahr als Zustandsstörer gemäß § 7 Abs. 1 Nds.SOG verantwortlich. Daneben hat der Kläger vorliegend aber auch durch sein Verhalten die Gefahr verursacht und war nach § 6 Abs. 1 Nds.SOG heranzuziehen. Denn er selbst war dafür verantwortlich, dass die Weiden, auf denen seine Tiere untergebracht werden, ordnungsgemäß eingezäunt sind und keines seiner Rinder auf eine öffentliche Straße gelangen kann. Demgemäss hatte er dafür Sorge zu tragen, dass im Zaun auftretende Löcher umgehend beseitigt werden.
Zwar kommt ein Handeln der Gefahrenabwehrbehörde anstelle des Verpflichteten, ohne diesen zuvor durch Verwaltungsakt zur Vornahme der Handlung aufzufordern, immer nur in besonderen Eilfällen und nur dann in Betracht, wenn alle anderen Möglichkeiten der Gefahrenabwehr sorgfältig geprüft worden sind (vgl. OVG Lüneburg, Urteil v. 27.03.2002 - 7 LB 153/01 - mit weiteren Nachweisen). Insbesondere ist erforderlich, dass der zur Gefahrenabwehr Verpflichtete nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden konnte oder seine Heranziehung keinen Erfolg versprach (§ 64 Abs. 2 Nr. 1 Nds.SOG). Diese Vorgaben hinderten die Beklagte aber vorliegend nicht, das Rind ohne weitere zeitliche Verzögerung anstelle des Klägers von der Straße zu entfernen.
Die Beklagte hat, wie sie selbst ausführt, von einem in der Nähe wohnhaften Mieter die Telefonnummer des Klägers erhalten und wurde damit in die Lage versetzt, zu versuchen, den Kläger in unmittelbaren zeitlichen Anschluss zu erreichen. Es ist zweifelhaft, ob die Beklagte sich insoweit auf die Angaben des Anwohners verlassen durfte, er habe den Kläger erreicht und ihm den Sachverhalt geschildert. Dies kann jedoch offen bleiben. Denn da die Beklagte ohnehin das Eintreffen des Klägers nicht abgewartet hat, sondern sofort damit begann, das entlaufene Tier auf die Weide zurückzutreiben und diese zu sichern, hat sie dem Kläger -unabhängig davon, ob ihn der Anruf erreichte- ohnehin keine Gelegenheit eingeräumt, zunächst selbst die Gefahr zu beseitigen.
Dazu war sie unter den vorliegenden Umständen aber auch nicht verpflichtet. Die Kammer ist vielmehr der Auffassung, dass die Beklagte angesichts der bereits eingetretenen Störung sowie der weiterhin zu erwartenden Verkehrsgefahren zu einem sofortigen Einschreiten berechtigt war, ohne den Kläger vorab aufzufordern, das entlaufene Tier selbst einzufangen oder das Eintreffen des Klägers abzuwarten.
In Bezug auf Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung durch abgestellte Kraftfahrzeuge kommt nach einhelliger Rechtsprechung regelmäßig die Benachrichtigung des Fahrzeugführers, um diesem Gelegenheit zu geben, das Fahrzeug freiwillig zu entfernen, nicht in Betracht, wenn der Fahrzeugführer nicht sofort greifbar und eine sofortige Entfernung des Fahrzeuges damit ungewiss ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse v. 18.02. 2002 - 3 B 149.01 -, NJW 2002, 2122 und vom 06.07. 1983 - 7 B 182.82 -, DVBl. 1983, 1066, 1067; OVG NRW, Urt. v. 24.03.1998 - 5 A 183/96 -, NJW 1998, 2465; OVG Hamburg, Urt. v. 14.08. 2001 -3 Bf 429/00-, NJW 2001, 3647 [OVG Hamburg 14.08.2001 - 3 Bf 429/00] ; Hess. VGH, Urt. v. 22.05. 1990 - 11 UE 2056/89 -, NVwZ-RR 1991, 28). Nach zutreffender, von der Kammer geteilter Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschl. v. 18.02.2002 - 3 B 149/01 -, NJW 2002, 285 f.) besteht wegen der regelmäßig ungewissen Erfolgsaussicht von Ermittlungen in Bezug auf den Halter selbst bei einer hinter der Windschutzscheibe eines rechtswidrig abgestellten Kfz angebrachten Adresse und (Handy-)Telefonnummer keine Verpflichtung der verantwortlichen Behörden, vor einer Abschleppmaßnahme insoweit weitere Ermittlungen nach dem Fahrer/Halter zu ergreifen (vgl. auch OVG Schleswig v. 19.03.2002 - 4 L 118/01 - NVwZ-RR 2003, 647 [OVG Schleswig-Holstein 19.03.2002 - 4 L 118/01] f sowie VGH Mannheim v. 07.02.2003 - 1 S 1248/02 - NVwZ-RR 2003, 558 [VGH Baden-Württemberg 07.02.2003 - 1 S 1248/02] f). Nur dann, wenn der Störer selbst den Ermittlungsaufwand reduziert und gleichzeitig die Erfolgsaussichten dadurch vergrößert, dass er einen konkreten Hinweis auf seine Erreichbarkeit und seine Bereitschaft zum umgehenden Entfernen des Fahrzeuges gibt, kann eine Benachrichtigung vor dem Einleiten des Abschleppvorgangs ausnahmsweise geboten sein (BVerwG, Beschl. v. 18.02.2002, a.a.O.).
Diese Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall der von einem Tier ausgehenden Gefährdung des Straßenverkehrs übertragbar. Sie gilt hier erst recht deshalb, weil aufgrund der von dem Rind ausgehenden Tiergefahr, die von der Unberechenbarkeit des Tieres geprägt wird und ein sofortiges Handeln durch die Beklagte erforderlich machte, grundsätzlich keine Zeit blieb, weitere Ermittlungen anzustellen. Unstreitig waren weder der Kläger noch ein anderer Verfügungsberechtigter im Zeitpunkt des behördlichen Einschreitens am Ort des Geschehens zugegen. Auch vermochte der von den Beamten befragte Mieter keinerlei Hinweis auf den derzeitigen Aufenthaltsort des Klägers zu geben. Dennoch veranlassten die Beamten einen Anruf bei dem Kläger, den der Kläger aber nach eigenen Angaben nicht erhalten hat. Wie sich aber aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, sind weitere Nachforschungen nach dem Tierhalter erst und nur dann ausnahmsweise veranlasst, wenn konkrete Hinweise auf seinen aktuellen Aufenthaltsort und auf seine ernsthafte Bereitschaft, die Gefahr unverzüglich zu beseitigen, bestehen. Solche Hinweise lagen hier aber auch nach dem Vortrag des Klägers nicht vor.
Die Bediensteten der Beklagten hatten darüber hinaus auch keine Erkenntnisse dahingehend erhalten, der Kläger werde sofort zur Stelle sein, um das Rind selbst auf die Weide zurückzutreiben. Dafür bestehen auch in tatsächlicher Hinsicht angesichts des Wohnortes des Klägers in K., der sich von dem hier in Frage stehenden Bereich F. in G. ca. L. entfernt befindet, keine Anhaltspunkte. Vielmehr musste hier bereits mit einer reinen Fahrzeit von etwa 15 Minuten gerechnet werden. Selbst wenn daher die eingesetzten Polizeibeamten entgegen ihrer Versicherung nicht (erfolglos) versucht hätten, den Kläger durch den angetroffenen Mieter telefonisch zu erreichen, so wäre dies unerheblich, da die Polizisten zu einer entsprechenden Ermittlungsmaßnahme nach den vorgenannten Grundsätzen nicht verpflichtet waren.
Weil die Beklagte wegen des Vorliegens einer gegenwärtigen Gefahr zulässigerweise im Wege des Sofortvollzuges tätig geworden ist, bedurfte es vorliegend auch keiner Androhung der Ersatzvornahme i.S. von § 70 Abs. 1 Nds.SOG. Denn diese ist entbehrlich, wenn die Anwendung des Zwangsmittels zur sofortigen Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist.
Die Beklagte war damit berechtigt, die erforderlichen Maßnahmen anstelle des Klägers selbst oder durch einen Beauftragten zu ergreifen. Die von ihr ausgewählten Mittel, nämlich das Absichern der Straße sowie das anschließende Zurücktreiben des Rindes auf die Weide sind verhältnismäßig, weil damit die Gefahr schnell und effektiv abgewendet wurde. Aufgrund dieser rechtmäßigen Ersatzvornahme war sie dem Grunde nach berechtigt, hierfür angefallene Kosten dem Kläger aufzuerlegen.
3.
Auch wenn im vorliegenden Fall für die Durchführung der Ersatzvornahme selbst, also die Sicherung und das Einfangen des entlaufenen Rindes, keine gesonderten Kosten entstanden sind, konnte die Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers diejenigen Kosten erstattet verlangen, die sie für den Einsatz eigener Dienstkräfte sowie für die Anfahrt zur Gefahrenstelle aufgewendet hat. § 66 Abs. 1 Nds. SOG stellt nämlich eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Kostenerstattung auch insoweit dar, als die Verwaltungsbehörde im Wege der Selbstvornahme eigene Dienstkräfte und Fahrzeuge eingesetzt hat (vgl. VG Göttingen, Urt. v. 12.12.1996 - 4 A 4700/94 - ). Lässt die Behörde die Ersatzvornahme nicht durch einen beauftragten Unternehmer, sondern durch eigenes Personal durchführen, kann sie deshalb insbesondere auch die Erstattung ihrer Personalkosten verlangen (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 29.05.1986 - Bf II 6/86 - , DöV 1987, 257).
Aus § 66 Abs. 1 S. 1 Nds.SOG folgt, dass nach dem niedersächsischen Recht als Ersatzvornahme nicht nur die Ausführung der notwendigen Handlung durch einen Dritten, sondern auch die Vornahme der Handlung durch die Vollstreckungsbehörde selbst angesehen wird. Diese Regelung ist im Landesrecht gerade deshalb enthalten, damit auch die Kosten einer Selbstvornahme durch die Behörde von dem Pflichtigen verlangt werden können. Nach § 66 Abs. 1 S. 1 Nds.SOG hat die Polizei nicht nur das Recht, einen anderen mit der Durchführung der geforderten Handlung zu beauftragen, vielmehr kann sie die Ersatzvornahme auch selbst auf Kosten der betroffenen Person vornehmen. Mit der Einbeziehung der Selbstvornahme durch die Polizei in die Ersatzvornahme können deshalb die Kosten und auch die eigenen Aufwendungen der Verwaltungsbehörden, wie insbesondere ihre Personalkosten von dem Pflichtigen verlangt werden (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 29.05.1986, - Bf II 6/86 -, DöV 1987, 257, 258). Dadurch ist die Kostenersatzpflicht des Vornahmepflichtigen mit der Folge erweitert worden, dass die Polizei- oder Ordnungsverwaltung den Einsatz ihrer Dienstkräfte ebenso nach Stundensätzen und denjenigen der Fahrzeuge und Maschinen nach Kilometer/bzw. üblichen Gebührensätzen berechnen dürfen, wie dies etwa Handwerker zu tun pflegen (vgl. VG Göttingen, a.a.O.; Götz, DVBl 1984, S. 14, 15 f.; ders. Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Auflage, Rn. 327; Würtemberger, NVwZ 1983, S. 192, 195; ). Denn der Betroffene kann nicht deshalb eine Freistellung von den Kosten der Ersatzvornahme verlangen, weil die Behörde, statt einen anderen zu beauftragen, mit eigenen Kräften die betroffene Handlung vorgenommen hat (vgl. Götz, a.a.O.). Zwar stellt die Erhebung von Polizeikosten von Privatpersonen einen Eingriff in Freiheit und Eigentum des Bürgers dar und unterliegt daher dem Vorbehalt des Gesetzes. § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds.SOG stellt jedoch eine nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmte gesetzliche Ermächtigung dar. Die Höhe der erstattungsfähigen Ersatzvornahmekosten ergibt sich dabei aus der Gleichsetzung der Selbstvornahme mit der Beauftragung Dritter im Rahmen der Ersatzvornahme. Daraus folgt, dass die Behörde bei der Durchführung der Ersatzvornahme durch eigene Kräfte keine höheren Kosten geltend machen darf, als ihr bei der erstattungsfähigen Beauftragung Dritter entstanden wären.
Diese Grenze wird durch die festgesetzten Kosten in Höhe von 100,00 EUR für den Einsatz von 2 Beamten sowie 15,00 EUR bezüglich der An- und Abfahrt nicht überschritten. Zwar war die Beklagte bei Berechnung ihrer Forderung nach § 66 Abs. 1 S. 1 Nds.SOG grundsätzlich gehalten, die tatsächlichen Kosten der Maßnahme zugrunde zu legen. Es ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte zur Reduzierung ihres Verwaltungsaufwandes die Kosten der Höhe nach an die im Kostentarif Nr. 108 (Anlage 1.20 AllGO) aufgeführten Pauschalbeträge anlehnt. Diese legen in Nr. 108.1.4.1 die Personalaufwendungen für einen eingesetzten Bediensteten der Polizei je angefangene halbe Stunde auf 25 EUR sowie in Nr. 108.1.4.2 die Fahrtkosten auf mindestens 15,00 EUR je Einsatz fest. Es sind hier zum einen keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Höhe der Personalkosten bei dem übereinstimmend zugrunde gelegten Einsatz von zwei Beamten für eine Zeitspanne von jeweils 40 Minuten überhöht wäre. Zum anderen ist auch nicht erkennbar, dass die Beklagte die notwendigen Maßnahmen durch einen Dritten billiger hätte ausführen können.
Letztlich konnte die Beklagte im Hinblick auf die Fahrtkosten diese ohnehin als Pauschale gemäß § 66 Abs. 1 S. 2 Nds.SOG i.V.m. Nr. 26.1 des Kostentarifes (Anlage 1.09 AllGO) geltend machen. Danach kann die Behörde für die zusätzlich zur Ausführung der Ersatzvornahme selbst erforderlichen Amtshandlungen Gebühren in Höhe von 35 bis 1.410 EUR verlangen. Hierbei handelte es sich vorliegend um An- und Abfahrt der Polizeibeamten zu den Weiden des Klägers, die neben der eigentlichen Gefahrenbeseitigung durch das Absichern der Straße sowie das Einfangen des Rindes erforderlich wurden. Die diesbezüglich geltend gemachte Forderung von 15,00 EUR liegt daher noch unterhalb des gesetzlich zulässigen Gebührenrahmens.
Schließlich bestehen für die pauschale Behauptung des Klägers, die Beamten haben sich ohnehin auf einer Streifenfahrt befunden und es könnten demnach Fahrtkosten nicht verlangt werden, keine Anhaltspunkte. Denn der an dem Einsatz beteiligte Beamte POK Weigel schildert in seiner Stellungnahme vom 09. August 2005 im Einzelnen, dass der Funkruf der Funkeinsatzzentrale Verden, mit dem das freilaufende Rind gemeldet wurde, in der Polizeidienststelle in Thedinghausen einging und die Beamten ihre Fahrt von der dortigen Polizeidienststelle antraten. An der Richtigkeit dieser Ausführungen hat die Kammer keine Zweifel.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf 115,00 Euro festgesetzt.
Steffen
Struhs