Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 28.03.2007, Az.: 4 A 1265/05

Rechtmäßigkeit der Heranziehung zur Zahlung von Sielbenutzungsgebühren; Ermittlung des Gebührenpflichtigen durch Inanspruchnahme der Leistung einer öffentlichen Einrichtigung

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
28.03.2007
Aktenzeichen
4 A 1265/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 44102
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2007:0328.4A1265.05.0A

Verfahrensgegenstand

Sielbenutzungsgebühren

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Stade - 4. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 28. März 2007
durch
die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Schröder,
die Richterin am Verwaltungsgericht Teichmann,
den Richter Tepperwien sowie
die ehrenamtlichen Richter C. und D.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kostenforderung abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zur Zahlung von Sielbenutzungsgebühren.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des im Hafenindustriegebiet der Beklagten belegenen und gewerblich genutzten Grundstückes E. -Straße 6, das an die öffentliche Schmutzwasserkanalisation der Beklagten angeschlossen ist. Dieses Grundstück hatte die Beklagte der Firma F. Lebensmittelwerke GmbH zur Nutzung überlassen, die bis zur Einleitung des Insolvenzeröffnungsverfahrens am 8. April 2005 als Mieterin von der Beklagten für die Zahlung der Sielbenutzungsgebühren in Anspruch genommen worden war. Die letzte (Abschlags-)Zahlung der Firma F. Lebensmittelwerke GmbH in Höhe von 20.000,-- EUR für das Jahr 2003 ging im März 2004 bei der Beklagten ein, so dass sich die noch offenen Sielbenutzungsgebühren bei Einleitung des Insolvenzeröffnungsverfahrens auf insgesamt 132.219,75 EUR beliefen.

3

Durch drei Bescheide vom 23. Juni 2005 zog die Beklagte die Klägerin als Eigentümerin zur Zahlung der rückständigen Sielbenutzungsgebühren heran, und zwar für das Jahr 2003 in Höhe von 3.181,20 EUR, für das Jahr 2004 in Höhe 86.987,94 EUR und für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 7. April 2005 in Höhe von 42.048,90 EUR. Diesen Festsetzungen lagen folgende Berechnungen der Beklagten zugrunde:

4

1.

für das Jahr 2003

5

61.187 cbm (Frischwasserbezug) - 20.907 cbm (nachweislich nicht in die Kanalisation gelangte Wassermengen) = 40.280 cbm x 2,29 EUR/m³ = 92.241.20 EUR - 89.060,-- EUR (Abschlagszahlungen der Mieterin) = 3.181,20 EUR

6

2.

für das Jahr 2004

7

62.638 cbm (Frischwasserbezug) - 24.652 qm (Absetzmenge) = 37.986 qm x 2,29 EUR/m³ = 86.987,94 EUR

8

3.

für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 7. April 2005

9

14.729 cbm (Frischwasserbezug) - 2.434 cbm (Absetzmenge) = 12.295 cbm x 3,42 EUR/m³ = 42.048,90 EUR

10

Die Klägerin hat am 8. Juli 2005 Klage erhoben und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor:

11

Nach der Entwässerungsabgabensatzung der Beklagten hafteten mehrere Gebührenpflichtige als Gesamtschuldner. Der Mieter hafte neben dem Grundstückseigentümer. Die Beklagte habe allerdings ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, dass sie sich entschieden habe, ausschließlich den Mieter, die Firma F. Lebensmittelwerke GmbH, zur Zahlung der Sielbenutzungsgebühren heranzuziehen. Es habe auch ihrer allgemeinen Übung entsprochen, stets die Mieter zu den Sielbenutzungsgebühren heranzuziehen. Unbestritten sei zwar, dass die Beklagte selbstverständlich ihr Ermessen dahin ausüben könne, einen bestimmten Gesamtschuldner heranzuziehen. Nachdem sich die Beklagte jedoch auf einen Gesamtschuldner festgelegt habe, müsse sie dessen Insolvenz gegen sich gelten lassen und das damit verbundene Risiko der Nichtbeitreibung der Gebühren tragen.

12

Im Übrigen treffe die Beklagte aber auch aus dem durch die Satzung begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis eine besondere Schutzpflicht zu ihren - der Klägerin - Gunsten. Hätte die Beklagte sie parallel zu dem Mieter herangezogen, so wäre in Höhe ihrer Zahlung an die Beklagte deren Forderung gegen den Mieter auf sie - die Klägerin - übergegangen und sie hätte die übergangene Forderung bei dem Mieter realisieren bzw. das Mietverhältnis kündigen können. Hier habe die Mieterin bis einschließlich März 2005 die Miete monatlich im voraus gezahlt, so dass sie überhaupt keine Veranlassung gehabt habe, an der Solvenz der Mieterin zu zweifeln. Unter diesen Umständen sei es in höchstem Maße treuwidrig, nach Beantragung der Insolvenz nunmehr den Grundstückseigentümer zur Zahlung von Gebühren aus den zurückliegenden Jahren in Anspruch zu nehmen, ohne dass der Grundstückseigentümer noch die Möglichkeit habe, bei dem Mieter Rückgriff zu nehmen. Sie verweise in diesem Zusammenhang auf ein vor dem erkennenden Gericht geführtes Verfahren (1 A 418/03) gegen die Beklagte auf Zahlung von Abfallbeseitigungsgebühren. In diesem Verfahren habe die 1. Kammer die Auffassung vertreten, dass die Beklagte den Grundstückseigentümer sehr frühzeitig informieren müsse, wenn ein Abgabenschuldner, der Mieter des Grundstückseigentümers sei, in Zahlungsverzug gerate. Die Beklagte hätte hier bereits Anfang 2004 erkennen müssen, dass es offensichtlich auf Seiten der Mieterin Liquiditätsprobleme gegeben habe. Die in den Verwaltungsvorgängen vorhandene Kontokorrentaufstellung vom 2. Juni 2005 belege, dass das Konto der Mieterin ständig im Soll gewesen sei und dass sich der Rückstand allein im Monat August 2004 auf 131.621,20 EUR belaufen habe. Ferner befänden sich in der Akte der Beklagten gerade einmal zwei Mahnungen, die aber völlig unbeachtet geblieben seien. Ganz offensichtlich habe die Beklagte den Forderungseinzug nicht unter Kontrolle gehalten.

13

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 23. Juni 2005 über die Erhebung von Sielbenutzungsgebühren für die Jahre 2003 und 2004 sowie für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 7. April 2005 aufzuheben.

14

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

15

Sie erwidert unter anderem:

16

Gemäß § 16 Entwässerungsabgabensatzung hafteten der Eigentümer des angeschlossenen Grundstücks sowie der Mieter als Gesamtschuldner. Sie habe, auch wenn sie zunächst als Gebührenschuldnerin die Firma F. ausgewählt gehabt habe, die Klägerin zu den Gebühren heranziehen können. Die Entscheidung, die Gebühren zunächst von der Mieterin zu fordern, beinhalte keinen Verzicht darauf, erforderlichenfalls später auf einen anderen der Gesamtschuldner zurückzugreifen. Jede andere Auffassung höhle das Wesen der Gesamtschuldnerschaft aus, das gerade darin bestehe, die tatsächliche Realisierung des Anspruchs auch bei Leistungsunfähigkeit eines der Schuldner zu sichern. Hinzu komme, dass sie strikt verpflichtet sei, tatsächlich bestehende Gebührenansprüche zu realisieren. Sicher vor einer Inanspruchnahme sei der einzelne Gesamtschuldner endgültig erst mit Eintritt der Festsetzungsverjährung.

17

Darüber hinaus gebe es aber auch keine spezielle Regelung des Inhalts, der Grundstückseigentümer sei von Amts wegen über Rückstände des Mieters bei der Begleichung von Gebührenschulden zu unterrichten. Dies finde seine Rechtsfertigung vor allem darin, dass bei einer endgültigen Freistellung der Klägerin der noch offen stehende Betrag der Allgemeinheit zur Last fiele. Gerade davor solle aber die Gesamtschuldnerschaft schützen.

18

Das Verfahren 1 A 418/03, an dem zwar die Beklagte, nicht aber die Klägerin beteiligt war, ist in der mündlichen Verhandlung am 22. Juli 2004 durch gerichtlichen Vergleich beendet worden, der unter anderem folgende Regelung enthält:

1.
...

2.
Die Beklagte wird künftig die Klägerin darüber informieren, wenn ein Abgabenschuldner, der Mieter oder Mieterin bei der Klägerin ist, mit zwei Quartalen ganz oder teilweise säumig bleibt. Darüber hinaus wird die Beklagte der Klägerin Mitteilung machen, wenn ein Mieter oder eine Mieterin die für Zusatzleerungen festgesetzten Gebühren trotz Erinnerung nicht gezahlt hat. Die Beklagte wird insoweit die Mieter künftig darüber belehren, dass eine derartige Mitteilung erfolgen wird.

3.
...

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakten A bis C) Bezug genommen. Ferner war die Gerichtsakte 1 A 418/03 Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

20

Die zulässige Klage ist unbegründet.

21

Die (drei) Bescheide der Beklagten vom 23. Juni 2005 erweisen sich als rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), weil die Beklagte die Klägerin zu Recht als Eigentümerin des an die öffentliche Schmutzwasserkanalisation angeschlossenen Grundstückes G. Straße 6 zur Zahlung von Sielbenutzungsgebühren für die Jahre 2003 und 2004 sowie für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 7. April 2005 herangezogen hat. Dazu im Einzelnen:

22

Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin zur Zahlung von Sielbenutzungsgebühren ist § 5 Nds. Kommunalabgabengesetz (NKAG) in der hier noch maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 11. Februar 1992 (Nds. GVBl. S. 29), zuletzt geändert durch Art. 13 des Gesetzes vom 20. November 2001 (Nds. GVBl. S. 701), in Verbindung mit der Satzung über die Entwässerungsabgaben der Stadt Cuxhaven vom 29. Oktober 1987 (Entwässerungsabgabensatzung - EAS -), und zwar für das Jahr 2003 in der Fassung der 18. Änderungssatzung vom 28. November 2002 (EAS 2003), für das Jahr 2004 in der Fassung der 19. Änderungssatzung vom 22. Januar 2004 (EAS 2004) und für das Jahr 2005 in der Fassung der 20. Änderungssatzung vom 9. Dezember 2004 (EAS 2005).

23

Im Benutzungsgebührenrecht ist gemäß § 5 Abs. 6 Satz 1 NKAG Gebührenpflichtiger, wer die mit der öffentlichen Einrichtung gebotene Leistung in Anspruch nimmt. Daneben kann die Satzung bei grundstücksbezogenen Gebühren, zu denen die von der Beklagten für die Inanspruchnahme der öffentlichen Entwässerungsanlagen zur Schmutzwasserbeseitigung erhobene Sielbenutzungsgebühr (vgl. §§ 1b, 12 Abs. 1 EAS) gehört, auch die Eigentümer oder sonst dinglich Nutzungsberechtigten von Grundstücken zu Gebührenpflichtigen bestimmen. Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte in § 16 Abs. 1 Satz 1 und 3 EAS Gebrauch gemacht, so dass sowohl der Eigentümer des an die öffentliche Schmutzwasserkanalisation angeschlossenen Grundstückes als auch (neben weiteren) der Mieter gebührenpflichtig sind und als Gesamtschuldner für die Sielbenutzungsgebühr haften (vgl. § 16 Abs. 2 EAS sowie §§ 11 Abs. 1 Nr. 2b NKAG, 44 Abgabenordnung - AO -).

24

Gemessen an diesen Regelungen ist die Klägerin als Eigentümerin des an die öffentliche Schmutzwasserkanalisation der Beklagten angeschlossenen Grundstückes G. Straße 6 ohne weiteres persönlich gebührenpflichtig, so dass sie von der Beklagten durch die angefochtenen Bescheide vom 23. Juni 2005 neben der - nicht (mehr) zahlungsfähigen - Mieterin gesamtschuldnerisch herangezogen werden durfte.

25

Demgegenüber kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Beklagte in den hier streitigen Veranlagungszeiträumen die Sielbenutzungsgebühren zunächst nur gegenüber der gewerblichen Mieterin, der Firma F. Lebensmittelwerke GmbH, geltend gemacht hat, weil diese Entscheidung keinen Verzicht darauf darstellt, erforderlichenfalls später auf einen anderen Gesamtschuldner zurückzugreifen. Wenn - wie hier - der zunächst ausgewählte Schuldner nicht zahlungsfähig oder nicht zahlungsbereit ist, so würde jede andere Auffassung dem Wesen der Gesamtschuldnerschaft zuwider laufen, das gerade darin besteht, die tatsächliche Realisierung des Anspruchs auch bei Leistungsunfähigkeit eines der Schuldner zu sichern. Vor dem Hintergrund der gesamtschuldnerischen Stellung der Klägerin als Eigentümerin des an die öffentliche Schutzwasserkanalisation angeschlossenen Grundstückes hat die Beklagte durch ihre allgemeine Praxis, die Sielbenutzungsgebühren grundsätzlich gegenüber den Mietern des Grundstückes festzusetzen, keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, auf dessen Grundlage die Klägerin schutzwürdig darauf hätte vertrauen dürfen, nicht mehr selbst in Anspruch genommen zu werden. Endgültig "sicher" vor einer Inanspruchnahme ist der einzelne Gesamtschuldner nämlich erst mit Eintritt der - hier unstreitig nicht in Betracht kommenden - Festsetzungsverjährung (vgl. §§ 11 Abs. 1 Nr. 4b NKAG, 169 ff. AO). Hinzu kommt in diesem Zusammenhang aber auch noch, dass es nicht im Ermessen der Beklagten steht, Sielbenutzungsgebühren zu erheben oder nicht. Durch § 5 Abs. 1 Satz 1 NKAG wird - von der Forderung eines privatrechtlichen Entgeltes abgesehen - den Gemeinden und Landkreisen bei der Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen eine Gebührenerhebungspflicht auferlegt, so dass sie bei einer gesamtschuldnerischen Haftung alle Möglichkeiten zur Durchsetzung des Gebührenanspruches nicht nur nutzen dürfen, sondern sogar nutzen müssen.

26

Da die Gesamtschuldnerschaft bezweckt, gerade auch bei Schwierigkeiten in der Verwirklichung von Forderungen den Zugriff auf eine Mehrzahl von Schuldnern zu ermöglichen, kann in der satzungskonformen Heranziehung anderer Gesamtschuldner in Problemfällen zudem auch keine unbillige, das heißt, von dem Normgeber nicht beabsichtigte Härte gesehen werden.

27

Schließlich kann die Klägerin der ihr gegenüber erfolgten Festsetzung der Sielbenutzungsgebühren auch nicht entgegenhalten, die Beklagte habe das Risiko der Uneinbringlichkeit der Gebührenforderung bei der Mieterin selbst zu tragen, weil sie es pflichtwidrig unterlassen habe, die Klägerin rechtzeitig über die fehlende Zahlung der Sielbenutzungsgebühren durch die Mieterin zu unterrichten, so dass sie keine Möglichkeit gehabt habe, durch rechtzeitiges Tätigwerden, wie etwa die Beendigung des Mietverhältnisses, ein weiteres Ansteigen der Gebührenschulden zu unterbinden.

28

Dabei ist zunächst festzuhalten, dass sich weder aus dem NKAG noch aus der EAS der Beklagten eine spezielle Regelung herleiten lässt, wonach der Grundstückseigentümer von Amts wegen über Rückstände des Mieters bei der Begleichung von Benutzungsgebührenschulden zu informieren ist. Eine solche Pflicht ergibt sich aber nach Auffassung der Kammer auch nicht aus dem zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehenden öffentlich-rechtlichen Benutzungsschuldverhältnis. Dieses ist in erster Linie auf die Besorgung der ordnungsgemäßen (entgeltlichen) Entwässerung eines Grundstückes durch die Kommune und nicht auf eine über diese Aufgabe hinausgehende umfassende Vermögenssorge zugunsten der Anschlussnehmer ausgerichtet. Sowohl die Klägerin als auch ihre Mieterin wollten in den betroffenen Veranlagungszeiträumen die Entwässerungsleistung der Beklagten in Anspruch nehmen, um die Nutzungsmöglichkeiten des Grundstückes als Eigentümerin/Vermieterin einerseits und als Mieterin andererseits realisieren zu können. Daher ist es aber gerechtfertigt, dass beide die mit der Inanspruchnahme verbundenen Vorteile gegenüber der Beklagten gleichrangig als Gesamtschuldner zu entgelten haben, ohne dass es für die kanalbenutzungsrechtliche Pflichtenbeziehung zwischen der Klägerin und der Beklagten darauf ankommt, ob sich die nur aus dem Innenverhältnis zwischen Vermieterin und Mieterin herrührende Erwartung der Klägerin, dass die Gebühren letztlich allein von der Mieterin getragen werden, erfüllt. Zudem widerspricht es, von datenschutzrechtlichen Bedenken einmal abgesehen, dem mit der Anordnung der Gesamtschuldnerschaft verbundenen Ziel einer leichten und ohne größeren Aufwand durchzusetzenden Forderungsverwirklichung, wenn die Kommune bei der Heranziehung eines Gesamtschuldners mit Mitteilungspflichten über dessen "Zahlungsmoral" an zunächst nicht berücksichtigte Gesamtschuldner belastet wird. Hinzu kommt, dass die Klägerin als Eigentümerin in erster Linie für die von ihrem Grundstück ausgehenden Nutzungen der öffentlichen Abwasseranlagen verantwortlich ist und sich daher die Nutzung und das Verhalten derer zurechnen lassen muss, denen sie die Nutzung des Grundstückes freiwillig und bewusst im Eigeninteresse überlassen hat. Sie kann diese Verantwortung nicht auf die Beklagte abwälzen, wenn der von ihr mit der Nutzung des Grundstückes Betraute seiner eigenen Gebührenzahlungspflicht nicht nachkommt. Der durch die Gesamtschuld gewollten Risikoverteilung liefe es entgegen, wenn sich die Klägerin unter Berufung auf die Verletzung von (nicht bestehenden) Informationspflichten durch die Beklagte ihrer "Gebührenhaftung" für die mit ihrem Willen von ihrem Grundstück ausgehenden Nutzung der Abwasseranlagen der Beklagte mit der Folge entziehen könnte, dass die offene Gebührenforderung letztlich der Allgemeinheit zur Last fiele, wofür es jedoch an jeder Rechtfertigung fehlt. Die Klägerin hatte hier ein eigenes Interesse an der ordnungsgemäßen Entsorgung des auf ihrem Grundstück G. Straße 6 angefallenen Abwassers und zudem war sie es, die die Mieterin ausgewählt und in die Rechtsbeziehung zu der Beklagten gebracht hat, so dass es auch angemessen ist, dass sie und nicht die Allgemeinheit für den von der Mieterin schuldig gebliebenen Betrag einzustehen hat, zumal sie es auch ohne weiteres in der Hand gehabt hätte, die Zahlung von Mietnebenkosten durch die Mieterin vertraglich auszuschließen und durch entsprechende rechtlich mögliche Vorkehrungen wie Vorauszahlungsvereinbarung oder Kaution ihre Inanspruchnahme als "Ausfallschuldner" zu minimieren. Nach alledem vermag die Kammer der in dem Vergleich vom 22. Juli 2004 zum Ausdruck gekommenen Rechtsauffassung der 1. Kammer des erkennenden Gerichts nicht zu folgen.

29

Anzumerken bleibt nur noch, dass - selbst wenn man zugunsten der Klägerin eine Verletzung von Informationspflichten seitens der Beklagten unterstellt - sie dies gleichwohl der erfolgten Festsetzung voraussichtlich im Hinblick auf die gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 5a NKAG entsprechend anzuwendende Regelung des § 226 Abs. 3 AO nicht mit Erfolg entgegensetzen könnte, weil der Abgabenpflichtige gegen Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis nur mit - hier gerade nicht gegebenen - unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen kann.

30

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

31

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§§ 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.

32

BESCHLUSS

33

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf

34

132.219,75 Euro

35

festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz - GKG -).

Schröder
Teichmann
Tepperwien