Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 02.09.2013, Az.: 1 A 2744/12

Rechtmäßigkeit einer Heranziehung zur Kostentragung für wasserrechtliche Gefahrenabwehrmaßnahmen

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
02.09.2013
Aktenzeichen
1 A 2744/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 46154
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2013:0902.1A2744.12.0A

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem dieser Einsatzkosten erstattet verlangt, die ihm bei der Untersuchung und Abwicklung eines wassergefährdenden Unfalls entstanden sind.

In den Morgenstunden des 11. Dezember 2011, einem Sonntag, fuhr die Klägerin mit einem Einsatzfahrzeug der Polizei mit dem Kennzeichen D. von der E. aus in den seitlich verlaufenden Kanal hinein. Vorangegangen war ein Unfall der Klägerin mit ihrem eigenen PKW, mit dem sie von der Fahrbahn abgekommen war. In einem unbeobachteten Moment gelang es der Klägerin, sich hinter das Steuer des Streifenwagens zu setzen, mit dem die herbeigerufene Polizei eingetroffen war, und diesen in den F. kanal zu steuern. Das Einsatzfahrzeug ging unter und trieb ab; die Klägerin konnte gerettet werden.

Um 11:14 Uhr am 11. Dezember 2011 forderte die Polizei die untere Wasserbehörde des Beklagten wegen des versunkenen Streifenwages über die Rufbereitschaft an. Im weiteren Tagesverlauf erfolgte der Einsatz eines Mitarbeiters der unteren Wasserbehörde an der Unfallstelle. Die Arbeiten dauerten bis um kurz nach 17:00 Uhr an; das Fahrzeug konnte nicht geborgen werden. Am folgenden Tag, dem 12. Dezember 2011, setzte die untere Wasserbehörde ihren Einsatz fort. Der Streifenwagen konnte schließlich um 16:05 Uhr geborgen werden.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2011 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass beabsichtigt sei, sie als Verursacherin zu den Einsatzkosten heranzuziehen, die bei der Bergung des Streifenwagens entstanden seien.

Mit Bescheid vom 10. Februar 2012 zog der Beklagte die Klägerin zu Kosten in Höhe von 1.149,43 € heran. Diese Kosten setzen sich zusammen aus Gebühren für 17 Stunden Ortsbesichtigung in Höhe von 952,00 € und für 2 Stunden Fertigung des Kostenfestsetzungsbescheides in Höhe von 112,00 € sowie Auslagen für 276 km Wegstrecke in Höhe von 82,80 € und für die Postzustellung in Höhe von 2,63 €. Als Kostengrund gab der Beklagte die Kontrolle notwendiger Maßnahmen zur Abwehr einer Gefahr durch Austritt wassergefährdender Stoffe an.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 20. Februar 2012 Widerspruch. Sie wies darauf hin, im Zeitpunkt des Unfalls wegen einer Psychose nicht zurechnungsfähig gewesen zu sein. Mit Schreiben vom 20. September 2012 teilte der Beklagte mit, dem Widerspruch der Klägerin nicht abzuhelfen, weil die Zurechnungsfähigkeit der Klägerin für eine öffentlich-rechtliche Kostenforderung gegen sie keine Rolle spiele. Es komme allein darauf an, dass die Klägerin den Unfall willentlich verursacht habe. Davon sei auszugehen, weil sie den Streifenwagen in suizidaler Absicht in den Kanal gefahren habe. Dies gehe so auch aus dem ärztlichen Bericht des Klinikums A. über den Zustand der Klägerin hervor, wo diese unmittelbar nach dem Unfall vom 11. Dezember 2011 bis zum 13. Dezember 2011 in Behandlung war. Dieser Bericht stellte als Hauptdiagnose "Delir bei chronischer Alkoholkrankheit" und als Differentialdiagnose eine "Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis".

Unter dem 4. Oktober 2012 bat die Klägerin um Erläuterung der Kosten, die der Beklagte für seinen Einsatz geltend machte. Sie wies darauf hin, dass sie im laufenden Strafverfahren psychiatrisch zu ihrer Schuldfähigkeit begutachtet werde.

Mit Bescheid vom 21. November 2012 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit folgender Begründung zurück: Die Klägerin habe Anlass zum Einsatz des Beklagten an der Unfallstelle gegeben. Auf ihre Geschäfts- oder Schuldfähigkeit zum Unfallzeitpunkt komme es nicht an, maßgeblich sei alleine ihr natürlicher Wille. Ein solcher sei gegeben gewesen. Der Klägerin sei ärztlich bestätigt worden, dass sie "akut suizidal", aber "ausreichend orientiert und im Denken geordnet" gewesen sei. Sie habe billigend in Kauf genommen, dass der Einsatz von Rettungskräften und sonstige Maßnahmen erforderlich geworden seien. Die Kostenberechnung sei auf Grundlage des erforderlichen Zeitaufwandes für die einzelnen Amtshandlungen erfolgt. Im Widerspruchsbescheid setzte die Beklagte Kosten in Höhe von 1.598,63 € für das Widerspruchsverfahren fest.

Am 20. Dezember 2012 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt vor, dass ihr zum Zeitpunkt des Unfalls die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit gefehlt hätten. Das psychiatrische Gutachten, welches vom Amtsgericht B. im Strafverfahren gegen sie eingeholt worden sei, habe ergeben, dass sie an einer paranoiden Schizophrenie leide. Diese zeichne sich durch Wahnvorstellungen, Halluzinationen und Wahrnehmungsstörungen aus. Bereits mehrere Tage vor dem Unfall habe sie unter akuten Symptomen einer schizophrenen Psychose gelitten. Der Unfall sei unmittelbar auf akutes psychotisches Erleben zurückzuführen. Ein willensgesteuertes und einsichtsvolles Handeln sei ihr daher nicht möglich gewesen. Das Amtsgericht B. habe sie, die Klägerin, aufgrund dieses Gutachtens wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen. Eine Haftung für Kosten, die dem Beklagten beim Unfalleinsatz entstanden seien, komme ebenfalls nicht in Betracht, weil ihr Verhalten nicht von einem natürlichen Willen getragen gewesen sei. Die geltend gemachten Kosten seien zu hoch. Der Bearbeitungsaufwand könne nicht nachvollzogen werden. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens seien ausgehend von einer fehlerhaften Bezugsgröße errechnet worden. Die zurückgelegte Wegstrecke sei nicht nachvollziehbar.

Die Klägerin beantragt,

den Kostenbescheid des Beklagten vom 10. Februar 2012 und den Widerspruchsbescheid vom 21. November 2012 aufzuheben,

hilfsweise,

die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich auf die bereits im Widerspruchsbescheid ergangene Begründung und stellt heraus, dass es für die Erstattung von Kosten im Zusammenhang mit einer Maßnahme der Gefahrenabwehr nur auf die Kausalität zwischen dem Verhalten der Klägerin und der entstandenen Gefahr ankomme. Die Höhe der Kosten sei nicht zu beanstanden. Die Anwesenheit eines Mitarbeiters der unteren Wasserbehörde sei während des gesamten Polizei- und Feuerwehreinsatzes erforderlich gewesen, weil nicht auszuschließen gewesen sei, dass wasserrechtliche Sofortmaßnahmen wegen des möglichen Austritts von Betriebsstoffen aus dem gesunkenen Einsatzfahrzeug hätten ergriffen werden müssen. Während des Einsatzes sei der Grauwallkanal zeitaufwändig untersucht worden. Dabei seien auch Wegstrecken mit dem PKW zurückgelegt worden. Bei einer Wochenendrufbereitschaft sei die Einsatzstrecke nicht ab Behördensitz zu ermitteln gewesen. Ein zweistündiger Aufwand für die Fertigung des Kostenfestsetzungsbescheides sei nicht als überhöht anzusehen. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens seien korrekt angesetzt worden. Bezugspunkt sei nicht allein die Gebühr für die Erstellung des Kostenbescheides, sondern die insgesamt für die Amtshandlung erhobene Gebühr. Diese umfasse auch diejenigen Kosten, die für die Gefahrenabwehr vor Ort entstanden seien.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Anfechtungsklage hat teilweise Erfolg. Der Kostenfestsetzungsbescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (I.). Die Festsetzung der Widerspruchsgebühr ist jedoch teilweise rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit auch in ihren Rechten (II.).

Gegenstand der Anfechtungsklage ist gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann der Widerspruchsbescheid auch alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche Beschwer enthält. Aus der isolierten Anfechtbarkeit des Widerspruchsbescheids bei zusätzlicher Beschwer folgt, dass auch bei "Einheitsklagen" nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO die in einem Widerspruchsbescheid enthaltene zusätzliche Beschwer mit angefochten werden kann (Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 79 Rn.2). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Kläger seine Klage nicht nur gegen den Ausgangsbescheid in Gestalt des Widerspruchbescheides richtet, sondern wenn ausdrücklich auch die im Widerspruchsbescheid enthaltene zusätzliche selbständige Beschwer zum Gegenstand der Klage gemacht wird (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.7.1996 - 8 S 1127/96, [...]). So liegt der Fall hier. Durch die Kostenfestsetzung in Höhe von 1.598,23 € im Widerspruchsbescheid ist die Klägerin zusätzlich selbständig beschwert. Aus ihrer Klagebegründung geht hervor, dass sie sich auch gegen diese Kostenfestsetzung wendet. Ihr Klageantrag ist dementsprechend auf Aufhebung des Ausgangsbescheides und des Widerspruchbescheides gerichtet.

I.

Der Kostenfestsetzungsbescheid vom 10. Februar 2012 ist rechtmäßig. Seine Rechtsgrundlage ist § 66 Abs. 1 Niedersächsisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) i.V.m. § 128 Abs. 2 Niedersächsisches Wassergesetz (NWG) sowie §§ 1, 3, 5, 13 Niedersächsisches Verwaltungskostengesetz (NVwKostG).

Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG kann die Verwaltungsbehörde im Falle der Verpflichtung einer Person zu einer vertretbaren Handlung diese Handlung auf Kosten der Person selbst ausführen oder eine andere Person mit der Ausführung der Handlung beauftragen. Gemäß § 128 Abs. 2 NWG trägt die Kosten für Maßnahmen der Wasserbehörde zur Gefahrerforschung, zur Ermittlung der Ursache und des Ausmaßes der Gefahr und des Verursachers sowie zur Beseitigung der Gefahr, wer ein Gewässer unbefugt oder in Abweichung von festgesetzten Auslagen oder Bedingungen benutzt oder sonst Pflichten nach den in Absatz 1 Satz 1 genannten Rechtsvorschriften verletzt und dadurch eine Gefahr verursacht. § 128 Abs. 2 NWG hat neben den Kostentragungsregelungen des Nds. SOG keine eigenständige Bedeutung, soweit dort die Pflicht zur Kostentragung für wasserrechtliche Gefahrenabwehrmaßnahmen dem Grunde nach geregelt wird. Insofern wird die Pflicht des Verursachers zur Kostentragung lediglich klargestellt (Nds. OVG, Beschluss v. 8.6.2012 - 13 LB 20/12, [...]). Eigenständige Bedeutung erhält § 128 Abs. 2 NWG, soweit der Umfang der Kostentragung durch den Verursacher betroffen ist. Demnach sind sämtliche Kosten im Zusammenhang mit der Gefahrerforschung und -bekämpfung, auch solche für die Ermittlung und Festlegung von Maßnahmen zur Beseitigung von Gefahren, vom Verursacher zu tragen. Der Verursacherbegriff bestimmt sich nach den allgemeinen ordnungsrechtlichen Grundsätzen; gemeint ist die sogenannte Verhaltensverantwortlichkeit i.S. des § 6 Nds. SOG (Reffken/Elsner, NWG, Stand Juni 2013, § 128 Rn. 8).

Voraussetzung der Heranziehung zu den Kosten für Gefahrenabwehrmaßnahmen ist zunächst, dass die Maßnahmen des Beklagten Teil einer rechtmäßigen Ersatzvornahme waren (Nds. OVG, Beschluss v. 8.6.2012 - 13 LB 20/12, [...] m.w.N.). In Betracht kommt hier nur eine Ersatzvornahme im Wege des Sofortvollzugs gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Nds. SOG. Danach können Zwangsmittel ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr erforderlich ist, insbesondere weil Maßnahmen gegen Personen nach den §§ 6 bis 8 Nds. SOG nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen und die Verwaltungsbehörde hierbei innerhalb ihrer Befugnisse handelt. Ein Tätigwerden auf dieser Grundlage kommt aufgrund der besonders schwer wiegenden Form dieses behördlichen Eingriffs nur in besonderen Eilfällen und jeweils nur in letzter Linie in Betracht, nachdem alle anderen Möglichkeiten der Gefahrenabwehr sorgfältig geprüft worden sind (vgl. Nds. OVG, Urt. des 7. Senats v. 21. Februar 2002 - 7 LB 153/01 -, [...], m.w.N.). Diese Voraussetzungen lagen vor.

Der Beklagte hat als untere Wasserbehörde innerhalb seiner Befugnisse gehandelt; für Maßnahmen der Gefahrenabwehr ist er im Rahmen der Gewässeraufsicht zuständig, §§ 129 Abs. 1, 128 Abs. 1 NWG. Er war berechtigt, gegen das Verhalten der Klägerin einzuschreiten. Nach § 100 Abs. 1 Satz 2 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) ordnet die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen an, die im Einzelfall notwendig sind, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden oder zu beseitigen oder die Erfüllung von Verpflichtungen, die nach oder auf Grund von Vorschriften dieses Gesetzes, nach auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen oder nach landesrechtlichen Vorschriften bestehen, sicherzustellen. Hier drohte eine Beeinträchtigung des Wasserhaushalts durch den Austritt wassergefährdender Stoffe i. S. des § 62 Abs. 3 WHG wie Öl und Benzin aus dem im Kanal versunkenen Fahrzeug.

Dadurch drohte eine Beeinträchtigung des Wasserhaushalts.

Beim Einsatz des Beklagten handelte es sich um eine notwenige Maßnahme. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Insbesondere entsprach der Einsatz des Beklagten an der Unfallstelle dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, § 4 Nds. SOG. Der Einsatz diente der Ermittlung des Umfangs der Gefahr sowie der fachkundigen Bergung des Fahrzeugs. Die vom Beklagten ergriffenen Maßnahmen waren notwendig, um die Gefahr abzuschätzen, zu orten und schließlich beseitigen zu können. Mildere Mittel waren nicht ersichtlich. Insbesondere hätte der Einsatz nicht in kürzerer Zeit durchgeführt werden können. Die Einsatzdauer über zwei Tage ist nachvollziehbar und detailliert durch den Beklagten dokumentiert. Sie erklärt sich daraus, dass das Fahrzeug untergegangen und abgetrieben war und wegen eingeschränkter Lichtverhältnisse im Winter nicht sofort gefunden werden konnte. Es begegnet keinen Bedenken, dass ein Mitarbeiter der unteren Wasserbehörde wegen seiner besonderen Sachkunde am Einsatz mitgewirkt hat.

Die Klägerin war verhaltensverantwortlich i. S. des §§ 6 Abs. 1 Nds. SOG, 128 Abs. 2 NWG. Es kommt allein darauf an, ob jemand durch sein Verhalten eine Gefahr unmittelbar verursacht hat. Ohne Bedeutung sind hingegen die individuellen persönlichen Verhältnisse; Alter, Handlungsfähigkeit, Geschäftsfähigkeit, Deliktsfähigkeit, Strafmündigkeit usw. spielen eben so wenig eine Rolle wie Verschulden oder Irrtümer (Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, D Rn. 73; vgl. HessVGH, Urteil v. 24.08.1994 - 14 TH 1406/94, [...]). Dieses Verständnis wird gestützt von § 6 Abs. 2 Nds. SOG, der bei Personen unter 14 Jahren oder bei Bestellung eines Betreuers die Möglichkeit eröffnet, Maßnahmen auch gegen den Aufsichtspflichtigen oder den Betreuer zu richten. Vorausgesetzt wird damit, dass Maßnahmen ebenso gegen die betreute oder minderjährige Person selbst gerichtet werden können, wenn ihr Verhalten unmittelbare Ursache einer Gefahr ist. Hier hat die Klägerin hat durch ihr Verhalten die unmittelbare Bedingung dafür gesetzt, dass das Einsatzfahrzeug im Kanal versunken ist. Denn sie hat es dort hineingefahren. Dass sie dabei wegen ihrer gutachterlich ausführlich und nachvollziehbar dargelegten Erkrankung weder über Einsichtsfähigkeit noch über Steuerungsvermögen verfügte, ist für eine Veranlassung i.S. der §§ 6 Abs. 1 Nds. SOG, 128 Abs. 2 NWG unerheblich.

Weiterhin lag die nach § 64 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Nds. SOG erforderliche gegenwärtige Gefahr i. S. des § 2 Nr. 1b Nds. SOG vor. Denn der in allernächster Zeit zu befürchtende Austritt wassergefährdender Stoffe aus dem Autowrack erforderte ein sofortiges behördliches Tätigwerden. Andere Möglichkeiten der Gefahrenabwehr waren nicht ersichtlich. Eine Maßnahme gegen die Klägerin, mit der ihr die Bergung des Fahrzeugs und die Sicherung des Gewässers vor Schäden aufgegeben worden wäre, hätte allein schon wegen ihres Gesundheitszustandes keinen Erfolg versprochen.

Die rechtmäßige Ersatzvornahme durch den Beklagten im Wege des Sofortvollzugs gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Nds. SOG führt dazu, dass die betroffene Person - hier die Klägerin als Verhaltensverantwortliche i.S. der §§ 6 Abs. 1 Nds. SOG, § 128 Abs. 2 NWG - gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG die Kosten für die Ausführung der Handlung im Wege der Ersatzvornahme zu tragen hat. § 128 Abs. 2 NWG stellt klar, dass zu den Ausführungskosten sämtliche Kosten im Zusammenhang mit der Gefahrenabwehr gehören, also auch solche der Gefahrerforschung und näheren Ermittlung. Die Kostenermittlung durch den Beklagten bezüglich der Ausführungskosten begegnet keinen Bedenken. Es handelt sich um die Ausführung von Handlungen, die zur Gefahrenabwehr notwendig waren, durch die Vollstreckungsbehörde selbst. Die Kostenerstattung derartiger Selbstvornahmen sieht das Nds. SOG ausdrücklich vor. Es ist nicht erforderlich, einen Dritten mit der Vornahme zu beauftragen (vgl. VG Stade, Urteil vom 21.3.2007 - 1 A 1225/05, [...]; Saipa, Nds. SOG, Loseblatt Stand Mai 2013, § 66 Rn. 2 f.). Die vom Beklagten gewählte Kostenermittlung anhand der tatsächlich für den Einsatz aufgewendeten Arbeitsstunden und der tatsächlich angefallenen Wegstrecke entspricht allgemeinen kostenrechtlichen Grundsätzen, vgl. §§ 9 Abs. 1, 13 NVwKostG, § 1 Abs. 4 Allgemeine Gebührenordnung (AllGO). Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte den Zeitaufwand für diese Amtshandlung fehlerhaft bemessen hätte, sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat der Beklagte die Gebühr anhand des Verwaltungskostenbogens ermittelt, den der Mitarbeiter vor Ort nach dem Einsatz erstellt hat. In einem weiteren Vermerk hat der Mitarbeiter die Einzelheiten seines Einsatzes nochmals erläutert. Die Angaben sind verglichen mit denen in den Einsatzberichten vom 11. und 12. Dezember 2011 plausibel. Der Betrag von 952,00 € für 17 Stunden Ortsbesichtigung ist rechnerisch zutreffend ermittelt. An der zutreffenden Berechnung der Kosten für die zurückgelegte Wegstrecke besteht ebenfalls kein Zweifel. Die Wegstreckenentschädigung von 0,30 € pro Kilometer ergibt sich aus §§ 3, 5 Abs. 2 Bundesreisekostengesetz (BRKG) in der nach § 120 Abs. 2 Niedersächsisches Beamtengesetz (NBG) anwendbaren Fassung. In den Erläuterungen des Mitarbeiters des Beklagten zum Einsatz am Grauwallkanal ist dargelegt, dass der Einsatz mehrere Autofahrten entlang des Kanals bis zur Wesermündung umfasste, um das gesunkene Fahrzeug zu lokalisieren. Dies erklärt die mit insgesamt 276 km angegebene Wegstrecke, die höher ist als die Wegstrecke zwischen Dienst- und Einsatzort. Sofern in dieser Wegstrecke auch die Fahrt des Behördenmitarbeiters von seinem Privatwohnsitz zum Einsatzort enthalten ist, gehören diese Kosten ebenfalls zu den behördlichen Ausführungskosten nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG. Denn sie sind aufgrund der Wochenendrufbereitschaft angefallen.

Über die Ausführungskosten des Beklagten hinausgehende Verwaltungskosten sind gemäß § 66 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG erstattungsfähig. Demnach werden Gebühren und Auslagen für die zusätzlich erforderlichen Amtshandlungen nach den Vorschriften des NVwKostG erhoben. Die vom Beklagten ausgewiesenen Kosten für die Erstellung des Kostenfestsetzungsbescheides sind solche Kosten für eine zusätzlich erforderliche Amtshandlung. Sie können neben den Kosten für die Selbstvornahme im allgemeinem Gebührenwege erhoben werden (Saipa, Nds. SOG, Loseblatt Stand Mai 2013, § 66 Rn. 3). Darauf weist auch die Anmerkung zu Kostentarif 108.5. der AllGO hin, wonach die mit der Ausführung der Handlung (Ersatzvornahme) entstehenden Aufwendungen in der Gebühr nicht enthalten sind. Der für den vorliegenden Fall maßgebliche Kostentarif ergibt sich aus Nr. 96.20.3 der Anlage zu § 1 der Allgemeinen Gebührenordnung (AllGO). Danach richtet sich die Gebühr für die Ausführung einer Ersatzvornahme nach § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG, § 128 Abs. 1 NWG i. V. mit § 66 Nds. SOG nach Nr. 26.1. Der Kostentarif Nr. 26.1 AllGO sieht einen Gebührenrahmen zwischen 35,00 € und 1.410,00 € vor. Gemäß § 9 Abs. 1 NVwKostG, § 1 Abs. 4 AllGO ist für die Bestimmung einer Gebühr das Maß des Verwaltungsaufwandes, insbesondere des erforderlichen Zeitaufwandes nach den in § 1 Abs. 4 Satz 5 AllGO genannten Sätzen, zu Grunde zu legen. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 NVwKostG sollen Gebühren den Aufwand der an der Amtshandlung beteiligten Stelle decken, der durchschnittlich für die Amtshandlung anfällt. Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte den Betrag von 112,00 € für die Erstellung des Kostenfestsetzungsbescheides zutreffend ermittelt. Aufgrund der Erläuterung des Beklagten bestehen keine Zweifel, dass er einen durchschnittlichen Verwaltungsaufwand von zwei Stunden zu Recht angenommen hat. Die Erstellung des Kostenfestsetzungsbescheides gehört auch zur Ausführung der Ersatzvornahme, zumal wenn es sich um eine Ersatzvornahme ohne vorangegangenes gestrecktes Verfahren handelt. Die geltend gemachten Auslagen für die Postzustellung stehen in Einklang mit § 13 NVwKostG. Zu den erstattungsfähigen Auslagen gehören Aufwendungen für Postdienstleistungen (§ 13 Abs. 3 Nr. 8 NVwKostG).

Die Klägerin gehört zum Kreis der Kostenschuldner nach § 5 Abs. 1 NVwKostG. Demnach ist derjenige Kostenschuldner, der zur Amtshandlung Anlass gegeben hat. Die kostenrechtliche Veranlassung ist bei einer Kostenpflicht nach § 66 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG nicht anders zu beurteilen als die gefahrenabwehrrechtliche Veranlassungshaftung. Nach diesem Maßstab ist die Klägerin als Verhaltensverantwortliche auch gebühren- und auslagenpflichtig nach NVwKostG. Darüber hinaus war die Fahrt der Klägerin in den Graben, die Anlass für die Amtshandlungen des Beklagten gegeben hat, auch von einem natürlichen Willen getragen. Ein solcher ist nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, ausreichend, um eine Kostenschuldnerschaft i. S. des § 5 NVwKostG zu begründen; auf eine etwaige Geschäfts- oder Schuldunfähigkeit des Veranlassers kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (Nds. OVG, Urteil v. 26.1.2012 - 11 LB 226/11, [...]). Dafür, dass das gutachterlich überzeugend dargelegte psychotische Erleben der Klägerin zum Unfallzeitpunkt ihr den natürlichen Willen genommen hat, bietet das psychiatrische Gutachten keine Anhaltspunkte. Vielmehr war die Klägerin gegenüber dem Gutachter zu einer detaillierten Schilderung des Unfallhergangs aus ihrer Sicht fähig. Dass sie den Befehl zum Losfahren von einem Schutzengel erhalten haben will, führt zwar zu einer fehlenden Einsichts- und Steuerungsfähigkeit bezüglich ihres Handelns. Es ändert jedoch nichts daran, dass sie willentlich losgefahren ist. Insofern ist die Handlung der Klägerin nicht anders zu beurteilen als die Handlung einer demenzkranken Person, die für Kosten eines von ihr verursachten Polizeieinsatzes ebenfalls haftet (Nds. OVG, Urteil v. 26.1.2012 - 11 LB 226/11, [...]).

Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend ein Gebührenverzicht aufgrund eines öffentlichen Interesses gemäß § 2 Abs. 2 NVwKostG in Betracht gekommen wäre, bestehen nicht. Ein solches wäre etwa dann anzunehmen, wenn die Gebühr eine abschreckende Wirkung entfalten und den Schuldner zukünftig von einer im öffentlichen Interesse liegenden Tätigkeit abhalten würde (Nds. OVG, Urteil v. 26.1.2012 - 11 LB 226/11, [...]). Hierfür ist nichts ersichtlich.

Ob die Klägerin möglicherweise Anspruch auf einen Gebührenerlass im Wege der Billigkeit nach § 11 Abs. 2 Satz 2 NVwKostG hat, ist nicht Gegenstand der hier erhobenen Anfechtungsklage. Ein solcher Anspruch ist vielmehr gesondert bei der Behörde geltend zu machen und bei Ablehnung ggf. mit der Verpflichtungsklage weiter zu verfolgen (Nds. OVG, Urteil v. 26.1.2012 - 11 LB 226/11, [...]).

II.

Der Widerspruchsbescheid ist rechtswidrig, soweit er eine Widerspruchsgebühr in Höhe von 1.428,00 € festsetzt. Im Übrigen ist er rechtmäßig. Die Widerspruchsgebühr richtet sich nach § 12 Abs. 1 Satz 1 NVwKostG. Demnach beträgt die Gebühr für die Entscheidung über den Rechtsbehelf das Eineinhalbfache der Gebühr, die für die angefochtene Entscheidung anzusetzen war. Dies waren nach dem Kostenansatz des Beklagten im Ausgangsbescheid 112,00 €. Nicht zu diesen Gebühren für die angefochtene Entscheidung gehören diejenigen Kosten, die dem Beklagten für die Ausführung der Handlung im Wege der Ersatzvornahme nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG entstanden sind. Hier sind das diejenigen Personal- und Fahrtkosten, die dem Beklagten bei seiner Selbstvornahme am Grauwallkanal entstanden sind.

Nicht entscheidend ist, dass es sich bei den Kosten, welche der Verwaltung im Zuge einer Selbstvornahme entstehen, sowohl um Gebühren als auch um Auslagen i.S. des NVwKostG handelt. Nach der Gesetzessystematik sind die Gebühren für die Selbstvornahme von denjenigen für die zusätzlich erforderlichen Amtshandlungen bei der Festsetzung der Widerspruchsgebühr gemäß § 12 NVwKostG zu trennen. Diese Differenzierung zwischen Gebühren für die Verwaltungsentscheidung und Ausführungskosten für die Ersatzvornahme folgt bereits aus § 66 Abs. 1 Nds. SOG, der zwischen der Ausführung der Handlung im Wege der Ersatzvornahme und zusätzlich erforderlichen Amtshandlungen unterscheidet. Auch Nr. 26.1 der AllGO geht von einer solchen Unterscheidung aus. Dies wird deutlich aus der Anmerkung zu diesem Kostentarif, wonach innerhalb des Gebührenrahmens die Gebühr 10 v. H. der Kosten für die Ersatzvornahme nicht übersteigen, sofern nicht das Maß des Verwaltungsaufwandes im Einzelfall eine höhere Gebühr erfordert. Diese Soll-Vorschrift setzt voraus, dass die Kosten für die Ersatzvornahme und die Verwaltungsgebühr für ihre Durchführung nach Nr. 26.1 AllGO unterschiedliche Positionen sind. Nichts anderes ergibt sich ferner aus der bereits erwähnten Anmerkung zum Kostentarif 108.5 AllGO, der diesen gebührenrechtlichen Unterschied auch in Fällen der Selbstvornahme klarstellt. Diese getrennte Betrachtungsweise führt im Übrigen zu einer Gleichstellung der kostenrechtlichen Behandlung einer Ersatzvornahme im Wege der Fremdvornahme und der Selbstvornahme. Denn bei den Kosten, welche die Verwaltung für die Beauftragung eines Dritten im Zuge der Fremdvornahme aufwendet, handelt es sich um Auslagen i. S. des § 13 Abs. 3 Nr. 1 NVwKostG. Schon deshalb wären diese Kosten bei einer Fremdvornahme nicht bei der Gebührenberechnung nach § 12 NVwKostG berücksichtigungsfähig.

Das nach § 12 Abs. 1 NVwKostG maßgebliche Eineinhalbfache von der für die Erstellung des Kostenfestsetzungsbescheides vom Beklagten angesetzten Verwaltungsgebühr in Höhe von 112,00 € beträgt 168,00 €. Hinzu kommen gemäß § 13 NVwKostG Auslagen für die Postzustellung des Widerspruchsbescheids in Höhe von 2,63 €. Insgesamt durfte der Beklagte also den Betrag von 170,63 € als Widerspruchskosten festsetzen. Soweit der Widerspruchsbescheid eine höhere Gebühr von der Klägerin verlangt, ist er rechtswidrig und verletzt sie in ihren Rechten. Er ist insoweit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Der Beklagte hat insgesamt einen Betrag von 2.748,06 € gegen die Klägerin festgesetzt (1.149,43 € aus dem Ursprungsbescheid und 1.598,63 € aus dem Widerspruchbescheid). Die Klägerin ist zur Zahlung von 1.320,06 € verpflichtet. Das sind 48% des ursprünglich gegen sie geltend gemachten Betrages. In diesem Verhältnis ist die Klägerin also unterlegen, während der Beklagte zu 52% verloren hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung ist gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Frage, ob eine getrennte Betrachtung bezüglich der Verwaltungsgebühren für die Selbstvornahme nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG einerseits und der Gebühren und Auslagen für zusätzliche Amtshandlungen nach § 66 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG i.V.m. NVwKostG andererseits bei der Festsetzung der Widerspruchsgebühr geboten ist, ist noch nicht obergerichtlich geklärt worden.