Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 22.03.2023, Az.: 6 B 355/23
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 22.03.2023
- Aktenzeichen
- 6 B 355/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 14395
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2023:0322.6B355.23.00
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass über den 31. März 2023 hinaus Personen zwischen 18 und 21 Jahren der Zutritt zu ihrer Spielhalle gestattet ist.
Die Antragstellerin betreibt eine Spielhalle unter der Anschrift "F." im Hafengebiet der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin hatte der Antragstellerin unter dem 28. Oktober 2020 eine Erlaubnis für den Betrieb dieser Spielhalle mit Wirkung vom 1. November 2020 bis zum 31. Dezember 2025 erteilt (Ziffer 1 des Bescheides). Die Kosten des Verfahrens hatte sie der Antragstellerin auferlegt (Ziffer 2). Zur Begründung führte sie aus, dass die Spielhalle der Antragstellerin die Erteilungsvoraussetzungen des § 24 des Dritten Glücksspieländerungsstaatsvertrages und des § 4 des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes (NGlüSpG) erfülle. Die Erteilungsvoraussetzungen seien auch noch von zwei anderen Spielhallen im Umkreis von 100 m erfüllt worden, sodass eine Auswahlentscheidung zu treffen gewesen sei. Eine Entscheidung nach § 10a Absatz 3 bis 5 NGlüSpG sei nicht möglich gewesen, sodass gemäß § 10a Absatz 6 NGlüSpG die Spielhalle ausgewählt worden sei, die am weitesten von einer Schule entfernt sei. Das sei die Spielhalle der Antragstellerin. Dieser Erlaubnisbescheid wurde am 2. Dezember 2022 bestandskräftig.
Am 1. Juli 2021 trat der Glücksspielstaatsvertrag 2021 in Kraft. Um diesen umzusetzen wurde in Niedersachsen unter anderem zum 1. Februar 2022 das Niedersächsische Spielhallengesetz erlassen.
Bereits am 20. Januar 2022 hatten die Antragstellerin und ihre "Schwestergesellschaft", die G. GmbH, einen "gemeinsamen Antrag" auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für den Standort F. im Sinne von § 18 Absatz 4 des Niedersächsischen Spielhallengesetzes (NSpielhG) gestellt. Mit Bescheid vom 31. März 2022 lehnte die Antragsgegnerin diesen Antrag mit der Begründung ab, dass die Antragstellerin ihre Erlaubnis vom 28. Oktober 2020 für die Spielhalle im H. nicht zurückgegeben habe. Die G. GmbH erhob am 3. Mai 2022 Klage gegen den Ablehnungsbescheid zu dem erkennenden Gericht (Az.: I.), über die noch nicht entschieden wurde.
Das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung (im Folgenden: MW) erließ am 2. Februar 2023 "Hinweise zur Ausführung des Niedersächsischen Spielhallengesetzes" an die Gewerbebehörden. In diesen heißt es in Bezug auf die Zertifizierungspflicht in § 5 NSpielhG auszugsweise:
"Zunächst ausgenommen von der Zertifizierungspflicht ist eine Spielhalle, für die eine bestehende Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV (2011) am 1. Februar 2022 vorlag. Diese Erlaubnis bleibt unberührt (§ 18 Abs. 1 Satz 1 NSpielhG), sofern diese nicht bereits aufgrund der Maßgaben des § 18 Abs. 1 Satz 2 NSpielhG erloschen ist. Gleiches gilt entsprechend für eine Spielhalle, für die eine Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV 2021 am 1. Februar 2022 vorlag. Diese Spielhallen unterliegen erst nach Ablauf der jeweils in der Erlaubnis festgelegten Befristung im Falle eines weiteren Antrags auf Erteilung einer Spielhallenerlaubnis nach § 2 NSpielhG der Zertifizierungspflicht."
Weiter heißt es unter "Hinweise zum 31. März 2023":
"Mit dem Auslaufen der Übergangsregelung des § 18 Abs. 2 Satz 3 NSpielhG finden folgende Regelungen ab dem 1. April 2023 für alle Spielhallen Anwendung:
(...)
- Die Zutrittsgewährung erst ab Vollendung des 21. Lebensjahres (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 NSpielhG (...)
Verstöße gegen diese Bestimmungen sind nach § 17 Abs. 1 Nr. 4 bzw. Nr. 6 NSpielhG bußgeldbewehrt."
(Hervorhebungen im Originaltext)
Die Antragstellerin hat am 27. Februar 2023 den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begründung führt sie aus, dass sie Inhaberin einer sogenannten "Alt"-Erlaubnis, also einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis, die bereits vor dem 1. Februar 2022 vorlag, sei. Sie wende sich gegen die - offensichtlich vom MW vertretene - Leseart der (niedersächsischen) glücksspielrechtlichen Bestimmungen, dass mit dem Auslaufen der Übergangsregelung des § 18 Absatz 2 Satz 3 NSpielhG ab dem 1. April 2023 für alle Spielhallen die Zutrittsgewährung erst ab Vollendung des 21. Lebensjahres gemäß § 5 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 NSpielhG zu gestatten sei und begehre die Feststellung, dass sie auch über den 31. März 2023 hinaus nicht verpflichtet sei, Personen zwischen 18 und 21 Jahren den Zutritt zu ihrer Spielhalle zu verweigern.
Dazu sei ein Antrag nach § 123 VwGO statthaft, weil in der Hauptsache eine Feststellungsklage nach § 43 Absatz 1 VwGO statthaft sei. Ein Feststellungsinteresse gemäß § 43 Absatz 1 VwGO liege vor, weil die Antragstellerin ohne die gerichtliche Feststellung Gefahr laufe, sich ordnungsrechtlichen Konsequenzen auszusetzen, wenn sie auch über den 31. März 2023 hinaus Besucherinnen und Besuchern im Alter zwischen 18 und 21 Jahren den Zutritt zu ihrer Spielhalle gestatte. Dabei drohten ihr durch die Schmälerung ihres Kundenkreises wirtschaftliche Konsequenzen, die sie in ihrem Grundrecht auf freie Berufsausübung aus Artikel 12 des Grundgesetzes (GG) verletzten.
Ein Anordnungsgrund sei gegeben, weil es ihr nicht zumutbar sei, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Die zu erwartenden wirtschaftlichen Einbußen bei einer "Heraufsetzung" des Eintrittsalters seien enorm: Gemäß einer von ihr im Jahr 2020 durchgeführten Erhebung sei für die Alterskategorie der 18 bis 21-jährigen ein Wert von ca. 8 % der Kundschaft ermittelt worden. Zur Glaubhaftmachung verweist sie auf die eidesstattliche Versicherung ihrer Geschäftsführerin. Erschwerend hinzu trete die aktuelle Wirtschaftslage, die zu gestiegenen Energie- und Personalkosten geführt habe. Eine Vorwegnahme der Hauptsache sei hier nicht gegeben, da die begehrte Anordnung ihr keine endgültige Rechtsposition verschaffen solle. Gleichwohl lägen die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Vorwegnahme der Hauptsache gemäß Artikel 19 Absatz 4 GG aber vor, weil unzumutbare und nicht mehr zu beseitigende Nachteile einträten, wenn die Hauptsache abgewartet würde. Diese lägen hier in der Verletzung ihrer Rechte aus Artikel 12 GG.
Ein Anordnungsanspruch sei ebenfalls gegeben, weil die Klage in der Hauptsache Erfolg haben werde. Sie, die Antragstellerin, sei gesetzlich nicht verpflichtet, Personen erst ab Erreichen des 21. Lebensjahres den Zutritt zu ihrer Spielhalle zu gestatten. Die gegenteilige Einschätzung des MW sei rechtlich unzutreffend. Ein "ausdrücklicher Wille des Gesetzgebers" in Richtung der Leseart des MW sei nicht feststellbar. Eine explizite gesetzliche Regelung dahingehend, dass Personen unter 21 Jahren der Zutritt zu Spielhallen nicht gestattet sei, treffe das Niedersächsische Spielhallengesetz nicht. Stattdessen regele das Niedersächsische Spielhallengesetz in § 5 Absatz 1 Nummer 5 NSpielhG, dass ein Zertifikat nur erteilt werden dürfe, wenn der Zutritt zu der Spielhalle erst ab Vollendung des 21. Lebensjahres gestattet werde. Geregelt sei weiter, dass das Zertifikat bis zum 31. März 2023 vorzulegen sei. Weil die Erbringung des Zertifikats derzeit objektiv unmöglich sei, habe das MW die Frist zur Vorlage des Zertifikats bis zum 30. September 2023 aufgeschoben. Im Niedersächsischen Spielhallengesetz werde weiter nach "Alt"-Erlaubnissen und "neuen" Erlaubnissen differenziert, wobei Inhaber erstgenannter Erlaubnisse - wie die Antragstellerin - kein Zertifikat vorlegen müssten.
Ein "ausdrücklicher Wille des Gesetzgebers" dahingehend, dass auch die Antragstellerin verpflichtetet sei, Personen zwischen 18 und 21 Jahren den Zutritt zu ihrer Spielhalle zu verbieten lasse sich - entgegen der Ansicht des MW - insbesondere nicht aus § 18 Absatz 2 Satz 3 NSpielhG und dessen Gesetzesbegründung herleiten. Im Gegenteil: § 18 Absatz 2 Satz 3 NSpielhG sei auf Empfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung des MW in den Gesetzestext aufgenommen worden, um den Komplex "Zertifizierung von Spielhallen" zu "ergänzen". Damit werde klargestellt, dass die Regelung nur Spielhallen betreffen könne, die einer Zertifizierungspflicht unterfielen. Eine Übertragung auf "Alt"-Erlaubnisse sei nicht intendiert. Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich zudem, dass primärer Regelungsgegenstand des Aufschubes die "Personalschulung" gewesen sei. Dass der Gesetzgeber sicherstellen wollte, dass Verstöße gegen einzelne Zertifizierungsanforderungen (auch) bußgeldbewehrt seien, lasse nicht den Rückschluss zu, dass diese Anforderungen losgelöst von der Frage der Zertifizierungsanforderung auf alle Spielhallenbetriebe übertragbar seien. Soweit das MW ausführe, dass "der Satz 3 des § 18 Abs. 2 NSpielhG [...] im Gegensatz zu den Sätzen 1 und 2 keinen Bezug auf Erlaubnisse nach § 2 NSpielhG [nehme]", sei das wenig überzeugend. Denn § 18 Absatz 2 Satz 1 NSpielhG regele neue Erlaubnisverfahren "nach § 3" [gemeint wohl: § 2 NSpielhG]. § 18 Absatz 2 Satz 2 NSpielhG regele das Erlöschen dieser Erlaubnisse. Wäre dem Gesetzgeber bewusst gewesen, dass eine tatsächliche Erfüllung der Anforderungen bis zu dem in § 18 Absatz 2 Satz 1 und 2 NSpielhG benannten Datum unmöglich sei, so hätte er einen längeren Zeitraum eingeräumt. Dann aber sei davon auszugehen, dass an sämtlichen Stellen eine einheitliche Anpassung erfolgt wäre. Hierfür spreche bereits der Umstand, dass in der aktuellsten Fassung des Niedersächsischen Spielhallengesetzes ausnahmslos auf den 31. März 2023 abgestellt werde. Hätte der Gesetzgeber eine abweichende Regelung beabsichtigt, hätte er dies explizit geregelt. Vielmehr habe der Gesetzgeber aber gerade in der Fortführung von Verbundspielhallen eine gesteigerte Gefährlichkeit gesehen und nur für diese das Zertifizierungserfordernis aufgenommen. Das MW betreibe "Rosinenpickerei" wenn es einzelnen Anforderungen der Zertifizierung vorab zur Geltung verhelfen möchte.
Die Unterscheidung zwischen "Alt"- und "Neu"-Erlaubnissen werde von § 18 Absatz 1 Satz 1 NSpielhG vorgenommen, in dem es heiße: "Eine am 1. Februar 2022 für eine Spielhalle bestehende Erlaubnis [...] bleib[e] unberührt". Diese zentrale Aussage werde durch die Auslegung des MW konterkariert, wenn nunmehr die qualifizierte Anforderung der Zertifizierung "durch die Hintertür" zur allgemeinen Erlaubnisvoraussetzung werde. Denn dann blieben "Alt"-Erlaubnisse gerade nicht unberührt.
Der von dem MW angestellte Vergleich von Spielhallen zu Spielbanken, in denen das Mindesteintrittsalter 21 Jahre betrage, sei verfehlt. Denn Spielbanken seien von Spielhallen zu unterscheiden. Außerdem sei das Mindesteintrittsalter im Niedersächsischen Spielbankengesetz (NSpielbG) durch eine eigenständige Norm auf 21 Jahre angehoben worden (vgl. § 10a NSpielbG). Daraus könne nur der Rückschluss gezogen werden, dass dem Gesetzgeber offensichtlich bewusst gewesen sei, dass - wenn er eine Vorschrift zur Altersbegrenzung begehre - diese als eigenständige Regelung im Gesetz zu platzieren sei.
Die Auslegung des MW greife in unverhältnismäßiger Weise in ihre Grundrechte aus Artikel 12 und 3 GG ein, in letzteres dadurch, dass sie, die Antragstellerin, gezwungen sei, eine Altersdiskriminierung vorzunehmen.
Die Notwendigkeit der einstweiligen Anordnung ergebe sich schließlich auch unter dem Aspekt der Folgenabwägung. Im Falle eines späteren Unterliegens der Antragstellerin in der Hauptsache wären die Konsequenzen gering, weil sich bis dahin lediglich ein Zustand weiterfortsetzte, der ohnehin schon seit vielen Jahren existiere. Die 18 bis 21-jährigen seien in dieser Konstellation dem Glücksspielangebot nicht schutzlos ausgesetzt, da viele andere Maßnahmen den Spielerschutz gewährleisteten.
Die Antragstellerin beantragt wörtlich,
festzustellen, dass die Antragstellerin nicht verpflichtet ist, in der Spielhalle "J." im Grundstücksgebäude K. über den 31.03.2023 hinaus, den Zutritt zu der Spielhalle Personen erst ab Vollendung des 21. Lebensjahres zu gestatten.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie sieht sich an die Vorgabe des MW gebunden und führt ergänzend aus: Nach Eingang der Antragsschrift habe sie beim MW noch einmal um Klarstellung bezüglich der Rechtsauffassung des MW gebeten und telefonisch die Auskunft erhalten, dass zwar die Pflicht zur Zertifizierung nach § 5 NSpielhG für die Inhaber einer "Alt-Erlaubnis" erst gelte, wenn diese nach Ablauf der bestehenden Genehmigung einen neuen Antrag auf Erteilung einer Spielhallenerlaubnis stellten. Allerdings bestünde dennoch die Gewährleistungspflicht, ab dem 1. April 2023 nur Personen ab 21 Jahren den Zutritt zur Spielhalle zu gewähren. Dies sei aus dem Bußgeldtatbestand des § 17 Absatz 1 Nummer 4 in Verbindung mit § 5 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 NSpielhG abzuleiten, der für alle Inhaber einer Spielhallenerlaubnis gelte. Die Antragstellerin sei bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt wegen der in dem Gerichtsverfahren aufgeworfenen Rechtsfrage nicht an sie herangetreten. Sie, die Antragsgegnerin, sehe sich gleichwohl derzeit gehalten, die fachaufsichtlichen Hinweise und die Rechtsauffassung des MW zu berücksichtigen. Für die oben dargelegte und in den Hinweisen vom 2. Februar 2023 ausgeführte Rechtsauffassung des MW spreche, dass es mit den Zielen des Gesetzgebers nicht vereinbar und letztendlich auch nicht sachgerecht wäre, wenn die genannten Vorschriften zum Spielerschutz nicht in allen Spielhallen zeitgleich ab dem 1. April 2023 zur Anwendung kämen. Auch würde die Antragstellerin dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber den anderen Spielhallen erlangen, der ebenfalls nicht im Sinne des Gesetzgebers sein könne.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag bleibt ohne Erfolg. Er ist unzulässig.
Gemäß § 123 Absatz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch, wie hier, zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig. Voraussetzung ist dann, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, dass diese Regelung um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Gemäß § 123 Absatz 3 VwGO und § 920 Absatz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) hat der Antragsteller sowohl die Eilbedürftigkeit der begehrten gerichtlichen Regelung (Anordnungsgrund) als auch seine materielle Anspruchsberechtigung (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Die Antragstellerin begehrt mit dem von ihr gestellten Antrag eine Vorwegnahme der Hauptsache. Sie hat allerdings in der Hauptsache zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Klage erhoben und damit keinen Endzeitpunkt für die von ihr begehrte Rechtsposition bestimmt. Selbst wenn man ihren Antrag dahingehend auslegte bzw. umdeutete, dass die begehrte Feststellung nur für einen bestimmten Zeitraum, etwa die Dauer eines etwaigen Klageverfahrens, getroffen werden soll, läge hierin weiterhin eine Vorwegnahme der Hauptsache. Denn durch den Erlass einer entsprechenden Anordnung würde die Antragstellerin - wenngleich auch nur für einen vorübergehenden Zeitraum - rechtlich so gestellt, als hätte sie in der Hauptsache bereits obsiegt, ohne dass diese Rechtsstellung rückwirkend wieder beseitigt werden könnte (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 15. Februar 2023 - 11 ME 385/22 -, juris Rn. 4 m.w.N.).
Eine Vorwegnahme der Hauptsache kommt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 123 VwGO nur dann in Betracht, wenn diese erforderlich ist, um von einem Antragsteller schlechterdings unzumutbare künftige Nachteile abzuwenden, die diesem drohen, wenn seinem Begehren nicht stattgegeben wird. Sie ist hingegen nicht dafür gedacht, dem Betreffenden schneller, als dies in einem Klageverfahren möglich ist, zu seinem Recht zu verhelfen, sofern nicht eine besondere Dringlichkeit gegeben ist, die es unzumutbar erscheinen lässt, den Ausgang eines Klageverfahrens abzuwarten. Das setzt voraus, dass die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und irreparabel wären und zudem ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache besteht (vgl. VG Stade, Beschluss v. 12. April 2021 - 6 B 395/21 -, juris Rn. 27 m.w.N.).
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere hat sie nicht dargelegt, dass ihr ohne den Erlass der begehrten Anordnung unzumutbare Nachteile drohen.
Wirtschaftliche Nachteile würden der Antragstellerin entstehen, wenn sie Personen zwischen 18 und 21 Jahren ab dem 1. April 2023 den Zutritt zu ihrer Spielhalle versagte.
Dazu ist die Antragstellerin aus Sicht des Gerichts aber bereits nicht verpflichtet. Insbesondere verhielte sie sich nicht ordnungswidrig, wenn sie Personen zwischen 18 und 21 Jahren auch über den 31. März 2023 hinaus den Zutritt zu ihrer Spielhalle gestattete. Gemäß § 17 Absatz 1 Nummer 4 NSpielhG verhält sich ordnungswidrig, wer einer Verpflichtung aus § 5 Absatz 1 Satz 2 Nummern 4 bis 6 NSpielhG nicht nachkommt. Der Ordnungswidrigkeitstatbestand des § 17 Absatz 1 Nummer 4 NSpielhG ist hier aber bedeutungslos, weil die Verweisung auf § 5 Absatz 1 Nummern 4 bis 6 NSpielhG für die Antragstellerin ins Leere führte. Denn § 5 Absatz 1 Satz 2 Nummern 4 bis 6 NSpielhG benennen bereits keine Verpflichtungen und zwar weder für antragstellende noch für spielhallenbetreibende Personen. Die Norm richtet sich ausschließlich an die akkreditierten Prüforganisationen.
Etwas Anderes folgt auch nicht aus der - nicht näher begründeten - Behauptung des MW, bei § 5 Absatz 1 Satz 2 Nummern 4 bis 6 NSpielhG handele es sich um "Gewährleistungspflichten" (vgl. S. 5 oben der Hinweise zur Ausführung des NSpielhG). Denn diese Rechtsauffassung ist unzutreffend (vgl. zur Kritik an § 17 Absatz 1 Nummer 4 NSpielhG auch den Schriftlichen Bericht zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung spielhallenrechtlicher Bestimmungen, Drs. 18/10624, S. 18 unten). Aus § 5 Absatz 1 Satz 2 Nummern 4 bis 6 NSpielhG könnte sich höchstens, möglicherweise in Verbindung mit § 3 Nummer 5 NSpielhG, die Verpflichtung der Spielhallenbetreiber ableiten, ein Zertifikat vorzulegen. Aber selbst bei einer solchen Auslegung verhielte sich die Antragstellerin nicht ordnungswidrig, wenn sie nach dem 31. März 2023 kein Zertifikat vorlegte und Personen zwischen 18 und 21 Jahren weiterhin den Zutritt zu ihrer Spielhalle gestattete. Denn es ist unstreitig, dass der Antragstellerin auf unabsehbare Zeit das Vorlegen eines Zertifikats nach § 5 NSpielhG objektiv unmöglich ist. Das MW hat hierzu ausgeführt:
"Nach derzeitigen Erkenntnissen dauern die Akkreditierungsverfahren von insgesamt drei Zertifizierungsstellen bundesweit durch die DAkkS [Deutsche Akkreditierungsstelle] noch an. Laut aktueller Auskunft der DAkkS wird ein möglichst zügiger Abschluss der Akkreditierungsverfahren angestrebt, ein konkreter Termin kann derzeit von der DAkkS allerdings noch nicht genannt werden.
Aufgrund dieses Umstands konnten wegen fehlender akkreditierter Zertifizierungsstellen i.S.v. § 5 NSpielhG bisher keine Zertifikate nach § 5 NSpielhG erteilt werden."
Dass der Antragstellerin das von ihr verlangte ordnungsgemäße Verhalten objektiv möglich sein muss, um bei Verstoß eine etwaige Ordnungswidrigkeit zu ahnden, ist evident.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände geht das Gericht davon aus, dass die Antragsgegnerin sich rechtmäßig verhalten wird und deshalb auf der aktuellen Rechtsgrundlage kein Ordnungswidrigkeitsverfahren gemäß § 17 Absatz 1 Nummer 4 NSpielhG gegen die Antragstellerin einleiten wird, wenn diese auch über den 31. März 2023 hinaus Personen zwischen 18 und 21 Jahren den Zutritt zu ihrer Spielhalle gestattete.
Aber selbst wenn die Antragstellerin Personen zwischen 18 und 21 Jahren den Zutritt zu ihrer Spielhalle über den 31. März 2023 hinaus nicht gestattete, wären die daraus entstehenden wirtschaftlichen Nachteile jedenfalls nicht unzumutbar. Die Antragstellerin hat dazu lediglich durch eidesstattliche Versicherung ihrer Geschäftsführerin glaubhaft gemacht, dass gemäß einer von ihr im Jahr 2020 durchgeführten Erhebung die Alterskategorie der 18 bis 21-jährigen einen Anteil von ca. 8 % an ihrer Kundschaft habe. Diese Erhebung bezog sich aber zum einen ausweislich der eidesstattlichen Versicherung auf das gesamte Bundesland Niedersachsen und lässt daher nicht erkennen, dass die besondere Lage der Spielhalle der Antragstellerin im Hafengebiet angemessen berücksichtigt wurde. Zum anderen ist auch bisher nicht nachvollziehbar, dass ein Kundenrückgang um 8 % in einer Spielhalle in Niedersachsen die Antragstellerin, die bzw. deren Mutterkonzern laut eigener Angabe auf ihrer Internetseite "L." ist, vor schwere wirtschaftliche Probleme stellte.
Auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache oder eine weitere Abwägung kommt es danach nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO, wonach der unterlegene Beteiligte die Kosten des Verfahrens trägt. Hier unterliegt die Antragstellerin.
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 53 Absatz 2 Nummer 2 in Verbindung mit § 52 Absatz 2 des Gerichtskostengesetzes. Demnach ist der Auffangstreitwert von 5.000 Euro zu Grunde zu legen. Von einer Reduzierung dieses Betrages im Eilverfahren sieht das Gericht ab, weil eine Vorwegnahme der Hauptsache beantragt wird.