Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.03.1993, Az.: 1 K 14/90

Bebauungsplan; Normenkontrollverfahren; Wohnbaufläche; Geschoßflächenzahl; Erhaltungsgebot; Waldflächen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
24.03.1993
Aktenzeichen
1 K 14/90
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1993, 13702
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1993:0324.1K14.90.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BVerwG - 18.03.1994 - AZ: BVerwG 4 NB 24/93

Tenor:

Der Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan der Antragsgegnerin "...straße/ ..." wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsteller dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Kostenforderung abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1

I.

Die Antragsteller, die Eigentümer von Grundstücken in der Nachbarschaft des Bebauungsplanes ...straße/... sind, wenden sich im Normenkontrollverfahren gegen den mit Bekanntmachung vom 1. März 1990 bekanntgemachten Bebauungsplan.

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Der Bebauungsplan betrifft eine ca. 5,4 ha große bewaldete Fläche im Südwesten der Stadt ..., die im Norden durch die ...straße, im Osten durch den ... und im Süden durch den ... begrenzt wird und im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche dargestellt ist. Westlich vom Plangebiet liegt das ..., das unter Landschaftsschutz steht. Der Bebauungsplan setzt eine ca. 2,6 ha große Fläche als reines Wohngebiet mit einer Geschoßflächenzahl von 0,6 bzw. 0,7 fest, die durch einen 20 m bis 30 m breiten Waldstreifen umgeben ist. Vorgesehen sind etwa 70-80 Wohneinheiten. Für eine große Anzahl von Bäumen im Baugebiet ist ein Erhaltungsgebot festgesetzt. Das Wohngebiet wird durch eine 6,5 m breite Straße von Norden, von der ...straße aus erschlossen, die durch eine 4,5 m breite Ringstraße ergänzt wird. Gehwegverbindungen zur ...straße, zum ... und zum ... ergänzen das Erschließungskonzept.

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Das Grundstück des Antragstellers Stender, das mit einem Wohnhaus bebaut ist, liegt auf der Nordseite der ...straße gegenüber der geplanten Abzweigung der Erschließungsstraße des Plangebietes von der ...straße. Das Grundstück der Antragsteller ... grenzt westlich an das Grundstück des Antragstellers ...; es liegt 25 m von der geplanten Einmündung der Erschließungsstraße in die ...straße. Das Straßengrundstück der ...straße ist etwa 19 m breit; neben einer mit Kopfstein gepflasterten Fahrbahn liegt ein breiter Sommerweg.

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1984 führte die Antragsgegnerin eine öffentliche Darlegung der Ziele und Zwecke der Planung für den Bereich ...straße/... durch. Mit Schreiben vom 24. Mai 1985 beteiligte die Antragsgegnerin die Träger öffentlicher Belange. In seiner Stellungnahme vom 10. März 1987 machte der Landkreis Harburg auf die Belange des Wald- und Naturschutzes aufmerksam und wies auf die Notwendigkeit einer ausführlichen Begründung der Abwägung hin. Am 19. Mai 1987 beschloß der Rat der Antragsgegnerin die Aufstellung und Auslegung des Bebauungsplanentwurfs für den Bereich ...straße/.... Die Auslegung des Planentwurfs vom 1. Juni 1987 bis 6. Juli 1987 machte die Antragsgegnerin am 21. Mai 1987 in der amtlichen Bekanntmachung Nr. 15/1987 bekannt. Am 26. August 1987 hat der Rat der Antragsgegnerin aufgrund eines entsprechenden Bürgerantrages beschlossen, das Bebauungsplanverfahren einzustellen.

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Am 23. Februar 1988 hat der Rat der Antragsgegnerin erneut einen Aufstellungs- und Auslegungsbeschluß gefaßt. Die Auslegung des Planentwurfs vom 15. März 1988 bis 15. April 1988 machte die Antragsgegnerin in der amtlichen Bekanntmachung Nr. 22 am 4. März 1988 bekannt. Gleichzeitig beteiligte sie die Träger öffentlicher Belange. Der Rat der Antragsgegnerin beschloß am 6. Dezember 1988 den Bebauungsplan ...straße/... als Satzung. Auf die Anzeige der Antragsgegnerin machte der Landkreis Harburg als Genehmigungsbehörde geltend, der Bebauungsplan berücksichtige die Belange von Naturschutz und Landespflege nicht ausreichend.

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Die vorgesehene Bebauung einer Waldfläche stelle einen Eingriff gemäß § 7 des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes dar, der Ersatzmaßnahmen erforderlich mache. Die Rechtsverletzung könne ausgeräumt werden, wenn die Stadt eine Fläche von 5,4 ha zur Aufforstung als Mischwaldkultur als Ersatzmaßnahme zur Verfügung stelle. Mit ihrem Widerspruch erklärte sich die Antragsgegnerin bereit, Flächen als Ersatzmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. In der Folge schloß die Antragsgegnerin im November 1989 mit dem Landkreis Harburg eine Vereinbarung, in der sie sich verpflichtete, auf einer ca. 8.500 qm großen Ackerfläche nördlich der ...straße einen naturnahen Laubwald anzulegen, für eine weitere ca. 36.000 qm große Waldfläche nördlich und südlich der ...straße die bisherige forstwirtschaftliche Nutzung aufzugeben und diese Flächen in naturnahen Wald umzuwandeln. Außerdem verpflichtete sich die Stadt, eine ca. 76.000 qm große Waldfläche nördlich des Waldfriedhofs dauerhaft als naturnahen Wald mit Erholungsnutzung zu pflegen.

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Mit Verfugung vom 15. November 1989 half der Landkreis dem Widerspruch der Antragsgegnerin mit Rücksicht auf die Vereinbarung von Ersatzmaßnahmen mit der Maßgabe ab, daß die Begründung des Bebauungsplanes um den Wortlaut der Vereinbarung ergänzt wird. Daraufhin stimmte der Rat der Antragsgegnerin mit Beschluß vom 5. Dezember 1989 der Vereinbarung zu und ergänzte die Begründung entsprechend. Die Durchführung des Anzeigeverfahrens und die Auslegung des Bebauungsplanes machte die Antragsgegnerin mit den Hinweisen nach § 44 Abs. 5 und § 215 Abs. 2 BauGB im Amtsblatt des Landkreises Harburg vom 1. März 1990 bekannt.

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Mit den am 19. Juni 1990 eingegangenen Antrag wenden sich die Antragsteller gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplanes. Sie machen geltend, daß sie durch den Bebauungsplan Nachteile erleiden, weil ihre Grundstücke unmittelbar gegenüber der Einmündung der Erschließungsstraße des Plangebietes in die ...straße lägen. Es sei mit einer Verdoppelung des Verkehrsaufkommens auf der ...straße zu rechnen, die wegen des Kopfsteinpflasters der Straße besonders lästig sei. Die zur ...straße orientierten Außenbereiche ihrer Grundstücke würden zusätzlich dadurch beeinträchtigt, daß im Einmündungsbereich der Planstraße eine Fläche für Recycling-Container festgesetzt sei. Schließlich werde auch ihre Aussicht beeinträchtigt. Der Bebauungsplan leide an zahlreichen formellen Mängeln. Eine vorgezogene Bürgerbeteiligung sei nicht durchgeführt worden. Nach seiner Auslegung sei der Plan durch die Aufnahme von Ersatzmaßnahmen in die Begründung geändert worden, ohne daß er erneut ausgelegt worden sei. Das Beteiligungsverfahren sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, weil Ort und Dauer der Auslegung nicht eine Woche vorher ortsüblich bekanntgemacht worden seien. Wesentliche Verhandlungen mit dem Eigentümer des Plangebietes seien in nichtöffentlichen Sitzungen durchgeführt worden. Der Bebauungsplan sei nicht ordnungsgemäß ausgefertigt worden, weil Nr. 8 a der Verfahrensvermerke, der die Abhilfeverfügung des Landkreises betreffe, nicht unterschrieben sei. Außerdem sei der Beitrittsbeschluß des Rates vom 5. Dezember 1989 nicht vom Bürgermeister unterzeichnet worden. Der Bebauungsplan sei auch nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden, weil die Bekanntmachung vom 5. April 1990 in der amtlichen Bekanntmachung der Stadt in ihrem Wortlaut von der Bekanntmachung im Amtsblatt des Landkreises abweiche und der Hinweis darauf, daß der Landkreis mit Verfügung vom 18. Mai 1989 die Verletzung von Rechtsvorschriften nicht geltend gemacht habe, falsch sei.

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Der Bebauungsplan leide aber auch an materiellen Mängeln. Die Antragsgegnerin habe sich gegenüber dem Eigentümer des Plangebietes, der Norddeutschen Treuhand- und Kreditgesellschaft für Wohnungsbau mbH (NTK) bereits auf ein bestimmtes Planungsergebnis festgelegt. Die Antragsgegnerin stehe unter dem Druck von Schadensersatzforderungen der NTK aus einer Bodenverkehrsgenehmigung. Das Motiv der Planung, Regreßforderungen der NTK abzuwehren, sei nicht offengelegt worden. In die Abwägung seien die Belange der Anwohner, von zusätzlichen Verkehrsbelastungen verschont zu bleiben, nicht eingestellt worden. Der Bebauungsplan habe aber auch den Konflikt mit dem Naturschutz nicht angemessen gelöst. Der Stadtwald, der hier einer Bebauung geopfert werden solle, stelle eine wichtige Pufferzone zwischen der Wohnbebauung und dem Landschaftsschutzgebiet Steinbachtal dar. Es fehle bereits an einer angemessenen Erfassung der Flora und Fauna im Plangebiet. Die Antragsgegnerin habe das Gewicht der Naturschutzbelange nicht erkannt und die Ersatzmaßnahmen nur deshalb angeordnet, um einen Rechtsstreit mit dem Landkreis zu vermeiden. Die als Ersatzmaßnahmen vorgesehenen Flächen seien aber auch untauglich, weil sie bereits weitgehend bewaldet seien und daher keinen Ausgleich für den Verlust der Waldflächen im nahen Bereich darstellten.

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Die Antragsteller beantragen,

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festzustellen, daß der Bebauungsplan ...straße/... nichtig ist.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Normenkontrollantrag der Antragsteller zurückzuweisen.

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Sie hält den Normenkontrollantrag für unzulässig, weil die Festsetzungen des Bebauungsplanes keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Grundstücke der Antragsteller hätten. Das Plangebiet führe allenfalls zu einer geringfügigen Erhöhung des Verkehrsaufkommens, mit der die Antragsteller nach der Lage ihrer Grundstücke vernünftigerweise rechnen müßten. Eine am 1. Oktober 1991 durchgeführte Verkehrszählung habe die geringe vorhandene Verkehrsbelastung bestätigt. Auch mit der Festsetzung einer Fläche für Recycling-Container müsse man in einem Wohngebiet rechnen, zumal wenn sie vom eigenen Grundstück durch eine Straße getrennt sei.

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Die Anträge seien aber auch unbegründet. Die vorgezogene Bürgerbeteiligung habe 1984 stattgefunden. Der Bebauungsplan sei nach der Auslegung nicht geändert worden, sondern nur seine Begründung. Die Aufnahme der naturschutzrechtlichen Ersatzmaßnahmen in die Begründung habe keinen Anlaß zu einer erneuten Auslegung gegeben. Das Auslegungsverfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt worden, über die vorgetragenen Bedenken und Anregungen habe der Rat auch ordnungsgemäß entschieden. Die Beschlüsse im Bauleitverfahren seien in öffentlichen Sitzungen des Rates gefaßt worden, nur Grundstücksangelegenheiten seien in nichtöffentlicher Sitzung behandelt worden. Der Bebauungsplan leide nicht an Ausfertigungsmängeln, weil Nr. 8 a der Verfahrensvermerke von der Unterschrift unter Nr. 9 erfaßt werde. Der unter Nr. 9 behandelte Beschluß des Rates vom 5. Dezember 1989 habe nicht vom Bürgermeister unterzeichnet werden müssen, weil der Beschluß nicht den als Satzung zu beschließenden Bebauungsplan, sondern nur die Ergänzung der Begründung betraf. Das Originalexemplar der Begründung zum Bebauungsplan vom 23. November 1989 trage im übrigen die Unterschrift von Bürgermeister und Stadtdirektor. Der Bebauungsplan sei auch ordnungsgemäß bekanntgemacht worden, denn entscheidend sei der richtige Abdruck der Bekanntmachung im Amtsblatt des Landkreises, dem Bekanntmachungsorgan für Satzungen.

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Der Bebauungsplan leide auch nicht an Abwägungsfehlern. Sie, die Antragsgegnerin, habe sich gegenüber der NTK nicht zu einer bestimmten Planung verpflichtet. Die NTK habe das Plangebiet seinerzeit erworben, weil bereits der Vorläufer des heutigen Flächennutzungsplanes diese Fläche als Wohnbaufläche dargestellt habe. Sie, die Antragsgegnerin, habe immer die Ansicht vertreten, daß der NTK keine Schadensersatzansprüche zustünden. Die von den Antragstellern behauptete zusätzliche Verkehrsbelastung durch das Plangebiet sei in die Abwägung eingestellt worden. Der Bebauungsplan setze sich auch mit den Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes angemessen auseinander. Der Bauleitplanung liege ein Baumbewertungsplan zugrunde, aus dem die Strukturierung der überbaubaren Flächen abgeleitet worden sei. Zudem enthalte der Bebauungsplan vielfältige Festsetzungen zur Pflege und Entwicklung der Landschaft sowie Bindungen für Bepflanzungen und die Erhaltung von Bäumen und Sträuchern. Mit der Vereinbarung von Ersatzmaßnahmen seien die Bedenken der Naturschutzbehörde ausgeräumt worden. Dabei bleibe aber zu berücksichtigen, daß der Bebauungsplan nicht den Eingriffsakt im Sinne des Naturschutzrechts darstelle, der zu Ersatzmaßnahmen verpflichte. Die Eignung der Ersatzmaßnahmen habe der Landkreis als zuständige Naturschutzbehörde anerkannt. Im übrigen werde nicht nur eine Ackerfläche aufgeforstet, sondern weitere Flächen aus der forstwirtschaftlichen Nutzung genommen und in naturnahen Mischwald umgewandelt.

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Wegen des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im einzelnen wird auf die Gerichtsakten und die von der Antragsgegnerin und der Genehmigungsbehörde vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

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II.

Der Normenkontrollantrag ist unzulässig.

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Nach § 47 Abs. 2 VwGO kann den Normenkontrollantrag jede natürliche Person stellen, die durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung einen Nachteil erlitten oder in absehbarer Zeit zu erwarten hat. Nach der Rechtsprechung des BVerwG (Beschl. v. 9.1.1979 - 4 N 1.78 u.a. -, BVerwGE 59, 87 = DVBl 1980, 233) ist ein Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 2 VwGO gegeben, wenn der Antragsteller durch den Bebauungsplan oder dessen Anwendung negativ, d.h. verletzend, in einem Interesse betroffen wird, bzw. in absehbarer Zeit betroffen werden kann, das bei der Entscheidung über den Erlaß oder den Inhalt dieses Bebauungsplanes als privates Interesse des Antragstellers in der Abwägung berücksichtigt werden mußte, das also zum notwendigen Abwägungsmaterial im Sinne der Rechtsprechung des BVerwG (Urt. v. 5. 7. 1974 - 4 C 50.72 -, BVerwGE 45, 310 [BVerwG 05.07.1974 - IV C 50/72] = DVBl 1974, 767[BVerwG 05.07.1974 - IV C 50/72]) gehörte. Bei der Bauleitplanung erfaßt das notwendige Abwägungsmaterial alle privaten Belange, die "nach Lage der Dinge" in die Abwägung eingestellt werden müssen. Bei der aus Gründen der Handhabbarkeit gebotenen Beschränkung der planerischen Abwägung können nur die Belange unbeachtet bleiben, die entweder objektiv geringwertig oder aber nicht schutzwürdig sind. Darüber hinaus beschränkt sich nach der Rechtsprechung die Abwägungsbeachtlichkeit auf solche Betroffenheiten, die erstens mehr als nur geringfügig, zweitens in ihrem Eintritt zumindest wahrscheinlich und drittens für die planende Stelle bei der Entscheidung über den Plan als abwägungsbeachtlich erkennbar seien. Welche Belange danach in die Abwägung einzustellen sind und andererseits im Falle einer Betroffenheit durch den Plan einen Nachteil iSd § 47 Abs. 2 VwGO begründen können, läßt sich danach nur unter Berücksichtigung des konkreten Planungsziels und der vorgegebenen Situation beantworten.

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Grundsätzlich gehört das Interesse, von zusätzlichem Verkehrslärm verschont zu werden, gerade für Grundstückseigentümer in Wohngebieten zu den abwägungsbeachtlichen Belangen, zumal die Rechtsordnung dem Schutz der Wohnruhe vor Verkehrslärm durch vielfältige Regelungen Rechnung trägt (vgl. Urt. d. Sen. v. 29. 11. 1990 - 1 OVG C 16/88 - 1-11593 -; BVerwG, Beschl. v. 19. 2. 1992 - 4 NB 11.91 -, DVBl 1992, 1099). Freilich kann die Zunahme von Verkehrslärm im Einzelfall so geringfügig sein, daß die Abwägung darüber hinweggehen kann, die planende Gemeinde diesen Belang also als nicht abwägungserheblich hätte übergehen dürfen. In diese Richtung deutet die Tatsache, daß die Antragsteller mit ihren Anregungen und Bedenken die Frage des Verkehrslärms nicht thematisiert haben. Allerdings liegen die Grundstücke der Antragsteller gegenüber der Einmündung der Planstraße in die ...straße, die mit Kopfsteinpflaster gepflastert ist. Die bisherige Verkehrsbelastung der ...straße ist sehr gering, wie die von der Antragsgegnerin während des Normenkontrollverfahrens veranlaßte Verkehrszählung ergeben hat (121 Kraftfahrzeuge in der Zeit von 7.00 Uhr bis 9.00 Uhr, 11.00 Uhr bis 14.00 Uhr, 16.00 Uhr bis 19.00 Uhr). Der Zu- und Abfahrtsverkehr zum neuen Plangebiet wird den Verkehr deutlich erhöhen. Da das Plangebiet für 70-80 Wohneinheiten ausgelegt ist, erscheint es nicht ausgeschlossen, daß sich der Verkehr auf der ...straße etwas mehr als verdoppelt, so daß die Anwohner nicht nur jedes zusätzliche Fahrzeug als störend registrieren werden, sondern die Zunahme des Verkehrslärms auch im Vergleich der Lärmmesswerte für das menschliche Ohr wahrnehmbar sein dürfte. Ob unter diesen Umständen die von den Antragstellern befürchtete Zunahme des Verkehrslärms durch die Anbindung des neuen Plangebietes an die ...straße noch als so geringfügig angesehen werden kann, daß sie als nicht abwägungserheblich hätte übergangen werden dürfen, kann hier jedoch offen bleiben.

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Die Antragsteller sind nämlich nicht antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 VwGO, weil sie kein schutzwürdiges Interesse an der Beibehaltung der bisherigen Verkehrsverhältnisse haben. Die Antragsteller mußten als Eigentümer von bebauten Grundstücken am Rande von ... mit einer Änderung der Verkehrsverhältnisse im Gefolge einer Beplanung der Nachbarschaft rechnen. Ein Eigentümer eines Grundstücks am Rande einer Stadt von der Größenordnung von ..., die im Ausstrahlungsbereich von Hamburg mit guten Verkehrsverbindungen dorthin liegt, muß naturgemäß eher mit Änderungen der Verkehrsverhältnisse aufgrund der Beplanung der Nachbarschaft rechnen als der Eigentümer eines Grundstücks in dörflicher Lage (vgl. dazu Urt. d. Sen. v. 29. 11. 1990 - 1 OVG. C 16/88 - u. Beschl. d. BVerwG über die Nichtvorlagebeschwerde v. 19. 2. 1992 - 4NB 11.91 -, DVBl 1992, 1099). Am Rande einer Stadt muß man davon ausgehen, daß der Verkehrslärm - in gewissen Grenzen - zunimmt, weil entweder die andere Straßenseite bebaut wird oder ein neues Baugebiet an die eigene Erschließungsstraße angeschlossen wird. Sicher braucht man nicht ohne weiteres damit zu rechnen, daß eine Sackgasse zu einer Hauptverkehrsstraße verändert wird, eine solche Grenze wird aber mit dem Anschluß eines Wohngebiets mit 70-80 Wohneinheiten nicht erreicht, auch wenn die Zufahrt zum Plangebiet gegenüber dem eigenen Grundstück in die Erschließungsstraße mündet. Die Funktion der ...straße als Anliegerstraße wird auch durch den Anschluß des neuen Plangebietes nicht verändert.

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Hier kommt hinzu, daß bereits der dem Flächennutzungsplan 1979 vorausgegangene Flächennutzungsplan das Plangebiet als Wohnbaufläche dargestellt hat. Mit seiner Entfernung von ca. 1,5 km Luftlinie zum Zentrum bietet sich das Plangebiet für eine Bebauung an, weil sich die Wohnbebauung im Süden, Westen und Norden von ... bereits deutlich weiter vom Zentrum entfernt hat. Die Bewaldung des Plangebietes steht der Einschätzung, daß eine Beplanung und Bebauung ohne weiteres vorhersehbar gewesen sei, nicht entgegen, denn ... bietet zahlreiche Beispiele für Waldsiedlungen. Auch die Antragsteller haben offensichtlich nicht darauf vertraut, daß die ...straße eine nur von ganz wenigen Fahrzeugen befahrene Straße bleibt, weil sie in ihren Bedenken und Anregungen auf die Zunahme des Verkehrslärms nicht eingegangen sind.

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Die Belästigungen, die die Antragsteller als Folge der Festsetzung einer Fläche für Recycling-Container an der Einmündung der Planstraße in die ...straße befürchten, sind nicht geeignet, eine Antragsbefugnis der Antragsteller zu begründen. Bei dieser Festsetzung handelt es sich um ein recht untergeordnetes Detail des Bebauungsplanes, dessen Verwirklichung auch nur eine geringfügige Betroffenheit bewirkt. Angesichts der allgemeinen Überzeugung, daß Abfälle durch ein System getrennter Erfassung verwertbarer Stoffe reduziert werden müssen, gehören Recycling-Container auch im Wohngebiet zu den unausweichlichen Begleiterscheinungen der modernen Konsumgesellschaft. Geruchsbelästigungen treten in der Umgebung der heute üblicherweise geschlossenen Behälter nicht auf, die Geräuschbelästigungen sind durch Kunststoffklappen oder ähnliches gegenüber den früher üblichen offeneren Behältern stark reduziert. Darüber hinaus grenzen die Grundstücke der Antragsteller nicht unmittelbar an die für Recycling-Container festgesetzte Fläche an, vielmehr liegen ihre Grundstücke 20 m bzw. 30 m von der Fläche entfernt, die von der ...straße noch durch ein "Pflanzgebot" abgeschirmt wird. Außerdem dürfte sich der Einzugsbereich der an der Einmündung der Planstraße in die ...straße vorgesehenen Container auf die Bewohner des Plangebiets und der ...straße beschränken. Die geringfügigen Auswirkungen der Festsetzung für die Antragsteller und die Tatsache, daß die Antragsteller im Verfahren der Bürgerbeteiligung nicht auf diese Auswirkungen hingewiesen haben, schließen einen abwägungsbeachtlichen Nachteil aus, der eine Antragsbefugnis begründen könnte.

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Schließlich verleiht auch das Interesse an der Erhaltung der Aussicht auf den Wald auf der Südseite der ...straße den Antragstellern nicht die Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren. Zum einen bleibt ein 20 m bis 30 m breiter Waldstreifen auf der Südseite der ...straße erhalten, so daß die Antragsteller nach wie vor von ihren Grundstücken "ins Grüne" blicken, zum anderen ist das Vertrauen der Antragsteller auf den Fortbestand dieser günstigen Lage nicht schutzwürdig. Eigentümer von Grundstücken in der Randlage einer Stadt müssen damit rechnen, daß die gegenüberliegende Straßenseite im Außenbereich bebaut wird und damit die ungeschmälerte Aussicht ins Grüne eingeschränkt wird. Der Senat hat Einschränkungen der Aussicht als Nachteil im Sinne von § 47 VwGO nur dann angesehen, wenn sich aus der örtlichen Situation und der Vorgeschichte einer Planung ergab, daß den Bauherren eines Plangebietes der durch die Geländeverhältnisse gebotene Vorteil der Aussicht auf eine besonders reizvolle Landschaft, etwa einen See, nach den Absichten des Plangebers zugute kommen sollte (Beschl. v. 30. 6. 1987 - 1 OVG C 19/86 -, BRS 47 Nr. 13; Urt. v. 1. 6. 1990 - 1 K 7/89 -, BRS 50 Nr. 52). Nach den topographischen Verhältnissen ist von einer derartigen Lage der Grundstücke der Antragsteller nicht auszugehen. Die Antragsteller haben auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, daß bei der Planung ihres Wohngebietes der Blick ins Grüne eine Rolle gespielt hätte.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit auf einer entsprechenden Anwendung des § 167 Abs. 2 VwGO iVm §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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Beschluß

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Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.000,-- DM (in Worten: zwanzigtausend Deutsche Mark) festgesetzt; dabei entfallen auf den Antragsteller zu 1) und auf die Antragsteller zu 2) je 10.000,-- DM.

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Schmaltz

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Prof. Dr. Götz

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Dr. Jenke