Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 08.09.2004, Az.: 11 A 4960/02
Aufenthaltsbefugnis; Ausländerregister; Ausreise; eingetragene Kurden; Kurden aus Syrien; Mitwirkungsobliegenheit; Mitwirkungspflicht; Passlosigkeit; Reiseausweis für Staatenlose; ungeklärter Status; zumutbare Mitwirkung; zweifelhafte Identität
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 08.09.2004
- Aktenzeichen
- 11 A 4960/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50764
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 30 Abs 3 AuslG
- § 30 Abs 4 AuslG
- § 70 AuslG
- Art 28 StaatenlÜbk
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zu den Mitwirkungsobliegenheiten hinsichtlich der Klärung von Identität, Status und Staatsangehörigkeit von Kurden aus Syrien bei der Erlangung von Aufenthaltsbefugnissen und Reiseausweisen für Staatenlose.
Tenor:
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten der Verfahren; insoweit ist das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Kläger zu 1) und 2), ein nach yezidischem Brauchtum verheiratetes Ehepaar, sind nach ihren Angaben kurdische Volkszugehörige yezidischen Glaubens aus K. (Bezirk Hassake) in Syrien. Ihre Staatsangehörigkeit ist ungeklärt. Die Klägerinnen zu 3) und 4) sind ihre 1997 und 1998 im Bundesgebiet geborenen Töchter.
Die Kläger zu 1) und 2) reisten am 2. März 1997 als Asylbewerber in die Bundesrepublik Deutschland ein. Zur Begründung ihres Asylbegehrens hatten sie u.a. angegeben, ihr Schlepper hätte ihre „Ungeklärten-Ausweise“ weggenommen. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) erkannte sie mit Bescheid vom 24. März 1997 als Asylberechtigte an und stellte fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 51 AuslG hinsichtlich Syrien vorliegen. Auf Beanstandungsklage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten hob das Gericht durch Urteil vom 25. August 1999 (11 A 2340/97), bestätigt durch Beschlüsse des Nds. Oberverwaltungsgerichts vom 16. August, 14. September und 7. November 2000 (2 L 3801/99), diesen Bescheid auf. Dabei stellte es fest, dass die Kläger zu 1) und 2) keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte und Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 51 Abs. 1 AuslG haben. Mit Bescheid vom 16. Oktober 2000 stellte das Bundesamt fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG für die Kläger zu 1) und 2) ebenfalls nicht vorliegen und drohte ihnen die Abschiebung nach Syrien an. Die hiergegen angerufene Kammer hob durch Urteil vom 12. September 2001 (11 A 3960/00), bestätigt durch Beschluss des Nds. OVG vom 18. Oktober 2001 (2 LA 3321/01), die Zielstaatsbezeichnung Syrien in der Abschiebungsandrohung auf und wies die Klage im Übrigen ab. Die Asylverfahren der Klägerinnen zu 3) und 4) blieben erfolglos (Urteil des Gerichts vom 25. August 1999 - 11 A 3998/97 -, bestätigt durch Beschluss des Nds. OVG vom 21. September 1999 - 2 L 3817/99 -). Der weitere Aufenthalt der Kläger im Bundesgebiet wurde - infolge der Passlosigkeit der Kläger und erfolgloser Bemühungen des Beklagten um Beschaffung von Passersatzpapieren - geduldet.
Am 7. Dezember 2001 beantragten die Kläger unter Hinweis auf die Einreiseverweigerung durch die arabische Republik Syrien für unerlaubt ausgereiste staatenlose Kurden und das Urteil des Gerichts vom 12. September 2001 (11 A 3960/00) die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen und Reiseausweisen für Staatenlose. Dies lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 17. April 2002 ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen für in seinem Ermessen stehende Aufenthaltsbefugnisse nach § 30 Abs. 3 und 4 AuslG lägen nicht vor. Die Kläger hätten nicht hinreichend bei der Aufklärung ihrer Identität und ihres Status in Syrien mitgewirkt. Nur zögerlich hätten sie sich über in Syrien lebende Verwandte um die Beschaffung neuer „Ungeklärten-Ausweise“ bemüht. Angesichts des Verhaltens des Klägers zu 1) sei unglaubhaft, dass sein roter Staatenlosenausweis auf dem Postwege aus Syrien verlorengegangen sei. Weitere Bemühungen zur Klärung ihrer Identität hätten die Kläger nicht nachgewiesen. Im Übrigen liege wegen des Sozialhilfebezugs der Regelversagungsgrund nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG vor. Ein Anspruch auf Ausstellung von Reiseausweisen für Staatenlose nach Art. 28 S. 1 des Staatenlosenübereinkommens bestehe nicht, da sich die bloß geduldeten Kläger nicht rechtmäßig dauerhaft im Bundesgebiet aufhielten. Auch nach der Wohlwollensklausel in Art. 28 S. 2 des genannten Abkommens könne wegen nicht sicher feststehender Staatenlosigkeit und unzureichender Mitwirkung an der Klärung von Identität und Status kein Reiseausweis erteilt werden.
Den Widerspruch der Kläger wies die Bezirksregierung Weser-Ems mit Bescheid vom 25. Oktober 2002 zurück. Ergänzend führte sie aus, Aufenthaltsbefugnisse für kurdische Flüchtlinge aus Syrien mit behaupteter Staatenlosigkeit könnten nur erteilt werden, wenn eine Rückkehr nach Syrien tatsächlich dauerhaft ausgeschlossen sei und keine andere Staatsangehörigkeit bestehe. Die Kläger hätten nicht hinreichend nachgewiesen, zu welcher Gruppe von Kurden in Syrien sie gehörten, obwohl sie nach § 70 AuslG weitreichende Mitwirkungspflichten hätten. Die zögerliche Mitwirkung deute darauf hin, dass die Kläger die Ausstellung von Reisedokumenten ihres Heimatstaates verhindern wollten. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass sie eine andere, etwa eine türkische oder irakische Staatsangehörigkeit besäßen. Folglich hätten sie das ihrer Abschiebung und ihrer freiwilligen Ausreise entgegenstehende Hindernis zu vertreten, so dass sie Aufenthaltsbefugnisse nicht verlangen könnten. Wegen der fehlenden Möglichkeit eine Aufenthaltsgenehmigung zu erlangen, scheitere auch die Erteilung eines Reiseausweises für Staatenlose im Ermessenswege.
Die Kläger haben am 25. November 2002 Klage erhoben, mit der sie die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen und Reiseausweisen für Staatenlose erstreben. Mit Beschluss der Kammer vom 31. Juli 2003 ist das die Reiseausweise betreffende Begehren abgetrennt worden, das im Verfahren 11 A 2818/03 weitergeführt wird.
Die Kläger tragen im Wesentlichen vor, es bestünde schon kein hinreichender Anlass für eine weitergehende Klärung von Identität und Staatsangehörigkeit nach § 41 Abs. 1 AuslG, weil sie im Asylverfahren durchgehend gleichbleibende und widerspruchsfreie Angaben gemacht hätten. Auch das Verwaltungsgericht gehe in seinem Urteil, mit dem es die Zielstaatsbezeichnung Syrien in der Abschiebungsandrohung aufgehoben habe, davon aus, dass ihre Abschiebung nach Syrien nicht in Betracht komme. Ihnen könne daher nicht vorgehalten werden, dass sie sich nicht hinreichend um eine freiwillige Rückkehr nach Syrien bemüht hatten. Im Rahmen des § 30 Abs. 3 und 4 AuslG könnten zumutbare Mitwirkungshandlungen nicht verlangt werden, wenn sie - wie hier - von vornherein aussichtslos seien, also ausgeschlossen erscheine, dass sie das Abschiebungshindernis beseitigen könnten. Ohne Bedeutung sei dabei, ob das Hindernis schuldhaft geschaffen worden sei. Den Aufforderungen des Beklagten und des Gerichts zur Mitwirkung seien sie jeweils nachgekommen. Sie hätten erforderliche Anträge ausgefüllt und unterzeichnet sowie Ferngespräche nach Syrien geführt. Der Umstand, dass eine Telefonnummer wohl unrichtig notiert worden sei, dürfe nicht zu ihren Lasten gehen. Schließlich sei es Verwandten doch möglich gewesen, auf Umwegen den rot-orangen Auszug des Klägers zu 1) aus dem Ausländerregister Hassake vom 15. Juli 1995 nach Deutschland zu schicken. Entgegen früherer Angaben sei dieses Dokument vereinbarungsgemäß von den Schleppern den Verwandten zurückgereicht worden. Den vom Gericht geforderten Lebenslauf hätten sie vorgelegt. Die Beschaffung von aktuellen Auszügen aus dem Ausländerregister oder sonstigen Dokumenten (etwa Schulzeugnissen) über Verwandte in Syrien sei nicht möglich (vgl. Brief des Bruders des Klägers zu 1) vom 8. Juli 2004). Auch die erfolglosen Bemühungen des Beklagten zur Erlangung von Passersatzpapieren belegten die Aussichtslosigkeit einer weiteren Klärung von Identität und Status sowie die fehlende Rückkehrmöglichkeit. Der Nachweis einer türkischen oder irakischen Staatsangehörigkeit, für die es hier keine Anhaltspunkte gebe, sei in der Regel unmöglich. Auch sie hätten sich vergeblich an die irakische und türkische Botschaft gewandt. Für die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben zur Person und Herkunft spreche ferner, dass sie sich nicht auf eine türkische Staatsangehörigkeit berufen hätten, obwohl ihnen das wegen der anerkannten Gruppenverfolgung von Yeziden in der Türkei zum Vorteil gereicht hätte.
Zu ihren Gunsten sei auch der Erlass des Nds. Innenministeriums - MI - vom 21. Januar 2002 (Nds. MBl. S. 95) zu berücksichtigen. Nach dessen Nr. 4 sei selbst bei ursprünglich zu vertretenden Abschiebungshindernissen die Möglichkeit der Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen eröffnet. Das Ermessen in Art. 28 S. 2, 2. Halbsatz des Staatenlosenübereinkommens sei aufgrund der Wohlwollensklausel eingeschränkt, wenn - wie hier - der Herkunftsstaat wegen seiner Wiedereinreiseverweigerung für sie nicht mehr länger als Land des gewöhnlichen Aufenthalts anzusehen sei.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 17. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 25. Oktober 2002 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihnen Aufenthaltsbefugnisse und Reiseausweise für Staatenlose zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Er bezieht sich auf die angefochtenen Bescheide und hält weiterhin mangels hinreichender Mitwirkung der Kläger deren Status und Staatsangehörigkeit für ungeklärt. Insbesondere habe sich der vorgelegte Auszug des Klägers zu 1) aus dem Ausländerregister nach dem Gutachten des Deutschen Orient-Instituts vom 1. Juni 2004 als Totalfälschung erwiesen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der vorgelegten Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klagen sind zulässig, aber unbegründet.
Die Versagung von Aufenthaltsbefugnissen und Reisedokumenten für Staatenlose in den angefochtenen Bescheiden erweist sich in dem hier für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Die Kläger können weder die begehrten Aufenthaltsbefugnisse und Reisedokumente noch einen Neubescheidung ihre Anträge unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts beanspruchen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf den Ausgangsbescheid des Beklagten und insbesondere auf den ausführlich begründeten Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 25. Oktober 2002 Bezug genommen werden (Feststellung gem. § 117 Abs. 5 VwGO). Zutreffend wird darin zunächst davon ausgegangen, dass den Klägern nach den für abgelehnte Asylbewerber (§ 30 Abs. 5 AuslG) geltenden § 30 Abs. 3 und 4 AuslG Aufenthaltsbefugnisse zu versagen waren. Denn sie haben weder im Zeitpunkt der ausländerbehördlichen Entscheidung noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung hinreichend nachgewiesen, dass ihrer freiwilligen Ausreise oder Abschiebung nach Syrien - oder einen anderen Staat, dessen Staatsangehörigkeit sie haben könnten - Hindernisse entgegenstehen, die sie nicht zu vertreten haben (§ 30 Abs. 3 AuslG) bzw. alle zumutbaren Anforderungen zur Beseitigung des Abschiebungshindernisses erfüllt worden sind (§ 30 Abs. 4 AuslG).
Das Hindernis für eine freiwillige Ausreise und eine zwangsweise Abschiebung ist auch in Fällen wie diesem vordergründig die Passlosigkeit, d.h. das Fehlen eines Nationalpasses oder eines Passersatzpapiers. Bei Kurden aus Syrien wird die Passlosigkeit aber überlagert durch eine häufig zweifelhafte Identität sowie einen ungeklärten Status und eine nicht sicher feststehende Staatsangehörigkeit. Während Kurden mit syrischer Staatsangehörigkeit - jedenfalls nach erfolglosem Asylverfahren - die Erlangung von Passersatzpapieren syrischer Auslandsvertretungen und eine freiwillige Ausreise in ihr Heimatland ohne Weiteres möglich ist, unterliegen Kurden aus Syrien, die dort entweder als registrierte Ausländer oder unregistriert und lediglich von syrischen Behörden geduldet gelebt haben, im Falle einer unerlaubten Ausreise einem Wiedereinreiseverbot des syrischen Staates, so dass generell keine rechtliche oder tatsächliche Möglichkeit einer Rückkehr nach Syrien besteht (vgl. ständige Rechtsprechung in Asylsachen: Nds. OVG, Urteile vom 27. März 2001 - 2 L 2505/98 -, 27. Mai 2003 - 2 L 2040/02 - und 22. Juni 2004 - 2 L 6129/96 - und 2 L 6130/96 - sowie Beschluss vom 2. August 2004 - 2 LA 342/04 -; OVG Sachsen, Urteil vom 22. August 2003 - A 4 B 849/02 - Asylmagazin 1 - 2/2004, 30; OVG Saarlouis, Beschluss vom 13. September 2002 - 3 R 3/02 -; VGH BW, Beschluss vom 13. September 2001 - A 2 S 26/98 -; OVG LSA, Urteil vom 27. Juni 2001 - A 3 S 461/98 - jeweils m.w.N.; Erlass des Nds. Innenministeriums - MI - vom 20. Februar 2003 zur ausländerrechtlichen Behandlung abgelehnter Asylbewerber aus Syrien). In Syrien als Ausländer registrierte, aber auch unregistrierte und bloß geduldete Kurden können im Einzelfall staatenlos sein oder aber eine andere - nämlich insbesondere die türkische oder die irakische Staatsangehörigkeit haben (Auswärtiges Amt - AA -, Lageberichte vom 1. April 2004 und 17. Juli 2003, jeweils Seite 9 ff.; Erlass des Nds. MI vom 20. Februar 2003; Deutsches Orientinstitut - DOI -, Stellungnahmen vom 22. Dezember 2003 an VG Augsburg und an VG Bayreuth; Mitteilung der Deutschen Botschaft Damaskus vom 22. Januar 2002 an den Landkreis Aurich). Der Nachweis des jeweiligen Status ist mit Schwierigkeiten behaftet.
Die als Ausländer registrierten Kurden (mittlerweile ca. 120.000 bis 150.000 Personen) gehören unmittelbar oder als Nachfahren zu einer Personengruppe, die sich anlässlich einer Volkszählung im Jahre 1962 nach syrischer Rechtsansicht illegal im Land aufhielt, weder die syrische noch eine andere Staatsangehörigkeit reklamieren konnte und daher als Ausländer deklariert wurde. Ihr Aufenthalt in Syrien ist - wenn auch unter verminderten staatsbürgerlichen Rechten - gestattet. Für sie wurden und werden seither eigene Personaldokumente (rot-orange Plastikkarten = Ausländerausweise) ausgestellt. Sie werden in einem eigenen Personenstandsregister (Ausländerregister) geführt, aus dem allerdings seit Anfang 2001 keine Auskünfte an ausländische Behörden mehr erteilt werden (vgl. AA, Auskunft vom 14. Januar 2004 an VG Darmstadt; Mitteilung der Deutschen Botschaft Damaskus vom 21. August 2002 an die Stadt Emden). Allerdings erhalten in Syrien lebende Verwandte oder Bekannte auf Anfrage Registerauszüge (vgl. auch Mitteilung der Deutschen Botschaft Damaskus vom 8. März 2000 an das VG Hannover; DOI, Stellungnahmen vom 22. Dezember 2003 an VG Augsburg und an VG Bayreuth).
Die unregistrierten Kurden - Maktumiin - (geschätzt werden ca. 75.000 Personen) werden zwar in Syrien faktisch geduldet, sind aber aus syrischer Sicht rechtlich nicht existent. Bei ihnen handelt es sich nicht nur um (zu verschiedenen Zeiten) nach Syrien gekommene Flüchtlinge. Auch Abkömmlinge aus Ehen zweier Maktumiin und Ehen eines Maktum oder eines Ausländers, der über den rot-orangen Ausweis verfügt, mit einer syrischen Staatsangehörigen unterfallen der Gruppe der unregistrierten Kurden (DOI, Stellungnahmen vom 22. Dezember 2003 an VG Augsburg und an VG Bayreuth sowie vom 22. März 2004 an VG Bayreuth). Sie werden in kein Geburtsregister eingetragen und erhalten mit Ausnahme einer Bestätigung durch örtliche Dorfvorsteher (Muhta-Bescheinigung), die jedoch nicht als Personal- oder Aufenthaltsdokument anzusehen ist, keine Ausweispapiere. Nach der Erkenntnislage und den Erfahrungen des Gerichts aus einer Vielzahl von Asylverfahren syrischer Kurden ist es grundsätzlich möglich, auch Muhta-Bescheinigungen über Verwandte und Bekannte in Syrien zu erlangen. Vereinzelnde Hinweise darauf, dass einige Ortsvorsteher (Muhtas) neuerdings mit geheimdienstlichen Drucks nicht mehr bereit seien, derartige Bescheinigungen auszustellen (Hajo/Savelsberg, Bericht „Ausländer im eigenen Land: Die Situation staatenloser Kurden in Syrien“ vom Mai 2003, Seite 32, Fußnote 58), stellt diese Einschätzung nicht in Frage. Allerdings sind derartige Bescheinigungen auch gegen eine geringe Bezahlung zu bekommen, so dass das Auswärtige Amt ihnen einen minimalen Beweiswert beimisst (vgl. AA, Auskunft vom 14. Januar 2004 an VG Darmstadt; Auskunft der Deutschen Botschaft in Damaskus vom 14. September 2003 an den Landkreis Oldenburg; vgl. auch DOI, Stellungnahmen vom 22. Dezember 2003 an VG Augsburg und an VG Bayreuth sowie vom 22. März 2004 an VG Bayreuth).
Hiervon ausgehend besteht ein Ausreise- und Abschiebungshindernis (faktisch) schon dann, wenn - wie hier - Identität, Status und Staatsangehörigkeit der Ausländer noch nicht abschließend geklärt sind.
Der Ausländer hat das Ausreise- und Abschiebungshindernis im Sinne des § 30 Abs. 3 AuslG zu vertreten, wenn er mögliche und zumutbare Mitwirkungshandlungen zur Beseitigung dieses Hindernisses verweigert oder unterlässt (vgl. VGH BW, Urteil vom 25. Juni 2003 - 13 S 2767/02 - juris). Zu den ihm obliegenden Mitwirkungshandlungen gehört - in Konkretisierung der in § 15 AsylVfG und §§ 8 Abs. 1 Nr. 4, 41 und 70 AuslG geforderten Offenlegung der Identität und der in §§ 4 und 40 AuslG normierten Passpflicht - auch die uneingeschränkte Mitwirkung bei der Klärung eigener Personalien sowie das ernsthafte Bemühen um Erlangung von Reisepapieren bzw. hierfür erforderlicher Dokumente. Mitwirkungshandlungen zur Klärung der Identität sind geboten, wenn und solange ernstliche Zweifel diesbezüglich bestehen. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, wobei das Verhalten des Ausländers (also Art und Inhalt seiner Angaben und die von ihm vorgelegten Dokumente) in den asyl- und ausländerrechtlichen Vorverfahren maßgeblich ist. Zu vertreten hat der Ausländer ein objektiv pflichtwidriges, vorwerfbares Verhalten grundsätzlich dann, wenn es für ein Ausreise- oder Abschiebungshindernis ursächlich geworden ist. Eine Ursächlichkeit in diesem Sinne fehlt allerdings immer dann, wenn von vornherein feststeht, dass das Abschiebungshindernis auch durch ein pflichtgemäßes Verhalten nicht hätte beseitigt werden können. Erscheint es dagegen nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein dem Ausländer mögliches und zumutbares Verhalten zum Wegfall des Abschiebungshindernisses führt und verweigert er dieses, kommt die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG nicht in Betracht. In solchen Fällen kann erst dann davon ausgegangen werden, dass er das Abschiebungshindernis nicht zu vertreten hat, wenn er die ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat und diese dennoch nicht zur Beseitigung des Abschiebungshindernisses geführt haben (vgl. VGH BW, Urteil vom 25. Juni 2003 - 13 S 2767/02 - juris). Danach ist es einem ausreisepflichtigen Ausländer grundsätzlich zumutbar, ernsthafte Bemühungen zur Beschaffung von Dokumenten aus seinem Heimatstaat zu unternehmen und hierfür ggf. selbst einen dort ansässigen Rechtsanwalt zu beauftragen. Dies gilt sowohl für Kurden mit syrischer Staatsangehörigkeit als auch die als Ausländer registrierten Kurden. Eine nähere Klärung von Status und Staatsangehörigkeit insbesondere der unregistrierten Kurden (Maktumiin) erfordert hingegen qualifizierte Angaben der Betroffenen zu ihren Vorfahren (Stammbau der Eltern und Großeltern insbesondere der männlichen Linien), deren Status, Geburts- und Aufenthaltsorte, Registerorte und -nummern sowie die Vorlage von Dokumenten (insbesondere behördliche Bescheinigungen betreffend die Vorfahren), die diese Angaben belegen. Ergänzend können qualifizierte Angaben zu im Bundesgebiet lebenden Angehörigen und deren Status und Staatsangehörigkeit hilfreich sein.
Gibt es bei Maktumiin oder bei in Syrien als Ausländer registrierten Kurden deutliche Hinweise auf eine Herkunft aus einem anderen Staat (etwa Türkei oder Irak), gehört ferner zu den Mitwirkungspflichten, bei den entsprechenden Auslandsvertretungen ernsthaft und unter Vorlage von verfügbaren Identitätsdokumenten oder zumindest qualifizierten Angaben zur eigenen Person und den Vorfahren (s.o.) um die (Wieder-)Erteilung der Staatsangehörigkeit nachzusuchen. Um die Nachhaltigkeit solcher Bemühungen zu dokumentieren, empfiehlt sich eine mit der Ausländerbehörde abgestimmte Vorsprache bei der Auslandsvertretung. In jeden Fall bedarf es eines Nachweises solcher Behördengänge und ggf. ihrer Erfolglosigkeit in geeigneter Form.
Die hier zugrunde gelegten strengen Anforderungen an die Mitwirkungspflichten von Kurden aus Syrien mit zweifelhafter Identität, ungeklärtem Status und nicht sicher feststehender Staatsangehörigkeit finden sich auch in der bisher bekannt gewordenen Rechtsprechung (vgl. VG Hannover, Urteil vom 5. Juni 2003 - 2 A 2611/02 -, bestätigt durch Nds. OVG, Beschluss vom 5. November 2003 - 2 LA 290/03 -; VG Braunschweig, Urteil vom 4. November 2003 - 6 A 81/03 -). Dem steht nicht entgegen, dass nach dem Wortlaut des § 30 Abs. 3 AuslG die Regelversagungsgründe nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 AuslG (Passlosigkeit) und § 8 Abs. 1 Nr. 4 AuslG (ungeklärte Identität und Staatsangehörigkeit) nicht gelten. § 30 Abs. 3 AuslG soll lediglich bei nicht zu vertretender Passlosigkeit bzw. ungeklärter Identität oder Staatsangehörigkeit eine Aufenthaltsbefugnis ermöglichen (vgl. Nr. 30.3.6 der AuslG-VwV; kritisch: OVG Hamburg, Beschluss vom 7. August 2001 - BF 93/99 - NordÖR 2002, 115, 116), nicht aber den Ausländer von vornherein von möglichen und zumutbaren Mitwirkungshandlungen befreien. Dies ergibt sich schon aus der Gesetzessystematik, wonach in vielen Vorschriften die hohe Bedeutung von geklärter Identität und Staatsangehörigkeit sowie der Passpflicht betont wird. Lediglich im nicht vergleichbarem Spezialfall einer Aufenthaltsbefugnis für anerkannte Konventionsflüchtlinge nach § 70 Abs. 1 AsylVfG vermögen Zweifel an Identität und Staatsangehörigkeit zurückstehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - 1 C 3.02 - DVBl. 2003, 723). Bei grundsätzlich ausreisepflichtigen Ausländern entspricht es demgegenüber Sinn und Zweck des Gesetzes, ein Aufenthaltsrecht erst dann einzuräumen, wenn sämtliche zumutbaren Mitwirkungshandlungen des Betroffenen bei Beseitigung des Abschiebungshindernisses erfolglos geblieben sind. Hierzu gehören insbesondere Mitwirkungshandlungen bei der Klärung der eigenen Identität, weil es sich um unvertretbare, d.h. nicht von Behörden oder anderen vorzunehmenden Handlungen des betroffenen Ausländers handelt.
Bei Anwendung dieser Grundsätze scheidet hier die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG aus.
Die Kammer sieht entgegen der Auffassung der Kläger hinreichenden Anlass zu einer weiteren Klärung von Identität, Status und ggf. einer anderen als der syrischen Staatsangehörigkeit und erachtet die bisher erfolgte Mitwirkung als unzureichend und irreführend. Anlass für Zweifel an der behaupteten Identität und dem angegebenen Status ergeben sich aus dem Umstand, dass die Kläger weder im asyl- noch im ausländerrechtlichen Verfahren irgendwelche echten Dokumente über ihre Identität vorgelegt haben. Der Kläger zu 1) hat sowohl im ausländerbehördlichen als auch im gerichtlichen Verfahren nur zögerlich an einer Klärung mitgewirkt. Mehrfach wechselt er seinen Vortrag und verwickelt sich dabei in gravierende Widersprüche. Gegen seine Behauptung, für rot-orange Staatenlosenausweise werde kein Ersatz ausgestellt, spricht schon die im Vermerk vom 6. Dezember 2001 festgehaltene (weitere) Erklärung vor der Ausländerbehörde, ein solcher aus Syrien an ihn versandter Ausweis sei auf dem Postwege verlorengegangen. Denn angesichts seiner Angabe vor dem Bundesamt, Schlepper hätten ihre „Ungeklärten-Ausweise“ weggenommen, müsste es sich bei dem später erwähnten Ausweis um eine Zweitausfertigung gehandelt haben oder eine der beiden Angaben wäre unzutreffend, was erst Recht gegen die Richtigkeit seines Vortrages spräche. In der mündlichen Verhandlung vom 21. April 2004 legte er dann überraschend einen rot-orangen Auszug aus dem Ausländerregister Hassake vom 15. Juli 1995 vor. Schon seine hierzu gegebene Erläuterung, es handele sich um sein früheres Identitätspapier, das vereinbarungsgemäß von den Schleppern an seine Verwandten zurückgereicht worden sei, steht im Widerspruch zu eigenen früheren Einlassungen und erscheint nach den Erfahrungen der Berufsrichter aus einer Vielzahl von Verfahren syrischer Asylbewerber unglaubhaft. Vor allem aber erweist sich dieses Dokument nach dem ausführlichen und plausiblen Gutachten des Deutschen Orient-Instituts vom 1. Juni 2004 als Totalfälschung. Die Vorlage der Fälschung lässt nur den Schluss zu, dass die Kläger die Behörden und das Gericht über ihren wahren Status täuschen wollen.
Die Kläger vermochten es auch nicht, ihr irreführendes und täuschendes Verhalten zu entschuldigen und durch anderweitige qualifizierte Mitwirkungshandlungen zu kompensieren. Die Angaben in ihrem erst kurz vor der weiteren mündlichen Verhandlung vom 8. September 2004 vorlegten Lebenslauf und ihrem Stammbaum sind dürftig und ohne jeglichen Beleg durch aussagekräftige Dokumente (oder zumindest Angaben zu Registerorten und -nummern der Vorfahren). Der zudem vorgelegte Brief des Bruders des Klägers zu 1) vom 8. Juli 2004, wonach es den Klägern nicht möglich sein soll, Dokumente von Behörden oder Einrichtungen (etwa Schulen) zu erhalten, ist unter diesen Umständen als bloße Gefälligkeitsbescheinigung ohne verfahrenserheblichen Beweiswert anzusehen. Nach den Erkenntnissen der Kammer ist es zudem für die im Ausländerregister eingetragenen Kurden, zu denen die Kläger nach ihren Angaben gehören sollen, über Verwandte oder ggf. einen Rechtsanwalt unproblematisch möglich, einen Auszug hieraus zu erhalten (vgl. Auskünfte des Deutschen Orient-Instituts an die VG Augsburg und Bayreuth vom 22. Dezember 2003). Die behaupteten erfolglosen Bemühungen der Kläger bei den türkischen und irakischen Auslandsvertretungen werden schon nicht ansatzweise belegt. Im Übrigen würden ernsthafte Schritte zur (Wieder-)Erteilung der ggf. in Frage kommenden Staatsangehörigkeit ebenfalls die Vorlage von verwertbaren Identitätsdokumenten (oder zumindest qualifizierten Angaben) zur eigenen Person und zu den Vorfahren bei den Auslandsvertretungen erfordern (s.o.), an denen es jedoch infolge unzureichender Mitwirkung der Kläger bislang fehlt.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 4 AuslG liegen ebenfalls nicht vor. Diese Vorschrift stellt auf die Obliegenheit des ausreisepflichtigen Ausländers ab, alles in seiner Kraft stehende und ihm zumutbare dazu beizutragen, etwaige Abschiebungshindernisse zu überwinden. Dafür ist es nicht erforderlich, dass er sich „förmlich“ weigert, ein Abschiebungshindernis zu beseitigen. Es genügt, dass er zumutbare Handlungen zur Ermöglichung seiner Ausreise unterlässt oder verzögert. Derartige Handlungen können nur dann nicht verlangt werden, wenn sie von vornherein aussichtslos sind, d.h. wenn praktisch ausgeschlossen erscheint, dass sie das Abschiebungshindernis beseitigen können (vgl. VGH BW, Urteil vom 25. Juni 2003 - 13 S 2767/02 - juris, m.w.N.). Daran gemessen kommt die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 4 AuslG ebenfalls nicht in Betracht. Denn die Kläger haben die oben näher beschriebenen Mitwirkungshandlungen zur gebotenen Klärung von Identität, Status und ggf. einer anderen als der syrischen Staatsangehörigkeit unterlassen.
Eine Berücksichtigung des Erlasses des Nds. MI vom 21. Januar 2002 (Nds. MBl. Seite 95) führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar ermöglicht der speziellere Erlass des Nds. MI vom 20. Februar 2003 über die ausländerrechtliche Behandlung abgelehnter Asylbewerber aus Syrien gemäß Nr. 6 in Einzelfällen nicht nachgewiesener Staatenlosigkeit die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 30 Abs. 4 i.V.m. § 39 Abs. 1 AuslG und Nr. 4 des Erlasses vom 21. Januar 2002. Voraussetzung ist aber - neben guter Integration, mindestens zwei Jahre unanfechtbarer Ausreisepflicht, Nichtvorliegen der Regelversagungsgründe des § 7 Abs. 2 AuslG, Rücknahme anhängiger Rechtsmittel -, dass zwischenzeitlich alle zumutbaren Anstrengungen unternommen wurden, um die Ausreisehindernisse zu beseitigen. Auch nach Nr. 6 des Erlasses vom 20. Februar 2003 scheidet eine Aufenthaltsbefugnis aus, wenn „der Ausländer seine ungeklärte Identität in vorwerfbarer Weise zu vertreten hat“. Dies ist hier entsprechend den obigen Ausführungen der Fall.
Infolge der vorstehenden Erwägungen kann hier offen bleiben, ob der Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 30 Abs. 3 und 4 AuslG auch der Regelversagungsgrund des § 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG entgegensteht, weil die Kläger bislang Sozialhilfeleistungen bezogen haben und zu bezweifeln ist, ob ihr Lebensunterhalt künftig auf Dauer durch eine (nicht näher belegte) Aushilfstätigkeit des Klägers zu 1) in der Landwirtschaft (vgl. sein am 8. September 2004 vorgelegter Lebenslauf) gesichert ist. Ebenso mag dahinstehen, ob in Fällen wie diesem Besonderheiten hinsichtlich atypischer Umstände, die für ein Absehen von der Regel sprechen könnten, anzuerkennen sind und ob die Kläger davon profitieren könnten.
Die Versagung von Reiseausweisen für Staatenlose in den angefochtenen Bescheiden begegnet ebenso wenig rechtlichen Bedenken. Auch insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Bescheide verwiesen (Feststellung gem. § 117 Abs. 5 VwGO). Darin wird zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf die begehrten Ausweise nach Art. 28 Satz 1 des Staatenlosenübereinkommens - StlÜbk - ausscheidet, weil eine Staatenlosigkeit nicht hinreichend nachgewiesen wurde und sich die Kläger auch nicht rechtmäßig im Sinne der Vorschrift im Bundesgebiet aufhalten (vgl. zum rechtmäßigen Aufenthalt auch Nds. OVG, Beschluss vom 5. November 2003 - 2 LA 290/03 -). Ebenso zutreffend sind die Feststellungen, dass auch nach der Wohlwollensklausel in Art. 28 Satz 2 StlÜbk wegen nicht sicher feststehender Staatenlosigkeit und unzureichender Mitwirkung an der Klärung von Identität und Status ein Reiseausweis nach Ermessen nicht verlangt werden kann.