Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 15.09.2004, Az.: 6 A 1890/02

Beihilfe für Beamte; Fußpflege; Heilhilfsberufe; Orthopädieschuhmacher; Podologe

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
15.09.2004
Aktenzeichen
6 A 1890/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50727
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Fußpflegeleistungen eines Orthopädieschuhmachers sind nicht beihilfefähig, weil dieser nicht zum Kreis der anerkannten Heilhilfsberufe gehört.

Tatbestand:

1

Der im ... geborene Kläger ist als Studienrat an einem Gymnasium tätig und Beamter auf Lebenszeit. Im August 2001 stellte bei ihm sein Hausarzt die Diagnose „Pityriasis rubra pilaris mit Onychomykose“ (sog. Stachelflechte mit einer Infektion der Fußnägel durch Pilze). Der Hautarzt verschrieb daraufhin dem Kläger mit Attest vom 7. August 2001 fünfmal Maßnahmen der medizinischen Fußpflege.

2

Der Kläger ließ diese Fußpflegemaßnahmen bei einem Meister der Orthopädie-Schuhtechnik im Herbst des Jahres 2001 durchführen und die Firma ... erstellte über die fünf Fußpflegebehandlungen unter dem 7. November 2001 eine Rechnung in Höhe von 135,00 DM.

3

Mit Beihilfeantrag vom 10. Dezember 2001 begehrte der Kläger u.a. zu dieser Rechnung von dem Beklagten eine Beihilfe.

4

Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 10. Dezember 2001 ab und führte zur Begründung aus, dass es sich bei dem Behandler nicht um ein in den Beihilfevorschriften bezeichnetes Mitglied eines Heilhilfsberufs handele.

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Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 10. Januar 2002 Widerspruch ein und wies zur Begründung darauf hin, dass im Rahmen einer Ausbildung zum Orthopädieschuhmacher im vierten Lehrjahr auch 60 Stunden zum Erlernen der medizinischen Fußpflege vorgesehen seien. Daher sei es gerechtfertigt, dass deren Leistungen auch im Wege der Beihilfe anerkannt würden.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 3. April 2002 - zugestellt am 11. April 2002 - wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und wiederholte, dass ein Orthopädieschuhmachermeister nicht zum anerkannten Behandlerkreis der in den Beihilfevorschriften angesprochenen Heilhilfsberufe gehöre.

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Am 3. Mai 2002 hat der Kläger Klage erhoben. Er macht geltend: Zu Unrecht versage ihm der Beklagte Leistungen für die medizinische Fußpflege. Denn er habe durch das ärztliche Attest nachgewiesen, dass er an einer seltenen Hautkrankheit gelitten habe, die der fachkundigen Behandlung bedürfe. Da Orthopädieschuhmacher in ihrer Ausbildung mit den Notwendigkeiten der medizinischen Fußpflege vertraut gemacht würden, müsse in entsprechender Anwendung von Ziff. 2 der Hinweise zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 der Beihilfevorschriften eine Ausnahme anerkannt werden. Zudem müsse bedacht werden, dass die Kosten viel höher gewesen wären, wenn der Hautarzt selbst die medizinischen Fußpflegemaßnahmen durchgeführt hätte.

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Der Kläger beantragt,

9

den Beklagten zu verpflichten, ihm auf die Rechnung der Firma ... Orthopädie Schuhtechnik vom 7. November 2001 über 135,00 DM eine Beihilfe zu gewähren, und

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den Bescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2001 und dessen Widerspruchsbescheid vom 3. April 2002 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er wiederholt und vertieft die Begründung der angefochtenen Bescheide und macht geltend, dass nur diejenigen medizinischen Fußpfleger, die nach dem Gesetz über den Beruf der Podologin oder des Podologen vom 4. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3320) anerkannt worden seien, zu den Heil- und Hilfsberufen gehörten, deren Leistungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 der Beihilfevorschriften als beihilfefähig anerkannt werden könnten.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage, über die der Einzelrichter im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, hat keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass im Wege der Beihilfe Kosten der fußpflegerischen Tätigkeit eines Orthopädieschuhmachers übernommen werden. Dazu im Einzelnen:

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Der Klageanspruch richtet sich vorliegend gemäß § 87 c Niedersächsisches Beamtengesetz (NBG) nach den gemäß § 79 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) erlassenen allgemeinen Verwaltungsvorschriften für die Gewährung von Beihilfen im Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV) in der Neufassung vom 1. November 2001 (GMBl. 2001, 918 ff). Dies gilt - jedenfalls für eine Übergangszeit - auch dann, wenn das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 17. Juni 2004 - 2 C 50.02 - NVwZ 2004, 1093 durchgreifende Zweifel daran geäußert hat, dass die Beihilfevorschriften, die im Erlasswege ergangen sind, den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Gesetzesvorbehalts entsprechen. Denn auch wenn es geboten sein sollte, dass derartig bedeutsame Regelungen der Form eines Gesetzes bedürfen, sind jedenfalls als besondere Ausprägung des Fürsorgegrundsatzes die Beihilfevorschriften für eine Übergangszeit weiterhin noch anzuwenden.

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Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 BhV sind beihilfefähig die aus Anlass einer Krankheit entstandenen Aufwendungen einer Heilbehandlung, die von einem Arzt schriftlich verordnet wurden. Nach Satz 3 der Regelung muss die Heilbehandlung von einem ganz bestimmten Heilbehandler durchgeführt worden sein, wie er in diesem Satz abschließend aufgezählt wird. Zu diesem Kreis der Heilbehandler, zu denen die Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten, die Ergo-Therapeuten, die Physiotherapeuten, die Krankengymnasten, die Logopäden, Masseure und medizinischen Bademeister und die Podologen gehören, gehören nicht die orthopädischen Schuhmacher und Schuhmachermeister.

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Ausgehend von diesen Regelungen sind mithin Leistungen, wie sie vorliegend in Streit stehen, von der Beihilfegewährung ausgeschlossen. Dabei ist zu bedenken, dass die Gewährung von Beihilfe Ausdruck der Fürsorgepflicht des Dienstherrn ist (vgl. § 87 Abs. 1 Satz 1 NBG, § 79 BBG). Die Fürsorgepflicht gebietet aber nicht generell, Beihilfe zu jeglichen Aufwendungen zu gewähren, die aus Anlass einer Erkrankung im Einzelfall entstanden sind. Vielmehr können die Beihilfevorschriften Art und Umfang der Fürsorgepflicht des Dienstherrn am Maßstab durchschnittlicher Verhältnisse, losgelöst vom Einzelfall, pauschalierend festlegen und dürfen insbesondere bei bestimmten Erkrankungen bestimmte Voraussetzungen festlegen.

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Durch die Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 BhV ist im vorliegenden Falle durch den Vorschriftengeber bestimmt worden, dass grundsätzlich nur bestimmte Angehörige von Heilhilfsberufen, bei denen nämlich eine staatliche Regelung der Berufsausbildung oder des Berufsbildes besteht, für ihre Aufwendungen die Beihilfefähigkeit erlangen können. Dahinter steht der Gedanke, dass aus der für diesen Behandlerkreis vorausgesetzten besonderen fachlichen Qualifikation sich ohne weiteres für die Beihilfestelle einfach und praktikabel feststellen lässt, ob die in Rede stehende Maßnahme tatsächlich zu den medizinisch notwendigen gehört. Dieser Rückgriff auf die Qualifikation des Behandlers als eines Angehörigen eines Heilhilfsberufs macht daher durchaus einen Sinn, zumal die Abrechenbarkeit der Leistungen der anerkannten medizinischen Fußpfleger auch geregelt ist.

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Zu einer anderen Beurteilung führt auch nicht der Umstand, dass die Orthopädie-Schuhmacher während ihrer Ausbildung mit den Erfordernissen der medizinischen Fußpflege vertraut gemacht werden. Es liegt auf der Hand, dass für jemanden, der in handwerklicher Weise orthopädische Schuhe herstellt, dieser auch medizinische Kenntnisse des Fußes und der Fußpflege haben muss. Gleichwohl stellen diese Grundkenntnisse einen viel geringeren Ausbildungsstand gegenüber dem medizinischen Fußpfleger - dem Podologen - dar, wie er im Podologengesetz festgehalten wurde. Der durch die Ausbildung zum Podologen sichergestellte hohe Qualitätsstandard rechtfertigt es, nur diese Behandler in den Kreis derjenigen aufzunehmen, deren Leistungen beihilfefähig sind. An dieser Betrachtungsweise vermögen auch die zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV ergangenen erläuternden Hinweise des Bundesministers des Inneren nichts zu ändern. Zwar wird in ihnen die Möglichkeit eröffnet, in Reaktion auf neuere Entwicklungen ausnahmsweise weitere Behandler und deren Leistungen in den Kreis der Leistungserbringer aufnehmen zu können. Tatsächlich ist das aber bislang hinsichtlich der Orthopädieschuhmacher nicht erfolgt, so dass aus dieser in den Beihilfenhinweisen eröffneten Möglichkeit nicht geschlussfolgert werden kann, auch im vorliegenden Fall sei von Rechts wegen eine Ausnahme geboten. Da tatsächlich die Podologen nunmehr in den anerkannten Kreis der Heilbehandler aufgenommen worden sind, ist dem Kläger mithin auch die Möglichkeit gegeben, sich dort behandeln zu lassen und später Beihilfen zu deren Aufwendungen zu erhalten. Das Gericht sieht sich daher in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung, die die Aufwendungen für die Teilnahme am Rehabilitationssport in einer Koronarsportgruppe nur dann für beihilfefähig angesehen hat, wenn dieser von einem Angehörigen der Heilhilfsberufe durchgeführt wird (vgl. OVG Koblenz, Beschluss vom 18. Dezember 2000 - 10 A 113890 - NVwZ-RR 2001, 524 = DÖD 2001, 101 [OVG Rheinland-Pfalz 18.12.2000 - 10 A 11389/00]).

21

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gründe, die Berufung zuzulassen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich (vg. § 124 a VwGO).