Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 29.09.2015, Az.: 10 UF 140/14

Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge; Auswahl des Elternteils; Elterliche Sorge

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
29.09.2015
Aktenzeichen
10 UF 140/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 44908
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG - 31.03.2014 - AZ: 619 F 1155/14

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die gemeinsame elterliche Sorge ist ungeachtet des Bestehens eines gesetzlichen Leitbildes zur gemeinsamen Ausübung dann allein einem Elternteil zu übertragen, wenn die Eltern trotz erheblicher ernsthafter Bemühungen (hier: Zwischenvereinbarung vor dem Senat, Inanspruchnahme von Einzel- und Paarberatungen, intensive Elterngespräche unter Einschaltung des Jugendamtes sowie im Rahmen eines Güterichterverfahrens) nicht in der Lage sind, ihre tiefgreifenden Konflikte soweit beizulegen, daß eine gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge ohne Kindeswohlbeeinträchtigung möglich erscheint (Abgrenzung zu Senatsbeschluß vom 16. Januar 2014 - 10 UF 80/13 - FamRZ 2014, 857 f. = NJW 2014, 1309 ff. = NdsRPfl 2014, 123 ff. = NZFam 2014, 376 ff. = JAmt 2014, 281 f. = ZKJ 2014, 206 ff. = juris = BeckRS 2014, 02760).
2. Bei der zu treffenden Auswahl des mit der elterlichen Sorge allein zu betrauenden Elternteils gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB kann es von ausschlaggebender Bedeutung sein, wenn ein Elternteil Medienveröffentlichungen veranlaßt, die durch Namensnennung und Bildveröffentlichung eine weitere erhebliche Belastung des Kindes zur Folge haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn Medienvertreter zu Gesprächen des Verfahrensbevollmächtigten des Elternteils mit dem betroffenen Kind hinzugezogen werden und ihnen dabei auch die Anfertigung von Aufnahmen ermöglicht wird, obwohl dem Elternteil zu diesem Zeitpunkt die gesamte elterliche Sorge entzogen ist und er sich der rechtlichen Konsequenzen daraus bewußt ist.

Tenor:

Auf die Beschwerden der Kindeseltern wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 31. März 2014 geändert.

Die elterliche Sorge für N. S., geboren am 12. Februar 2002, wird insgesamt dem Kindesvater übertragen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Kindesmutter auferlegt.

Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren: 10.000 €.

Gründe

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin, die nicht verheiratet sind oder waren, sind die Eltern des am 12. Februar 2002 geborenen Kindes N. S.. Nach der Trennung der Kindeseltern kam es zu diversen Verfahren vor dem Amtsgericht Hannover, die sowohl den Umgang eines Elternteils mit dem Kind als auch sorgerechtliche Inhalte aufwiesen. Insoweit nimmt der Senat auf die Verfahrensakten des Amtsgerichts Hannover 619 F 6288/12, 619 F 641/14 und 619 F 2319/14 Bezug, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und der Erörterung im Rahmen der Anhörung mit den Beteiligten gewesen sind. Zur Darstellung des sich aus diesen Akten ergebenden wesentlichen Sachverhalts verweist der Senat wiederum auf die Darstellung in den Gründen der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts Hannover vom 31. Mai 2014 (Bl. 34/35 d. A.).

Im April 2014 eskalierte der Streit der Eltern um N., was wiederum zur Einleitung des vorliegenden Verfahrens geführt hat. Das Jugendamt L. hat dem Amtsgericht hierzu mitgeteilt (Bl. 18 d.A.):

„Der Konflikt zwischen den Eltern sei wieder eskaliert. Frau S. habe N. nach Ostern bei sich behalten und angegeben, dass der Junge auf keinen Fall zurück zum Vater wolle. Es habe ein Gespräch zwischen den Eltern, dem Verfahrensbeistand Herrn K., Frau B. und ihm gegeben. Eine Einigung sei nicht erzielt worden. Herr K. habe danach noch ein weiteres Gespräch mit den Eltern und N. gemeinsam geführt. Dabei sei ein offener Streit zwischen den Eltern vor dem Jungen ausgebrochen. N. habe sich geweigert zum Vater zurückzugehen.“

Das Amtsgericht hat im Anschluß daran sowohl die Eltern als auch N. persönlich angehört. Zum Inhalt der Anhörung verweist der Senat auf die Protokolle vom 13. Mai 2014 (Anhörung N., Bl. 32 d. A.) und vom 14. Mai 2014 (Anhörung der Beteiligten, Bl. 30/31 d. A.). Eine Elterneinigung ließ sich im Rahmen der Anhörung nicht erzielen, vielmehr haben die Kindeseltern jeweils beantragt,

ihnen das Aufenthaltsbestimmungsrecht für N. allein zu übertragen.

Das Amtsgericht hat sodann mit seinem Beschluß vom 31. Mai 2014 die wechselseitig gestellten Anträge der Kindeseltern zurückgewiesen und ihnen die elterliche Sorge für N. entzogen. Das Jugendamt L. ist zum Vormund bestellt worden.

Das Amtsgericht hat seine Entscheidung auf §§ 1666, 1666a, 1671 Abs. 3 BGB gestützt und zur Begründung ausgeführt, daß die Entziehung des Sorgerechts zur Abwendung einer vorliegenden Kindeswohlgefährdung zwingend erforderlich sei. Eine solche Gefährdung des seelischen Wohles lasse sich durch immer stärkere Verhaltensauffälligkeiten und Entwicklungsverzögerungen erkennen. Wegen der Einzelheiten der Ausführungen hierzu verweist der Senat auf die angefochtene Entscheidung (Bl. 36-38 d. A.).

Hervorzuheben bleibt, daß das Amtsgericht als Grund für eine innere Zerrissenheit des Kindes festgestellt hat, daß es sowohl der Kindesmutter als auch dem Kindesvater an einem der wichtigsten Punkte hinsichtlich ihrer Förderungsfähigkeit und ihres Förderungswillens mangele, nämlich der Bindungstoleranz. Beide Elternteile seien weder bereit noch fähig, den ungestörten Kontakt des Kindes zum anderen Elternteil zu fördern und zu unterstützen. N. stehe aufgrund des Konfliktes der Eltern untereinander zwischen ihnen und sei völlig hin- und hergerissen. Weder die Mutter noch der Vater seien in der Lage, diese Zerrissenheit des Kindes zu erkennen und zu beseitigen. Sie seien auch nicht in der Lage, ihre Auseinandersetzungen nicht direkt vor dem Kind auszutragen. Das Verhalten der Eltern mache es N. unmöglich gegenüber einem Elternteil zu vertreten, daß es ihm auch beim anderen Elternteil gut gehe und gefalle. Sie würden N. und seine Äußerungen dazu benutzen, ihre ureigensten Interessen im immer noch bestehenden Konflikt mit dem Expartner durchzusetzen.

Gegen diese Entscheidung wenden sich beide Kindeseltern jeweils mit ihren Beschwerden, mit denen sie beantragen,

ihnen die elterliche Sorge allein zu übertragen,

hilfsweise, ihnen das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein zu übertragen.

Wegen der Begründung der beiderseitigen Beschwerden wird auf die Beschwerdeschrift der Kindesmutter (Bl. 71 d. A.) und die Anschlußbeschwerdeschrift des Kindesvaters (Bl. 156 d. A.) verwiesen.

Der Hilfeplan des Jugendamtes der Stadt L. vom 10. Juli 2014 faßt die dort wahrgenommene Vorgeschichte ausführlich zusammen (Bl. 146 - 148 d. A.). Er hebt noch einmal hervor, daß sich nach der Trennung und seit einigen Jahren ein Konflikt zwischen den Eltern aufgebaut habe, unter dem N. sehr leiden mußte. N. sei sehr hin- und hergerissen, er könne sich nicht für Mutter oder Vater entscheiden, jedoch sei ihm dies von beiden Elternteilen abverlangt worden. Es sei auch sehr deutlich geworden, daß die Kindeseltern nicht in der Lage seien, ihre Auseinandersetzung von N. fernzuhalten. Nach der Aufnahme in einer Jugendwohngruppe in B. habe sich aus den Gesprächen mit den Erziehern dort ergeben, daß sich N. Klarheit bei den Kontakten zu seinen Eltern wünsche. Er habe mehrfach berichtet, daß er gerne Kontakt zu beiden Elternteilen haben möchte. Er wünsche sich eine verbindliche Regelung, möchte sich aber nicht mehr entscheiden müssen. Das Jugendamt definierte als Ziel der Hilfemaßnahme, N. wieder zurück in den Haushalt eines Elternteils führen und von dort aus einen klaren geregelten, tolerierten und positiv unterstützten Umgang zum anderen Elternteil aufbauen zu können. Diese Intention hat auch der Senat im vorliegenden Beschwerdeverfahren unterstützt und verfolgt.

In der Folgezeit haben beide Elternteile eine Elternberatung - jeweils nur für sich allein - aufgenommen. Jedoch ist nach den Feststellungen der Sachbearbeiter des Jugendamtes der Stadt L. dadurch keine Veränderung in den Sichtweisen der Kindeseltern eingetreten (vgl. den Bericht vom 13. Februar 2014, Bl. 194/195 d. A.). Vielmehr sei der einzige kleinste gemeinsame Nenner bei den Kindeseltern, daß sie sich eher auf eine Fremdunterbringung von N. einlassen würden, als daß N. bei einem Elternteil lebe.

In einem Gespräch mit den Eltern arbeitete das Jugendamt sodann auf eine Vereinbarung N. betreffend hin. Dort sind sich beide Elternteile einig geworden, daß sie bisher noch keine tragfähige Lösung für N. haben erarbeiten können. Beide hätten die Hoffnung, daß sich durch die Beratungsgespräche eine Besserung der Situation für N. herstellen lasse. Um N. die Möglichkeit einer positiveren Entwicklung zu geben, wollten sie ihm mitteilen, daß sie sich entschieden haben, daß N. dauerhaft in der Einrichtung leben werden und dürfe. Über eine mögliche Rückführung solle nicht mehr mit N. gesprochen werden (Bl. 198 d. A.).

Der Senat hat sodann diese Entwicklung aufgegriffen und durch Verfügung des Vorsitzenden vom 11. März 2015 angeregt, im Rahmen einer Mediation vor dem Güterichter die wechselseitigen Vorbehalte bezüglich der Aufnahme N. in einen der elterlichen Haushalte aufzuklären und Absprachen der Eltern bzw. Hilfen durch das Jugendamt zu finden, die eine solche Entscheidung stützen könnten (Bl. 203/204 d. A.). Beide Kindeseltern haben den Vorschlag des Senats aufgegriffen (Bl. 206/208 d. A.), so daß der Senat die Beteiligten für den Versuch einer gütlichen Einigung an einen nicht entscheidungsbefugten Richter der Güteabteilung des Oberlandesgerichts verwiesen hat (Bl. 209 d. A.).

Mit Verfügung vom 11. Juni 2015 hat der Güterichter dem Senat mitgeteilt, daß die Mediation nicht erfolgreich gewesen sei (Bl. 218 d. A.).

Daraufhin ist durch Verfügung vom 16. Juni 2015 seitens des Vorsitzenden Termin zur Fortsetzung der Anhörung im Beschwerdeverfahren anberaumt worden (Bl. 128R d. A.).

Mit Schriftsatz vom 18. Juni 2015 zeigte der jetzige Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter seine Mandatierung an (Bl. 223 d. A.); gleichzeitig beantragte und erhielt er Einsicht in die Gerichtsakte.

Am 8. Juli 2015 ging beim Senat ein unter dem 30. Juni 2015 gefertigtes maschinenschriftliches Schreiben des Kindes ein, in dem es hieß:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

ich, N. S., möchte Ihnen mitteilen, daß ich beim nächsten Gerichtstermin dabei sein möchte, da ich der Meinung bin, daß das Jugendamt meine Aussagen nicht richtig wiedergibt. Ich habe im Vorfeld dem Jugendamt gegenüber mehrmals geäußert, das ich gerne bei meiner Mutter leben möchte. Dies wurde Ihnen meiner Meinung nach nicht weitergegeben.

Deswegen teile ich Ihnen mit, das ich gerne bei meiner Mutter leben möchte und nicht bei meinem Vater.“

Am 30. Juli 2015 erschien in der Bildzeitung ein Artikel, der sich zum hiesigen Verfahren verhält (Bl. 243 d. A.). Gegenstand dieses Artikels ist unter anderem ein Photo, das N. zusammen mit seiner Kindesmutter zeigt und das unterschrieben ist mit dem Text:

„Umarmung auf Zeit: In den Ferien darf N. drei Wochen zu Mama S., dann muß er zurück ins Heim.“

Unter dem 25. September 2015 berichtete der Vormund N.s, Frau L., zur Vorbereitung der Anhörung vor dem Senat am 29. September 2015 wie folgt:

„Im Juni 2015 habe ich ein längeres Gespräch mit N. geführt (Besuch in einem Eiscafé). Ich habe N. über seine Hobbys, über vergangene Urlaube, Schule usw. befragt. N. hat meine Fragen beantwortet, von sich aus aber kaum etwas erzählt. Ich habe in diesem Gespräch bewußt nichts über die Mutter oder den Vater erfragt, jedoch habe ich mir über die Themen vergangener Urlaube, Freizeitaktivitäten usw. schon ein Bild über ihn machen können.

/

Am 24. August 2015 hatte ich ein weiteres Gespräch mit N., in dem ich ihm noch einmal meine Funktion erklärte. Ich habe ihn gefragt, ob meine Einschätzung, daß er sich nicht entscheiden könne oder wolle, bei wem er leben wolle, richtig sei. Er bestätigte dies. Die Einrichtung sei nicht schlecht und die Betreuer sind nett, aber er würde lieber bei einem Elternteil leben. Ich habe ihm vorgeschlagen, daß ich eine Entscheidung für ihn treffen könne und ob dies für ihn o. K. wäre. Er erklärte, wenn er dann nicht in der Einrichtung bleiben müßte, dann ja. Auf nochmalige Nachfrage, ob das für ihn o. K. sei und ob er das dann annehmen könne, antwortete N., daß er das dann nicht entschieden hätte und keiner auf ihn sauer sein kann.“

Schließlich hat der Senat die Beteiligten persönlich angehört. Wegen der Einzelheiten dieser Anhörung wird auf das Protokoll vom 29. September 2015 verwiesen.

II.

Die zulässigen Rechtsmittel beider Elternteile führen zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

Dabei war eine unmittelbare Entscheidung geboten, nachdem alle Verfahrensbeteiligten ihm Rahmen der Anhörung vor dem Senat ausdrücklich bekräftigt hatten, daß ein weiterer - auch nur vorübergehender - Verbleib N. in der derzeitigen Einrichtung für diesen mit einer zusätzlichen Belastung verbunden sei. Von einer erneuten persönlichen Anhörung N., die auch von keinem Verfahrensbeteiligten erstrebt worden ist, hat der Senat bewußt abgesehen. Nach den ausführlichen Schilderungen des Jugendamtes wie des Verfahrensbeistandes, denen in keiner Weise von anderen Beteiligten entgegengetreten worden ist, wird N. durch eine Situation, in der er sich zu einer konkreten Entscheidung zwischen seinen beiden Eltern genötigt sieht, ganz erheblich belastet. Zugleich hat N. gerade im Rahmen seines erst unlängst diesbezüglich geführten Gespräches mit dem Jugendamt ausdrücklich deutlich gemacht, daß er eine Präferenz nicht hat bzw. jedenfalls nicht äußern will und ihm besonders an einer Entscheidung ohne seine Mitverantwortung für das Ergebnis gelegen ist.

1. Auf der Grundlage der weiteren Ermittlungen des Senates sowie der zwischenzeitlichen Entwicklung vermag der Senat die - vom Amtsgericht noch bejahten - erforderlichen Voraussetzungen für einen beide Kindeseltern betreffenden Entzug der elterlichen Sorge für den gemeinsamen Sohn N. sowie für eine Trennung N.s von seinen Eltern nicht (mehr) festzustellen. Trotz nach wie vor unverändert festzustellender erheblicher Einschränkungen in der Erziehungsfähigkeit beider Elternteile kommt jedenfalls angesichts des von allen Beteiligten übereinstimmend wahrgenommenen Scheiterns des zu seiner Entlastung gedachten Aufenthalts N. in einer Jugendgruppe die Aufrechterhaltung einer derartigen Maßnahme nicht weiter in Betracht. Ungeachtet des in den Haushalten beider Elternteile bei einem Wechsel N.s dorthin jeweils entstehenden erheblichen Hilfebedarfes und der vom Jugendamt wie dem Verfahrensbeistand ausdrücklich betonten Defizite einer derartigen Lösung kann angesichts der eindeutigen Positionierung N.s jedenfalls für den Fall seines Verbleibs in einer Jugendhilfeeinrichtung keine hinreichend sichere Verbesserung seiner Situation angenommen werden. Daher ist eine kurzfristige Rückkehr N.s in einen der elterlichen Haushalte geboten.

Da beide Kindeseltern jeweils eine derartige Aufnahme N.s bei sich persönlich - und nicht etwa dessen Drittunterbringung - beabsichtigen, bedarf es auch insofern keiner Feststellung des Vorliegens der engen Voraussetzungen nach §§ 1666, 1666a BGB.

2. Der Senat sieht allerdings - nicht zuletzt gestützt auch auf die übereinstimmend so wiedergegebene Wahrnehmung aller Verfahrensbeteiligter - zugleich auch keine Grundlage für eine weitere gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge durch die Kindeseltern (§ 1671 BGB).

a. Zwar hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern vom 16. April 2013 (BGBl. I S. 795) dem gesetzlichen Leitbild der gemeinsamen elterliche Sorge Geltung verschafft; danach erfordert auch die Aufhebung der gemeinsamen Sorge über eine schwerwiegende und nachhaltige Störung der elterlichen Kommunikation hinaus die Feststellung, daß den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind erheblich belastet würde, wenn seine Eltern gezwungen würden, die elterliche Sorge weiterhin gemeinsam zu tragen (vgl. grundlegend bereits Senatsbeschluß vom 16. Januar 2014 - 10 UF 80/13 - FamRZ 2014, 857 f. = NJW 2014, 1309 ff. = NdsRPfl 2014, 123 ff. = NZFam 2014, 376 ff. = JAmt 2014, 281 f. = ZKJ 2014, 206 ff. = juris = BeckRS 2014, 02760). Eine derartige erhebliche Belastung des Kindes hat der Senat etwa bejaht, wenn ein Elternteil wegen schwerer Straftaten zum Nachteil des anderen (z.B. mehrfache Körperverletzung und Vergewaltigung) rechtskräftig verurteilt ist und die entsprechenden Taten nach wie vor in Abrede nimmt, so daß eine gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge dem geschädigten Elternteil nicht zuzumuten ist (vgl. Senatsbeschluß vom 19. Mai 2014 - 10 UF 91/14 - MDR 2014, 903 = NZFam 2014, 378 ff. = ZKJ 2015, 74 f. = juris = BeckRS 2014, 70285 = LSK 2014, 330626 [Ls] = FamRZ 2014, 1856 [Ls]).

b. Die gemeinsame elterliche Sorge ist ungeachtet des besagten gesetzlichen Leitbildes weiter auch dann aufzuheben, wenn die Kindeseltern trotz erheblicher ernsthafter Bemühungen nicht in der Lage sind, ihre tiefgreifenden Konflikte soweit beizulegen, daß eine gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge ohne Kindeswohlbeeinträchtigung möglich erscheint.

c. Im Streitfall haben sich die Kindeseltern in diesem Sinne im Rahmen des Beschwerdeverfahrens durch eine Zwischenvereinbarung vor dem Senat, die Inanspruchnahme von Einzel- und Paarberatung, intensive Elterngespräche unter Einschaltung des Jugendamtes sowie im Rahmen eines Güterichterverfahrens jedenfalls vorübergehend ernsthaft um eine Begrenzung bzw. Beilegung ihres Konfliktes bemüht, allerdings ohne greifbaren Erfolg. Ungeachtet dieser Bemühungen ist es ihnen auch nicht gelungen, die von ihrem Streit ausgehende erhebliche Belastung ihres gemeinsamen Sohnes nennenswert zu verringern. Vielmehr ist die bei N. bereits seit geraumer Zeit deutlich festzustellende Belastung durch den unter seiner offenen Einbeziehung ausgetragenen Elternkonflikt im Ergebnis unverändert geblieben und hat nach der übereinstimmenden Schilderung aller Beteiligten im Rahmen der Anhörung vor dem Senat mittlerweile wieder das im Zeitpunkt vor der amtsgerichtlichen Entscheidung bestehende und dort beschriebene Ausmaß angenommen.

Insofern kann auch eine gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge für N. nicht länger aufrechterhalten werden und ist deren Übertragung auf einen der beiden Elternteile vorzunehmen.

3. Bei der Auswahl des mithin mit der Ausübung der elterlichen Sorge für N. allein zu betrauenden Elternteiles überwiegen - ungeachtet aller bei beiden Elternteilen festzustellenden Einschränkungen der Erziehungsfähigkeit - die für den Kindesvater sprechenden Gesichtspunkte deutlich.

a. N. selbst hat - wie sich gerade auch aus seinen jüngsten Äußerungen gegenüber der als Vormund tätigten Jugendamtsmitarbeiterin ergibt - zu beiden Elternteilen ein gleichermaßen gutes Grundverhältnis und keine dauerhaft feststellbaren Präferenzen hinsichtlich eines der Elternteile. Soweit er nach dem Scheitern des Güterichterverfahrens und in zeitlicher Nähe mit den auch über die Medien ausgetragenen Vereinnahmungsversuchen der Kindesmutter in einem maschinengeschriebenen Schriftstück einmalig den Wunsch zu einem Wechsel zur Mutter geäußert hat, kann dem nach den - auf sowohl wiederholt während eines jeweils längeren Zeitraums als auch kurz vor der Anhörung vor dem Senat geführten Gesprächen beruhenden - Berichten des Verfahrensbeistandes wie des Vormundes keine nachhaltige Bedeutung beigemessen werden.

b. Demgegenüber stellt sich bereits die zu erwartende Betreuungssituation im Haushalt des - selbst nicht vollschichtig erwerbstätigen - Kindesvaters als für N. geeigneter dar, in dem mit seiner nachmittags zu Hause befindlichen Lebensgefährtin sowie zwei weiteren Kindern ein stabileres und familiäreres Umfeld gegeben und eine qualifiziertere Nachbetreuung der schulischen Angelegenheiten gesichert ist. Zutreffend hat der Verfahrensbeistand insofern auch darauf hingewiesen, daß N. angesichts seines Alters für seine anstehende Identitätsfindung besonders eines Rückgriffes auf den Kindesvater benötigen wird.

c. Schließlich kommt aber auch dem Verhalten der Kindesmutter, die nach dem Scheitern des Güterichterverfahrens N. unmittelbar im Rahmen der Elternauseinandersetzung instrumentalisiert und durch seine Einbeziehung weiter belastet hat, eine ganz entscheidende Bedeutung zu.

So hat sie - nach ausdrücklicher eigener Angabe im Rahmen ihrer Anhörung - nach bewußter Überlegung und in dem klaren Bewußtsein, nach dem damals wirksam erfolgten Entzug der gesamten elterlichen Sorge dazu nicht berechtigt zu sein, Lichtbilder von N. anfertigen und unter Angaben, die zumindest für das persönliche Umfeld eine Identifizierung ermöglichten, veröffentlichen lassen. Diese erheblichen und offenkundig rechtswidrigen Eingriffe in N.s Persönlichkeitsrechte haben sich - wie sich aus dem ausdrücklichen Bericht des Verfahrensbeistandes ergibt - für N. sehr negativ ausgewirkt, der dadurch weiter in die Auseinandersetzungen einbezogen und belastet worden ist.

In Anrechnung dessen kann auch der Tatsache, daß die - da ohne Zustimmung des damals allein personensorgeberechtigten Vormunds erfolgte - rechtswidrige Entstehung und Veröffentlichung der fraglichen Lichtbildaufnahme auch auf einer eigenen erheblichen Verfehlung des Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter beruhen, keine für die Kindesmutter entscheidend entlastende Bedeutung zukommen.

Dieses - nach eigener Bekundung ganz bewußte - Verhalten der Kindesmutter zeigt überdeutlich, daß sie nicht willens oder in der Lage ist, N. wie geboten aus der bestehenden Elternauseinandersetzung herauszuhalten, sondern ihn dabei vielmehr instrumentalisiert und bewußt weiter einbezieht. Durch ein solches Verhalten wird jedoch N. zusätzlich belastet und ihm die - für seine weitere Entwicklung unverzichtbare - Person seines Vaters entfremdet.

Zugleich spricht ein derartiges kindeswohlgefährdendes wie rechtswidriges Verhalten der Kindesmutter gegen die Annahme, daß sie ihrerseits die auch für sie zwingend erforderlichen öffentlichen Hilfen für die alleinige Betreuung N.s hinreichend verläßlich anzunehmen bereit sein wird.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 87, 81 Abs. 1 FamFG sowie auf § 45 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 FamGKG; beim Verfahrenswert hat der Senat insbesondere auch Umfang und Bedeutung der Sache sowie die Bemühungen im Rahmen des Güterichterverfahrens berücksichtigt.