Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 02.09.2015, Az.: 4 AR 31/15

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
02.09.2015
Aktenzeichen
4 AR 31/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 25578
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2015:0902.4AR31.15.0A

Fundstellen

  • AGS 2015, 451-453
  • JurBüro 2016, 19-20
  • RVGreport 2015, 418-419

Amtlicher Leitsatz

Für den Antrag eines Rechtsanwalts nach § 11 Abs. 1 Satz 1 RVG auf Festsetzung der Vergütung ist sachlich das Vollstreckungsgericht zuständig, soweit der Rechtsanwalt die in der Zwangsvollstreckung bei ihm entstandene Vergütung gegenüber dem eigenen Auftraggeber festsetzen lassen will (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 15. Februar 2005 - X ARZ 409/04, juris Rn. 7).

Örtlich zuständig ist insoweit das Amtsgericht, in dessen Bezirk die letzte Vollstreckungshandlung vorgenommen worden ist (Klarstellung zu bzw. Aufgabe von Senat, Beschluss vom 1. Oktober 2003 - 4 AR 85/03, nicht veröffentlicht).

Tenor:

Das Amtsgericht Stralsund ist zuständig.

Gründe

I.

Der Antragsteller, ein Rechtsanwalt, hat vor dem Amtsgericht Hannover einen Antrag auf Festsetzung der Vergütung gem. § 11 RVG gestellt. Dem liegt zugrunde, dass er für seinen Auftraggeber, den Antragsgegner, im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens tätig gewesen ist, das vor dem AG Hannover stattgefunden hat und in dem der Antragsgegner der Schuldner gewesen ist. Das Amtsgericht Hannover hat den Antragsteller mit Verfügung vom 13. März 2015 darauf hingewiesen, dass die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Vollstreckungsgerichts nicht gegeben sei. Nach der Rechtsprechung des Amtsgerichts Hannover wie auch der des Oberlandesgerichts Celle sei für die Festsetzung nach § 11 RVG gem. § 764 Abs. 2 ZPO dasjenige Vollstreckungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk später die Zwangsvollstreckung stattfinden solle. Nach Anhörung des Antragstellers sowie des - im Gerichtsbezirk des Amtsgerichts Stralsund wohnhaften - Antragsgegners hat das Amtsgericht Hannover sich sodann mit Beschluss vom 27. April 2015 für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht Stralsund - Vollstreckungsgericht - verwiesen. Nach Anhörung des Antragstellers sowie des Antragsgegners hat das Amtsgericht Stralsund sich mit Beschluss vom 7. August 2015 seinerseits für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren zur Zuständigkeitsbestimmung an das Oberlandesgericht Celle abgegeben. Zur Begründung hat das Amtsgericht Stralsund in diesem Beschluss ausgeführt, dass das Vollstreckungsverfahren vor dem Amtsgericht Hannover stattgefunden habe und aufgrund der sich hieraus ergebenden Sachnähe auch nur dieses Gericht über den streitgegenständlichen Antrag des Antragstellers entscheiden könne.

II.

Das Amtsgericht Stralsund war gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO als zuständiges Gericht zu bestimmen. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Hannover vom 27. April 2015 ist für das Amtsgericht Stralsund nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend. Zwar ist - mindestens - die rechtliche Argumentation des Amtsgerichts Hannover in seinem Verweisungsbeschluss nicht richtig. Unabhängig davon, ob nicht von Rechts wegen eine örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Hannover oder ggf. eines dritten Gerichts gegeben gewesen wäre, ist der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Hannover für das Amtsgericht Stralsund aber bindend, da er nicht willkürlich im Sinne der diesbezüglichen Rechtsprechung ist.

1. Grundsätzlich sind Verweisungsbeschlüsse i. S. v. § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO gem. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend. Die Bindungswirkung entfällt nur dann, wenn der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa, weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss. Hierfür genügt nicht, dass der Beschluss inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft ist. Willkür liegt nur vor, wenn dem Verweisungsbeschluss jede rechtliche Grundlage fehlt und er bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (st. Rspr., vgl. z. B. BGH, Beschluss vom 19. Februar 2013 - X ARZ 507/12, juris Rn. 7; BGH, Beschluss vom 17. Mai 2011 - X ARZ 109/11, juris Rn. 9; BGH, Beschluss vom 9. Juli 2002 - X ARZ 110/02, juris Rn. 7).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen kommt dem Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Hannover vom 27. April 2015 eine Bindungswirkung zu.

a) Allerdings ist - mindestens - die rechtliche Argumentation in dem Verweisungsbeschluss vom 27. April 2015 nicht richtig.

aa) Zutreffend ist zunächst die Ausgangsüberlegung des Amtsgerichts Hannover. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 RVG wird die Festsetzung der Vergütung durch das Gericht des ersten Rechtszugs festgesetzt. Soweit es - wie vorliegend - darum geht, dass der Rechtsanwalt die in der Zwangsvollstreckung bei ihm entstandene Vergütung gegenüber dem eigenen Auftraggeber festsetzen lassen will, ist für die Festsetzung das Vollstreckungsgericht sachlich zuständig (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Februar 2005 - X ARZ 409/04, juris Rn. 7).

b) Nicht richtig ist aber, dass - wie es das Amtsgericht Hannover formuliert hat - örtlich zuständig das Vollstreckungsgericht ist, "in dessen Bezirk später die Zwangsvollstreckung stattfinden soll".

bb) Nach der - soweit ersichtlich - einhellig in der Literatur vertretenen Auffassung ist bei einer Fallkonstellation wie der vorstehend unter a) aa) genannten örtlich zuständig das Gericht, in dessen Bezirk die letzte Vollstreckungshandlung vorgenommen worden ist (vgl. Schneider in: Schneider/Wolf, RVG, 7. Aufl., § 11 Rn. 150; Römermann in: Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 11 Rn. 75; Enders in: Hartung/Schons/Enders, RVG, 1. Aufl., § 11 Rn. 31; Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl., § 11 RVG Rn. 41 "Zwangsvollstreckung"). Dem schließt sich der Senat an. Soweit in der vom Amtsgericht Hannover in seinem Verweisungsbeschluss zitierten Senatsentscheidung vom 1. Oktober 2003 (4 AR 85/03, nicht veröffentlicht) Gegenteiliges zum Ausdruck gekommen sein sollte, hält der Senat hieran nicht länger fest.

Welches (Vollstreckungs-)Gericht nach dieser Maßgabe vorliegend tatsächlich örtlich zuständig gewesen ist, ist von dem Amtsgericht Hannover nicht aufgeklärt worden. Hierfür wäre es erforderlich gewesen, die Akte des dem Antrag zugrunde liegenden Vollstreckungsverfahrens beizuziehen, um zu prüfen, in welchem Bezirk die letzte dem Vergütungsantrag zugrunde liegende Vollstreckungshandlung vorgenommen worden ist.

c) Selbst wenn nach den o. g. Grundsätzen eigentlich das Amtsgericht Hannover oder ein drittes Gericht für den streitgegenständlichen Antrag örtlich zuständig gewesen sein sollte, wäre der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Hannover aber nicht als willkürlich zu bewerten. Denn das Amtsgericht Hannover hat sich für seine Rechtsauffassung auf einen Beschluss des Senats vom 1. Oktober 2003 (4 AR 85/03, nicht veröffentlicht) bezogen. In diesem heißt es auszugsweise:

"Gemäß § 764 Abs. 2 ZPO ist als Vollstreckungsgericht das Amtsgericht anzusehen, in dessen Bezirk das Vollstreckungsverfahren stattfinden soll. Mit dem Antrag vom 19. Mai 2003 wollen die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 19 BRAGO die entstandenen Vollstreckungskosten gegen ihre in Hildesheim wohnende Mandantin festsetzen lassen, so dass als örtlich zuständig das Amtsgericht Hildesheim zu bestimmen war."

Da mithin der Senat in der Vergangenheit einmal ausgeführt hat, dass für einen Antrag nach (nunmehr) § 11 RVG örtlich zuständig das Amtsgericht ist, in dessen Bezirk "das Vollstreckungsverfahren stattfinden soll", kann dem Amtsgericht Hannover - Rechtspfleger - kein Willkürvorwurf gemacht werden, wenn er sich bei seiner Verweisung an dieser Entscheidung orientiert. Wie ausgeführt, hält der Senat an jener Entscheidung, an der keines der aktuellen Senatsmitglieder beteiligt gewesen ist, nicht länger fest. Zukünftig wird sich das Grundbuchamt bei Fallgestaltungen wie der vorliegenden daher nicht mehr auf jene Senatsentscheidung aus dem Jahr 2003 stützen können.