Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 24.09.2015, Az.: 13 W 52/15
Zulässigkeit des einstweiligen Rechtsschutzes in Verfahren der Vergabe von Wegerechtskonzessionen nach Abschluss des Konzessionsvertrages
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 24.09.2015
- Aktenzeichen
- 13 W 52/15
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 28282
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2015:0924.13W52.15.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 03.08.2015 - AZ: 74 O 2/15
Rechtsgrundlagen
- BGB § 134
- GWB § 19 Abs. 2 Nr. 1
- GWB § 101a
- EnWG § 46 Abs. 2
Fundstellen
- ER 2016, 47
- RdE 2016, 41-42
Amtlicher Leitsatz
Nach Abschluss eines Konzessionsvertrages kann einstweiliger Rechtsschutz nicht mehr mit dem Ziel begehrt werden, den Abschluss dieses Vertrages zu verhindern.
Die mögliche Unwirksamkeit des abgeschlossenen Konzessionsvertrages ist im Hauptsacheverfahren festzustellen.
Ein Verfügungsgrund für die Untersagung des Vollzuges des geschlossenen Konzessionsvertrages bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens besteht jedenfalls dann nicht, wenn nicht zu besorgen ist, dass der Vollzug dieses Vertrages im konkreten Einzelfall schutzwürdige Interessen des Konzessionsnehmers begründet.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin vom 5. August 2015 gegen den Beschluss der 74. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 3. August 2015 wird zurückgewiesen.
Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Verfügungsbeklagte schrieb im Jahr 2013 die Neuvergabe der Wegerechte für die Gasversorgung in ihrem Gemeindegebiet aus. Die Verfügungsklägerin beteiligte sich an diesem Verfahren. Mit Schreiben vom 9. Juni 2015 informierte die Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin darüber, dass die Verwaltung gegenüber dem Rat der Gemeinde vorschlage, den Wegenutzungsvertrag mit der E. N. GmbH abzuschließen. Am 9. Juli 2015 fasste der Gemeinderat einen entsprechenden Beschluss über die beabsichtigte Vergabe, von dem die Verfügungsklägerin am 20. Juli 2015 auf telefonische Nachfrage in Kenntnis gesetzt wurde.
Mit Schriftsatz vom 30. Juli 2015 hat die Verfügungsklägerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung des Inhaltes beantragt, der Antragsgegnerin zu untersagen, den Beschluss des Gemeinderates zu vollziehen und mit der E. N. GmbH einen Gaskonzessionsvertrag zu schließen, bevor nicht ein transparentes und diskriminierungsfreies Auswahlverfahren durchgeführt und auf dieser Grundlage eine erneute Beschlussfassung des Gemeinderates erfolgt ist. Das Landgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 3. August 2015 zurückgewiesen. Einem Verfügungsgrund stehe entgegen, dass die Verfügungsklägerin nach Bekanntwerden der mit Schreiben vom 19. Juni 2015 mitgeteilten Verwaltungsempfehlung bis zur Stellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung länger als einen Monat zugewartet habe.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin, mit der sie die Abänderung der angefochtenen Entscheidung und primär den Erlass der bereits erstinstanzlich beantragten einstweiligen Verfügung begehrt. Nachdem die Verfügungsbeklagte im Beschwerdeverfahren mitgeteilt hat, den Konzessionsvertrag bereits am 29./30. Juli 2015 mit der E. N. GmbH geschlossen zu haben, beantragt die Verfügungsklägerin hilfsweise,
1.a. es der Verfügungsbeklagten solange zu untersagen, den mit der E. N. GmbH geschlossenen Gaskonzessionsvertrag zu vollziehen, bis sie ein transparentes und diskriminierungsfreies Auswahlverfahren durchgeführt und auf dessen Grundlage erneut beschlossen hat,
und hilfsweise zu 1.a.:
1.b. es der Verfügungsbeklagten solange zu untersagen, den mit der E. N. GmbH geschlossenen Gaskonzessionsvertrag zu vollziehen, bis in der Hauptsache rechtskräftig über die Rechtmäßigkeit dieses Vertrages entschieden wurde.
Von einer Darstellung des weiteren Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1, § 542 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Verfügungsgrund bereits erstinstanzlich fehlte. Jedenfalls bestehen nunmehr für das einstweilige Verfügungsverfahren kein Rechtsschutzbedürfnis und kein Verfügungsgrund mehr, nachdem die Verfügungsbeklagte den Konzessionsvertrag am 29./30. Juli 2015 mit der E. N. GmbH abgeschlossen hat.
1. Der ursprüngliche Verfügungsantrag ist durch den Abschluss des Konzessionsvertrages unzulässig geworden. Die Verfügungsklägerin kann ihr damit verfolgtes Ziel, den Abschluss des Vertrages zu verhindern, nicht mehr erreichen, so dass es bereits am Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Den Abschluss dieses Konzessionsvertrages hat die Verfügungsbeklagte jedenfalls durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung ihrer Bürgermeisterin vom 27. August 2015 glaubhaft gemacht.
Das LG Mainz (Urteil vom 19. Februar 2015 - 12 HK O 2/15, Anlage ASt 37, Umdruck S. 6 f.) hat zwar die Auffassung vertreten, dass ein einstweiliges Verfügungsverfahren, mit dem die Untersagung der Zuschlagserteilung erstrebt wird, mit Abschluss des Vertrages nicht unstatthaft werde, weil dies zu einer unstatthaften Versagung des Rechtsschutzes führte. Diese Auffassung überzeugt jedoch nicht. Der Vertragsschluss als solcher kann in dieser Situation nicht mehr verhindert werden. Rechtsschutzziel kann nur noch sein, die Nichtigkeit des Vertrages nach § 134 BGB i. V. m. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB festzustellen, um die Gemeinde auf diesem Weg zu einer Neuausschreibung zu zwingen. Insoweit besteht aber kein Eilbedarf und damit kein Verfügungsgrund. Aufgrund der Möglichkeit, Rechtsschutz in einem solchen Hauptsacheverfahren zu erlangen, besteht auch aufgrund des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz kein Grund, das einstweilige Verfügungsverfahren mit dem ursprünglichen Rechtsschutzziel fortzuführen.
2. Der Hilfsantrag zu 1.a. ist auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet und damit unzulässig. Seine Begründetheit setzt voraus, dass ein erneutes Auswahlverfahren durchzuführen ist. Dies hängt aber von der im Hauptsacheverfahren zu klärenden Frage ab, ob der bereits geschlossene Konzessionsvertrag nichtig ist. Sollte dies nicht der Fall sein, bestünde kein Beschaffungsbedarf mehr.
3. Diesen Bedenken begegnet der Hilfsantrag zu 1.b. demgegenüber zwar nicht, mit dem nur die Vollziehung des geschlossenen Vertrages bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache über die Rechtmäßigkeit des Vertrages untersagt werden soll. Insoweit fehlt es aber an einem Verfügungsgrund. Die Besorgnis, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, ist nicht glaubhaft gemacht.
Ob die Konzessionsvergabe an die E. N. GmbH die Verfügungsklägerin nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB unbillig behinderte, ist im Hauptsacheverfahren zwar im Wege einer umfassenden Abwägung der Interessen des Marktbeherrschers und derjenigen festzustellen, die durch seine Maßnahme beeinträchtigt werden (vgl. nur Bechtold, GWB, 7. Aufl., § 19 Rdnr. 16 ff.). Grundsätzlich können dabei auch Interessen des durch den Marktbeherrscher begünstigten Unternehmens berücksichtigungsfähig sein (dazu: Markert in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., § 19 Rdnr. 125 m. w. N.).
Die Besorgnis, dass eine ansonsten festzustellende Unwirksamkeit des Konzessionsvertrages nach Beginn des Vollzuges dieses Vertrages nicht mehr festzustellen wäre, besteht aber jedenfalls in dem vorliegenden Fall nicht.
Schon allgemein hat es der Bundesgerichtshof - entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin - offen gelassen, ob nach tatsächlicher Übernahme des Netzes oder Aufnahme des Netzbetriebs schutzwürdige Interessen des dritten Unternehmens bestünden, und vielmehr nur festgestellt, dass dies zuvor "von vornherein" nicht der Fall ist (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - KZR 66/12, juris Tz. 57). Das insbesondere in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dargelegte Verständnis der Verfügungsklägerin, der Bundesgerichtshof sehe die Übertragung des Netzes und die Aufnahme des Netzbetriebes als zeitliche Zäsur, ab der stets die Unwirksamkeit eines Konzessionsvertrages nicht mehr festgestellt werden könne, findet in dieser Entscheidung keinen Ansatz. Eine solche formale Zäsur widerspräche auch der im Rahmen von § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung.
Dass im konkreten Fall solche schutzwürdigen Interessen durch die Vollziehung des Vertrages entstehen könnten, die möglicherweise im Rahmen der Interessenabwägung zu einer der Verfügungsklägerin nachteiligen Entscheidung im Hauptsacheverfahren führen könnten, hat die Verfügungsklägerin nicht glaubhaft gemacht. Ein solches Interesse mag zwar allgemein insbesondere nach einer Übertragung des Netzes nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG bestehen können. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass eine solche Übertragung schon allgemein nicht mit vertretbarem Aufwand rückgängig gemacht werden könnte. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass nach dem eigenen Vortrag der Verfügungsklägerin die bisherige Konzessionärin die mit der E. N. GmbH konzernmäßig verbundene E. AG war. Auch nach Auffassung der Verfügungsklägerin muss das Netz daher "aller Wahrscheinlichkeit nach" nicht auf die E. N. GmbH übertragen werden. Nach dem Vortrag der Verfügungsbeklagten ist Altkonzessionärin sogar die E. N. GmbH selbst.
Der Umstand, ob die E. N. GmbH den Netzbetrieb bis zu einer möglichen Feststellung der Unwirksamkeit des Konzessionsvertrages im Hauptsacheverfahren in Vollzug dieses Konzessionsvertrages oder aber als Altkonzessionärin zur Sicherung der Versorgung durchführt, mag zwar im Innenverhältnis zur Verfügungsbeklagten unter anderem für die Gewährung eines Gemeinderabattes von Bedeutung sein. Diese Differenzierung begründet aber keine unterschiedliche Beurteilung der möglichen Schutzwürdigkeit des Interesses der E. N. GmbH an dem Bestand des Konzessionsvertrages.
Ein sonstiges möglicherweise schutzwürdiges Interesse der E. N. GmbH nach Vollzug des Konzessionsvertrages hat die Verfügungsklägerin weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.
III.
Vor dem Hintergrund der tragenden Erwägung des angefochtenen Beschlusses weist der Senat für die Durchführung des Hauptsacheverfahrens vorsorglich auf Folgendes hin:
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Fehler im Konzessionsverfahren unbeachtlich, wenn der betroffenen Bewerber um die Konzession in Anlehnung an § 101a GWB in Textform über die beabsichtigte Auswahlentscheidung der Kommune unterrichtet und der Konzessionsvertrag erst 15 Kalendertage nach Absendung der Information abgeschlossen wurde (BGH, aaO., Tz. 109). Vorliegend dürfte eine solche Ausschlusswirkung nicht an das Schreiben der Verfügungsbeklagten vom 19. Juni 2015 zu knüpfen sein, mit dem diese den Vorschlag der Verwaltung gegenüber dem Rat der Gemeinde angekündigt hatte, den Wegenutzungsvertrag mit der E. N. GmbH abzuschließen. Es begegnet Bedenken, dass die Verfügungsklägerin allein auf die Ankündigung dieses Vorschlags hin Rechtsschutz hätte erlangen können. Die geplante Beschlussfassung des Gemeinderates kann grundsätzlich nicht im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes angegriffen werden (Theobald in: Danner/Theobald, Energierecht, § 46 EnWG Rdnr. 172 [Stand: Sept. 2013]). Einem Verfügungsantrag vor Ergehen des Ratsbeschlusses dürfte daher das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt haben (vgl. auch Summa in: Heiermann/Zeiss, jurisPK-Vergaberecht, 4. Aufl., § 107 GWB, Rdnr. 27.1).
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.