Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 03.09.2015, Az.: 5 U 8/15

Haftungsverteilung bei Kollision eines einen Bahnübergang bei Rotlicht überquerenden Motorrades mit einem Fahrzeug des Querverkehrs

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
03.09.2015
Aktenzeichen
5 U 8/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 38885
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2015:0903.5U8.15.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 17.12.2014 - AZ: 2 O 298/14

Amtlicher Leitsatz

Rotlicht an einem Bahnübergang soll nicht den Querverkehr aus einer nachfolgenden untergeordneten Straße schützen.

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 17. Dezember 2014 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer/Einzelrichter des Landgerichts Hildesheim teilweise geändert:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein weiteres Schmerzensgeld über den erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag hinaus in Höhe von 3.000 € zu zahlen und zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf diesen Betrag ab dem 14. Juni 2013.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen den Beklagten als Gesamtschuldnern zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

[abgekürzt gem. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO]

Die Berufung des Klägers ist begründet, die der Beklagten unbegründet. Dem Kläger steht aus dem Verkehrsunfall vom 13. August 2012 gegen die Beklagten ein weiteres Schmerzensgeld zu, § 253 Abs. 2 BGB. Die Einwendungen der Beklagten bleiben ohne Erfolg.

I.

1. Nach Vernehmung des Zeugen P. ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger den Bahnübergang bei Rotlicht überquert hat, jedoch nicht bei geschlossenen Einfahrtsschranken. Aus der Aussage des Zeugen P. folgt, dass er durch das laute Motorengeräusch aufmerksam geworden aufgestanden ist und aus dem Fenster gesehen hat. Er gab an, er habe das Motorrad gesehen, wie es um die sich abwärts bewegenden Einfahrtsschranken herum s-förmig gefahren sei. Wie weit die Einfahrtsschranken zu diesem Zeitpunkt bereits gesenkt gewesen seien, wisse er jedoch nicht mehr. Da der Zeuge angegeben hat, es könne sein, dass der Kläger in der Mitte der Straße gefahren sei, um den sich schließenden Schranken auszuweichen, besteht die Möglichkeit, dass die Schranken erst angefangen hatten, sich zu senken. Der Zeuge P. war sich hinsichtlich der Stellung der Schranken unsicher. Damit kann der Senat nicht feststellen, dass der Kläger bei bereits geschlossenen Einfahrtsschranken den Bahnübergang passiert hätte.

Den Angaben des Beklagten zu 1 konnte der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, dass der Beklagte zu 1 etwa erst bei bereits geschlossenen Einfahrtsschranken losgefahren wäre.

2. Bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile fällt zu Lasten des Klägers lediglich die Betriebsgefahr des Motorrades mit 25 % ins Gewicht. Ein Geschwindigkeitsverstoß ist nicht festgestellt. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass es ohne Belang ist, ob der Kläger etwa vor dem Bahnübergang die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten hätte. Zudem lässt sich auch das nicht feststellen. Den Angaben des Zeugen P., das seien "keine 50 km/h gewesen", kommt keinerlei Beweiswert zu. Im Übrigen stehen die Ausführungen in dem schriftlichen Sachverständigengutachten dagegen.

Der Rotlichtverstoß ist dem Kläger im Verhältnis zum Beklagten zu 1 nicht anzulasten, denn das Rotlicht an dem Bahnübergang sollte nicht den Querverkehr aus der nachfolgenden untergeordneten Straße schützen. (Erst) Geschlossene Schranken hätten nach Ansicht des Senates ein schützenswertes Vertrauen des Beklagten zu 1 begründet, dass aus der vorfahrtsberechtigten Straße niemand mehr kommt.

Dem Beklagten zu 1 ist neben seiner Betriebsgefahr der Vorfahrtsverstoß anzulasten. Nach Auffassung des Senats ist der Unfall mit einer Haftungsquote von 75%:25 % zu Gunsten des Klägers zu regulieren.

II.

Hinsichtlich der Höhe des geforderten Schmerzensgeldes ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Kläger um einen vergleichsweise jungen Mann handelt, der aufgrund der erlittenen Verletzungen am Handgelenk und am Fußgelenk Gefahr läuft, später weitere nicht unerhebliche Beschwerden auszubilden. Das Schmerzensgeld war daher maßvoll zu erhöhen. Der Senat hält unter Berücksichtigung der Mitverursachung ein Schmerzensgeld von insgesamt 8.000 € für angemessen, § 253 Abs. 2 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 Abs. 2 ZPO.