Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 23.02.2006, Az.: 8 U 161/05

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
23.02.2006
Aktenzeichen
8 U 161/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 42161
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2006:0223.8U161.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 26.08.2005 - AZ: 8 O 91/05

Tenor:

  1. Die Berufung des Klägers gegen das am 26. August 2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

  2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

Die Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, 1. Alt., § 546 ZPO), noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1, 2. Alt. ZPO). Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung von 9 000 € wegen des Diebstahls seines Motorrades Harley-Davidson gem. § 1 Abs. 1 S. 1, § 49 VVG, §§ 12, 13 AKB gegen die Beklagte zu. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass die Beklagte gem. § 61 VVG leistungsfrei ist.

2

1. Die Anwendung des § 61 VVG setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer durch sein Verhalten den vertragsgemäß vorausgesetzten Sicherheitsstandard gegenüber der Diebstahlsgefahr deutlich unterschritten hat (BGH VersR 1984, 29; Urteile des Senats vom 23. September 2004 - 8 U 128/03 -, in: ZfS 2004, 564, 565 [OLG Celle 23.09.2004 - 8 U 128/03]; vom 14. Juli 2005 - 8 U 31/05 -, in: ZfS 2005, 607 [OLG Celle 14.07.2005 - 8 U 31/05]). In objektiver Hinsicht muss er die drohende Verwirklichung der versicherten Gefahr in gravierendem Ausmaß zulassen, obwohl er die geeigneten Mittel zum Schutz der versicherten Interessen in der Hand hat und er bei zumutbarer Wahrnehmung seiner Belange auch davon Gebrauch machen könnte. Ferner muss er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt durch ein subjektiv unentschuldbares Fehlverhalten in hohem Maß außer Acht gelassen und das Nächstliegende, was jedem in der gegebenen Situation einleuchtet, nicht beachtet haben (BGH VersR 2003, 364 [BGH 29.01.2003 - IV ZR 173/01]; 1989, 141) .

3

Hier hat der Kläger sämtliche erforderlichen Sicherungsmaßnahmen unterlassen, um den Diebstahl des Motorrades zu verhindern, obwohl ihm diese ohne weiteres möglich gewesen wären. Zunächst war das Motorrad selbst gegen einen Diebstahl in keiner Weise geschützt. Es verfügte über kein Lenkradschloss mehr, nachdem der Kläger Ende 2003 an ihm hatte Umbauarbeiten durch einen Lenkeraufbau vornehmen lassen. Das Motorrad konnte sodann schlicht durch Kurzschließen der Zündung, Wegschieben oder Verladen von seinem Standort entfernt werden (vgl. auch § 38a Abs. 2 StVZO, wonach Krafträder mit einer Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung ausgerüstet sein müssen). Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, er habe sich darauf verlassen, dass die Werkstatt keine Umbauarbeiten vornehme, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstießen. Immerhin hat er selbst den Auftrag zu den Umbauarbeiten gegeben. Da der Diebstahl sich etwa erst 1 Jahr nach diesen Arbeiten ereignete, kann ihm auch nicht verborgen geblieben sein, dass das Lenkradschloss nicht mehr funktionierte. Der Kläger hat das Motorrad auch nicht etwa anderweitig durch ein Kettenschloss o. ä. gesichert. Auch in der Rechtsprechung ist anerkannt, dass das Nichtbetätigen des Lenkradschlosses ein Umstand im Rahmen der Annahme grober Fahrlässigkeit ist (österr. OGH ZfS 1999, 247; OLG Hamburg VersR 1974, 325).

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Entscheidend kommt hinzu, dass der Kläger das Motorrad dann noch in seiner Garage abgestellt hat, die zwar geschlossen, aber nicht abgeschlossen war. Hier war es einem Dieb deshalb ohne weiteres möglich, schlicht das Garagentor zu öffnen und das Motorrad herauszuschieben. Irgendeinen nachvollziehbaren Grund, warum er die Garage nicht abgeschlossen hat, hat der Kläger nicht geliefert. Vielmehr ist diese zweifache Unterlassung des Klägers, das Motorrad selbst zu sichern sowie die Garage abzuschließen, als grob fahrlässig zu werten (so auch für einen vergleichbaren Fall österr. OGH ZfS 1999, 247). Die vom Kläger herangezogenen Entlastungsumstände vermögen den Vorwurf grober Fahrlässigkeit demgegenüber nicht entfallen zu lassen. Keine Rolle spielt es zunächst, ob seine Behauptung zutrifft, die Batterie des Motorrades sei leer gewesen, so dass es nicht mehr fahrbereit gewesen sei. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, hindert dies nicht einen Diebstahl durch Wegschieben des Motorrades und dann Verladen auf einen Anhänger oder Unterstellen in einem nahegelegenen Gebäude o. ä.. Insoweit ist alleine wegen der geringeren Größe eines Motorrades sein Diebstahl gegenüber einem Pkw ungleich leichter möglich, auch wenn es selbst nicht fahrfähig ist. Die leere Batterie stellt gegenüber dem Nichtvorhandensein eines Lenkradschlosses sowie einer nicht abgeschlossenen Garage keine ausreichende anderweitige Sicherungsmaßnahme dar.

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Ohne Erfolg macht der Kläger ferner geltend, ein Dieb habe wegen der Lage des Grundstücks und der Garage jederzeit mit einer Entdeckung rechnen müssen. Davon kann hier angesichts der vorliegenden Lichtbilder keine Rede sein. Aus diesen ergibt sich vielmehr im Gegenteil, dass die Garage bereits von der Straße aus zu sehen ist und nach nur wenigen Metern von der offenen Einfahrt auf das Grundstück zu erreichen ist. Ein Diebstahl konnte hier mithin innerhalb kürzester Zeit erfolgen. Weder der Umstand, dass die Garage unmittelbar an das Wohnhaus angebaut ist, noch die Tatsache, dass der Kläger nur in einem kleinen, 100 Einwohner zählenden Dorf lebt, berechtigten ihn, darauf zu vertrauen, zu dem Diebstahl werde es nicht kommen. Wenn ein Täter nachts tätig wird, muss er gerade in einer kleinen Ortschaft, wenn sich dort niemand auf der Straße befindet, mit keinerlei Entdeckung rechnen. Aber auch tagsüber ist hier ein Diebstahl gerade angesichts der örtlichen Gegebenheiten leicht möglich, zumal der Kläger und seine Ehefrau wegen ihrer Berufstätigkeit auch nicht immer zu Hause waren.

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Auch stellt eine geschlossene, aber nicht verschlossene Garage für einen interessierten Täter kein "sozialpsychlogisches Hemmnis" dar. Soweit der Senat einmal auf diesen Umstand abgestellt hat, betraf er nicht die Anwendung des § 61 VVG, sondern die Frage, wann von einem umfriedeten Abstellplatz im Sinne von § 5a Abs. 2 AKB ausgegangen werden kann (Urteil vom 4. Oktober 1989 - 8 U 10/89 -, in: ZfS 1990, 203: einschränkend dann auch wieder Senat im Urteil vom 27. Mai 1992 - 8 U 123/91 -, in: ZfS 1992, 269).

7

Der Kläger hat auch subjektiv grob fahrlässig gehandelt. Durchgreifende Umstände, die sein Verhalten in milderem Licht erscheinen lassen könnten, sind nicht ersichtlich. Das Lenkradschloss fehlte bereits seit einem Jahr und war auf eigene Anweisung des Klägers im Rahmen der Umbauarbeiten entfernt worden. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, er habe etwa nur einmal versehentlich das Garagentor nicht abgeschlossen. Warum dieses offen war, ist von ihm nicht weiter problematisiert worden. Er hat hier auch keine regelmäßigen Kontrollen durchgeführt, ob das Motorrad noch da und die Garage abgeschlossen ist. Der Kläger und seine Ehefrau sind auch keineswegs stets vor Ort gewesen, so dass sie darauf hätten vertrauen dürfen, sie würden das Betreten des Grundstücks durch einen Unbefugten in jedem Fall bemerken.

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2. Auch die vom Versicherer zu beweisende Kausalität des grob fahrlässigen Verhaltens für den Eintritt des Versicherungsfalles ist gegeben. Zwar stehen die genauen Umstände der Entwendung des Motorrades nicht fest. Zu Recht hat das Landgericht jedoch im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO angenommen, dass ein dann auch erfolgter Diebstahl durch das Nichtabschließen und Sichern des Motorrades aus einer unverschlossenen Garage wesentlich erleichtert wurde. Ohne das Verhalten des Klägers wäre der Versicherungsfall nicht so wie tatsächlich geschehen eingetreten. Mehr muss der Versicherer nicht beweisen (BGH VersR 1986, 962 [BGH 14.07.1986 - IVa ZR 22/85]). Demgegenüber muss der Versicherungsnehmer darlegen und beweisen, dass es zu dem Diebstahl auch bei nicht grob fahrlässigem Verhalten in gleicher Weise gekommen wäre (vgl. Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 61 Rdnr. 92). Hierfür fehlt es an jedem Vortrag des Klägers. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es zu dem Diebstahl auch bei verschlossener Garage und durch Lenkradschloss o. ä. gesichertem Motorrad gekommen wäre. Gerade bei der behaupteten leeren Batterie wäre ein Wegschieben bei funktionsfähigem Lenkradschloss erheblich erschwert gewesen.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.