Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 27.02.2006, Az.: 1 U 68/05
Verspätete Einleitung der Sectio als grober Behandlungsfehler; Beweiserleichterungen für die Kausalität zwischen Fehler und Gesundheitsschaden; Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen ärztlicher Fehler in Zusammenhang mit der Geburt; Kausalität zwischen dem verzögerten Einleiten der Sectio und dem Gesundheitsschaden der Mutter
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 27.02.2006
- Aktenzeichen
- 1 U 68/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 34646
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2006:0227.1U68.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Stade - 06.07.2005 - AZ: 5 O 275/04
Fundstellen
- MedR 2007, 42 (red. Leitsatz)
- VersR 2007, II Heft 12 (red. Leitsatz)
- VersR 2007, 543-544 (Volltext mit red. LS)
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die verspätete Anordnung und Durchführung der Sectio ist ein grober Behandlungsfehler, der zu Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen zugunsten des Verletzten führt. Es handelt sich um einen so groben Behandlungsfehler, dass dem Verletzten Beweiserleichterungen für die Kausalität zwischen Fehler und Gesundheitsschaden zu Gute kommen.
- 2.
Bei einem vorliegenden pH-Wert der Mikroblutuntersuchung eines in der Geburt befindlichen Kindes von unter 7,20 ist die Durchführung der Sectio zwingend. Dieses Wissen war auch schon Mitte der Neunzehnhundertneunziger Jahre medizinischer Standard.
In dem Rechtsstreit ...
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 13. Februar 2006
durch
den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. H sowie
die Richter am Oberlandesgericht Dr. G und Dr. B
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 6. Juli 2005 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stade wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung haben die Beklagten zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen ärztlicher Fehler in Zusammenhang mit ihrer Geburt.
I.
Die mit der Klägerin schwangere Mutter der Klägerin wurde am 27. Mai 1996 in der 33. oder 34. Schwangerschaftswoche (genau ist das nicht mehr feststellbar) nach einem vorzeitigen Blasensprung stationär in der Klinik der Beklagten zu 1 aufgenommen. Am 29. Mai 1996 kam es im CTG zu kleinen, schmalen Dezellerationen und außerdem zu einer leichten Wehentätigkeit. Daraufhin wurde die Geburt eingeleitet; der unter der Leitung des Beklagten zu 2 stehende Geburtsverlauf gestaltete sich wie folgt:
Um 21:40 Uhr wurde der Klägerin ein Prostaglandin-Gel zur Wehenförderung gegeben. Eine Stunde später - um 22:40 Uhr - stand das Köpfchen der Klägerin beweglich auf dem Beckeneingang, der Muttermund war 2 cm geöffnet; die Mutter der Klägerin erhielt intramuskulär ein Schmerzmittel verabreicht. Für 0:30 Uhr ist dokumentiert: "MM 3 cm, Kopf beweglich, Beckeneingang, Dip I". Um 0:50 Uhr wurde erneut intramuskulär ein Schmerzmittel gegeben. Für 1:30 Uhr ist die fast vollständige Öffnung des Muttermundes dokumentiert. Für 1:40 Uhr ergibt sich aus der Dokumentation: "Im CTG regelmäßig tiefe Dip I bis auf 70 spm bei rascher Erholung der kindlichen Herztöne". Auch die Beklagten werten dieses CTG als pathologisch.
Um 1:44 Uhr erfolgte die erste Mikroblutuntersuchung der Klägerin; sie ergab einen pH-Wert von 7,18 (Praeazidose). Der Beklagte zu 2 legte eine Kopfschwarten-Elektrode an und verordnete angesichts des eingetretenen Geburtsstillstandes zur Unterstützung der Wehen die Anlage eines Wehentropfes. Wohl gegen 1:50 Uhr wurde Orasthin verabreicht, das den Wirkstoff Oxytocin enthält. Die um 2:02 und 2:18 Uhr durchgeführten weiteren MBU ergaben wiederum den pH-Wert von 7,18. Anschließend veranlasste der Beklagte zu 2 eine Tokolyse zur Wehenhemmung. Für 2:30 Uhr lautet seine Dokumentation: "Im CTG jetzt weiterhin Tiefe Dips I, unveränderter vaginaler Befund - 3 ml Partusisten - Entschluss zur Sectio wegen pathologischem CTG". Um 2:52 Uhr wurde die Klägerin per Sectio aus einer Hinterhauptslage entwickelt. Ihr Zustand war schlecht, der pH-Wert lag nur noch bei 7,09.
Bis zum 2. Juli 1996 wurde die Klägerin in der Kinderklinik der Beklagten zu 1 behandelt. Die Diagnose dort lautete: "Frühgeburt in der 34. Schwangerschaftswoche, perinatale Asphyxie, Hirnblutung IV , Nebennierenblutung, posthämorrhagischer Hydrozephalus, periventrikuläre Leukomalazie."
In der Folgezeit entwickelte sich bei der Klägerin eine schwere körperliche und geistige Behinderung; die Einzelheiten hierzu sind streitig.
Die Klägerin hat behauptet, die Geburt hätte mangels entsprechender Indikation nicht durch eine Prostaglandin-Gel-Applizierung eingeleitet werden dürfen. Angesichts der heftigen Wehentätigkeit, eines hypoxieverdächtigen CTG und fetaler Azidose gegen 1:50 Uhr sei es völlig verfehlt gewesen, zusätzlich einen Wehentropf mit Oxytocin einzusetzen. Das hätte frühestens sechs Stunden nach der Prostaglandin-Gabe erfolgen dürfen; die verfrühte Gabe habe zu einer weiteren Verschlechterung der fetalen Sauerstoffversorgung geführt.
Darüber hinaus hätte angesichts der erhobenen medizinischen Befunde spätestens um 2:10 Uhr die Indikation zur Sectio gestellt werden müssen. Schon vorher habe sich der später bestätigte Verdacht auf eine Lageanomalie (Hinterhauptslage) aufgedrängt. Daraus habe sich die Notwendigkeit einer Sectio ergeben, welche pflichtwidrig nicht vorgenommen worden sei.
Überhaupt sei die kardiotokographische Überwachung der Geburt nur unzureichend gewesen. Schließlich sei die Mutter der Klägerin auch nicht früh genug über die Möglichkeit einer Sectio aufgeklärt worden. Wäre das geschehen, hätte sie sich dafür entschieden.
Bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten zu 2 - so hat die Klägerin weiter behauptet - wäre es nicht zu einer Sauerstoffunterversorgung und den kausal darauf beruhenden Blutungen sowie den wiederum darauf beruhenden Behinderungen gekommen.
Die Klägerin hat beantragt,
- 1.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie wegen der fehlerhaften Geburtshilfe am 30. Mai 1996 ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB seit dem 16. Januar 2001;
- 2.
festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner dazu verpflichtet sind, der Klägerin alle materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus der fehlerhaften Geburtshilfe am 30. Mai 1996 entstanden sind und in Zukunft noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht in Folge zeitlicher und sachlicher Kongruenz auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben Behandlungsfehler sowie die Kausalität etwaiger Fehler bestritten; auch bei frühzeitigerer Sectio wäre die Klägerin in gleicher Weise geschädigt gewesen. Mit Nichtwissen haben sie das Ausmaß der von der Klägerin geltend gemachten Behinderungen bestritten.
Das Landgericht hat ein gynäkologisch-geburtshilfliches Gutachten nebst Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Dr. F sowie ein neonatologisch-pädiatrisches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H eingeholt.
Gestützt darauf hat das Landgericht der Klage - bis auf einen Teil der Zinsforderung - stattgegeben: Dem Beklagten sei zunächst schon im Zusammenhang mit der Gabe von Oxytocin ein Behandlungsfehler unterlaufen. Überdies hätte bereits um 1:35 Uhr angesichts der Frühgeburtlichkeit, des Blasensprungs und eines Amnioninfektionsyndroms die Indikation für eine Sectio gestellt werden müssen. Spätestens um 1:40 Uhr sei auch die relative Fehllage der Klägerin erkennbar gewesen; auch dies hätte zu einer Sectio führen müssen. Teilweise treffe die Beklagten deshalb der Vorwurf eines groben Behandlungsfehlers. Bei korrektem ärztlichen Verhalten wären die Hirnblutungen und die damit verbundenen Behinderungen der Klägerin vermieden worden. Zum Ausgleich dafür sei ein Schmerzensgeld von 300.000 EUR angemessen.
Hiergegen wenden die Beklagten sich mit ihrer Berufung:
Sie berufen sich darauf, dass aus den Ausführungen des Sachverständigen Dr. F nicht deutlich werde, ob die konkrete Orasthin-Gabe schon für den hier maßgebenden Vorfallszeitpunkt im Mai 1996 als fehlerhaft anzusehen sei. Offen sei auch, ob sich die Orasthin-Gabe überhaupt schädigend ausgewirkt habe.
In der verspäteten Indikation zu einer Sectio liege (vielleicht) ein Behandlungsfehler, nicht aber ein grober Behandlungsfehler. Die anders lautenden Feststellungen des Landgerichts würden vom Gutachten des Sachverständigen Dr. F nicht gedeckt.
Die Kausalität der bei der Klägerin vorliegenden Behinderungen sei nicht eindeutig geklärt.
Im Übrigen seien die Behinderungen auch als solche nicht hinreichend nachgewiesen. Der Sachverständige Prof. Dr. H habe die Klägerin nicht selbst untersucht, sondern habe seinem Gutachten lediglich Untersuchungsbefunde des Hausarztes zu Grunde gelegt.
Das zuerkannte Schmerzensgeld sei übersetzt.
Die Beklagten beantragen,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. H und Dr. F. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die schriftlichen Gutachten der Sachverständigen vom 5. bzw. 22. Dezember 2005.
II.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das landgerichtliche Urteil erweist sich auch angesichts der Berufungsangriffe als richtig.
1.
Dem Beklagten zu 2 sind mehrere Behandlungsfehler unterlaufen. Der gravierendste Fehler, die verspätete Einleitung der Sectio stellt sich als grober Fehler dar, so dass der Klägerin Beweiserleichterungen für die Kausalität zwischen Fehler und Gesundheitsschaden zu gute kommen:
Es war ein - grober - Behandlungsfehler, dass die Sectio erst um 2.30 Uhr - verspätet - angeordnet und dann durchgeführt worden ist. Insoweit hat der Sachverständige Dr. F in seiner vom Senat eingeholten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme ausgeführt und näher begründet. Bei dem um 1.35 Uhr vorliegenden pH-Wert der MBU von unter 7,20 sei die Durchführung der Sectio zwingend gewesen. Die Unterlassung stelle einen Behandlungsfehler dar, der aus medizinischer Sicht - auch schon Mitte der 90er Jahre - nicht verständlich sei (Gutachten vom 22. Dezember 2005). Gerade bei einem Frühgeborenen - so hat der Sachverständige ausgeführt - seien riskante vaginale Operationen möglichst zu vermeiden, weil derartige Eingriffe zu einer weiteren Verschlechterung des pH-Wertes des Kindes führen würden. Vorliegend sei im Zuge der Prolongation der azidotische pH-Wert zweimal bestätigt worden, ohne dass aktive geburtshilfliche Konsequenzen eingeleitet worden seien.
Insoweit hat der Sachverständige Dr. F seine Ausführungen aus dem erstinstanzlich eingeholten Gutachten von 2003 bestätigt und konkretisiert. Auch dort hatte er bereits ausgeführt, gerade in der klinischen Gesamtsituation (Frühgeburtlichkeit, vorzeitiger Blasensprung, Amnioninfektionssyndrom) hätte spätestens um 1.35 Uhr mit einer Sectio reagiert werden müssen. Nicht einmal die zweite MBU, die um 2.00 Uhr ebenfalls einen reaktionspflichtigen Befund erbracht habe, habe - obwohl ein Zuwarten nunmehr "kaum verständlich" gewesen sei - zur Einleitung der Sectio geführt (ebd., S. 28 f.).
Lediglich ergänzend sei angeführt, dass der Sachverständige Dr. F neben der grob fehlerhaft verzögerten Einleitung der Sectio weitere Mängel im Geburtsmanagement festgestellt hat, was zeigt, dass dieses insgesamte äußerst unzulänglich war.
Insoweit sei nur erwähnt, dass die zeitnahe Gabe von Prostaglandinen (hier um 21.40 Uhr) und Oxytocin (hier gegen 1.50 Uhr am Folgetag) zu Überstimulationen führen können und unbedingt vermieden werden müssen. Es sei - so der Sachverständige Dr. F - eine Karenzzeit von mindestens sechs Stunden einzuhalten, die im vorliegenden Fall deutlich unterschritten worden ist. Der Gabe von Oxytocin gegen 1.50 Uhr habe im Übrigen auch das zunehmend pathologischen CTG entgegen gestanden (Gutachten 2003).
Entgegen dem Vortrag der Beklagten im Berufungsrechtszug war das entsprechende Wissen auch schon im Jahre 1996 medizinischer Standard. Insoweit wird auf die vom Sachverständigen Dr. F angeführten exakten Zitate und Hinweise in der von ihm angeführten (Standard-) Literatur Bezug genommen.
Einwendungen gegen die insoweit klarstellenden und ergänzenden Ausführungen in dem ergänzenden Gutachten vom 22. Dezember 2005 - auf dessen Inhalt verwiesen wird - haben die Beklagten nicht mehr erhoben.
Der Senat schließt sich den klaren und in sich schlüssigen Ausführungen des - gerichtserfahrenen - Sachverständigen in vollem Umfang an.
2.
Angesichts der mit dem groben Behandlungsfehler verbundenen Beweiserleichterungen ist ohne jede Einschränkung von einer Kausalität zwischen dem verzögerten Einleiten der Sectio als grobem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden der Klägerin auszugehen.
Darüber hinaus kann der Kausalzusammenhang zwischen den oben genannten Fehlern indessen auch positiv festgestellt werden.
Denn der Sachverständige Prof. Dr. H hat in seinem Gutachten vom 16. Juli 2004 ausgeführt, die (sonographisch nachgewiesene) große Hirnblutung am 2. Lebenstag der Klägerin stünde zweifelsfrei in Zusammenhang mit dem Sauerstoffmangel unter der Geburt (Gutachten, S. 11). Er hat Reserveursachen für die große Hirnblutung erörtert (Störung der Blutgerinnung, verminderte Anzahl der Blutplättchen oder Einbrüche der Kreislaufzirkulation u.a.), aber auch angesichts der vorliegenden klinischen Aufzeichnungen ausgeschlossen. Vielmehr sei die ab dem 12. Lebenstag per Ultraschall festgestellte Anordnung des Zelluntergangs in beiden Hirnhälften im zeitlichen Verlauf zu dem Sauerstoffmangel unter der Geburt in Einklang zu bringen. Weitere aus den ersten Lebenstagen beschriebene klinische Zustände würden ebenfalls Hinweise darauf geben, dass Organschäden durch einen schweren perinatalen Sauerstoffmangel verursacht worden seien. Demgegenüber seien eventuelle Zweifel an der Kausalität zwischen der Sauerstoffunterversorgung und dem Geburtsverlauf auf Grund der ACOG-Kriterien wenig plausibel. Zum einen lägen die danach geforderten Kriterien hier überwiegend vor. Zum anderen sei dieses Schema auf Frühgeborene nicht übertragbar (ebd., S. 12).
Nach alledem ist der Sachverständige schon in erster Instanz aufgrund einer ins Einzelne gehenden, detaillierten und nachvollziehbaren Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass die oben geschilderten schweren Erkrankungen durch den perinatalen Sauerstoffmangel zu erklären seien. Andere Ursachen seien ausgeschlossen. Die Hirnschäden der Klägerin beruhten - so der Sachverständige Prof. Dr. H - mithin "zweifelsfrei" auf der 4 Stunden vor der Geburt beginnenden Unterversorgung mit Sauerstoff, die etwa 1 1/2 Stunden vor der Geburt ihren Höhepunkt erreicht habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die ausführlichen Erwägungen des Sachverständigen auf Seite 9 bis 14 im Gutachten vom 16. Juli 2004. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat auch angesichts der Einwendungen der Beklagten nach eigener kritischer Würdigung in vollem Umfang an.
3.
Die konkret eingetretenen Behinderungen der Klägerin sind jedenfalls durch das vom Senat eingeholte Gutachten von Prof. Dr. H bewiesen. Der Sachverständige hat nach persönlicher Untersuchung der Klägerin zusammenfassend ausgeführt, bei der Klägerin bestehe ein schweres Residualsyndrom mit spastischer Tetraparese - also der inkompletten Lähmung aller Extremitäten - und schwerer psychomotorischer und mentaler Retardierung. Die heute 9 1/2 Jahre alte Klägerin habe bislang keine Entwicklungsfortschritte gemacht; diese seien auch zukünftig nicht zu erwarten (Bl. 260 f. d.A.).
Die Sehfähigkeit der Klägerin liege bei unter 20 %, eine visuelle Kontaktaufnahme sei ihr nicht möglich. Die Klägerin könne auf Geräusche reagieren, aber nicht sprechen. Sie müsse gefüttert werden und trage wegen der bestehenden Inkontinenz Windeln.
Auch gegen diese Ausführungen haben die Beklagte keine Einwendungen mehr erhoben. Es ist auch nicht ersichtlich, dass diese Ausführungen etwa verfehlt sein könnten.
4.
Die Schwere dieser Behinderungen rechtfertigt das zuerkannte Schmerzensgeld in Höhe von 300.000 EUR. Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klägerin keine relevanten gesundheitlichen Fortschritte erwarten kann. Sie wird auf Grund der mehrfachen - teils groben - Behandlungsfehler niemals ein "normales" Leben führen und empfinden können. Vielmehr wird sie stets auf die Hilfe und umfassende Pflege Dritter angewiesen sein, mit denen sie nicht einmal einen dauerhaft Blickkontakt aufnehmen kann. Eine verbale Kommunikation wird der Klägerin ebenfalls nicht möglich sein. Ihr werden dadurch die für jedes Leben wesentlichen Erfahrungen und Entfaltungsmöglichkeiten verwehrt bleiben. Unter diesen Umständen ist - auch angesichts der weiteren Rechtsprechung - der zugesprochene Schmerzensgeldanspruch nicht überhöht (vgl. auch Hacks/Ring/Böhm, Schmerzensgeldbeträge, 24. Auflage, Nrn. 2879, 2883, 2385).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Es besteht kein Anlass, im vorliegenden Einzelfall die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).