Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 21.06.2023, Az.: 5 A 1031/23

Abwägungsgebot; Planergänzung; Rücksichtnahmegebot; Sonderlandeplatz; Windenergie

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
21.06.2023
Aktenzeichen
5 A 1031/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 43797
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2023:0621.5A1031.23.00

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 13. August 2020 in der Fassung der Bekanntgabe vom 22. Dezember 2022 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin, ein Windenergieunternehmen, wendet sich gegen die Genehmigung eines Sonderlandeplatzes für Luftsportgeräte zugunsten des Beigeladenen durch die Beklagte.

Die Samtgemeinde G. betreibt gegenwärtig das Verfahren zur 115. Änderung ihres Flächennutzungsplans zur Steuerung der Nutzung der Windenergie in ihrem Gemeindegebiet. Der dabei beschlossene Planentwurf sieht als sechstes Planänderungsgebiet eine rhombische Fläche von 20,5 ha am südöstlichen Rand des Samtgemeindegebietes, südöstlich von H. vor. Die Grenze des Änderungsgebiets wird im Südwesten durch ein Landschaftsschutzgebiet und im Süden durch die Samtgemeindegrenze zur Samtgemeinde I. gebildet. Die nördliche und östliche Grenze des Änderungsbereiches ergibt sich durch die 600 m weiche Tabuzone um Wohngebäude im planungsrechtlichen Außenbereich. Die Klägerin beabsichtigt, auf dieser Fläche Windenergieanlagen zu errichten und ist darüber vertragliche Bindungen mit den Grundstückseigentümern eingegangen.

Am 24. August 2018 beantragte die Klägerin beim F. den Erlass eines Vorbescheides nach § 9 BImSchG, beschränkt auf die planungsrechtlichen Belange. Die Beklagte verweigerte diesem Vorhaben mit Schreiben vom 18. Oktober 2018 die Zustimmung unter Hinweis auf militärisch-flugbetriebliche Einwände der Bundeswehr. Nach Angabe der Bundeswehr beeinträchtigten die Anlagen mit der projektierten Höhe von 247,5 bis 251,5 m über NN die Minimum Vectoring Altitude (MVA) des Flugplatzes J.. Die an diesem Standort maximal mögliche Gebäudehöhe sei 233,00 m, nur in diesem Umfang seien die Anlagen realisierungsfähig. Mit Schreiben vom 30. Dezember 2018 bat die Klägerin darum, den Vorbescheidantrag ruhend zu stellen.

Der Beigeladene nutzte (oder nutzt) eine Fläche in der benachbarten Samtgemeinde I. im Rahmen einer bis 31. Juli 2021 befristeten Erlaubnis aufgrund von § 25 Abs. 1 Satz 1 LuftVG für Außenstarts und -landungen von Ultraleichtflugzeugen. Am 13. April 2020 beantragte er bei der Beklagten die Genehmigung zur dauerhaften Anlage und zum Betrieb eines Sonderlandeplatzes für Luftsportgeräte gem. § 6 LuftVG. Hierzu legte er ein Eignungsgutachten eines Luftfahrtsachverständigen vor, aus dem sich die genaue Lage des Sonderlandeplatzes, der An- und Abflugfläche, der Hindernisbegrenzungsfläche und der Platzrunde ergibt. Während die Landebahn selbst auf Flurstücken der Gemarkung K. im Stadtgebiet der Samtgemeinde I. liegt, liegt die innere Hindernisbegrenzungsfläche teilweise auf Flurstücken der Gemarkung H. im Gemeindegebiet der Samtgemeinde G.. Dabei liegt die An- und Abflugfläche nahezu vollständig, die Platzrunde etwa zur Hälfte im Gemeindegebiet der Klägerin und dort größtenteils in dem Gebiet, das die Samtgemeinde G. als Änderungsgebiet Nr. 6 für die vorrangige Nutzung der Windenergie ausweisen und die Klägerin für die Errichtung von Windenergieanlagen nutzen möchte.

Die Beklagte gab die Antragsunterlagen des Beigeladenen sodann zur Prüfung innerhalb des jeweiligen Zuständigkeitsbereichs an die Deutsche Flugsicherung und den Landkreis L., die beide keine durchgreifenden Einwendungen erhoben. Unter dem 4. Juni 2020 beteiligte die Beklagte sodann die Samtgemeinde I. zur Frage, ob die geplante Anlage und der Betrieb des Sonderlandeplatzes mit den Erfordernissen des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie des Städtebaus vereinbar sei, und bat um amtliche Bekanntmachung des Vorhabens. Die Samtgemeinde I. machte den Antrag am 22. Juni 2020 ortsüblich (d. h. auf der Internetseite der Samtgemeinde) bekannt und gab bis zum 5. August 2020 Frist für Einwendungen. Am 1. Juli 2020 teilte die Samtgemeinde I. mit, dass seitens der Samtgemeinde und des Fleckens I. keine Einwände gegen das Vorhaben bestünden. Es habe in den vergangenen zehn Jahren keinerlei Beschwerden über den Flugbetrieb gegeben. Eine Beibehaltung des Betriebs im bisherigen Umfang wirke sich auf die städtebaulichen Belange und andere gemeindliche Belange nicht aus.

Mit Bescheid vom 13. August 2020 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen die Genehmigung zur Anlage und zum Betrieb des Sonderlandeplatzes K.. Mit Schreiben vom selben Tage gab er die Genehmigung der Samtgemeinde I. bekannt. Die Samtgemeinde machte die Genehmigung am 22. August 2020 in der Tageszeitung "M." sowie am Schwarzen Brett des Rathauses I. bekannt.

Am 10. September 2020 hat die Samtgemeinde G. Klage gegen die dem Beigeladenen erteilte Genehmigung des Landesplatzes erhoben - 5 A 4724/20 -. Sie hält die Genehmigung für rechtswidrig, weil sie in die Planungshoheit der Samtgemeinde eingreife. Die Samtgemeinde sei im Genehmigungsverfahren weder beteiligt noch angehört worden. Sie habe von der Genehmigung lediglich durch Zufall erfahren. Eine Beteiligung der Samtgemeinde sei gem. § 6 Abs. 5 LuftVG i. V. m. § 73 Abs. 2 VwVfG erforderlich gewesen, weil ihr Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt werde. Der Genehmigungsentwurf habe außerdem auch in der Samtgemeinde ausgelegt werden müssen.

Die Beklagte hat der Samtgemeinde G. unter dem 19. Februar 2021 den Antrag auf Genehmigung eines Sonderlandeplatzes mit der Bitte um ortsübliche Bekanntmachung übersandt und ihr nachträglich Gelegenheit gegeben, sich bis zum 14. Mai 2021 zu äußern. Neben der klagenden Samtgemeinde äußerte sich auch die Klägerin in diesem Verfahren und machte geltend, dass die Genehmigung des Landeplatzes ihre Belange beeinträchtige, weil durch die entstehenden Hindernisbegrenzungsflächen die Nutzung der Windenergie auf der in Aussicht genommenen Fläche erschwert, wenn nicht unmöglich werde. Ihr eigenes Vorhaben sei gegenüber dem Vorhaben des Beigeladenen privilegiert, weil dieser seinen Antrag erst gestellt habe, als die Klägerin schon einen Bauvorbescheid beantragt und alle erforderlichen Unterlagen beigefügt gehabt habe.

Den genannten Vorbescheidsantrag vom 24. August 2018 nahm die Klägerin mit Schreiben vom 30. August 2022 unter Bezugnahme auf den bisherigen Schriftwechsel mit dem zuständigen Landkreis zurück. Am 8. Dezember 2022 beantragte sie die Genehmigung zur Errichtung zweier Anlagen, davon eine des Typs Enercon E-138 EP3 E2 mit einer Nennleistung von 4,2 MW, einer Nabenhöhe von 149m und einem Rotordurchmesser von 138,25m und eine des Typs Enercon E-175 EP5 mit einer Nennleistung von 6MW, einer Nabenhöhe von 139,76m und einem Rotordurchmesser von 175m auf der Fläche des Änderungsgebiets Nr. 6. Die nördliche dieser Windenergieanlagen läge außerhalb der Hindernisbegrenzungsflächen des geplanten Landeplatzes, die südlich gelegene Anlage stünde direkt in der An- und Abflugzone. Die Antragsunterlagen reichte die Klägerin am 17. Januar 2023 bei der Behörde ein.

Mit Schreiben vom 20. Dezember 2022 beschied die Beklagte die Einwendungen der Klägerin, der Samtgemeinde G. sowie fünf Privatpersonen mit (im Wesentlichen) gleichlautenden Schreiben und gab die Genehmigung ihnen gegenüber bekannt. Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass die Flächennutzungsplanänderung der Samtgemeinde G. noch nicht bestandskräftig sei und daher der Erteilung der Genehmigung nicht entgegenstehe. Die von der Klägerin geplanten Windenergieanlagen seien nicht realisierbar, weil die Beklagte deren Genehmigung selbst widersprochen habe. Die vertraglichen Bindungen der Klägerin mit den Grundstückseigentümern beriefen sich auf Ereignisse wie die geplante 115. Änderung des Flächennutzungsplanes der Samtgemeinde und seien für das luftverkehrsrechtliche Verfahren unbeachtlich. Die Belange der Flächeneigentümer seien allenfalls unter Gesichtspunkten des Lärmschutzes zu berücksichtigen. Soweit die Klägerin naturschutzrechtliche Einwände erhebe, habe der Landkreis L. als untere Naturschutzbehörde keine Einwände gegen die Genehmigung erhoben. Insgesamt lägen keine Gründe für die Versagung der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung vor. Das Vorhaben sei gerechtfertigt und (sinngemäß) nach Abwägung aller für die Genehmigung betroffenen Belange überwögen die für die Erteilung der Genehmigung sprechenden Gründe.

Die Klägerin hat am 24. Januar 2023 gegen die Genehmigung Klage erhoben und macht zur Begründung geltend, dass sie im Plangebiet des Änderungsbereichs Nr. 6 der 115. Flächennutzungsplanänderung der Samtgemeinde G. bereits seit 2018 drei Windenergieanlagen plane. Am 23. Juni 2018 seien Nutzungsverträge mit den Eigentümern der betroffenen Grundstücke geschlossen worden, am 4. September 2018 sei ein immissionsschutzrechtlicher Vorbescheid gem. § 9 BImSchG für die Errichtung dreier Anlagen mit einer Nabenhöhe bis 137 m und einem Rotordurchmesser bis 127 m (Gesamthöhe: 200,5 m über Grund) beantragt worden. Eine Anlage sei direkt in der An- und Abflugfläche des geplanten Sonderlandeplatzes geplant, die beiden weiteren Anlagen zumindest teilweise in der Hindernisbegrenzungsfläche. Bei Betrieb des Flugplatzes seien diese Anlagen nicht zu realisieren.

Der Antrag sei sodann auf Schreiben der Klägerin vom 3. Dezember 2018 ruhend gestellt worden, nachdem der Landkreis N. aufgrund militärisch-flugbetrieblicher Gründe die Ablehnung in Aussicht gestellt habe und eine einvernehmliche Lösung angestrebt worden sei. Der Antrag sei prüffähig und hinreichend konkret gewesen und begründe daher ungeachtet seines Ruhens eine schutzwürdige Vorrangposition bei der Priorisierung gegenüber konfligierenden Nutzungen.

Für die angefochtene Genehmigung (des Sonderlandeplatzes) fehle schon eine Planrechtfertigung, weil dem Sonderlandeplatz keinerlei flugverkehrliche Funktion zukomme, sondern er allein dazu diene, einzelnen Personen die Ausübung eines Hobbys zu sichern, während demgegenüber dem von der Klägerin beabsichtigten Ausbau der erneuerbaren Energien überragende öffentliche Bedeutung zukomme.

Die Genehmigung sei formell rechtsfehlerhaft erteilt, weil die Beklagte den Sachverhalt unvollständig ermittelt habe und infolgedessen schlicht übersehen habe, dass der Sonderlandeplatz auf dem Gebiet zweier Landkreise und Samtgemeinden liege. Bereits aus dem Merkblatt der zuständigen Luftfahrtverbände für die Zulassung von UL-Flugplätzen ergebe sich das Erfordernis der Zustimmung der Gemeinde und der Grundstückseigentümer. Betroffen seien insofern nicht nur der Beigeladene als Eigentümer der Fläche, auf der sich die Landebahn befinde, sondern auch die Eigentümer derjenigen Flächen, die für die An- und Abflugzone und die Hindernisbegrenzungsflächen in Anspruch genommen würden. Der Beklagte habe zwar versucht, die erforderliche Beteiligung nachzuholen, deren vollständiger Ausfall sei jedoch nicht heilbar.

Auch der F. als für die im Gemeindegebiet der Samtgemeinde G. zuständige Naturschutzbehörde sei nicht beteiligt worden. Die von dort gegebene Antwort, dass kein Raumordnungsverfahren erforderlich sei, lasse nicht erkennen, dass der Landkreis als Naturschutzbehörde beteiligt worden sei. Aus der Stellungnahme zu der ausschließlich planungsrechtlichen Frage sei auch nicht erkennbar, ob tatsächlich auch keine naturschutzrechtlichen Einwände erhoben würden.

Die Genehmigung sei auch materiell rechtswidrig, weil die Abwägung zugunsten der Errichtung des Sonderlandeplatzes fehlerhaft sei. Die Klägerin habe einen Anspruch auf gerechte Abwägung ihrer geschützten Belange. Dabei habe die Beklagte verkannt, dass die beabsichtigte Nutzung des Sonderlandeplatzes nur dem kleinen Kreis der bisherigen Nutzer zugutekomme. Demgegenüber lägen die Errichtung und der Betrieb von Anlagen nach dem EEG im überragenden öffentlichen Interesse und dienten der öffentlichen Sicherheit.

Die Klägerin beantragt,

die Genehmigung der Beklagten vom 13.08.2020 in der Fassung der Bekanntgabe vom 22.12.2022 aufzuheben.

Die Beklagte und der Beigeladene beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, die Klägerin sei durch die angefochtene Genehmigung nicht in eigenen Rechten verletzt. Die von ihr als verletzt gerügten Verfahrensvorschriften seien nicht drittschützend und vermittelten der Klägerin keine wehrfähige Rechtsposition. Auch materielle Rechte der Klägerin seien nicht berührt. Die von der Klägerin gerügte Planrechtfertigung sei auch bei einer rein privaten Nutzung des Landeplatzes gegeben.

Die Flächennutzungsplanung der Samtgemeinde sei noch nicht in einem Stadium gewesen, das eine Berücksichtigung im Rahmen der Abwägung geboten hätte. Belange der Klägerin seien durch die Genehmigung schon deshalb nicht verletzt, weil die von der Klägerin geplanten Windenergieanlagen nicht realisierungsfähig seien. Wenn eine Realisierung der Windenergienutzung auf der von dem Sonderlandeplatz tangierten Fläche tatsächlich nicht möglich sei, könnten die Belange auch in der Abwägung keine Berücksichtigung finden, geschweige denn einen Abwägungsvorrang gegenüber dem luftverkehrsrechtlichen Vorhaben beanspruchen.

Die Beklagte selbst habe den Vorhaben die Zustimmung mit dem Hintergrund verwehrt, dass die Deutsche Flugsicherung nach Anhörung der Bundeswehr den Vorhaben an diesem Standort widersprochen habe. Die Vorhaben beeinträchtigten den Minimum Vectoring Altitude Sector des Fliegerhorstes J.. Mit der Versagung des Einvernehmens sei das Vorbescheidverfahren aus ihrer Sicht beendet, von einer Ruhendstellung des Antrags habe sie keine Kenntnis gehabt. Selbst wenn auf der Fläche Anlagen mit geringerer Höhe realisiert werden könnten, sei nach dem Landesraumordnungsprogramm keine Höhenbegrenzung zulässig, die dies ermöglichen würde. Auch hinsichtlich des neuerlichen Genehmigungsantrags der Klägerin sei das Verfahren bereits durch die ablehnende Stellungnahme der Beklagten nach § 14 LuftVG beendet. Weitere Anträge seien nicht in Aussicht gewesen, so dass den Belangen der Klägerin keine Priorität gegenüber dem luftverkehrsrechtlichen Vorhaben zukomme.

Auch aus § 2 EEG folge keine wehrfähige Rechtsposition der Klägerin, weil diese Vorschrift zum einen erst nach Erteilung der angefochtenen Genehmigung in Kraft getreten sei und zum anderen die geplanten Windenergieanlagen keine Realisierungsperspektive hätten.

Der Beigeladene hält die Klage für unzulässig. Die Klägerin habe ihr Klagerecht verwirkt, weil ihr der nun angefochtene Bescheid infolge der öffentlichen Bekanntmachung in der Samtgemeinde G. bereits bekannt gewesen sei, als sie ihre Einwendungen erhoben habe. Seitdem sei mehr als ein Jahr vergangen. Materiell-rechtlich genieße das Vorhaben der Klägerin keinen Vorrang, weil sie den Antrag auf einen Bauvorbescheid zwischenzeitlich zurückgenommen und einen neuen Antrag erst nach der neuerlichen Bekanntgabe der Genehmigung gestellt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Der Inhalt sämtlicher Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg; sie ist zulässig und begründet.

I. Die Klage ist zulässig. Die Klägerin besitzt die erforderliche Klagebefugnis, weil sie ein hinreichend konkretisiertes Planungsvorhaben verfolgt, dessen Realisierung bei Bestandskraft der angefochtenen Genehmigung absehbar ausgeschlossen wäre. Sie kann sich daher auf das (drittschützende) bau- und planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot berufen; zumindest ist eine Verletzung dieser Rechte nicht nach jeder in Betracht kommenden Denkweise ausgeschlossen. Ob ihr Vorhaben insoweit tatsächlich Vorrang genießt, ist eine Frage der Begründetheit.

Die Klage ist auch weder verspätet erhoben, noch hat die Klägerin ihr Klagerecht verwirkt. Die Genehmigung ist der Klägerin am 2. Januar 2023 zugestellt worden. Die am 24. Januar 2023 erhobene Klage ist daher fristgerecht erhoben worden. Dass die Genehmigung der Klägerin schon zu einem früheren Zeitpunkt bekanntgeworden war, führt weder zu einem früheren Fristbeginn noch zu einer Verwirkung des Klagerechts. Das folgt schon daraus, dass die Genehmigung der Klägerin erst am 18. März 2021 in der Samtgemeinde G. (erneut) bekannt gemacht und ihr insoweit Gelegenheit gegeben worden ist, Einwendungen geltend zu machen. Es handelt sich dabei nach dem erkennbaren Willen der Beklagten nicht um eine wiederholte Bekanntmachung der Genehmigung, sondern um eine ergänzende Beteiligung, die in der Prüfung der Einwendungen und deren Berücksichtigung oder Zurückweisung in der Genehmigung ihren Abschluss findet. Insoweit ist schon streitig, ob die Beteiligung überhaupt - wie im Parallelverfahren der Samtgemeinde G. - während eines laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden kann; schon gar nicht folgt daraus im Umkehrschluss, dass die nachgeholte Beteiligung für den Lauf der Klagefrist unbeachtlich wäre. Erst nach Abschluss der Beteiligung ist die Genehmigung so bestimmt, dass sie den Lauf der Rechtsmittelfrist auslösen kann. Auch eine Verwirkung des Klagerechts kommt nicht in Betracht, soll die nachgeholte Beteiligung nicht völlig leerlaufen.

II. Die Klage ist auch begründet. Die angefochtene Genehmigung ist im maßgeblichen Zeitpunkt der Bekanntgabe gegenüber der Klägerin am 22. Dezember 2022 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Bekanntgabe der Genehmigung und der Ablehnung der Einwendungen am 22. Dezember 2022. Zwar ist für die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Planungsentscheidung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage bei ihrem Erlass maßgeblich (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2014 - BVerwG 7 B 22.13 -, UPR 2015, 34 Rn. 11). Wird jedoch - wie hier - nach Erlass der Planungsentscheidung ein ergänzendes Verfahren durchgeführt, hängt der Beurteilungszeitpunkt maßgeblich von dessen Zielrichtung ab. Beschränkt es sich darauf, einen punktuellen Fehler der früheren Entscheidung zu heilen, so bleibt im Übrigen der Zeitpunkt des (ersten) Planfeststellungsbeschlusses maßgeblich. Abweichendes gilt dagegen dann, wenn die Fachplanungsbehörde ihre Entscheidung im ergänzenden Verfahren auf veränderte tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse stützt und auf der Grundlage einer Aktualisierung der Beurteilungsgrundlagen eine Neubewertung vornimmt; dann ist insoweit auf den Zeitpunkt des Erlasses des Planergänzungsbeschlusses abzustellen, als er bestimmte Probleme einer Neubewertung unterzieht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20.3.2018 - BVerwG 9 B 43.16 -, juris Rn. 23, und vom 6.3.2014 - BVerwG 9 C 6.12 -, juris Rn. 38; Urteil vom 9.2.2017 - BVerwG 7 A 2.15 -, BVerwGE 158, 1-142, Rn. 21). So ist es hier.

Die Beklagte hat im Planergänzungsverfahren Belange der Klägerin ermittelt und abgewogen, deren Ermittlung sie im vorausgegangenen Planungsverfahren versäumt hatte und die sie erstmals zu bewerten hatte. Würde insoweit auf den Zeitpunkt des Erlasses der Genehmigung abgestellt, liefe die nachgeholte Beteiligung inhaltlich leer; sie wäre auch denklogisch nicht geeignet, den Mangel zu beheben, dass zu dem damaligen Zeitpunkt die zu berücksichtigenden Belange noch gar nicht bekannt waren. Das Risiko, dass sich infolge der nachgeholten Beteiligung die Rechtslage zugunsten der Träger der geltend gemachten Belange ändert, kann ohne Weiteres der Sphäre der Beklagten zugeordnet werden, die bei rechtzeitiger Ermittlung der Belange das Verfahren ggf. vor dem Inkrafttreten maßgeblicher Rechtsänderungen hätte beenden können.

2. Auch im Rahmen der nachgeholten Beteiligung hat die Beklagte die Belange der Klägerin nicht fehlerfrei in die Abwägung eingestellt.

Soweit die Klägerin geltend macht, dass sie durch die Verletzung von Verfahrensvorschriften betroffen sei, weil die Samtgemeinde G. nicht beteiligt worden sei, ist sie allerdings nicht in eigenen Rechten betroffen. Die Klägerin war auch nicht als Trägerin privater Belange förmlich zu beteiligen. Sie konnte zwar ihre Belange infolge der Auslegung der Genehmigung in der Samtgemeinde G. geltend machen und hat dies getan. Eine Betroffenheit der Klägerin in eigenen Rechten ergibt sich insofern allenfalls als Reflex der unterbliebenen Beteiligung der Samtgemeinde G. und der unterbliebenen Bekanntmachung in deren Gebiet; eine wehrfähige eigene Rechtsposition folgt jedoch auch daraus nicht. Gleiches gilt für eine fehlende Zustimmung der Samtgemeinde G. und die unterbliebene Beteiligung des Landkreises N. als untere Naturschutzbehörde, die die Klägerin ebenfalls rügt.

2. Eine der Klägerin zukommende wehrfähige Rechtsposition folgt jedoch, wie schon zur Klagebefugnis ausgeführt, aus dem (drittschützenden) bau- und planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot und einem Anspruch auf gerechte Abwägung im Rahmen der planerischen Entscheidung. Diese einfachgesetzlichen Rechtspositionen besitzen zwar für sich genommen nicht das Gewicht, das das Fachplanungsprivileg der luftverkehrsrechtlichen Vorhaben aufwiegen würde. Auch wenn § 38 BauGB privilegierten Fachplanungen wegen ihrer gemeindeübergreifenden Bedeutung Durchsetzungskraft gegenüber örtlichen städtebaulichen Belangen vermitteln soll, folgt daraus jedoch kein absoluter Abwägungsvorrang der Fachplanung und der dort verfolgten Interessen. Das Fachplanungsprivileg soll vielmehr ein nach den Zielen des Luftverkehrsgesetzes planerisch gerechtfertigtes Vorhaben auf gleiche Ebene mit den Zielen der Bauleitplanung heben und so für einen Ausgleich zwischen den von der Gemeinde geltend gemachten örtlichen bauplanerischen und dem überörtlichen fachplanerischen Interesse sorgen. Ist ein solches Vorhaben gemessen an den Zielen des Luftverkehrsgesetzes planerisch gerechtfertigt, soll es ebenso wenig wie ein planfeststellungs- oder plangenehmigungsbedürftiges Vorhaben von vornherein daran scheitern, dass ein Bebauungsplan eine andere städtebauliche Nutzung der für das Vorhaben benötigten Fläche vorsieht oder die Voraussetzungen für eine Zulassung des Vorhabens nach § 34 oder § 35 BauGB nicht erfüllt sind. Die Standortgemeinde soll ein solches Vorhaben auch nicht blockieren können, indem sie ihr bei Anwendbarkeit der §§ 29 bis 37 BauGB gemäß § 36 Abs. 1 BauGB erforderliches Einvernehmen verweigert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. 12. 2006 - BVerwG 4 B 73.06 -, juris Rn. 9). Weder für die Belange der betroffenen Gemeinden noch für die hier in Rede stehenden Belange der Klägerin folgt daraus ein materieller Nachrang gegenüber dem luftverkehrsrechtlichen Vorhaben, vielmehr soll das Fachplanungsprivileg erst die Abwägung der widerstreitenden Rechtspositionen eröffnen.

Bei einer Gewichtung der gegenläufigen Interessen sind sowohl das wirtschaftliche Interesse der Klägerin am Bau der Windenergieanlagen als auch das Interesse des Beigeladenen an der Anlage und dem Betrieb des Landeplatzes private Interessen; als bloße Erwerbsaussichten sind die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin auch nicht besonders grundrechtlich geschützt. Insofern stünden die Interessen einander zunächst gleichwertig gegenüber und wären anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls miteinander abzuwägen. Neben das einfache wirtschaftliche Interesse der Klägerin tritt allerdings das mit ihrem Vorhaben zugleich verfolgte öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien, das auch bei Berücksichtigung des Fachplanungsprivilegs in die Abwägung hätte eingehen müssen. Denn auch nach dem materiellen Planungsrecht sind nicht nur nach § 6 Abs. 1 LuftVG die städtebaulichen Belange zu berücksichtigen, sondern nach § 6 Abs. 3 LuftVG auch die (sonstigen) öffentlichen Interessen. Dass § 6 Abs. 3 LuftVG dabei auf Flughäfen abstellt, die dem öffentlichen Verkehr dienen, macht diese Vorschrift nicht auf Landeplätze im privaten Interesse unanwendbar, sondern stellt dieses allgemeine Abwägungsverbot lediglich deklaratorisch auch für höherrangige Vorhaben fest.

Diese dem Vorhaben des Beigeladenen widerstreitenden Belange hat die Beklagte im Planergänzungsverfahren nicht fehlerfrei berücksichtigt. Soweit sie in ihrem Schreiben an die Klägerin vom 22. Dezember 2022 ausführt, dass die 115. Änderung des Flächennutzungsplanes der Samtgemeinde zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung noch nicht bestandskräftig gewesen sei und deshalb nicht berücksichtigt werden konnte, liegen darin gleich mehrere Fehler. Zum einen verkennt die Beklagte, dass die Planungsabsichten der Samtgemeinde bereits mit der zeichnerischen Festlegung der streitgegenständlichen Fläche in dem Beschluss des Planentwurfs am 27. Mai 2020 hinreichend konkretisiert war und daher bereits bei Erlass der angefochtenen Genehmigung hätte Berücksichtigung finden können. Die hinreichende Konkretisierung der Planung wird nicht erst durch die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit ausgelöst; diese setzt eine hinreichend konkretisierte Planung vielmehr voraus.

Auch indem die Beklagte darauf abstellt, dass sie wiederholt das Einvernehmen für die Errichtung der von der Klägerin konkret geplanten Windenergieanlagen aufgrund militärisch-flugbetrieblicher Einwände verweigert habe, und daraus den Schluss zieht, dass die in Aussicht genommene Fläche für die Nutzung der Windenergie tatsächlich gar nicht geeignet sei, liegt darin eine auf unzutreffenden Annahmen beruhende Fehlgewichtung der Belange der Klägerin. Die Klägerin hat hierzu mehrfach ausgeführt, dass sie den Standort für eine wirtschaftlich auskömmliche Nutzung der Windenergie für geeignet halte und ihre Planungen mit anderen Anlagen und geringerer Höhe fortgesetzt. Tatsächlich lässt die Verweigerung des Einvernehmens für einzelne, konkret zur Prüfung gestellte Anlagen keine tragfähigen Rückschlüsse über die Eignung der gesamten Fläche zu. Das folgt schon aus den Stellungnahmen der Bundeswehr, die eine Realisierungsperspektive für Anlagen niedrigerer Bauhöhe durchgehend und ausdrücklich bejaht hat. Der Einwand der Beklagten, dass auch diese Anlagen nicht realisierbar seien, weil das Landesraumordnungsprogramm keine Höhenbegrenzungen zulasse, greift ebenfalls zu kurz und konstruiert einen Widerspruch, der tatsächlich nicht besteht. Denn eine Höhenbegrenzung müsste gar nicht in der Flächenplanung festgesetzt werden, wenn sie sich schon aus tatsächlichen Einwendungen der Flugsicherung ergibt und die Anlagen auf der Fläche schon durch die Klägerin in der zulässigen Höhe geplant und beantragt werden.

Da die Beklagte die Belange der Klägerin ausdrücklich für nicht berücksichtigungsfähig hält, fällt auch die eigentliche Abwägung mit den Belangen des Beigeladenen allenfalls formal genügend und inhaltlich defizitär aus. Eine tatsächliche Gegenüberstellung und Gewichtung der Belange hat die Beklagte nicht erkennbar vorgenommen, sondern in ihrem Schreiben vom 22. Dezember 2022 lediglich ausgeführt, dass das Vorhaben (die Anlage des Sonderlandeplatzes) "gemessen an den Zielen des Luftverkehrsgesetzes gerechtfertigt ist und nach Abwägung aller für die Genehmigung betroffenen Belange sprechenden Gründe überwiegen". Bereits diese beredsam verunglückte Formulierung legt nahe, dass die Beklagte tatsächlich nur alle für die Genehmigung sprechenden Belange mit eigenem Gewicht in die Abwägung eingestellt hat. Sie hat weder berücksichtigt, dass der Beigeladene den Flugbetrieb lediglich zur gelegentlichen Ausübung eines Hobbies anstrebt, noch, dass die von der Klägerin angestrebte Nutzung der Windenergie auf der angrenzenden Fläche neben deren wirtschaftlichen Interesse auch dem öffentlichen Interesse am Ausbau erneuerbarer Energien dient.

Bereits nach der bei Erteilung der Genehmigung am 13. August 2020 geltenden Rechtslage wäre den Belangen der Klägerin daher Abwägungsvorrang zugekommen, so dass es hier nicht auf den Prioritätsgrundsatz ankam, nach dem von zwei ansonsten gleichrangigen Vorhaben diejenige Planung grundsätzlich Rücksicht auf die andere zu nehmen, die der anderen zeitlich nachfolgt.

Erst recht gilt dies seit Inkrafttreten der Neufassung von § 2 EEG, der dem Ausbau der erneuerbaren Energien ausdrücklichen gesetzlichen Vorrang in den jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen vermittelt. Diese Änderung der Rechtslage war - wie ausgeführt und entgegen der Annahme der Beklagten - bei der nachgeholten Beteiligung zu berücksichtigen. Dass die Beklagte im gerichtlichen Verfahren den in § 2 EEG gesetzlich angeordneten Abwägungsvorrang schon im Ansatz als "nicht drittschützend" erachtet, bestätigt und verfestigt auch diesen Abwägungsfehler.

3. Die aufgezeigten Fehler sind für das Abwägungsergebnis erheblich; eine weitere Heilung durch ein weiteres Planergänzungsverfahren hält die Kammer schon für ausgeschlossen, weil die rechtlichen Annahmen und die Abwägungsfehler der Beklagten das Grundgerüst der Abwägung und das Gesamtkonzept der Planung betreffen. Dass die Beklagte ihre zugrundeliegenden Annahmen auch im gerichtlichen Verfahren aufrechterhalten, ergänzt und verfestigt hat, spricht ebenfalls gegen eine Heilbarkeit des Fehlers. Infolgedessen ist die Genehmigung aufzuheben.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i. V. m § 100 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

IV. Die Kammer sieht keinen Grund, die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4, § 124a Abs. 1 VwGO zuzulassen. Die Kammer weicht weder von der Rechtsprechung der dort genannten Divergenzgerichte ab, noch wirft der Rechtsstreit über den konkreten Einzelfall hinausgehende Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, auf die nicht aus der einschlägigen obergerichtlichen Rechtsprechung beantwortet werden könnten. Insbesondere zur Frage des für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkts hat das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich festgehalten, dass diese Frage bereits geklärt und die Anwendung dieser Rechtsprechung eine Frage des Einzelfalls sei, die keiner weiteren rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. März 2018 - 9 B 43/16 -, Rn. 23, juris).