Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 02.11.2005, Az.: 3 W 145/05
Begründungspflicht bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter gleichzeitiger Auferlegung von Ratenzahlung; Sinn und Zweck der Pflicht zur Begründung gerichtlicher Entscheidungen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 02.11.2005
- Aktenzeichen
- 3 W 145/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 24851
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2005:1102.3W145.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Stade - 26.08.2005 - AZ: 2 O 125/05
Rechtsgrundlagen
- § 114 ZPO
- § 572 Abs. 3 ZPO
Fundstelle
- OLGReport Gerichtsort 2006, 383-384
Amtlicher Leitsatz
Wird Prozesskostenhilfe unter Anordnung von Raten bewilligt, unterliegt die Entscheidung hinsichtlich der Ratenzahlungsanordnung der Aufhebung und Zurückverweisung, wenn eine Begründung fehlt.
Der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat
auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 30. September 2005
gegen den Beschluss des Landgerichts Stade vom 26. August 2005,
mit dem dem Kläger für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt, ihm aber gleichzeitig aufgegeben wurde, 200,00 EUR monatlich zu zahlen,
am 2. November 2005
beschlossen:
Tenor:
Der Beschluss des Landgerichts vom 26. August 2005 wird aufgehoben, soweit gegenüber dem Kläger Ratenzahlungen angeordnet worden sind.
Insoweit wird die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Stade zurückverwiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Kläger macht gegenüber dem beklagten Notar Schadensersatzforderungen aus einem vom Beklagten am 23. Februar 1994 beurkundeten Grundstücksübertragungsvertrag geltend.
Mit Beschluss vom 3. Mai 2005 hat das Landgericht den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers zurückgewiesen, weil die Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht glaubhaft seien. Insbesondere sei nicht ersichtlich, mit welchen Mitteln der Lebensunterhalt bestritten werde.
Dagegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 18. Mai 2005 Beschwerde eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz vom 9. Juni 2005 begründet.
Mit Beschluss vom 26. August 2005 hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde des Klägers abgeholfen und den Beschluss vom 3. Mai 2005 dahingehend abgeändert, dass dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt wird. Gleichzeitig hat das Landgericht ihm aufgegeben, 200,00 EUR monatlich zu zahlen.
Mit Schriftsatz vom 30. September 2005 hat der Kläger beantragt,
die im Beschluss vom 26. Mai 2005 angeordnete Zahlung von monatlichen Raten in Höhe von 200,00 EUR aufzuheben.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 19. Oktober 2005 dem als sofortige Beschwerde zu behandelnden Vorbringen "aus den auch gegenüber dem Beschwerdevorbringen durchgreifenden Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht abgeholfen".
II.
Der Senat legt seiner Entscheidung die Auslegung des Landgerichts zugrunde, dass es sich bei dem Schriftsatz des Klägers vom 30. September 2005 um eine sofortige Beschwerde handelt. Diese richtet sich gegen den Beschluss des Landgerichts vom 26. August 2005 insoweit, als dort eine Ratenzahlung angeordnet worden ist. Die gemäß §§ 127 Abs. 2 S. 2, 3, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet und führt im genannten Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
Gerichtliche Entscheidungen sind grundsätzlich zu begründen. Dies lässt sich sowohl Art. 6 Abs. 1 EMRK (vgl. EGMR, NJW 1999, 2429 [EGMR 21.01.1999 - GK - 30544/96]) als auch verschiedenen Normen des Grundgesetzes entnehmen, und zwar dem Rechtsstaatsgebot, Art. 20 Abs. 3 GG, der Rechtsweggarantie, Art 19. Abs. 4 GG, dem Willkürverbot, Art. 3 Abs. 1 GG, sowie dem Recht auf rechtliches Gehör, Art 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 6, 32, 44 [BVerfG 16.01.1957 - 1 BvR 253/56]; 50, 287, 289 f. [BVerfG 28.02.1979 - 2 BvR 84/79]; 71, 122, 135 f. [BVerfG 05.11.1985 - 2 BvR 1434/83]; Häberle, in Schmitt Glaeser (Hrsg.), Festschrift für Boorberg Verlag, 1977, S. 80, Fn. 142; Roellecke, JZ 1975, 244, 245 f.; nach v. Münch-Kunig, GG, 4. Aufl., Rn. 36 zu Art. 1, kann im Einzelfall die Begründungspflicht sich auch unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 GG ergeben).
Dem von einer hoheitlichen Entscheidung Betroffenen muss eine sachgemäße Verteidigung seiner Rechte möglich sein. An dieser Möglichkeit fehlt es aber, wenn der Betroffene nicht weiß, warum das Gericht wie geschehen entschieden hat. Neben dieser Rechtsschutzfunktion geht es auch um eine Befriedigungsfunktion; die Aufgabe einer Begründung besteht auch darin, dem Betroffenen eine Entscheidung verständlich und damit hinnehmbar zu machen.
Inwieweit vor diesem Hintergrund eine Ausnahme vom Begründungszwang dann gilt, wenn die Entscheidung eine letztinstanzliche, also nicht mehr anfechtbar ist, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Das gleiche gilt für die Frage, ob eine Ausnahme dann zu machen ist, wenn die Begründung den Beteiligten bereits bekannt oder für sie ohne weiteres erkennbar ist, denn die Frage, ob und in welcher Höhe eine Partei die Kosten ihrer Prozessführung in Raten aufzubringen hat, ist alles andere als leicht erkennbar.
Für den hier vorliegenden Fall, dass einer Partei Prozesskostenhilfe bewilligt und gleichzeitig Ratenzahlung auferlegt wird, ist die Begründungspflicht in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. nur Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, OLGR 1996, 303; OLG Brandenburg, FamRZ 2004, 389, je m. w. N.).
Der angefochtene Beschluss des Landgerichts lässt eine Begründung für die Höhe der Ratenzahlung auch nicht ansatzweise erkennen. Der darin liegende Verfahrensmangel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 572 Abs. 3 ZPO (vgl. OLG Brandenburg, a. a. O.).
Der Verfahrensmangel ist auch nicht geheilt worden. Namentlich lässt auch die Nichtabhilfeentscheidung eine Begründung nicht erkennen. Der (Formular)Beschluss vom 13. Oktober 2005 verweist nur auf die "durchgreifenden Gründe der angefochtenen Entscheidung"; der angefochtene Beschluss enthält jedoch solche Gründe nicht, sondern lässt Gründe vollständig vermissen.
Für die erneut zu treffende Entscheidung erlaubt sich der Senat den Hinweis, dass vorliegend § 115 ZPO in der Fassung des Art. 1 Nr. 2 a des "Gesetzes über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz" vom 22. März 2005, gültig ab 1. April 2005, anzuwenden ist. Der Grundfreibetrag für die Zeit ab 1. April 2005 hat der Gesetzgeber durch die Zweite PKH-Bekanntmachung 2005 vom 23. März 2005 dahingehend festgesetzt, dass ein solcher für die Partei und ihren Ehegatten in Höhe von 380,00 EUR besteht (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 a ZPO).
III.
Die Entscheidung zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus §§ 118 Abs. 1 Satz 4, 127 Abs. 4 ZPO.