Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 10.11.2005, Az.: 10 UF 268/05

Überlassen der bisherigen Ehewohnung für die Zeit des Getrenntlebens der Parteien zur alleinigen Nutzung; Freiwilliges Verlassen der Ehewohnung; Verhinderung des Betretens der Ehewohnung durch Entwendung der Schlüssel ; Zuweisung der Ehewohnung; Gewalttätigkeit, Spielsucht und Fremdgehen des Ehemannes; Begründetheit des Wohnungszuweisungsantrags; Tatsächliche Gewalt in der Familie; Vermeidung einer unbilligen Härte; Geeignetheit der Ehewohnung für die Trennung der Parteien innerhalb der Wohnung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
10.11.2005
Aktenzeichen
10 UF 268/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 36169
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2005:1110.10UF268.05.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
AG Burgdorf - 10.11.2005 - AZ: 12 F 722/05

Fundstellen

  • FF 2006, 323-324 (Volltext mit amtl. LS)
  • FamRZ 2006, 1143 (Volltext mit red. LS)
  • NJW 2006, XII Heft 5 (Kurzinformation)
  • NJW-RR 2006, 505 (Volltext mit red. LS)
  • NJW-Spezial 2006, 156 (Kurzinformation)
  • NZM 2006, 199 (Volltext mit red. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 2006, 282-283
  • ZKJ 2006, 472 (Volltext mit red. LS u. Anm.)

In der Familiensache
...
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht .......,
den Richter am Oberlandesgericht .......und
den Richter am Oberlandesgericht .......
am 10. November 2005
beschlossen:

Tenor:

  1. I.

    Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt .......in .......bewilligt.

  2. II.

    Der Antrag des Antragsgegners, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen, weil er bis zum Abschluss der Instanz keine aktuelle Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Akte gereicht hat. Die Erklärung ist für jede Instanz gesondert einzureichen, wenn nicht in zulässiger Weise auf die erstinstanzlich eingereichte Erklärung Bezug genommen wird.

  3. III.

    Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Burgdorf vom 19. Oktober 2005 geändert.

    Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin die bisherige Ehewohnung ......., .......für die Zeit des Getrenntlebens der Parteien zur alleinigen Nutzung zu überlassen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahren wird auf 4.320,- EUR festgesetzt.

Gründe

1

Die Parteien sind miteinander verheiratet und haben mit ihren drei gemeinsamen Kindern im Alter von 1 - 4 Jahren eine 70 qm große Wohnung in der .......in ....... bewohnt. Der Antragsgegner wohnt seit Anfang September 2005 bei seinen Eltern. Die Parteien streiten darüber, ob er die Ehewohnung freiwillig verlassen hat oder durch die Antragstellerin durch Entwendung seiner Schlüssel gehindert worden ist, die Wohnung wieder zu betreten.

2

Die Antragstellerin begehrt Zuweisung der Ehewohnung gemäß § 1361 b BGB, weil der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin immer wieder gewalttätig geworden sei, spielsüchtig sei und sie betrüge. Der Antragsgegner bestreitet die Vorwürfe der Antragstellerin und behauptet, diese sei übermäßig eifersüchtig.

3

Das Amtsgericht hat den Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung mit der Begründung zurückgewiesen, die Voraussetzungen für die Zuweisung der Ehewohnung an die Antragstellerin lägen nicht vor, weil sich nicht feststellen lasse, dass der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin gewalttätige Handlungen ausgeführt habe. Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.

4

Gegen den Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie ihren erstinstanzlichen Wohnungszuweisungsantrag weiter verfolgt. Sie ist der Ansicht, das Amtsgericht habe wesentliche Punkte außer Acht gelassen, nämlich die tatsächliche Gewalt in der Familie, wodurch nicht nur das Kindeswohl gefährdet sei, sondern auch das weitere Zusammenleben unmöglich sei. Die Wohnung sei mit drei normalen Zimmern für eine Trennung innerhalb der Wohnung nicht geeignet. Der Antragsgegner wohne bereits bei seinen Eltern und habe genügend Zeit gehabt, sich eine neue Wohnung zu suchen.

5

Der Antragsgegner verteidigt die angefochtene Entscheidung. Er ist der Ansicht, die Voraussetzungen der Zuweisung der Ehewohnung seien schon deshalb nicht erfüllt, weil es an einer unbilligen Härte fehle. Es habe zu keinen Zeitpunkt Gewalt gegen die Antragstellerin oder die Kinder gegeben. Der tatsächliche Grund für die Trennung der Antragstellerin von Antragsgegner sei auch nicht die vermeintliche Gewaltanwendung sondern die Eifersucht der Antragstellerin, die den Antragsgegner zu Unrecht des Ehebruchs bezichtige, gewesen. Schließlich hätten die Parteien am 05. Oktober 2005, nachdem das Verfahren bereits anhängig gewesen sei, miteinander telefoniert. Die Antragstellerin habe gegenüber dem Antragsgegner geäußert, sie wolle den Antrag beim Amtsgericht zurücknehmen und der Antragsgegner könne wieder mit ihr gemeinsam in der ehelichen Wohnung leben, wenn er zugebe, dass er ein Verhältnis mit der Bekannten der Nachbarin habe. Sie habe damit auch signalisiert, dass ihr Entschluss, sich von dem Antragsgegner zu trennen, nicht endgültig sei.

6

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Sie hat gemäß § 1361 b Abs. 1 BGB Anspruch darauf, dass der Antragsgegner ihr die vormalige Ehewohnung für die Zeit des Getrenntlebens zur alleinigen Nutzung überlässt.

7

Die Voraussetzungen des § 1361b Abs. 1 BGB sind erfüllt. Die Parteien leben getrennt. Die Antragstellerin hat spätestens durch dieses Verfahren unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie vom Antragsgegner getrennt leben will. Es kann dahingestellt bleiben, ob es das Telefonat am 05. Oktober 2005 in der Form, wie es der Antragsgegner vorträgt, tatsächlich gegeben hat. Denn darin ist allenfalls ein Versöhnungsangebot der Antragstellerin zu sehen, auf das der Antragsgegner nicht eingegangen ist, so dass nicht ersichtlich ist, dass die Antragstellerin von ihrer Trennungsabsicht tatsächlich abgerückt ist. Dagegen spricht allein schon das Beschwerdeverfahren.

8

Die Zuweisung der Ehewohnung an die Antragstellerin ist notwendig, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob es tatsächlich zu Gewalttätigkeiten des Antragsgegners gegenüber der Antragstellerin gekommen ist und die Voraussetzungen des Regelfalles des § 1361 b Abs. 2 BGB vorliegen. Denn gemäß § 1361 b Abs. 1 S. 2 BGB kann eine unbillige Härte auch dann gegeben sein, wenn das Wohl von im Haushalt lebenden Kindern beeinträchtigt ist. Diese Voraussetzung ist vorliegend jedenfalls erfüllt. Denn die Wohnung ist von Größe und Zuschnitt nicht geeignet, eine Trennung der Parteien innerhalb der Wohnung zu ermöglichen - was auch der Antragsgegner nicht bestreitet. Während der Antragsgegner aber unstreitig die Möglichkeit hat, bei seinen Eltern zu wohnen, benötigt die Antragstellerin Wohnraum für sich und die drei gemeinsamen Kinder der Parteien. Deren Wohl wäre beeinträchtigt, wenn die Antragstellerin gezwungen wäre, aus der Wohnung auszuziehen, oder trotz der gravierenden Auseinandersetzungen der Parteien mit dem Antragsgegner in der Wohnung zu leben. Die Bedürfnisse der Kinder an einer geordneten, ruhigen und möglichst entspannten Familiensituation haben eindeutig Vorrang vor dem Interesse des Antragsgegners am Verbleib in der Ehewohnung (vgl. dazu Brudermüller in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch,§ 1361b Rn. 11 m.w.N.).

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 13a Abs. 1 FGG.