Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 14.05.2003, Az.: 2 A 344/02

Alter; Altersgrenze; Anerkennung; Berufsausübung; Einführung; Ermessen; Gesetz; Grenze; Höchstalter; Höchstaltersgrenze; Leistungsfähigkeit; Luftfahrtpersonal; Luftfahrzeug; Luftfahrzeugmuster; Regelung; Sachverständigenanerkennung; Sachverständiger; Tauglichkeit; Verlängerung; Überprüfung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
14.05.2003
Aktenzeichen
2 A 344/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48512
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Einführung einer generellen Altersgrenze für Anerkennungen nach dem LuftPersV bedarf einer gesetzlichen oder aufgrund eines Gesetzes erfolgten Regelung.

Tenor:

Die Beklagte wird unter Aufhebung der Befristung bis 31.10.2002 im Bescheid vom 05.06.2002 und vom 23.10.2002 verpflichtet, die Anerkennung des Klägers als Sachverständiger (Durchführung von Überprüfungen gem. § 70 Abs. 2 LuftPersV auf dem Luftfahrzeugmuster Lear Jet 24, 25, 31, 35, 36, 55, 55c, 60) bis zum 31.12.2003 zu verlängern.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen sie festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand:

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Der jetzt 71 Jahre alte Kläger begehrt die Verlängerung seiner Anerkennung als Sachverständiger (Prüfer) bis Ende des Jahres 2003.

2

Der Kläger wurde am F. in G. geboren. Mit Schreiben vom 02.06.2002 beantragte er die Verlängerung der Sachverständigenanerkennung, die ihm für das Luftfahrzeugmuster Lear Jet 24, 25, 31, 35, 36, 55, 55c und 60 zuerkannt war. Mit Bescheid vom 05.06.2002 wurde die beantragte Verlängerung bis zum 05.10.2002 gewährt. Eine darüber hinausgehende Verlängerung wurde unter Hinweis auf eine entgegenstehende gerichtliche Entscheidung abgelehnt (VGH Baden-Württemberg v. 18.09.1990 – 14 S 1252/90 -, NVwZ-RR 193 ff.).

3

Nachdem der Kläger fristgerecht Widerspruch eingelegt hatte, wurde die Anerkennung wegen der zu erwartenden Dauer des Widerspruchsverfahrens bis zum 31.10.2002 verlängert. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2002 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Kläger das 70. Lebensjahr vollendet habe. Personen dieses Alters würden generell Anerkennungen als Sachverständige nicht mehr erteilt. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger ausweislich eines Tauglichkeitszeugnisses tauglich für eine fliegerische Betätigung sei, da der Einsatz als Sachverständiger eine andere Qualität und andere Anforderungen aufweise als die Tätigkeit als Luftfahrzeugführer.

4

Der Kläger hat am 14.11.2002 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, dass er in den letzten zweieinhalb Jahren mehr als 85 Überprüfungen durchgeführt habe. Er habe eine jährliche Flugzeit von ca. 350 Stunden auf dem Lear Jet. Er sei seit ca. 25 Jahren als Sachverständiger im Rahmen von Überprüfungen tätig. Wirtschaftlich sei er auf die Durchführung von Überprüfungen angewiesen. Er beziehe nur eine geringe Rente von ca. H. Euro. Für jede Überprüfung erhalte er ca. I. Euro. Die Einführung einer Höchstaltersgrenze könne nicht durch eine ständige Ermessensausübung der Beklagten erfolgen, sondern bedürfe einer gesetzlichen Regelung.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Luftfahrt-Bundesamtes vom 05.06.2002 und seinen Widerspruchsbescheid vom 23.10.2002 insoweit aufzuheben als darin die Verlängerung der Anerkennung als Sachverständiger gemäß § 128 LuftPersV bis zum 31.10.2002 begrenzt ist und die Beklagte zu verpflichten, die Anerkennung bis zum 31.12.2003 zu erteilen.

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Er beantragt darüber hinaus,

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die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung verweist sie darauf, dass die Anerkennung als Sachverständiger in ihrem Ermessen liege. Dieses Ermessen übe sie generell dahingehend aus, dass an Personen, die das 70. Lebensjahr erreicht hätten, keine Anerkennungen als Sachverständige mehr erteilt würden. Es sei unumstritten, dass die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter abnehme. Bei Sachverständigen, die Überprüfungen durchführten, seien auch höhere Anforderungen zu stellen als bei Luftfahrzeugführern. Es müssten nämlich Notlagen simuliert (Ausfall von Systemen bzw. Triebwerken) und gegebenenfalls – bei Versagen des Prüflings – durch den Sachverständigen gemeistert werden. Darüber hinaus seien auch in internationalen Regelungen Altersgrenzen von 60 bis 65 Jahren festgeschrieben worden.

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Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den Verwaltungsvorgang der Beklagten sowie die Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet.

14

Rechtsgrundlage für das Anerkennungsbegehren des Klägers ist die Verordnung über Luftfahrtpersonal in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Februar 1984 (BGBl. I S. 265), zuletzt geändert durch Verordnung vom 10.02.2003 (BGBl. I S. 182) – LuftPersV -. Nach der LuftPersV bedarf die Verlängerung oder Erneuerung von Flugberechtigungen regelmäßig eines Überprüfungsfluges mit einem „von der Erlaubnisbehörde anerkannten Sachverständigen“ (§ 70 Abs. 2 Satz 1 LuftPersV). Hinsichtlich der Anerkennung als Sachverständiger für Überprüfungsflüge schreibt § 128 LuftPersV in Abs. 5 und 10 vor, dass die Bewerber die entsprechende Erlaubnis oder Berechtigung besitzen und über besondere fachliche Erfahrungen verfügen müssen. Diese Voraussetzungen sind indes nicht abschließend, sondern lediglich zwei spezielle, besonders hervorgehobene Eignungsmerkmale für Sachverständige. Die für Luftfahrer geltenden Anforderungen an die Zuverlässigkeit (§ 4 Luftverkehrsgesetz – LuftVG -) müssen auch für Sachverständige Geltung haben (BVerwG, Urt. v. 21.02.1989 – 1 C 73/86 -, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes, 451.26 Sachverständige Nr. 8). § 4 Abs. 1 Nr. 2 LuftVG setzt voraus, dass der Bewerber die erforderliche – auch körperliche – Tauglichkeit besitzt. Diese Anforderungen sind durch den Kläger sämtlich erfüllt. Auch die Beklagte bestreitet nicht, dass der Kläger für Überprüfungsflüge über die entsprechende Erlaubnis und besondere fachliche Eignung verfügt. Sie spricht ihm auch nicht die – bestätigt durch das Fliegerärztliche Tauglichkeitszeugnis vom 14.04.2003 – bescheinigte Tauglichkeit als Luftfahrer ab. Sie stützt ihre Ablehnung vielmehr auf Ermessenserwägungen, die darauf beruhen, dass Personen, die das 70. Lebensjahr überschritten haben, aufgrund ihrer körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit nicht mehr die Gewähr dafür bieten könnten, Überprüfungsflüge ohne die Gefahr von Fehlleistungen durchzuführen.

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Diese Erwägung steht nicht der Beklagten, sondern dem Gesetzgeber zu. Die Tätigkeit als anerkannter Sachverständiger für Überprüfungsflüge ist zwar kein selbständiger Beruf, aber eine Erweiterung der Berufstätigkeit und damit eine Form der Berufsausübung. Sie wird typischerweise von Fluglehrern, Berufspiloten oder Bediensteten der Luftfahrtbehörden ausgeübt und zwar wegen der damit verbundenen Flugmöglichkeiten sowie der Möglichkeit Nebeneinnahmen zu erzielen (BVerwG, Urt. v. 21.02.1989, a.a.O.). Sie stellt sich damit nicht als selbständiger Beruf, sondern nur als eine Erweiterung der Berufstätigkeit und damit als eine Form der Berufsausübung dar. Sie kann daher sowohl durch Gesetz oder auch aufgrund eines Gesetzes geregelt werden, soweit dies durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist (BVerwG, Urt. v. 04.09.1990 – 1 C 13/89 -, Buchholz 451.26 Sachverständige Nr. 10).

16

Eine solche Regelung stellt § 128 Abs. 5 LuftPersV zwar dar. Diese Regelung enthält indes über die dargestellten Voraussetzungen und die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes für „allgemeine“ Luftfahrer geltenden Voraussetzungen keine generelle Altersgrenze. Es bedarf daher einer individuellen Betrachtung des Falles des jeweiligen die Anerkennung oder Verlängerung als Sachverständigen Beantragenden. Diese individuelle Betrachtung führt im Falle des Klägers – dies bestreitet auch die Beklagte nicht – zur Verlängerung der begehrten Erlaubnis. Das von der Beklagten herangezogene Urteil des Verwaltungsgerichts Baden-Württemberg steht dem nicht entgegen. In dem dort entschiedenen Fall handelte es sich um die Festlegung einer Altersgrenze durch eine Sachverständigenordnung, die wiederum auf der Gewerbeordnung i.V.m. dem IHK-Gesetz des Landes Baden-Württemberg beruhte.

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Die Kammer sieht sich in der oben dargelegten Auffassung vielmehr bestätigt durch den vom Kläger vorgelegten Beschluss des Hess. VGH vom 17.04.2002 – 2 Uz 241/02 -. Auch danach genügt der (alleinige) Hinweis auf das hohe Alter nicht um die Tauglichkeit in Frage zu stellen (ebenso: Schmid in Giemulla/Schmid, Luftverkehrsverordnungen, § 24a LuftVZO LRn. 8).

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Das Gericht hat die Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung erwogen, hält indes eine Verpflichtung zur Verlängerung der beantragten Anerkennung im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang für gerechtfertigt. Außer der von der Beklagten ins Feld geführten nicht durchgreifenden generellen Altersgrenze sind sachliche Gesichtspunkte dafür, die begehrte Anerkennung nicht auszusprechen, nicht ersichtlich. Ein Bescheidungsurteil kommt deshalb nicht in Betracht.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren war gem. § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO für notwendig zu erklären, da der Kläger im Vorverfahren rechtskundiger Unterstützung bedurfte.

20

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 1 i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.