Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 23.05.2003, Az.: 2 A 245/02
Allgemeines Wohngebiet; WA-Gebiet; Werbetafel
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 23.05.2003
- Aktenzeichen
- 2 A 245/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48356
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 49 BauO ND
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Verfahrenskosten;
insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen sie festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt eine Baugenehmigung für die Anbringung einer beleuchteten Werbetafel.
Am 10.01.2002 stellte die Klägerin einen Bauantrag bezüglich der Anbringung einer beleuchteten Werbetafel an dem Gebäude E. in F. (Flurstück G., Flur H., Gemarkung I.). Die 2,90 m x 3,90 m große Werbetafel sollte in ca. 2,50 m Höhe an der in den Obergeschossen fensterlosen Außenwand des Gebäudes angebracht werden. Die Wand liegt parallel zu der vierspurigen Straße J.. Der Aufstellungsort befindet sich im unbeplanten Innenbereich.
Nach Anhörung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.04.2002 den Bauantrag ab. Eine Werbetafel sei an dem beantragten Standort nicht zulässig, da in allgemeinen Wohngebieten Werbeanlagen nur an der Stätte der Leistung gestattet seien (§ 49 Abs. 4 Nr. 1 NBauO). Das Gebäude K. befinde sich nach der Eigenart der näheren Umgebung faktisch in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO. Die gesamte nordöstlich und nordwestlich gelegene Umgebung sei durch Bebauungspläne überplant und könne deshalb in die Betrachtung nicht einbezogen werden. Der südwestlich gelegene Bereich (nördlich der L.) sei von viergeschossiger Wohnbebauung geprägt. Vereinzelte Gewerbebetriebe müssten als nicht störend qualifiziert werden. Von einem Mischgebiet mit einem gleichberechtigten Nebeneinander von Wohnnutzung und gewerblicher Nutzung könne nicht die Rede sein. Die in der Nähe befindlichen Plakattafeln hätten Bestandsschutz. Darauf könne sich die Klägerin nicht beziehen.
Zur Begründung ihres am 22.04.2002 eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, faktisch handele es sich um ein Mischgebiet gemäß § 6 BauNVO. In der unmittelbaren Umgebung befänden sich am J. verschiedene Gewerbebetriebe, u.a. ein Softwaregeschäft, eine Autoglaserei, eine Bank, ein Blumenladen, ein Feinkostgeschäft sowie eine Akustikbaufirma. In der L. lägen ein Restaurant bzw. eine Gaststätte und eine Firma, die sich mit Autokühlern befasse. Schließlich verweise sie auf das China-Restaurant M. in der N.. In einem allgemeinen Wohngebiet dienten die Läden nur der Versorgung des Gebiets. Die genannten Geschäftsbetriebe hätten jedoch Kundschaft auch von außerhalb. Sie böten Waren an, die nur in größeren Abständen und nicht zu einer ordnungsgemäßen Haushaltsführung erforderlich seien. Die gegenüberliegende Straßenseite des O. sei in die Betrachtung einzubeziehen, weil die Werbetafel in diesen Bereich hineinragen würde. Das Restaurant M. sei so groß angelegt, dass es nicht nur die Anwohner der umliegenden Häuser mit Waren bzw. Dienstleistungen versorge. Die Werbetafel auf dem Grundstück P. zum J. hin liege unmittelbar neben dem beantragten Standort. Diese Werbetafel sei im Jahre 1963 genehmigt worden. Damals sei von einem Mischgebiet ausgegangen worden. Ebenfalls im Jahre 1963 sei eine Baugenehmigung für eine Werbetafel auf dem selben Grundstück, jedoch mit Sicht zur Q., genehmigt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2002 wies die Bezirksregierung Braunschweig den Widerspruch als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat am 16.08.2002 Klage erhoben und zur Begründung ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren vertieft. Ergänzend verweist sie auf verschiedene Friedhöfe, die nach ihren Angaben im umliegenden Bereich des vorgesehenen Standortes lägen. Es könne deshalb davon ausgegangen werden, dass die Besucher dieser Friedhöfe das Blumengeschäft R. aufsuchten.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Versagungsbescheides vom 12.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 12.08.2002 zu verpflichten, die beantragte Baugenehmigung zur Anbringung einer beleuchteten Werbetafel auf dem Grundstück K. nach Maßgabe der eingereichten Pläne zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig. Sie führt darüber hinaus aus, in der näheren Umgebung des S. gebe es keine Friedhöfe. Unabhängig davon diene ein Laden jedoch auch dann der Versorgung des Gebiets, wenn er von Anwohnern anderer Gebiete mitgenutzt werde.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der näheren Umgebung des geplanten Standortes.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die dem Gericht bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Baugenehmigung zum Anbringen einer beleuchteten Werbetafel auf dem Grundstück K..
Der Bescheid der Beklagten vom 12.04.2002 i.d.F. des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 12.08.2002 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
Die Beklagte hat die Baugenehmigung gemäß § 75 Abs. 1 NBauO zu Recht versagt, weil die Anbringung der Werbetafel dem öffentlichen Baurecht widerspricht. Die beantragte Werbetafel ist eine Werbeanlage i.S. des § 49 NBauO und deshalb eine bauliche Anlage gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 NBauO. Die Werbetafel ist an dem geplanten Standort bauplanungsrechtlich unzulässig, weil sie faktisch in einem allgemeinen Wohngebiet gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 NBauO liegt. Nach § 49 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 NBauO sind Werbeanlagen in allgemeinen Wohngebieten nur an der Stätte der Leistung zulässig. Eine der Fremdwerbung dienende Werbeanlage darf an dem Gebäude K. nicht angebracht werden.
Die nach § 34 Abs. 2 BauGB in den Blick zu nehmende nähere Umgebung des vorgesehenen Standortes erstreckt sich lediglich auf den Bereich der Gebäude K. bis T.. Von dort aus südlich an der Q. entlang gehören zweifellos die Grundstücke U. und allenfalls noch das benachbarte Grundstück V. dazu. Ferner sind einzubeziehen beide Straßenseiten der L., jedenfalls von den Hausnummern W. und X. an bis zur Einmündung J.. Der vierspurige J. trennt die nordöstlich gelegenen Gebiete von der näheren Umgebung des Gebäudes K. ebenso wie der Kreuzungsbereich zur Q. und daran anschließend die Q. selbst in südwestlicher Richtung. Die Y. ist ebenfalls eine breite, mit einer Straßenbahntrasse versehene Straße, die als Hauptverkehrsachse dient. Die Wirkungen der baulichen Maßnahme, hier der Werbetafel, erstrecken sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf die Grundstücke der gegenüberliegenden Straßenseite am J.. Selbst wenn die Werbetafel in einer Höhe von 2,50 m angebracht würde - was nach wie vor Gegenstand des Bauantrages ist -, würde sie von Passanten auf dem gegenüberliegenden Gehweg allenfalls in einer zu vernachlässigenden Weise wahrgenommen. Die Gewerbebetriebe der Grundstücke Z. haben deshalb außer Betracht zu bleiben. Dasselbe gilt für das AA. in der N.. Wegen der Anbringung der Werbetafel zum J. kann diese von dort ohnehin nicht betrachtet werden. Wegen des trennenden Charakters der Q. kommt es nicht darauf an, ob hier auch ein überplantes Gebiet zur näheren Umgebung gehört (vgl. dazu Schrödter-Schmaltz, BauGB, Komm., 6. Aufl., § 34, Rn. 20). Die im weiteren Verlauf südlich gelegene Bebauung am J. ab dem Grundstück AB. entzieht sich in ihren Wirkungen ebenfalls dem in Aussicht genommenen Standort. Diese Bebauung wirkt auf den Kreuzungsbereich, zu dem das Gebäude K. den Abschluss bildet, auch nicht ein. Die Gewerbebetriebe der Grundstücke AC. und Nr. AD. gehören deshalb ebensowenig nicht zur näheren Umgebung.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme entspricht die Eigenart der näheren Umgebung des Gebäudes K. einem allgemeinen Wohngebiet i.S. des § 4 BauNVO. Der anlässlich des Ortstermins in Augenschein genommene Bereich ist durchgängig von viergeschossiger Wohnbebauung geprägt. Soweit sich in einigen der Gebäude im Erdgeschoss Gewerbebetriebe befinden, üben diese keinen prägenden Einfluss auf die nähere Umgebung aus. Im Übrigen sind Schank- und Speisewirtschaften in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO). In dem fraglichen Gebiet befinden sich zwei Gaststätten, die von kleinerem Zuschnitt sind und deshalb der Versorgung des Wohngebiets dienen. Es handelt sich um die Gaststätten AE. und AF.. Es kann offen bleiben, ob der AG. als Imbiss zu den Schank- und Speisewirtschaften i.S. des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO gehört (vgl. dazu Fickert/Fieseler, BauNVO, Komm., 9. Aufl., § 4, Rn. 4.25). Jedenfalls prägt dieser kleine Gewerbebetrieb nicht das Gebiet. Die Firma AH. in der L. betreibt einen nicht störenden Handwerksbetrieb i.S. des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO. Um einen der Versorgung des Gebiets dienen Laden handelt es sich bei dem Blumengeschäft AI., ebenfalls in der L.. Das Blumengeschäft dient auch dann der Versorgung des Gebiets, wenn dort auch Kunden von außerhalb anzutreffen sind (Fickert/Fieseler, a.a.O., § 2, Rn. 9). Ob es in der Nähe Friedhöfe gibt, was nicht der Fall ist, spielt insoweit also keine Rolle. Als nicht störender Gewerbebetrieb i.S. des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO können das AJ. und die AK. in der AL. gelten.
Nach dem bei der Ortsbesichtigung gewonnenen Eindruck handelt es sich bei dem oben bezeichneten Gebiet danach nicht um ein Mischgebiet i.S. des § 6 BauNVO, das in etwa gleichberechtigt wohn- und gewerbliche Nutzung umfassen müsste. Die beiden Werbetafeln an dem Gebäude T. genießen Bestandsschutz, da sie bereits 1963 und damit vor Inkrafttreten der NBauO genehmigt worden sind. Sie sind nach heutigem Recht unzulässig, prägen andererseits aber auch nicht den Gebietscharakter.
Im Übrigen sieht das Gericht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und folgt der zutreffenden Begründung des angefochtenen Bescheides der Beklagten vom 12.04.2002 und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 12.08.2002 (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 177 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.