Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.02.2002, Az.: 16 KO 2/02
Keine Gerichtskostenfreiheit bei der Rücknahme eines gerichtlichen Antrags auf Aussetzung der Vollziehung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 20.02.2002
- Aktenzeichen
- 16 KO 2/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 36234
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2002:0220.16KO2.02.0A
Rechtsgrundlagen
- FGO § 136 Abs. 2
- GKG § 11
Fundstelle
- EFG 2002, 639-640
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Nimmt der Erinnerungsführer den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wirksam zurück, bedarf es einer Kostenentscheidung nicht. Die Kostenfolge ergibt sich hier unmittelbar aus § 136 Abs. 2 FGO.
- 2.
Die Höhe der Gebühren richtet sich nach § 11 GKG i.V.m. dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz.
- 3.
Die Gebühr könnte lediglich entfallen, wenn dies im Kostenverzeichnis vorgeschrieben wäre. Für den Fall der Rücknahme eines Antrages auf Aussetzung der Vollziehung fehlt im Kostenverzeichnis jedoch eine entsprechende Vorschrift. Eine zugunsten des Kostenschuldners zu schließende Regelungslücke liegt hierin nicht.
Tatbestand
I.
Der Erinnerungsführer hat den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zurückgenommen. Daraufhin ist das Verfahren entsprechend § 72 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch unanfechtbaren Beschluss eingestellt worden. Der Einstellungsbeschluss wurde dem Erinnerungsführer zugesandt. Mit Kostenrechnung vom ........... setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Gerichtskosten fest, die in voller Höhe dem Erinnerungsführer zur Last fielen.
Hiergegen richtet sich die Erinnerung, mit der der Erinnerungsführer .............. vorträgt, bei der Zurücknahme eines gerichtlichen Antrags auf Aussetzung der Vollziehung sei in entsprechender Anwendung der Gerichtskostenvorschriften für den Fall der Klagerücknahme von der Erhebung der Gerichtskosten abzusehen. Denn wenn bei der Einstellung des Klageverfahrens die Gerichtskosten entfielen, müsse dies konsequenter Weise und erst recht für die Einstellung des Nebenverfahrens über die Aussetzung der Vollziehung gelten, welches entsprechend der Verfahrensvorschrift für das Klageverfahren eingestellt werde.
Gründe
II.
Die Erinnerung hat keinen Erfolg.
Der Erinnerungsführer hat den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung rechtswirksam zurückgenommen. Einer Kostenentscheidung bedarf es im Falle der Rücknahme eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung nicht. Die Kostenfolge nach einer Antragsrücknahme ergibt sich vielmehr unmittelbar aus § 136 Abs. 2 FGO. Danach hat, wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, die Kosten zu tragen. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat daher zu Recht die Gerichtskosten zu Lasten des Erinnerungsführers festgesetzt.
Die Höhe der Gebühren richtet sich nach § 11 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V. mit dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Der vom Urkundsbeamten festgesetzte Gegenstandswerts, der für die Bemessung der Gebühren maßgeblich ist (§ 11 Abs. 2 GKG) und den der Erinnerungsführer im Übrigen nicht angegriffen hat, ist nicht zu beanstanden. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auch zu Recht die halbe Gebühr nach Nr. 3210 des Kostenverzeichnisses angesetzt. Nach Nr. 3210 des Kostenverzeichnisses wird für das Verfahren über den Antrag nach § 69 Abs. 3, 5 FGO eine 0,5 Gebühr nach der Tabelle in Anlage 2 GKG erhoben. Bei dem festgesetzten Streitwert von ........... Euro ist demnach die angesetzte Gebühr von .......... Euro entstanden. Die Gebühr für das Verfahren über den Aussetzungsantrag entsteht mit der Stellung des Antrags.
Die Gebühr ist auch nicht entfallen. Die Gebühr würde nur dann entfallen, wenn dies im Kostenverzeichnis vorgeschrieben wäre. Eine entsprechende Vorschrift enthält das Kostenverzeichnis in Nr. 3110 Satz 2 unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen für das Klageverfahren. Für den Fall der Rücknahme des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung fehlt im Kostenverzeichnis eine entsprechende Vorschrift. Eine Regelungslücke, die zugunsten des Kostenschuldners zu schließen wäre, liegt hierin nicht (BFH-Beschluss vom 09.05.1996VII (E) 4/96,BFH/NV 1997, 845; FG Münster Beschlüsse vom 05.04.2000 5Ko 7168/99 GK, veröffentlicht in juris; vom 29.01.1991 IKo 109/91 GK,EFG 1991, 502; Hartmann/Albers, 31. Aufl., Kostengesetze, zu KV 3210 Rz. 1, a.A.FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.01.1999 14 V 1/98,EFG 1999, 343; FG des Saarlandes Beschluss vom 17.07.1985 II 70/83,EFG 1985, 577; Niedersächsisches FG Beschluss vom 17.08.2001 7 KO1/01). Es entspricht der Systematik und Regelungstechnik des Kostenverzeichnisses, in Satz 1 der jeweiligen Nummern Gebührentatbestände zu normieren und diesen einen Gebührenbetrag oder Gebührensatz zuzuordnen. Einzelne Nummern enthalten in einem Satz 2 ergänzende Regelungen z.B. über die Anrechnung, die Ermäßigung, die Nichterhebung oder das Entfallen der Gebühr. Diese Regelungen sind auf den Gebührentatbestand, Gebührenbetrag oder Gebührensatz des jeweiligen Satzes 1 zugeschnitten. Der Gesetzgeber hat darüber hinaus bei einer Vielzahl von Gebührentatbeständen von ergänzenden Regelungen abgesehen. Nach dieser Systematik des Kostenverzeichnisses sind die Regelungen in Satz 2 der Gebührentatbestände als Ausnahmevorschriften zu Satz 1 auf den jeweiligen Gebührentatbestand beschränkt. Daraus folgt, dass bei Nummern des Kostenverzeichnisses, die wie Nr. 3210 keine ergänzende Regelung enthalten, die entsprechende Anwendung ergänzender Regelungen zu anderen Nummern des Kostenverzeichnisses grundsätzlich ausscheidet. Gegen das Vorliegen einer Regelungslücke bei Nr. 3210 des Kostenverzeichnisses spricht des weiteren, dass der Gesetzgeber bei dem entsprechenden Gebührentatbestand für die Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit (Nr. 2210) ebenfalls keine Regelung für das Entfallen der Gebühr bei Rücknahme des Antrags vorgesehen hat, obwohl eine solche Vorschrift in Nr. 2110 Satz 2 lit. a für den Fall der Klagerücknahme ebenso vorhanden ist wie in Nr. 3110 Satz 2.
Eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes kann bei Nr. 3210 des Kostenverzeichnisses ferner nicht deshalb angenommen werden, weil das Aussetzungsverfahren im Falle der Antragsrücknahme entsprechend der für die Klage gegebenen Vorschrift des § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO durch Beschluss eingestellt wird. § 72 FGO trifft selbst in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich keine Regelung hinsichtlich der Kostenfolge. Diese ergibt sich auch bei der Klagerücknahme aus anderen Vorschriften. Der Schluss, dass aus der entsprechenden Anwendung des § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO im Aussetzungsverfahren folge, für dieses Verfahren müsse das für das Klageverfahren - unter den Voraussetzungen der Nr. 3110 Satz 2 des Kostenverzeichnisses - angeordnete Entfallen der Gerichtskosten erst recht gelten, ist deshalb nicht gerechtfertigt. Es ist auch kein Verstoß gegen ein Gebot der Konsequenz bzw. Folgerichtigkeit der Rechtsanwendung, das Aussetzungsverfahren einerseits entsprechend § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO durch Beschluss einzustellen und andererseits Nr. 3110 Satz 2 des Kostenverzeichnisses nicht analog im Falle der Antragsrücknahme anzuwenden. Die Vorschriften des § 72 FGO und des Kostenverzeichnisses betreffen unterschiedliche Regelungsgegenstände, die es rechtfertigen, die Frage der analogen Anwendung für jede Vorschriften getrennt zu prüfen und zu beantworten. Das Klageverfahren und das Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung sind zudem unterschiedliche Rechtsbehelfe, die auf verschiedene Rechtsschutzziele gerichtet sind. Der Gesetzgeber hat das Klageverfahren und das Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung auch in anderen Bereichen als den Gerichtskosten unterschiedlich ausgestaltet. Der Senat teilt deshalb nicht die Auffassung, es sei für den rechtssuchenden Bürger völlig unverständlich und mit den Gerechtigkeitsvorstellungen unvereinbar, wenn im Falle der Rücknahme eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung im Gegensatz zum Fall der Klagerücknahme Gerichtskosten erhoben werden. Es kommt hinzu, dass die kostenmäßige Belastung im Aussetzungsverfahren erheblich geringer als im Klageverfahren ist. Die unter den Voraussetzungen der Nr. 3110 Satz 2 des Kostenverzeichnisses gewährte Gebührenfreiheit soll einen Anreiz zur Rücknahme einer nicht erfolgversprechenden Klage geben, um dadurch die Gerichte zu entlasten. Der durch die Klagerücknahme eintretende Entlastungseffekt ist regelmäßig entschieden höher als in dem summarischen Aussetzungsverfahren. Die gebührenmäßig unterschiedliche Behandlung zwischen Klage- und Antragsrücknahme hat damit auch sachliche Gründe und hält sich im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 5 Abs. 6 des Gerichtkostengesetzes.