Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.02.2002, Az.: 4 K 30/96

Aufwendungen eines selbständig und nichtselbständig tätigen Chefarztes für eine Weihnachtsfeier mit dem Klinikpersonal seiner Abteilung als Betriebsausgaben abziehbar

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
27.02.2002
Aktenzeichen
4 K 30/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 36237
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2002:0227.4K30.96.0A

Fundstellen

  • EFG 2002, 1508-1510
  • KÖSDI 2003, 13595
  • StLex 2004

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Aufwendungen eines selbständig und nichtselbständig tätigen Chefarztes für eine Weihnachtsfeier mit dem Klinikpersonal seiner Abteilung sind als Betriebsausgaben abziehbar, wenn sie aus dem betrieblichen/beruflichen Anlass der Förderung der selbständigen (freiberuflichen) Tätigkeit entstanden sind. Die berufliche Veranlassung der Aufwendungen folgt aus dem besonderen Status der Chefärzte an deutschen Krankenhäusern, der es ihnen erlaubt, im Krankenhaus mit Hilfe des Krankenhauspersonals eine freiberufliche Praxis auszuüben.

  2. 2.

    Der Umstand, dass die Einnahmen des Chefarztes aus nichtselbständiger Arbeit gegenüber den Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit deutlich überwiegen und dass das Klinikpersonal bei beiden Tätigkeiten mitgearbeitet hat, führt nicht zur Einschränkung der Abzugsfähigkeit der Bewirtungsaufwendungen.

  3. 3.

    Die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG greift nicht ein, weil eine Weihnachtsfeier mit dem Klinikpersonal ein rein betriebsinterne Bewirtung und keinen geschäftlichen Anlass im Sinne der Vorschrift darstellt.

Tatbestand

1

Streitig ist die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen des Klägers für eine Weihnachtsfeier mit dem Klinikpersonal.

2

Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist angestellter Chefarzt der rheumatischen Abteilung der Rheumaklinik Bad...... In der Klinik führt er auch eine eigene Praxis, für die das Klinikpersonal eingesetzt wird. Im Streitjahr 1993 betrugen die Einnahmen aus der Praxis .....DM und der Bruttolohn .....DM.

3

Im Dezember des Streitjahres 1993 veranstalteten der Kläger und sein Kollege Dr. ..... (Chefarzt der orthopädischen Abteilung) in der Klinik eine Weihnachtsfeier für ihre ärztlichen Mitarbeiter, das Personal ihrer Abteilungen und vier Zivildienstleistende (im folgenden: Klinikpersonal). Die Kosten in Höhe von 3. 400 DM, von denen nicht mehr als 75 DM auf den einzelnen Teilnehmer entfielen, teilten sich der Kläger und Dr. ....... Der Verwaltungsleiter der Klinik bescheinigte, dass mit der Feier den Mitarbeitern gedankt werden sollte, die auch für ein gutes Arbeitsresultat, eine gute Auslastung der Klinik und damit auch für die Existenz der Führungskräfte der Klinik verantwortlich seien. Aus Haushaltsgründen habe diese Veranstaltung vom Träger der Klinik nicht finanziert oder bezuschusst werden können, so dass den Chefärzten für ihr finanzielles Engagement zu danken sei.

4

In der Einkommensteuererklärung 1993 machte der Kläger seinen Kostenanteil in Höhe von 1. 792 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Das beklagte Finanzamt (FA) verwehrte die steuerliche Berücksichtigung dieser Kosten und setzte zuletzt durch Änderungsbescheid vom 06.12.1995 die Einkommensteuer 1993 auf ...... DM fest.

5

Der Einspruch blieb erfolglos. Die Aufwendungen für die Weihnachtsfeier hätten nicht wenigstens ganz überwiegend der beruflichen Tätigkeit des Klägers als Arbeitnehmer gedient. Sie würden zwar auf beruflichen Erwägungen beruhen und seien auch geeignet gewesen, das Arbeitsklima zu fördern; es handele sich aber auch um freiwillige Aufwendungen, die vorwiegend durch die gesellschaftliche Position des Klägers als leitender Angestellter innerhalb der Gemeinschaft der Mitarbeiter bedingt gewesen seien.

6

Bei solchen Aufwendungen handele es sich um typische Kosten der privaten Lebensführung i. S. des § 12 Nr. 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz (E StG), die die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung des Klägers mit sich gebracht habe. Der Beklagte verwies in diesem Zusammenhang auf die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) in Bundessteuerblatt II 1973, 634 sowie des Niedersächsischen Finanzgerichts in DB 1983, 2740 .

7

Mit der Klage begehren die Kläger weiterhin die steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen für die Weihnachtsfeier. Die selbständige und nichtselbständige Tätigkeit des Klägers in der Klinik würden sich häufig überschneiden. Das Klinikpersonal habe im Rahmen der beiden Tätigkeiten häufig auch außerhalb der regulären Arbeitszeit unaufschiebbare Arbeiten (Krankenberichte, Gutachten und Laboruntersuchungen) verrichtet, ohne für ihre Überstunden entlohnt worden zu sein. Mit der Weihnachtsfeier habe die Arbeitsmoral und die Bereitschaft zu Mehrarbeit des Klinikpersonals gestärkt und auch der eigene Arbeitsplatz des Klägers gesichert werden sollen. Aus der Bescheinigung des Verwaltungsleiters ergebe sich eindeutig, dass die Weihnachtsfeier im Interesse des Trägers der Klinik durchgeführt und von ihm nur aus Haushaltsgründen nicht selbst finanziert oder bezuschusst worden sei. Die Klinik gehöre zu den ...... Bäderbetrieben, die sich in wirtschaftlich angespannter Lage befunden hätten. Im Jahr 1997 sei die Hälfte des Personals entlassen worden. Nicht nachvollziehbar sei demgegenüber die Auffassung des FA, der Kläger habe die Weihnachtsfeier aufgrund seiner gesellschaftlichen Position als leitender Mitarbeiter und damit aus persönlichen Gründen mitfinanziert. Der Kläger habe vielmehr die Weihnachtsfeier veranstaltet, um seine Einkünfte aus selbständiger Arbeit und nichtselbständiger Arbeit zu sichern und zu erhalten. Die Aufwendungen seien zumindest zu einem Teil seiner selbständigen Tätigkeit zuzuordnen.

8

Die Kläger beantragen sinngemäß,

9

Das FA beantragt,

Es hält an seiner Auffassung fest.

Gründe

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Die Klage ist begründet.

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Die Aufwendungen des Klägers für die Weihnachtsfeier (Bewirtungsaufwendungen) mit dem Klinikpersonal sind als Betriebsausgaben ( § 4 Abs. 4 EStG) abziehbar, weil sie aus dem betrieblichen/beruflichen Anlass der Förderung seiner selbständigen (freiberuflichen) Tätigkeit ( § 18 EStG) entstanden sind. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des BFH ergibt sich die berufliche Veranlassung solcher Zuwendungen aus dem besonderen Status der Chefärzte an deutschen Krankenhäusern, der es ihnen erlaubt, im Krankenhaus mit Hilfe des Krankenhauspersonals eine freiberufliche Praxis auszuüben (BFH, BStBl II 1985, 288 [BFH 06.12.1984 - IV R 135/83]). Die bewirteten Mitarbeiter stehen dem Kläger auch für dessen Praxis in der Klinik zur Verfügung, obwohl sie nicht dessen Arbeitnehmer sind.

12

Der wirtschaftliche Erfolg der Praxis und damit auch die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit des Klägers hängen daher nicht unwesentlich von der Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter und der Qualität ihrer Arbeit ab. Damit ist im Streitfall für die Bewirtungsaufwendungen ein beruflicher Anlass des Klägers und ein unmittelbarer Zusammenhang dieser Aufwendungen mit dessen späteren Betriebseinnahmen gegeben.

13

Die Tatsache, dass die Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit gegenüber den Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit weit überwiegen und dass das Klinikpersonal bei beiden Tätigkeiten des Klägers mitgearbeitet hat, führt nicht zu einer nur eingeschränkten steuerlichen Berücksichtigung der Bewirtungsaufwendungen als Betriebsausgaben. Die Einnahmen aus der Praxis waren nicht unerheblich, so dass die freiberufliche Veranlassung nicht etwa deshalb in Frage gestellt werden kann, weil die Einnahmen aus der freiberuflichen Tätigkeit gegenüber den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geringer ausgefallen sind.

14

Vertritt man jedoch die Auffassung, dass die Aufwendungen für die Weihnachtsfeier nur zu einem Teil der freiberuflichen Tätigkeit zuzuordnen seien, so sind die Aufwendungen gleichwohl in vollem Umfang steuerlich zu berücksichtigen, weil sie zumindest hinsichtlich des anderen Teils auch durch die Tätigkeit als angestellter Chefarzt veranlasst sind und damit Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§§ 19, 9 Abs. 1 EStG) darstellen. Denn die Weihnachtsfeier mit dem Klinikpersonal hat der Kläger auch deshalb durchgeführt, um den eigenen Arbeitsplatz zu sichern.

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Die Anerkennung der Bewirtungsaufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ist entgegen dem Urteil des Bundesfinanzhofs in BStBl II 1984, Seite 557 nicht deshalb zu versagen, weil dem Kläger als angestelltem Chefarzt ein festes Gehalt gezahlt wird. Die für den Abzug als Werbungskosten erforderliche berufliche Veranlassung von Aufwendungen für die Bewirtung von Mitarbeitern ist auch dann zu bejahen, wenn wie im Streitfall zwar nicht die Höhe der Bezüge, sondern die Erhaltung des eigenen Arbeitsplatzes im Vordergrund steht. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats ausgeführt hat, schien aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage der Klinik sein eigener Arbeitsplatz als gefährdet. Deshalb hat der Kläger auch versucht, durch Motivation des Klinikpersonals zur erfolgreichen Zusammenarbeit, guter Arbeitsqualität und Bereitschaft zur Mehrarbeit seinen eigenen Arbeitsplatz zu sichern. Der erkennende Senat hält die Auffassung des BFH (B StBl II 1985, 288 , 289) für zu weit gehend, es widerspreche der Lebenserfahrung, dass ein Angestellter in leitender Stellung anlässlich eines Betriebsfestes oder eines Betriebsausfluges größere Beträge für die ihm unterstellten Arbeitnehmer ausgebe. Wenn aufgrund der verschlechterten wirtschaftlichen Situation, aufgrund des Konkurrenzdrucks oder der schwierigen Haushaltslage der Gebietskörperschaften der Fortbestand einer Firma, einer Klinik oder einer anderen Einrichtung mit angestellten Mitarbeitern ernsthaft fraglich geworden ist und damit auch der Fortbestand des Anstellungsverhältnisses der leitenden Mitarbeiter bedroht ist, liegt es nahe, dass gerade die leitenden Mitarbeiter alles unternehmen, um die Leistungsbereitschaft der Belegschaft zu erhöhen und die Quantität und Qualität der Leistung zu steigern, um damit die Schließung ihrer Firma, ihrer Klinik oder ihrer Einrichtung abzuwenden und letztlich auch ihren Arbeitsplatz zu erhalten. Weil der Fortbestand des Anstellungsverhältnisses eines leitenden Angestellten im Regelfall nicht unwesentlich von den Leistungen seiner Mitarbeiter abhängt, liegt es in einer solchen Situation nahe, dass auch ein leitender Angestellter mit Festbezügen größere Beträge anlässlich von Betriebs- oder Weihnachtsfeiern aufwendet, um die Motivation und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter zu fördern und damit auch seinen eigenen Arbeitsplatz zu erhalten. Der Einwand des FA, der Kläger habe die Aufwendungen wegen der mit der ständigen Zusammenarbeit einhergehenden gesellschaftlichen und zwischenmenschlichen Beziehungen, die mehr persönlicher Art und letztlich durch die gesellschaftliche Position des Klägers in der Mitarbeitergemeinschaft bedingt seien, getätigt, greift nicht durch. Es gibt keinen überzeugenden Grund dafür, dass dieser Einwand des FA bei einem Angestellten in leitender Funktion mit festen Bezügen gelten soll, und bei Angestellten in leitender Funktion mit variablen Einkünften hingegen nicht. Es gibt ebenso wenig einen überzeugenden Grund, die Veranlassung der Bewirtungsaufwendungen des Klägers für die Mitarbeiter anlässlich der Weihnachtsfeier dem Bereich des § 12 EStG zuzuordnen wenn berücksichtigt wird, dass seit langer Zeit nach der ständigen Rechtsprechung des BFH Unternehmer/Arbeitgeber Aufwendungen für Betriebsveranstaltungen, zum Beispiel auch Weihnachtsfeiern, als Betriebsausgaben geltend machen dürfen, obwohl sie wegen des ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers keinen Arbeitslohn darstellen (vgl. hierzu die Urteile des BFH in BStBl II 1992, 655 [BFH 25.05.1992 - VI R 85/90] und BStBl II 1997, 331 [BFH 06.12.1996 - VI R 48/94]). Obwohl es dabei um die Förderung des Kontakts der Arbeitnehmer untereinander und des Betriebsklimas geht, aus dem sich selbstverständlich der Arbeitgeber nicht ausklinken kann, überlagert der Gesichtspunkt des eigenbetrieblichen (Gewinn-)Interesses offensichtlich auch den der § 12 EStG zuzuweisenden zwischenmenschlichen Beziehungen. Weshalb Weihnachtsfeiern von Unternehmern/Arbeitgebern einerseits und leitenden Angestellten mit festen Bezügen andererseits, die sich das Interesse des Arbeitgebers am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens zu eigen machen zur Erhaltung des eigenen Arbeitsplatzes, bei der Beurteilung der betrieblichen/beruflichen bzw. gesellschaftlichen Veranlassung unterschiedlich behandelt werden sollten, vermag der Senat nicht zu erkennen.

16

§ 4 Abs. 5 EStG steht dem Abzug der streitigen Aufwendungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten weder ganz noch teilweise entgegen. Insbesondere greift die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht ein, weil die Weihnachtsfeier mit dem Klinikpersonal eine reine betriebsinterne Bewirtung und keinen geschäftlichen Anlass i. S. der Vorschrift darstellt.

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Da die Aufwendungen des Klägers sowohl Betriebsausgaben bei seinen Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit als auch Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit darstellen, kann dahin gestellt bleiben, im welchen Verhältnis die Aufwendungen als Betriebsausgaben und als Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Jedwede Aufteilung der Aufwendungen in Betriebsausgaben und Werbungskosten führte zu keinen unterschiedlichen steuerlichen Auswirkungen, weil die im übrigen anerkannten Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers bereits den Pauschbetrag des § 9 a Abs. 1 Nr. 1 EStG übersteigen.

18

Hiernach war die Einkommensteuer 1993 wie folgt neu zu berechnen: