Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.02.2002, Az.: 13 K 532/98

Gesamtrechtsnachfolge bei unentgeltlichem Erwerb eines Sparkassenbriefes im Wege eines gerichtlichen Vergleichs in einer Nachlasssache

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
19.02.2002
Aktenzeichen
13 K 532/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 36232
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2002:0219.13K532.98.0A

Fundstelle

  • DStRE 2002, 871-872 (Volltext mit amtl. LS)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Bei unentgeltlichem Erwerb von Wertpapieren im Wege der Gesamtrechtsnachfolge tritt der Erbe hinsichtlich der dem Erblasser bis zu seinem Tode zustehenden Zinsen in dessen Rechtsstellung ein mit der Folge, dass die auf diesen Teil nach dem Todestag des Erblassers anfallenden Zinsen für den Erben Einkünfte aus Kapitalvermögen darstellen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Wertpapiere entgeltlich erworben werden.

  2. 2.

    Auch bei einem unentgeltlichen Erwerb eines abgezinsten Sparkassenbriefes im Wege eines gerichtlichen Vergleichs in einer Nachlasssache tritt der Erwerber wie ein Erbe hinsichtlich der dem Erblasser bis zu seinem Todes zustehenden Zinsen in dessen Rechtsstellung ein. Das hat die Folge, dass die auf diesen Teil nach dem Todestag des Erblassers anfallenden Zinsen für den Erwerber Einkünfte aus Kapitalvermögen darstellen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist nur noch streitig, ob Zinserträge aus einem abgezinsten Sparkassenbrief von den Klägern zu versteuern sind.

2

Der Kläger hat im November 1994 einen Sparkassenbrief der Sparkasse S im Nominalwert von 130. 000 DM eingelöst. Diesen Brief erhielt er im Zuge eines gerichtlichen Vergleichs vor dem Landgericht X in der Nachlasssache R zuerkannt. In diesem Nachlassverfahren vor dem Landgericht X war in zweiter Instanz streitig, ob der Kläger Erbe nach dem am 01.10.1991 verstorbenen R geworden war. R hatte diesen Sparkassenbrief im Jahre 1989 zu einem Ausgabepreis von 92. 689 DM erworben. In dem Vergleich vor dem Landgericht vom 10.11.1993 verpflichteten sich die Erben nach R, an den Kläger den Sparkassenbrief herauszugeben. Im Gegenzug nahm der Kläger seinen Erbscheinsantrag zurück.

3

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1994 setzte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) den Differenzbetrag zwischen Einlösungsbetrag und Ausgabebetrag i.H.v. 37. 311 DM bei den Klägern als Einnahmen aus Kapitalvermögen an.

4

Hiergegen richtet sich die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage.

5

Die Kläger vertreten die Auffassung, dass ihnen keine Einnahmen aus Kapitalvermögen zugerechnet werden dürften. Es handele sich in der Sache nicht um Einnahmen aus Kapital; vielmehr um solche Einnahmen, die den Klägern im Rahmen eines Nachlasses zugeflossen seien. Der Kläger habe die auf den Sparkassenbrief entfallenden Zinsen nicht als Einkommen erwirtschaftet. Der Fall sei nicht mit den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen des Erwerbs im Wege der Gesamtrechtsnachfolge vergleichbar, bei denen sich der Erbe die Besitzzeit des Erblassers mit zurechnen lassen müsse. Der Kläger habe den Sparkassenbrief vielmehr aus einem gerichtlichen Vergleich erhalten. Auf diesen Zufluss sei auch bereits Erbschaftsteuer entrichtet worden. Wolle man jetzt noch den Zinsanteil der Besteuerung unterwerfen, führe dies gleichsam zu einer doppelten Besteuerung. Hätte der Kläger in dem gerichtlichen Vergleich die Zahlung eines Geldbetrages von 130. 000 DM vereinbart, hätte sich die Frage der Versteuerung von Kapitaleinkünften von vornherein überhaupt nicht gestellt.

6

Die Kläger beantragen,

  1. den Einkommensteuerbescheid 1994 dergestalt zu ändern, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach Maßgabe des Schreibens des Berichterstatters vom 21.01.2002 herabgesetzt und Einkünfte aus Kapitalvermögen (Sparbrief der Sparkasse S) außer Ansatz gelassen werden und die Einkommensteuer 1994 entsprechend neu festgesetzt wird.

7

Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage nach Maßgabe seines Vortrags in der mündlichen Verhandlung abzuweisen.

8

Der Beklagte tritt der Rechtsauffassung der Kläger entgegen. Der Kapitalertrag aus dem abgezinsten Sparbrief sei dem Kläger im Zeitpunkt der Fälligkeit zugeflossen ( § 11 Abs. 1 Einkommensteuergesetz - EStG - ) und steuerlich zu erfassen. Die Zinsen aus dieser Kapitalforderung seien dem Kläger als Erwerber des Sparkassenbriefes in voller Höhe als Einnahmen aus Kapitalvermögen zuzurechnen.

9

Auch eine Aufteilung auf die Besitzzeit des Erblassers R und den Kläger komme nicht in Betracht.

10

Hinsichtlich des ursprünglich weiteren Streitpunktes Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte hat das FA die Kläger in der mündlichen Verhandlung insofern klaglos gestellt, dass von den insgesamt 179 Tagen, an denen der Kläger zur Arbeitsstätte in X- gefahren ist, 80 Tage anerkannt werden, an denen die Fahrten von M (48 km einfache Entfernung) zur Arbeitsstätte erfolgten. Die Kläger haben sich hiermit einverstanden erklärt und mitgeteilt, dass dieser Streitpunkt erledigt sei. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.02.2002 Bezug genommen.

Gründe

11

Die Klage ist hinsichtlich der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte begründet. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit, dass die Werbungskosten des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit entsprechend zu erhöhen sind.

12

Der Kläger ist unstreitig an insgesamt 179 Tagen zu seiner Arbeitsstätte gefahren. Aufgrund der Verständigung zwischen den Beteiligten ergibt sich folgende neue Berechnung:

99 Tage x 3 km x 0,70 DM

207,90 DM

80 Tage x 48 km x 0,70 DM

2.688,00 DM

Summe

2.895,90 DM

Bisher

376,00 DM

Mehrbetrag Werbungskosten

2.519,90 DM

= 2.520,00 DM

13

Im Übrigen hat die Klage keinen Erfolg.

14

Das FA hat die Einkünfte der Kläger aus Kapitalvermögen zutreffend ermittelt. Aus dem abgezinsten Sparkassenbrief sind den Klägern Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. 37. 311 DM zuzurechnen. Hierbei handelt es sich um den Unterschiedsbetrag zwischen dem Ausgabepreis von 92. 689 DM und dem Nennbetrag (Rückzahlungsbetrag) von 130. 000 DM.

15

Rechtsgrundlage für die Zurechnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen ist im Streitfall § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG . Danach gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Erträge aus Kapitalforderungen jeder Art.

16

Bei unentgeltlichem Erwerb von Wertpapieren im Wege der Gesamtrechtsnachfolge tritt der Erbe hinsichtlich der dem Erblasser bis zu seinem Tode zustehenden Zinsen in die Rechtsstellung des Erblassers ein mit der Folge, dass die auf diesen Teil nach dem Todestag des Erblassers anfallenden Zinsen für den Stpfl. in vollem Umfang Einkünfte aus Kapitalvermögen darstellen (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 , § 20 Nr. 7 EStG). Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn Wertpapiere entgeltlich erworben werden. In diesem Fall hat der Bundesfinanzhof (BFH) ausgeführt, dass für den Erwerber der mit dem Wertpapier erworbene Zinsanspruch, soweit er auf die Zeit vor dem Erwerb des Wertpapiers entfällt, eine normale Kapitalforderung ist und dass Einnahmen aus Kapitalvermögen nur vorliegen, soweit Zinsen gezahlt werden, die auf die Besitzzeit des Erwerbers entfallen (vgl. BFH-Urteil vom 13.12.1963 VI 22/61 S , BStBl III 1964, 184). Diese Grundsätze sind abgestellt auf die Rechtsverhältnisse bei entgeltlichem Erwerb von Wertpapieren, wobei die Stückzinsen beim Erwerb gewissermaßen nur durchlaufende Gelder sind. Ihre Verrechnung ist nur eine banktechnische Methode, um in möglichst einfacher Form die Zinsen einer Zinsperiode auf den Veräußerer und den Erwerber des Wertpapiers zu verteilen. Der wirtschaftliche Gehalt des Vorgangs geht hierbei dahin, dass der Erwerber gewissermaßen nur eine Zinsforderung einzieht, die er zuvor vom Veräußerer entgeltlich erworben hat (BFH a.a.O.).

17

Im Streitfall hat der Kläger den Sparkassenbrief zwar nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erhalten; gleichwohl ist der Senat jedoch der Auffassung, dass die Situation des Erwerbs im Wege des gerichtlichen Vergleichs in der Nachlassangelegenheit Ramsohl mit dem unentgeltlichen Erwerb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge vergleichbar ist. Auch im Streitfall hat der Kläger den Sparkassenbrief unentgeltlich aus der Erbmasse mit dem Nominalbetrag von 130. 000 DM erhalten.

18

Die Zurechnung der Zinsen i.H.v. 37. 311 DM ergibt sich insofern schon aus dem Zuflussprinzip gem. § 11 Abs.1 EStG . Kapitalerträge sind erst bei ihrem Zufluss steuerlich zu erfassen. Bei abgezinsten Kapitalforderungen erfolgt die Besteuerung des Kapitalertrages am Ende der Laufzeit zum Zeitpunkt der Fälligkeit. Dabei ist es unerheblich, ob die Kapitalforderung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge oder in sonstiger Weise unentgeltlich auf den Erwerber übergeht.

19

Hätten die Kläger eine Besteuerung von Kapitalerträgen vermeiden wollen, so hätten sie

20

... worauf ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung auch zutreffend hingewiesen hat den Vergleich über die Zahlung eines Einmalbetrages von 130. 000 DM abschließen müssen.

21

Die Steuerneuberechnung unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten des Klägers bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 2. 520 DM hat das Gericht gem. § 100 Abs.2 Satz 2 FGO dem FA übertragen.

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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 135 Abs. 1, 136 Abs. 1 FGO . Der Senat hat den Klägern die Kosten des Verfahrens ganz auferlegt, weil sie nur zu einem geringen Teil (Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte) obsiegt haben.