Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.02.2002, Az.: 2 K 647/99
Offenbare Unrichtigkeit bei der Auswertung eines Großbetriebsprüfungs-Berichts durch das Veranlagungsfinanzamt
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 13.02.2002
- Aktenzeichen
- 2 K 647/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 36219
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2002:0213.2K647.99.0A
Rechtsgrundlagen
- AO § 129
Fundstellen
- DStRE 2002, 976-977 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2002, 794-795
Redaktioneller Leitsatz
Macht sich bei der Auswertung eines Prüfungsberichtes durch das Veranlagungsfinanzamt der Veranlagungsbeamte lediglich den Fehler des Außenprüfers zu Eigen, so kann der Bescheid, in den der Fehler eingeht, in gleicher Weise berichtigt werden, als ob der Veranlagungsbeamte selbst den Fehler begangen hätte. Beruht der Fehler des Außenprüfers auf einem mechanischen Versehen, so kann der Änderungsbescheid nach § 129 AO berichtigt werden.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte den Feststellungsbescheid für das Streitjahr 1994 nach § 129 Abgabenordnung (AO) zuungunsten der Klägerin berichtigten durfte.
Die Klägerin vermietete als Besitzgesellschaft Anlagevermögen an die Betriebsgesellschaft A-GmbH. Komplementärin der Klägerin war die Z-GmbH, die am Kapital der Klägerin nicht beteiligt war. Kommanditisten waren B und C.
In der Feststellungserklärung ermittelte die Klägerin ihren Gewinn aus Gewerbebetrieb wie folgt:
Jahresüberschuss laut Handelsbilanz | 4.120. 889 DM | |
---|---|---|
Kostenersatz Komplementärin | + | 20. 000 DM |
Gewinnausschüttungen (einschl. anr. KSt) der GmbH an die Kommanditisten | + | 1.785. 714 DM |
der Komplementärin an die Kommanditisten | + | 70. 000 DM |
Gesamt | 5.996. 603 DM |
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Bl. 7 d. Gerichtsakte verwiesen.
Der Beklagte veranlagte erklärungsgemäß. Im Jahre 1998 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung durch das zuständige Finanzamt für Großbetriebsprüfung (FA f. GBp) statt. Durch Feststellungen dieser Außenprüfung ergaben sich für das Streitjahr Gewinnerhöhungen um 24. 892 DM. Im Prüfungsbericht war die Änderung des Gewinns wie folgt dargestellt:
Überschrift. II. Gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung
Tz. 38 Gewinn bisher | 4.120. 889 DM |
---|---|
Tz. 39 Gewinn lt. Bp | 4.145. 781 DM |
Wegen der Einzelheiten wird auf den Bp-Bericht, dort Bl. 18 - 20 d. Bilanzakte verwiesen.
Das FA f. GBp übersandte den Prüfungsbericht an den Beklagten zur Auswertung. Der Beklagte erließ darauf hin den geänderten Feststellungsbescheid vom 22. März 1999. In diesem Bescheid setzte der Beklagte den Gewinn aus Gewerbebetrieb für die Klägerin mit 4.165. 781 DM an.
Diesen Gewinn ermittelte der Beklagte wie folgt:
Gewinn laut Bp-Bericht Tz. 39 | 4.145. 781 DM | |
---|---|---|
Kostenersatz Komplementärin | + | 20. 000 DM |
Gesamt | 4.165. 781 DM |
Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Nachdem der Beklagte bemerkt hatte, dass er die Gewinnausschüttungen an die Kommanditisten nicht berücksichtigt hatte, erließ er einen weiteren Feststellungsbescheid. In diesem Bescheid stellte er den Gewinn aus Gewerbebetrieb für die Klägerin mit 6.021. 495 DM fest. Diesen Bescheid begründete der Beklagte mit der Berichtigung einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 AO .
Gegen diese Berichtigung richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage. Die Klägerin ist der Meinung, eine Berichtigung des Feststellungsbescheids nach § 129 AO sei nicht möglich. Dem Beklagten sei nämlich beim Erlass des vorhergehenden Bescheids keine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen. Der ursprüngliche Feststellungsbescheid beruhe auf einem fortentwickelten Ergebnis aus dem Jahresüberschuss der Klägerin. Diese Fortentwicklung erfordere umfangreiche Rechenoperationen. Bei der Auswertung des Prüfungsberichts hätte der Sachbearbeiter das (Mehr)Ergebnis der Betriebsprüfung ebenfalls so fortentwickeln müssen. Dies habe er jedoch nicht getan. Dieses Unterlassen sei aber keine offenbare Unrichtigkeit; denn es sei kein mechanisches Versehen, sondern ein Denkfehler.
Die Klägerin beantragt,
den Berichtigungsbescheid für die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1994 in der Gestalt des Einspruchsbescheids vom aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner Auffassung fest, der Berichtigungsbescheid habe noch wegen der Vorschrift des § 129 AO ergehen dürfen. Es sei nämlich eine Berichtigung des ersten, nach der Betriebsprüfung ergangenen Feststellungsbescheids erforderlich gewesen. Bei Erlass dieses, dem angefochtenen Bescheid vorhergehenden Feststellungsbescheids sei nämlich dem Sachbearbeiter eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen. So habe er bei Auswertung des Prüfungsberichts die Gewinnausschüttungen an die Kommanditisten versehentlich nicht als Sonderbetriebseinnahmen berücksichtigt. Ein Rechtsirrtum sei dabei ausgeschlossen. Es handele sich vielmehr um einen Computereingabefehler, da die erforderliche Kennzahl nicht verwendet worden sei.
Das Gericht hat die Bp-Arbeitsakte zum Verfahren beigezogen und beim FA f. GBp nachgefragt, warum im Bp-Bericht der Handelsbilanzgewinn statt des steuerlichen Gewinns angesetzt wurde. Wegen der Antwort wird auf Bl. 39 d. Gerichtsakte verwiesen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte durfte den Feststellungsbescheid der Klägerin nach § 129 AO berichtigen.
Der aufgrund der Außenprüfung erlassene Feststellungsbescheid war offensichtlich unrichtig.
Nach § 129 AO können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigt werden. Offenbare Unrichtigkeiten in diesem Sinne sind mechanische Fehler, die ebenso mechanisch, d.h. ohne weitere Prüfung, erkannt und berichtigt werden können, wie beispielsweise Ablese- oder Übertragungsfehler (ständige Rechtsprechung, z.B. Bundesfinanzhof - BFH - Urteil vom 9. Oktober 1979, VIII R 226/77 , Bundessteuerblatt (BStBl.) II 1980, 62, BFH-Beschluss vom 27. Mai 1998, IV B 151/97 , BFH/NV 1998, 1452). Ein mechanisches Versehen liegt nicht vor, wenn die Möglichkeit eines Rechtsirrtums, Denkfehlers oder einer unvollständigen Sachaufklärung besteht (B FH-Urteil vom 13. November 1997, V R 138/92 , BFH/NV 1998, 419). Ein solches mechanisches Versehen kann auch darin liegen, dass eine offenbare Unrichtigkeit, die in einem Außenprüfungsbericht enthalten ist, von dem Veranlagungsbeamten bei der Auswertung des Berichts unbemerkt in den Bescheid übernommen wird (B FH-Beschluss vom 18. August 1999, I R 93/98 , BFH/NV 2000, 539).
Im Streitfall ist die Möglichkeit eines Rechtsirrtums, eines Denkfehlers oder einer unvollständigen Sachverhaltsaufklärung durch den zuständigen Veranlagungsbeamten ausgeschlossen. Die Anwendung des § 129 AO scheidet auch nicht deshalb aus, weil der Fehler nicht von dem Veranlagungsbeamten, sondern vom Außenprüfer herrührte. Der Veranlagungsbeamte hat den (der Höhe nach falschen) Gewinn aus Gewerbebetrieb für die Klägerin aus dem ihm zur Auswertung übersandten Prüfungsbericht übernommen. Er wollte die Besteuerungsgrundlagen der Klägerin in Art und Höhe nach den Vorgaben des Prüfungsberichts ändern. Dies brachte er durch die Verwendung eines entsprechenden Erläuterungstextes unter dem Änderungsbescheid zum Ausdruck. Er machte sich insoweit den Fehler des Außenprüfers zu eigen, mit der Folge, dass der Bescheid, in den der Fehler eingeht, in der gleichen Weise berichtigt werden kann, als ob der Veranlagungsbeamte selbst den Fehler begangen hätte. In derartigen Fällen kommt es deshalb darauf an, ob der Fehler bereits im Rahmen des Betriebsprüfungsberichts eine offenbare Unrichtigkeit war (B FH-Urteil vom 7. Juni 1972, I R 115/70 , BStBl. II 1972, 743).
Die fehlerhaften Berechnungen des Prüfers hinsichtlich des Gewinns der Klägerin sind offenbar unrichtig im Sinne des § 129 AO . Denn auch der Fehler des Prüfers ist ein mechanisches Versehen. Der Prüfer wollte den Gewinn der Klägerin ausschließlich wegen der unstreitigen Prüfungsfeststellungen um 24. 892 DM erhöhen. Dies ergibt sich aus den Textziffern 38 und 39 des Betriebsprüfungsberichts. Der Prüfer wollte die Gewinnzurechnungen wegen der Ausschüttungen nicht verändern. Er traf hierzu auch weder im Bericht noch in der Bp-Arbeitsakte irgendwelche Aussagen. Dahingestellt bleiben kann, ob der Prüfer von den dem Handelsbilanzgewinn hinzuzurechnenden Gewinnausschüttungen überhaupt wusste. Auf Anfrage des Gerichts teilte das FA f. GBp mit, der Prüfer habe nämlich dem Beklagten überlassen wollen, die unveränderten Sonderbetriebseinnahmen dem im Bericht ausgewiesenen Gewinn hinzuzurechnen. Der Fehler des Betriebsprüfers lag darin, dass er für die Darstellung seiner Feststellungen eine falsche Bezeichnung wählte. Er stellte seine Änderungen des Handelsbilanzgewinns nämlich im Prüfungsbericht unter der Überschrift II. Gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung dar. Hierunter kann jedoch nur der nach steuerlichen Vorschriften ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb, und nicht der bloße Gewinn aus Handelsbilanz, wie geschehen, zu verstehen sein. Auch wies der Prüfer an keiner Stelle darauf hin, dass der Beklagte weitere Gewinnzurechnungen zu ermitteln habe.
Die Verwendung dieser unzutreffenden Darstellungsform steht einem mechanischen Versehen gleich. Die Möglichkeit eines Rechtsirrtums war hier höchstenfalls theoretisch (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Oktober 1992, I B 85/92 , BFH/NV 1994, 517). Denn jedem Betriebsprüfer sind die Unterschiede zwischen dem Gewinn einer Gesellschaft laut gesonderter und einheitlicher Gewinnfeststellung und dem Handelsbilanzgewinn dieser Gesellschaft geläufig. Der Beklagte ist jedoch gerade durch diese unzutreffende Bezeichnung zu der unrichtigen Auswertung des Prüfungsberichts veranlasst worden.
Das Versehen des Außenprüfers war auch offenbar i.S. des § 129 AO . Offenbar ist, was für alle Beteiligten durchschaubar, erkennbar, eindeutig und augenfällig ist (B FH-Urteil vom 18. August 1999, I R 93/98 , a.a.O.). Die Unrichtigkeit des Änderungsbescheids und des diesem zugrunde liegenden fehlerhaften Betriebsprüfungsbericht war für die Beteiligten erkennbar. Sowohl der Klägerin als auch dem Beklagten war nämlich bei Erlass des streitbefangenen Bescheids der fehlerhafte Betriebsprüfungsbericht bekannt.
Zwar hat der Veranlagungsbeamte den Gewinn laut Betriebsprüfungsbericht noch um 20. 000 DM erhöht. Dies führt jedoch zu keiner anderen Beurteilung. Insoweit erkannte nämlich der Veranlagungsbeamte den Fehler des Betriebsprüfers und erhöhte den Gewinn der Klägerin entsprechend. Hinsichtlich der Sonderbetriebseinnahmen erkannte der Veranlagungsbeamte den Fehler des Betriebsprüfers jedenfalls nicht. Insoweit hat er also die offenbare Unrichtigkeit übernommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO .