Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.02.2002, Az.: 9 K 280/00
Keine Verlängerung der Vier-Jahresfrist des § 3 Abs. 2a ZRFG durch die Finanzverwaltung im Billigkeitswege
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 06.02.2002
- Aktenzeichen
- 9 K 280/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 36212
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2002:0206.9K280.00.0A
Rechtsgrundlagen
- ZRFG § 3 Abs. 2a
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Ein Stpfl. darf nach § 3 Abs. 2a ZRFG (in der Fassung des StÄndG 1991) eine Rücklage für die Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bilden, die bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres angeschafft oder hergestellt werden. Für Gebäude verlängert sich die Fertigstellungsfrist auf 4 Jahre, wenn mit der Herstellung bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres begonnen worden ist.
- 2.
Die Frist nach § 3 Abs. 2a ZRFG stellt eine gesetzliche Frist dar, die sich einer Fristverlängerung durch die Finanzverwaltung im Billigkeitswege entzieht. Diese gesetzgeberische Entscheidung muss die Finanzverwaltung respektieren.
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Rücklage nach § 3 Zonenrandförderungsgesetz (ZRFG) in Höhe von 250. 000 DM zum 31. Dezember 1991 für die Erweiterung eines Lebensmittelmarktes gebildet werden durfte.
Die ledige Klägerin betreibt in S einen Lebensmittelmarkt und erzielt überwiegend Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Jahre 1991 stellte die Klägerin einen Bauantrag zur Erweiterung ihres Lebensmittelmarktes. Das Bauordnungsamt des zuständigen Landkreises teilte ihr im November 1991 mit, dass der Bauantrag zurzeit nicht genehmigungsfähig sei. Zunächst müsse eine Änderung des Bebauungsplanes erfolgen. Darüber hinaus hätten Nachbarn Einspruch gegen das Bauvorhaben erhoben. Daraufhin informierte sich die Klägerin bei einem Planungsbüro über die Möglichkeit, den Bebauungsplan ändern zu lassen. Das Planungsbüro gab ihr die Auskunft, dass mit einer Planreife auf Grund eines geänderten Bebauungsplanes frühestens im Sommer 1995 zu rechnen sei. Im Mai 1992 bat die Klägerin daraufhin, den Bauantrag bis zur Änderung eines Bebauungsplanes zurückzustellen. Im weiteren Verfahren ließ sie ein notwendiges Schallschutzgutachten erstellen, das sie im September 1995 vorlegte. Bereits im Juni 1995 forderte das Bauordnungsamt Gifhorn erneut prüfungs- und bearbeitungsfähige Unterlagen an, damit die Behörde das Baugenehmigungsverfahren fortsetzen konnte. Erst zu Beginn des Jahres 1996 lag dann ein rechtsgültiger Bebauungsplan vor. Daher stellte die Klägerin am 18. März 1996 einen weiteren Bauantrag, der einen Hinweis auf den ursprünglich im Jahre 1991 gestellten Bauantrag enthielt. Der Landkreis vergab aber für den Bauantrag aus dem Jahre 1996 ein neues Aktenzeichen. Anschließend erhielt die Klägerin im Juli 1996 eine Baugenehmigung für die Erweiterung ihres Lebensmittelmarktes und begann mit den Bauarbeiten. Die Bauarbeiten waren im Oktober 1996 abgeschlossen, so dass sie den Lebensmittelmarkt anschließend wieder eröffnete.
Am 25. September 1992 beantragte die Klägerin die Bewilligung einer Rücklage nach § 3 ZRFG zum 31. Dezember 1991. Mit Bescheid vom 29. Oktober 1992 bewilligte der Beklagte (Finanzamt FA -) die Rücklagenbildung in beantragter Höhe. Der Bewilligungsbescheid enthielt die Bedingung, dass mit der Herstellung der Gebäudeerweiterung spätestens bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres begonnen und die Maßnahme spätestens bis zum Ende des vierten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres abgeschlossen seien müsse. Sollten diese Auflagen nicht erfüllt werden, entfiele die Bewilligung rückwirkend. Daraufhin bildete die Klägerin eine gewinnmindernde Rücklage in Höhe von 250. 000 DM in ihrer Bilanz zum 31.12.1991. Das FA setzte die Einkommensteuer 1991 und den Gewerbesteuermessbetrag 1991 unter Berücksichtigung der Gewinnminderung auf Grund der Rücklage fest.
Im Anschluss an eine Außenprüfung widerrief das FA den Bewilligungsbescheid vom 29. Oktober 1992 und löste die Rücklagen rückwirkend für das Jahr 1991 gewinnerhöhend auf. Dementsprechend änderte es auch den Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheid gemäß § 175 Abgabenordnung (AO) und erhöhte den Gewinn bzw. Gewerbeertrag entsprechend. Die Einsprüche gegen den Widerrufsbescheid und gegen die geänderten Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide blieben erfolglos.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, die Rücklagenbildung nach § 3 ZRFG zum 31. Dezember 1991 sei rechtmäßig. Sie die Klägerin habe rechtzeitig mit der Herstellung der Baumaßnahme, für die sie eine Rücklage beantragt habe, begonnen, denn sie habe bereits im Jahre 1991 einen Bauantrag gestellt. Bei den im März 1996 eingereichten Unterlagen habe es sich lediglich um einen modifizierten Nachtrag zum ursprünglichen Bauantrag gehandelt. An der verspäteten Fertigstellung der Baumaßnahme treffe sie kein Verschulden. Zwar sei es ihr nicht innerhalb von vier Jahren gelungen, das Bauvorhaben abzuschließen. Dies habe aber allein an der verzögerten Bearbeitung ihres Bauantrages durch die zuständigen Bauordnungsbehörden gelegen. Ihr könne nicht angelastet werden, dass zunächst der Bebauungsplan hätte geändert werden müssen. Die Verzögerung im Baugenehmigungsverfahren sei allein von den Bauordnungsbehörden zu vertreten und könne ihr nicht vorgeworfen werden. Nach einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF-Schreiben) vom 27. Dezember 1989 (B StBl. I 1989, 518) könne die Finanzbehörde die Fristen für eine Rücklagenbildung verlängern, wenn sich die Fertigstellung aus Gründen, die nicht im Einflussbereich des Steuerpflichtigen lägen, verzögere. Dieser Erlass gelte auch noch für das Streitjahr 1991.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
- 1.
den Widerrufsbescheid vom 28. Juli 1999 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 30. März 2000 betreffend der Rücklage nach § 3 ZRFG in Höhe von 250. 000 DM ersatzlos aufzuheben und
- 1.
die Einkommensteuer 1991 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 30. März 2000 und Änderung des Einkommensteuerbescheides vom 23. August 1999 auf 10. 621 DM sowie den Gewerbesteuermessbetrag 1991 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 30. März 2000 und Änderung des Gewerbesteuermessbescheides vom 23. August 1999 auf 3. 940 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es ist der Meinung, dass die Rücklage zutreffend gewinnerhöhend im Jahr 1991 aufzulösen sei. Die Klägerin habe unstreitig die in § 3 Abs. 2 a ZRFG festgesetzte Vier-Jahresfrist für die Fertigstellung der Baumaßnahme überschritten. Diese Vier-Jahresfrist sei mit dem Steueränderungsgesetz 1991 (S tÄndG 1991) in das Gesetz eingefügt worden. Nach dieser Gesetzesänderung sei es der Finanzverwaltung nicht mehr möglich, die Frist zu verlängern. Die Regelung bezüglich der Fristen für die Bildung und Auflösung der Rücklage sei nunmehr abschließend. Das gelte auch, wenn sich der ursprünglich angenommene Zeitpunkt des Investitionsabschlusses aus Gründen verzögere, die der Steuerpflichtige nicht zu vertreten habe. Daher sei es unerheblich, dass die Klägerin die Baumaßnahme nur außerhalb der Vier-Jahresfrist abgeschlossen habe, weil sich das Bauplanungsverfahren durch die Klägerin unverschuldet verzögert habe. Die Regelung des BMF-Schreibens vom 27. Dezember 1989 sei im Übrigen durch die Gesetzesänderung aus dem Jahre 1991 überholt. Der Erlass sei nicht mehr anzuwenden. Des Weiteren habe die Klägerin auch nicht innerhalb von zwei Jahren nach Bildung der Rücklage mit der Herstellung des Gebäudes begonnen. Zwar reiche für den Baubeginn im Sinne der Vorschrift die Einreichung des Bauantrages aus. Jedoch habe die Klägerin den entscheidenden Bauantrag erst im Jahre 1996 gestellt. Der Bauantrag aus dem Jahre 1991 sei überholt gewesen. Über den Bauantrag aus dem Jahre 1991 habe die Bauordnungsbehörde nicht mehr entschieden. Dies sei allein daran zu erkennen, dass der Bauantrag aus dem Jahre 1996 ein neues Aktenzeichen erhalten habe.
Die Klage bezüglich des Einkommensteuerbescheides 1991 und des Gewerbesteuermessbescheides 1991 sei ebenfalls unbegründet. Da über die Bildung einer Rücklage nach dem ZRFG mit einem eigenständigen Bewilligungsbescheid entschieden werde, der als Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid gelte, könne über die Rechtmäßigkeit der Rücklagenbildung nicht im Einkommensteuerverfahren bzw. im Verfahren über den Gewerbesteuermessbescheid entschieden werden. Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid seien nach § 351 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) ausschließlich in dem Verfahren über den Grundlagenbescheid und nicht im Verfahren über den darauf beruhenden Folgebescheid vorzubringen. Mit dem Einwand, die Rücklagen nach § 3 ZRFG sei rechtmäßig gebildet worden, könne die Klägerin daher in diesem Verfahren nicht gehört werden.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
1. Das FA hat den Bescheid über die Bewilligung einer Rücklage nach § 3 ZRFG zu Recht widerrufen, weil die Klägerin die grundsätzlich begünstigte Baumaßnahme nicht innerhalb von vier Jahren nach Bildung der Rücklage abgeschlossen hat.
Nach § 3 Abs. 2 a ZRFG darf der Steuerpflichtige eine Rücklage für die Anschaffung oder Herstellung von beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bilden, die bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs angeschafft oder hergestellt werden. Die Fertigstellungsfrist verlängert sich für Gebäude auf vier Jahre, wenn mit der Herstellung bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs begonnen worden ist. Bei Gebäuden gilt als Beginn der Herstellung der Zeitpunkt der Stellung des Bauantrags ( § 3 Abs. 2 letzter Satz ZRFG). Die Höhe der Rücklage ist auf 50 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des beweglichen bzw. unbeweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens beschränkt.
Die von der Klägerin durchgeführte Erweiterung ihres Lebensmittelmarkts stellt zwar eine Baumaßnahme dar, für die grundsätzlich eine Rücklage nach § 3 Abs. 2 a ZRFG gebildet werden konnte. Die zum 31. Dezember 1991 gebildete Rücklage musste indes nachträglich gewinnerhöhend aufgelöst werden, weil sich die Fertigstellung bis in das Jahr 1996 hinein verzögert hatte, so dass die Baumaßnahme nicht bis zum Ende des vierten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres (1995) abgeschlossen war. Da die Klägerin die Baumaßnahme nicht innerhalb der Vier-Jahresfrist fertig gestellt hat, kann es dahin stehen, ob der Bauantrag aus dem Jahre 1991 bereits als Beginn der Herstellung anzusehen ist, denn eine Rücklagenbildung scheidet schon aus, wenn ausschließlich die Frist zur Fertigstellung überschritten wurde.
Das FA konnte die Frist auch nicht verlängern. Es handelt sich bei der Frist nach § 3 Abs. 2 a ZRFG um eine gesetzliche Frist, die sich einer Fristverlängerung durch die Finanzverwaltung im Billigkeitswege entzieht. Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen, unter denen eine Rücklage für noch geplante Investitionen gebildet werden kann, abschließend geregelt. Er wollte nur Maßnahmen fördern, die in einem bestimmten zeitlichen Zusammenhang mit der Rücklagenbildung stehen. Eine solche Entscheidung des Gesetzgebers hat die Finanzverwaltung zu respektieren ( § 85 AO). Daher kann sie auch im vorliegenden Fall die Rücklagenbildung nicht genehmigen, obwohl sich die Fertigstellung der Baumaßnahme aus Gründen verzögerte, die die Klägerin unstreitig nicht zu vertreten hatte.
Die Klägerin beruft sich insoweit zu Unrecht auf Textziffer (Tz.) 27 des BMF-Schreibens vom 27. Dezember 1989. Zwar konnte das FA nach Tz. 27 dieses BMF-Schreibens die Frist zur Fertigstellung angemessen verlängern, wenn sich der geplante Investitionsabschluss unverschuldet verzögert hatte. Dabei übersieht sie aber, dass der Gesetzgeber das ZRFG mit dem StÄndG 1991 ergänzt hatte. Bis zur Änderung des ZRFG durch das StÄndG 1991 war die Rücklagenbildung ausschließlich im Erlasswege geregelt. Mit der Aufnahme der Voraussetzungen für die Rücklagenbildung in das Gesetz ist es dem FA nicht mehr möglich, die Fristen des § 3 Abs. 2 a ZRFG aus eigener Zuständigkeit zu verlängern. Daher ist das BMF-Schreiben vom 27. Dezember 1989 insoweit überholt.
Das FA musste den Bewilligungsbescheid dementsprechend rückwirkend widerrufen, weil die mit dem Bescheid verbundene auflösende Bedingung ( § 120 Abs. 2 Nr. 2 AO), das Investitionsvorhaben bis zum Ende des vierten auf die Rücklagenbildung folgenden Wirtschaftsjahres abzuschließen, nicht erfüllt wurde.
2. Das FA hat auch zu Recht den Einspruch über den Einkommensteuer- und den Gewerbesteuermessbescheid für 1991 zurückgewiesen.
Die Klägerin wendet sich ausschließlich mit der Begründung gegen die Bescheide, dass der Bescheid über die Bewilligung der Rücklage nach § 3 ZRFG nicht hätte widerrufen werden dürfen. Da es sich bei dem Bewilligungsbescheid aber um einen Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid 1991 handelt, der nach § 35 b Gewerbesteuergesetz (GewStG) wiederum für den Gewerbesteuermessbescheid 1991 maßgebend ist, kann die Klägerin mit ihrem Vorbringen im diesem Verfahren nicht gehört werden. Denn nach § 351 Abs. 2 AO sind Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid ( § 171 Abs. 10 AO) nur durch Anfechtung dieses Bescheides, nicht aber durch Anfechtung des Folgebescheides, anzugreifen. Daher ist die Klage auch insoweit unbegründet (U rteil des Bundesfinanzhofs BFH - vom 2. September 1987 I R 162/84 , BStBl. II 1988, 142).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) .