Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 16.10.2012, Az.: 1 A 3849/12

Aramäer; Christ; Syrisch-orthodox; Türkei

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
16.10.2012
Aktenzeichen
1 A 3849/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 44348
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein Aramäer aus der Türkei kann Anspruch auf Änderung seines türkischen Nachnamens in den angestammten aramäischen Nachnamen haben, wenn der türkische Name als Ausdruck der Verfolgung von Christen empfunden wird.

Tenor:

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 6. September 2011 verpflichtet, den Familiennamen des Klägers in“…“ zu ändern.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Änderung seines Familiennamens. Der am … in … in der Türkei geborene Kläger kam im Jahre 1992 mit seinen Eltern in die Bundesrepublik Deutschland. Er wurde im November 2000 eingebürgert und erwarb damit die deutsche Staatsangehörigkeit. Daneben behielt er auch die türkische Staatsangehörigkeit.

Am 19. November 2010 stellte der Kläger bei der Beklagten den Antrag, seinen Familiennamen in "…" zu ändern. Zur Begründung gab er an, sein türkischer Name "…" sei seiner Familie vom türkischen Staat in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts zwangsweise auferlegt worden. Die einzelnen Familienmitglieder würden aber bis zum heutigen Tage mit ihrem ursprünglichen Namen "…" gerufen. Der Name "…" sei für ihn und seine Familie Sinnbild für die grausame Unterdrückung der Minderheit der syrisch-orthodoxen aramäischen Christen durch den türkischen Staat, die bis heute andauere. Mit dem türkischen Namen … finde er sich gleichsam im Lager der Täter wieder.

Zu diesem Antrag legte der Kläger eine Bescheinigung des Vorsitzenden des Vorstandes der syrisch-orthodoxen Kirche in …, …, vor, mit der dieser bestätigte, dass die Familie des Klägers nach Kenntnis des Gemeindevorstandes seit je her mit dem Namen "…" gerufen werde. Dies sei im persönlichen Umgang auch nach der Einführung der türkischen Nachnahmen beibehalten worden. Ferner verwies der Kläger auf eine positive Bescheidung eines Namensänderungsantrages in einem vergleichbaren Verfahren eines aramäischen Christen aus der Türkei in der Stadt ….

Mit Bescheid vom 6. September 2011 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers nach vorheriger Anhörung ab, legte dem Kläger die Kosten des Verwaltungsverfahrens auf und setzte Verwaltungskosten in Höhe von 300,- € fest. Zur Begründung der Entscheidung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es fehle im Falle des Klägers an einem für eine Namensänderung notwendigen "wichtigen Grund". Allein die Tatsache, dass ein Name fremdsprachlichen Ursprungs sei oder nicht deutsch klinge, stelle keinen wichtigen Grund für eine Namensänderung dar. Der Name … bedeute im Deutschen "…", sei also kein Name, der eine enge Assoziation mit dem türkischen Staat aufdränge. Auch "…" sei kein deutscher Name. Es sei insoweit auch nicht nachvollziehbar, dass es sich dabei um einen Namen mit biblischem Hintergrund handeln solle. Ein in seiner Person liegender wichtiger Grund für die Namensänderung sei aus der Begründung seines Antrages nicht zu entnehmen. Der vom Kläger angeführten positiven Entscheidung der Stadt … über einen Namensänderungsantrag eines anderen syrisch-aramäischen Christen aus der Türkei komme keine präjudizierende Wirkung für das vorliegende Verfahren zu. Darüber hinaus sei es dem Kläger ohne Weiteres möglich, den Namen seiner deutschen Ehefrau anzunehmen und so durch eine einfache namensgestaltende Erklärung nach bürgerlichem Recht Rückschlüsse auf seine türkische Abstammung auszuschließen.

Der Kläger hat am 10. Oktober 2011 Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er trägt ergänzend und vertiefend vor:

Er habe bis zu seinem 12. Lebensjahr in der Türkei gelebt und sei dort - ebenso wie seine Geschwister und seine Eltern - auch selbst Opfer von Übergriffen der moslemischen Bevölkerungsmehrheit und der türkischen Sicherheitskräfte geworden. Beispielsweise sei er in der Schule schikaniert worden. Bei einer Hausdurchsuchung durch türkische Soldaten sei ein heißer Suppentopf über ihn ausgeschüttet worden, wodurch er schwere - auch heute noch deutlich erkennbare - Verbrennungen erlitten habe.

Die Familie "…" sei - wie auch alle anderen aramäischen Christenfamilien - im Rahmen der Einführung eines Namenssystems in der Türkei in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts gezwungen gewesen, einen türkischen Namen anzunehmen.

Richtig sei zwar, dass es ursprünglich in der Türkei keine den deutschen Vor- und Familiennamen entsprechenden Bezeichnungen von Personen gegeben habe. In dem türkischen Gesetz Nr. 2525 über die Einführung einer Namensgebung sei jedoch festgelegt worden, dass Familiennamen fremder Rassen oder Nationen nicht verwendet werden dürften. Neu erworbene Familiennamen hätten nach dem Art. 5 der Verordnung über Familiennamen türkisch sein müssen. Aus diesem Grunde seien auch die Aramäer bei der Umsetzung des Gesetzes 2525 gezwungen gewesen, einen türkischen Familiennamen anzunehmen. Vereinzelte Berichte in verwaltungsgerichtlichen Verfahren, wonach syrisch-orthodoxe Christen in der Türkei die Möglichkeit gehabt hätten, wieder einen christlichen Namen anzunehmen, seien in der Sache unzutreffend, vielmehr sei davon auszugehen, dass derartige Anträge von den türkischen Gerichten abgelehnt würden. Entsprechende Verfahren seien bereits beim europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig.

In Rechtsprechung und Literatur sei anerkannt, dass ein die Namensänderung rechtfertigender wichtiger Grund dann vorliege, wenn jemand unter Zwang seinen Familiennamen aufgeben musste und diesen Namen nunmehr wiedererlangen wolle. Die erfolgten Zwangsmaßnahmen auf der Grundlage des türkischen Gesetzes 2525 verstießen gegen wesentliche Grundzüge des deutschen Rechts, d.h. gegen den "Ordre public" der Bundesrepublik Deutschland. Im Falle der aramäischen Christen in der Türkei komme noch hinzu, dass diese Volksgruppe durch Türken und Kurden massiv verfolgt und im Jahre 1915 fast vollständig ausgelöscht worden sei, wobei die türkischen Sicherheitskräfte und Behörden dies ausdrücklich geduldet hätten. Noch heute gebe es staatliche Unterdrückungen, wie etwa Enteignungen von Klöstern und ähnlichem. Zudem leugne der türkische Staat auch heute noch die dargelegten Verfolgungsmaßnahmen.

Vor diesem geschichtlichen Hintergrund sei es für ihn unerträglich, weiterhin einen türkischen Familiennamen tragen zu müssen. Bei seiner Einbürgerung sei ihm noch nicht bekannt gewesen, dass es die Möglichkeit einer Namensänderung gebe. Zudem sei erst aufgrund seiner neuen Lebenssituation nach der Einbürgerung und mit der emotionalen Reife des Erwachsenwerdens die Erkenntnis in ihm gereift, dass sein Volk Opfer eines Völkermordes gewesen sei, wodurch auch die Bedeutung seines türkischen Namens für ihn eine andere geworden sei. Jetzt sei sein türkischer Familienname für ihn Sinnbild für Unterdrückung und Verfolgung seiner Volksgruppe, was einen die Namensänderung rechtfertigenden wichtigen Grund darstelle.

Dem lasse sich auch nicht entgegen gehalten, dass er die Möglichkeit habe, den Namen seiner deutschen Ehefrau anzunehmen. Dies folge schon daraus, dass seine Ehefrau ihren bisherigen Namen selbst nicht behalten, aber auch keinen türkischen Namen tragen wolle.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 6. September 2011 zu verpflichten, seinem Antrag vom 19. November 2010, seinen Familiennamen "…" in "…" zu ändern, stattzugeben, hilfsweise über seinen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erwidert:

Der Kläger habe nach wie vor keinen eine Namensänderung rechtfertigenden wichtigen Grund dargelegt. Insoweit sei es erforderlich, dass der wichtige Grund in der Person des Antragstellers vorliege. Es reiche demnach nicht, die Begründung aus einem anderen Fall, wo es zu einer Namensänderung gekommen sei, zu übernehmen und sich dann auf den Gleichbehandlungsgrundsatz zu berufen. Dementsprechend könne der Kläger aus der von der Stadt Delmenhorst in einem anderen Verfahren getroffenen Entscheidung nichts zu seinen Gunsten herleiten. Der Wunsch des Klägers, den syrischen Familiennamen, den die Vorverfahren des Klägers geführt haben sollen, wiederzuerlangen, stelle keinen wichtigen Grund für eine Namensänderung dar. Entgegen der Einschätzung des Klägers sei auch nicht von einer zwangsweise Vergabe eines türkischen Namens auszugehen. Vor Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 2525 zur Einführung von Nach- bzw. Familiennamen in der Türkei habe es keine den deutschen Vor- und Familiennamen entsprechende Bezeichnung von Personen gegeben. Sofern und soweit syrisch-orthodoxe Christen in der Türkei untereinander Familiennamen geführt hätten, seien diese staatlicherseits nie anerkannt gewesen. Aufgrund des Gesetzes Nr. 2525 habe die Pflicht und das Recht der Wahl des Familiennamens dem Mann als Familienvorstand zugestanden. Ein zwangsweiser Namenswechsel, wie vom Kläger behauptet, könne also nicht festgestellt werden. Dementsprechend verstoße diese Namensgebung auch nicht gegen den "Ordre public" der Bundesrepublik Deutschland.

Der Kläger habe bisher auch keinen nachvollziehbaren Grund dafür vorgelegt, warum er nicht von der Möglichkeit Gebrauch mache, den Nachnamen seiner Ehefrau anzunehmen.

Soweit der Kläger mit der Klagebegründung Glauben machen wolle, dass er keinesfalls als Türke wahrgenommen und mit dem Türkischen nicht mehr in Verbindung gebracht werden wolle, so erscheine dies wenig glaubwürdig, da der Kläger seine türkische Staatsbürgerschaft auch nach seiner Einbürgerung als deutscher Staatsbürger ausdrücklich beibehalten habe.

Der Kläger hat in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2012 zu den Gründen seines Antrags auf Namensänderung ausgeführt, dass er nach seiner Einbürgerung in die Bundesrepublik Deutschland, im Laufe seines „Erwachsenwerdens“ und vor allem wegen der nach seiner Heirat angestellten Gedanken über eine eigene Familiengründung verstärkt über das Verfolgungsschicksal der aramäischen, syrisch-orthodoxen Christen in der Türkei und die Bedeutung seines türkischen Namens nachgedacht habe. Dabei sei in ihm die Erkenntnis gereift, dass sein Volk in der Vergangenheit und bis zum heutigen Tage massivsten Verfolgungsmaßnahmen der Türken ausgesetzt war und bis heute ist. Auch er selbst und seine Familie hätten solche Verfolgungsmaßnahmen erlitten. Die Türken seien brutale und aggressive Menschen; sie seien letztlich ganz andere Menschen als die Aramäer. Seinen türkischen Namen verknüpfe er mit den Mördern seiner Verwandten und einer erzwungenen Islamisierung seines Volkes. Die Zwangsislamisierung komme gerade auch in der staatlich verordneten Auferlegung eines türkischen Namens zum Ausdruck. Er wolle sich daher von seinem türkischen Nachnamen lösen und den seiner Identität entsprechenden aramäischen Namen wieder offiziell führen können. Seine türkische Staatsangehörigkeit wolle er nicht ablegen, da er hoffe, dass sich die Verhältnisse in der Türkei eines Tages so änderten, dass er als aramäischer Christ in sein Heimatland … zurückgehen könne. Den deutschen Namen seiner Ehefrau wolle er nicht annehmen, da diese selbst hiermit nicht einverstanden sei. Im Übrigen gehe es ihm nicht um eine Flucht in einen deutschen Namen, sondern gerade auch darum, den seiner aramäischen Identität entsprechenden Familiennamen zu führen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und bereits im Hauptantrag begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Änderung seines Familiennamens „…“ in „…“ zu. Der entgegenstehende Bescheid der Beklagten vom 16. September 2011 ist deshalb rechtswidrig, verletzt den Kläger in seinen Rechten und war folglich aufzuheben.

Ausgangspunkt der rechtlichen Betrachtung sind die § 1 und 3 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 5. Januar 1938, zuletzt geändert durch Art. 54 des Gesetzes vom 17. Dezember 2008 (Namensänderungsgesetz - NamÄndG -). Nach § 1 NamÄndG kann der Familienname eines deutschen Staatsangehörigen auf Antrag geändert werden. Die Änderung darf gemäß § 3 Abs. 1 NamÄndG nur erfolgen, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Trotz der Formulierung dieser Vorschrift als Ermessensregelung ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Behörde im Rahmen der Feststellung eines "wichtigen Grundes" weder ein Ermessens- noch ein Beurteilungsspielraum zusteht. Es handelt sich vielmehr um einen gerichtlich voll überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff. Es besteht also ein Rechtsanspruch auf die Vornahme der Namensänderung, wenn die Voraussetzungen für das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne der genannten Bestimmung erfüllt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Januar 1994 – 6 C 34.92 – zitiert nach juris).

Ein wichtiger Grund ist gegeben, wenn das schutzwürdige Interesse des Namensträgers, seinen Namen abzulegen und einen neuen anzunehmen, das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Namens überwiegt. Die Gründe des Namensträgers, anstelle seines Namens künftig einen anderen Namen zu führen, müssen so wesentlich sein, dass die Belange der Allgemeinheit, die vor allem in der sozialen Ordnungsfunktion des Namens und dem sicherheitsrechtlichen Interesse an der Führung des überkommenen Namens ihre Grundlagen haben, zurücktreten müssen.

Da das deutsche Namensrecht durch die familienrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Rechts im Grundsatz abschließend geregelt ist, hat die im Namensänderungsgesetz vorgesehene öffentlich-rechtliche Änderung des Familiennamens die Natur einer Ausnahme von jenen Regeln. Diese Ausnahme kann nur dann gewährt werden, wenn der nach den bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen zu führenden Name für den Namensträger zu individuellen Unzuträglichkeiten führt. Die öffentlich-rechtliche Namensänderung verlangt mithin ein besonderes, die eigene Situation des Namensträgers prägendes Interesse, das als solches nicht schon in die allgemeine gesetzliche Wertung eingeflossen ist, auf welcher der Name beruht. Ein bloß vernünftiger, also einsehbarer Grund für eine Namensänderung aus privatem Interesse vermag das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Namens grundsätzlich nicht zu überwiegen (OVG Lüneburg, Urteil vom 18. Januar 1994 – 10 L 4018/92, FamRZ 94, 1346).

Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Maßstäbe ist im Falle des Klägers ein wichtiger Grund im Sinne des § 3 Abs. 1 Namensänderungsgesetz anzunehmen. Der Kläger hat an dem Ablegen seines türkischen Namens „…“ und an der Annahme des aramäischen Namens „…“ ein beträchtliches, schutzwürdiges Interesse, da er hierfür nicht nur Gründe geltend gemacht hat, die lediglich vernünftig und nachvollziehbar, sondern besonders schwerwiegend und existentiell sind.

Die Kammer geht dabei aufgrund der auch insoweit glaubhaften Angaben des Klägers sowie eigener Erkenntnisse aus zahlreichen Asylverfahren von syrisch-orthodoxen Christen aramäischer Volkszugehörigkeit aus der Türkei in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht davon aus, dass die aramäischen Christen bei der Einführung von Familiennamen mit dem Gesetz Nr. 2525 keine andere Wahl hatten, als türkische Familiennamen anzunehmen. Weiter nimmt die Kammer an, dass die Familie des Klägers und auch der Kläger selbst im privaten Bereich in der Türkei und nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland auch dort ihren ursprünglichen aramäischen Namen benutzt haben.

Der Kläger hat in der Anhörung in der mündlichen Verhandlung auch glaubhaft gemacht, dass er selbst die Führung des türkischen Namens als Repressalie empfinde, die sich in seiner Person als unzumutbare psychische Belastung auswirkt.

Nachdem er sich im Laufe seiner Entwicklung, im Zuge des Erwachsenwerdens und insbesondere nach seiner Heirat verstärkt mit dem Schicksal seiner Volksgruppe auseinandergesetzt hat, empfindet der Kläger den ihm zwangsweise verordneten türkischen Familiennamen als Sinnbild für die Verfolgung und Unterdrückung der syrisch-orthodoxen Christen in der Türkei, die der Kläger auch selbst noch vor seiner Ausreise aus der Türkei erlitten hat. Der Kläger verknüpft – wie er es in der mündlichen Verhandlung ausgedrückt hat – seinen türkischen Namen „mit den Mördern seiner Verwandten“. Die Führung des Namens „…“ würde für ihn nicht nur eine Bestärkung seiner Identität bedeuten, sondern zugleich auch ein Stück Gerechtigkeit wiederherstellen.

Die Beibehaltung der türkischen Staatsangehörigkeit durch den Kläger erfordert zwar Fragen nach seinen Beweggründen zur Aufrechterhaltung von Bindungen an einen Staat, den er der Verfolgung und Vertreibung seines Volkes beschuldigt. Zweifel an der mit dem türkischen Namen verbundenen Belastung hat der Kläger aber soweit ausgeräumt, dass sie der Namensänderung nicht entgegenstehen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar und eindringlich dargelegt, weshalb er an der Staatsangehörigkeit festhält. Die Beziehung zum türkischen Staat wird zwar als Belastung empfunden, aber die Verbindung zu seiner christlichen Heimatregion in der Türkei möchte er nicht aufgeben. Wenn dort ein Leben für die christliche Minderheit möglich sei, könne er sich die Rückkehr – aber mit dem angestammten Namen – vorstellen. Deshalb müsse er die Staatsangehörigkeit hinnehmen.

Die damit vom Kläger dargelegten Gründe für die begehrte Namensänderung stellen sich nach Auffassung der Kammer als wichtiger Grund im Sinne des § 3 Abs. 1 Namensänderungsgesetz dar, der so wesentlich ist, dass er das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Namens (soziale Ordnungsfunktion, sicherheitsrechtliche Interessen) überwiegt (vgl. auch VG Hamburg, Urteil vom 16. Mai 2002 – 6 VG 10/69/01 – und VG Berlin, Urteil vom 26. August 2009 – 3 A 251.08 -, jeweils zitiert nach juris, ebenfalls zu gleichgelagerten Fällen syrisch-orthodoxer Christen aramäischer Volkszugehörigkeit aus der Türkei).

Mit einer Namensänderung des Klägers ist kein unzulässiger Eingriff in hoheitliche Befugnisse der Türkei verbunden, weil die Türkei Vertragsstaat der Übereinkommens vom 4. September 1958 über die Änderung von Namen und Vornamen (BGBl. 1962 II S. 1055, 1076) ist (vgl. auch Ziffer 4 und 5 der allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Namensänderungsgesetz vom 11. August 1980).

Besteht somit ein Anspruch des Klägers auf die begehrte Namensänderung, so war die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 16. September 2011 zu verpflichten, die Namensänderung vorzunehmen.