Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.01.2003, Az.: 2 K 315/98
Auflösungsverlust wegen Verlusts einer wesentlichen Beteiligung; Einbeziehung eines Darlehens mit dem Nennwert in den Auflösungsverlust; Voraussetzungen für die Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 15.01.2003
- Aktenzeichen
- 2 K 315/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 17230
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2003:0115.2K315.98.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 05.01.2005 - AZ: VIII B 57/03
Rechtsgrundlage
- § 17 Abs. 4 EStG
Fundstellen
- DStR 2003, VI Heft 36 (Kurzinformation)
- DStRE 2003, 1083-1086 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2003, 1306-1308
Verfahrensgegenstand
Gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs (§ 10 d Abs. 3 EStG) auf den 31. Dezember 1991 - 31. Dezember 1992
Redaktioneller Leitsatz
Der Zeitpunkt der Entstehung des Auflösungsgewinns oder -verlustes bestimmt sich nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung. Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation, da erst zu diesem Zeitpunkt feststeht, ob und in welcher Höhe der Gesellschafter mit einer Zuteilung und Rückzahlung von Vermögen der Gesellschaft rechnen kann. Nur wenn mit einer wesentlichenÄnderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist, liegt der Zeitpunkt des Auflösungsverlustes bereits vor dem Abschluss der Liquidation.
Tatbestand:
Streitig ist, inwieweit in die Verlustfeststellung jeweils zum Ende der Streitjahre 1991 und 1992 ein Auflösungsverlust wegen Verlusts einer wesentlichen Beteiligung zu berücksichtigen ist.
Der Kläger ist der Alleinerbe seiner am 25. November 1992 verstorbenen Mutter. Diese unterhielt enge freundschaftliche Beziehungen zu einem selbstständigen Goldschmiedemeister G. Die Mutter des Klägers hatte im Jahre 1986 in unbegrenzter Höhe für einen Kontokorrentkredit des G gebürgt. Außerdem ließ sie eine Grundschuld auf ihrem Grundstück eintragen. Diese diente als Sicherheit für ein den Eheleuten G gewährtes Darlehen. Nach dem Vermögensverfall des G drohte der Mutter des Klägers eine Inanspruchnahme aus der Bürgschaft und ein Zugriff auf das Grundstück auf Grund der Grundschuld, insgesamt in einer Größenordnung von 200.000,00 DM.
Die Mutter des Klägers wandte sich an die S-Steuerberatungsgesellschaft (S), um ein Konzept zur Übernahme des Goldschmiedegeschäfts des G zu erarbeiten. Danach erwarb die Mutter des Klägers im Jahre 1988 einen GmbH-Mantel zu einem Preis von 2.500,00 DM und bezahlte das Stammkapital von 50.000,00 DM. Diese Gesellschaft wurde in"Schmuck-GmbH" umbenannt. Gesellschaftszweck wurde der Betrieb eines Goldschmiedegeschäfts. Gleichzeitig gab die Mutter des Klägers der GmbH ein Gesellschafterdarlehen in Höhe von 242.500,00 DM, mit dem die GmbH für 205.200,00 DM den Warenbestand und das Inventar des Goldschmiedegeschäfts von G erwarb. Mit dem Kaufpreis für Warenbestand und Inventar wurden die Verbindlichkeiten, für die die Inanspruchnahme der Mutter des Klägers drohte, getilgt. Die Mutter des Klägers nahm zur Finanzierung des Konzepts einen Kredit über 300.000,00 DM auf.
Im April 1989 stellte die Schmuck-GmbH Konkursantrag. Der Konkurs wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg am 11. Dezember 1989 eröffnet.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 1991 legte der Konkursverwalter dem Konkursgericht einen Schlussbericht und ein vorläufiges Schlussverzeichnis vor. Zu diesem Zeitpunkt betrug der Massebestand 26.938,00 DM. Das vorläufige Schlussverzeichnis wies Forderungen wie folgt aus:
Rangklasse 1
mit Vorrecht anerkannt 3.616,19 DMRangklasse 2
mit Vorrecht anerkannt 15.907,16 DMRangklasse 3
mit Vorrecht anerkannt 739,11 DMBevorrechtigte Forderungen lt. Schlussbericht 20.262,46 DM
Rangklasse 6
(übrige Gläubiger) 304.640,46 DMGesamte Forderungen 324.902,92 DM
Der Konkursverwalter beantragte die Festsetzung seiner Vergütung. Mit Beschluss vom 22. Januar 1992 setzte das Konkursgericht die Vergütung auf 15.137,84 DM zzgl. 990,01 DM Umsatzsteuerausgleich fest.
Da weitere Forderungen nach dem Termin zur allgemeinen Prüfung angemeldet wurden, war ein weiterer Termin zur Prüfung der Forderungen angesetzt. Nach dieser Prüfung erstellte der Konkursverwalter am 16. März 1992 ein weiteres Schlussverzeichnis. Dieses wies bevorrechtigte Forderungen von 21.222,46 DM und übrige Forderungen von 308.663,16 DM aus, darunter 215.813,12 DM für die Mutter des Klägers. Am 22. April 1992 teilte der Konkursverwalter mit, er müsse die Forderungen erneut prüfen.
Mit Schreiben vom 24. Juli 1992 teilte der Konkursverwalter dem Konkursgericht mit, dass die zur Ausschüttung gelangende Konkursmasse noch nicht feststehe. Es sei zunächst ein Verfahren wegen Vorsteuererstattung in Höhe von 2.537,00 DM abzuwarten. Die Umsatzsteuererstattung wurde mit Valuta 10. November 1992 auf dem Festgeldkonto gutgeschrieben.
Am 14./15. Dezember 1992 schüttete der Konkursverwalter im Rahmen einer Schlussverteilung das zu dieser Zeit noch vorhandene Guthaben des Festgeldkontos in Höhe von 12.098,98 DM an die Gläubiger der Rangklassen 1 und 2 aus. Es verblieb ein Guthaben von 364,66 DM. Der Konkursverwalter erteilte am 21. Dezember 1992 die Schlussquittung. Im Februar 1993 prüfte das Konkursgericht das Schlussverzeichnis, die Belege und die Schlussquittung. Es ergaben sich keine Beanstandungen. Danach war die Rangklasse 1 mit 100 v.H. und die Rangklasse 2 mit einer Quote von 45 v.H. befriedigt. Die Gläubiger der übrigen Rangklassen, darunter die Mutter des Klägers, erhielten keine Ausschüttung. Das Konkursverfahren wurde mit Beschluss vom 10. Februar 1993 aufgehoben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Konkursakte Bezug genommen.
Wegen des Erwerbs der GmbH-Anteile und der Darlehenshingabe führte die Mutter der Klägerin ab dem Jahr 1989 einen Schadensersatzprozess gegen die S. Die Mutter des Klägers verlangte in diesem Prozess die Feststellung, dass die S zum Schadensersatz wegen Falschberatung verpflichtet sei. Sie machte dabei den Schaden geltend, den sie durch den Erwerb der Beteiligung an der Schmuck-GmbH sowie die Hingabe des Gesellschafterdarlehens erlitten hatte. Mit Urteil vom 6. November 1992 verurteilte das OLG die S, die Mutter des Klägers in Höhe von 85.414,00 DM zzgl. Zinsen von der übernommenen Darlehensverbindlichkeit gegenüber der Bank freizustellen. Weiterhin wurde in diesem Urteil festgestellt, dass die S den weiter gehenden Schaden zu ersetzen habe, den die Mutter des Klägers durch ihre Beteiligung an der Schmuck-GmbH und die Hingabe von Gesellschafterdarlehen erlitten hatte. Das OLG-Urteil wurde durch Nichtannahmebeschluss des Bundesgerichtshofs vom September 1993 rechtskräftig.
In den Einkommensteuererklärungen der Streitjahre für die Mutter des Klägers war kein Auflösungsverlust nach § 17 EStG beantragt. Der Beklagte erfasste erklärungsgemäß in den Einkommensteuerbescheiden zunächst ebenfalls keine solchen Einkünfte. Die festgesetzte Steuer betrug danach für das Streitjahr 1.991.996,00 DM und für das Streitjahr 1992 4.039,00 DM.
Der Kläger legte Einspruch ein und machte nunmehr einen Auflösungsverlust geltend. Auf den Einspruch des Klägers setzte der Beklagte die Einkommensteuer für beide Streitjahre auf jeweils 0,00 DM fest. Dabei erfasste er im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1991 einen Auflösungsverlust von 52.500,00 DM, wodurch sich ein Gesamtbetrag der Einkünfte von ./. 20.869,00 DM ergab.
Weiterhin erließ er Feststellungsbescheide und stellte den verbleibenden Verlust zum 31. Dezember 1991 mit 77.195,00 DM und zum 31. Dezember 1992 mit 52.622,00 DM fest. Diese Beträge errechneten sich wie folgt:
verbleibender Verlustabzug zum 31. Dezember 1990 | 56.326,00 DM |
---|---|
zzgl. negativer Gesamtbetrag der Einkünfte 1991 | 20.869,00 DM |
verbleibender Verlustabzug zum 31. Dezember 1991 | 77.195,00 DM |
abz. verbrauchter Verlustabzug 1992 | 24.573,00 DM |
verbleibender Verlustabzug zum 31. Dezember 1992 | 52.622,00 DM |
Gegen die Feststellungsbescheide richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage. Der Kläger meint, ein Auflösungsverlust sei im Streitjahr 1991 in Höhe von 209.586,00 DM, mithin um 157.086,00 DM höher als bisher anerkannt, zu berücksichtigen. Dieser ermittele sich wie folgt:
Stammkapital GmbH | 50.000,00 DM |
---|---|
Mantelkaufpreis | 2.500,00 DM |
Gesellschafterdarlehen | 242.500,00 DM |
Zwischensumme | 295.000,00 DM |
abz. von S übernommen | 85.414,00 DM |
Gesamt | 209.586,00 DM |
bereits berücksichtigt | 52.500,00 DM |
verbleiben | 157.086,00 DM |
Der Kläger ist der Auffassung, das von seiner Mutter der GmbH hingegebene Darlehen sei mit dem Nennwert in den Auflösungsverlust einzubeziehen. Das Darlehen sei nämlich schon im Zeitpunkt der Hingabe kapitalersetzend gewesen, da ein fremder Dritter der GmbH keinen Kredit gegeben hätte. Der Auflösungsverlust sei im Streitjahr 1991 zu erfassen, da nach dem Schlussbericht des Konkursverwalters vom Dezember 1991 festgestanden habe, dass das Darlehen der Mutter des Klägers als ungesicherte Konkursforderung vollständig ausfallen werde. Die Mutter des Klägers habe hinsichtlich ihrer Beteiligung auch Gewinnerzielungsabsicht gehabt. Die GmbH sei ein gut eingeführtes Unternehmen gewesen, das habe Gewinne erzielen können.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung der Feststellungsbescheide zum 31. Dezember 1991 und zum 31. Dezember 1992 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 27. März 1998 den verbleibenden Verlustabzug um jeweils 157.086,00 DM höher als bisher festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner Auffassung fest, ein Auflösungsverlust sei nur in Höhe von 52.500,00 DM, nämlich in Höhe des verlorenen Stammkapitals und des Mantelkaufpreises anzusetzen. Der Darlehensverlust sei nicht zu berücksichtigen, da die Mutter des Klägers hinsichtlich der Beteiligung an der GmbH keine Gewinnerzielungsabsicht gehabt habe. Sie habe vielmehr private Motive für diese Beteiligung gehabt, da sie mit dem damaligen Geschäftsführer, dem Goldschmied G, befreundet gewesen sei. Auch stehe nicht fest, dass die Mutter des Klägers das Darlehen in der Krise hingegeben habe. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass die GmbH zum Zeitpunkt der Hingabe des Darlehens einen Bankkredit nicht habe erhalten können.
Das Gericht hat die Konkursakte der Schmuck-GmbH und die Zivilprozessakten zum Verfahren beigezogen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht im Streitjahr 1991 keinen höheren Auflösungsverlust berücksichtigt.
Der vom Kläger geltend gemachte Auflösungsverlust war nämlich in den Streitjahren überhaupt noch nicht zu berücksichtigen.
1.
Nach § 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hält. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste (BFH-Urteil vom 4. November 1997, VIII R 18/94, BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344, unter 1. der Gründe, m.w.N.). Der Kläger bzw. seine Mutter als Rechtsvorgängerin hat diese Voraussetzungen in den Streitjahren erfüllt.
2.
Der Auflösungsverlust ist in den Streitjahren aber noch nicht entstanden. Die GmbH ist zwar mit der Konkurseröffnung aufgelöst worden (§§ 60 Abs. 1 Nr. 4, 63 f. des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -; vgl. dazu u.a. BFH-Urteil vom 3. Juni 1993, VIII R 46/91, BFH/NV 1994, 364). Die Entstehung des Verlustes setzt aber weiter voraus, dass mit Zuteilungen und Rückzahlungen gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht mehr zu rechnen ist und feststeht, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende wesentliche Aufwendungen anfallen werden (BFH in BFHE 184, 374, BStBl. II 1999, 344, unter 1. b bb der Gründe, m.w.N.). Diese Umstände standen bei Konkurseröffnung noch nicht fest.
a)
Nach Auflösung der Gesellschaft bestimmt sich der Zeitpunkt der Entstehung des Auflösungsgewinns oder -verlustes nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (BFH-Urteil vom 3. Juni 1993, VIII R 81/91, BFHE 172, 407, BStBl II 1994, 162, unter 1. b der Gründe, m.w.N., und zur Abgrenzung BFH-Urteil vom 8. April 1998, VIII R 21/94, BFHE 186, 194, BStBl II 1998, 660, unter II. 2. der Gründe). Dieser Zeitpunkt ist bei einer Auflösung mit anschließender Liquidation normalerweise der Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation; erst dann steht fest, ob und in welcher Höhe der Gesellschafter mit einer Zuteilung und Rückzahlung von Vermögen der Gesellschaft rechnen kann, und ferner, welche nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung anfallen und welche Veräußerungskosten/Auflösungskosten der Gesellschafter persönlich zu tragen hat (BFH-Urteil in BFHE 172, 407, BStBl II 1994, 162 und ständige Rechtsprechung).
Ausnahmsweise kann der Zeitpunkt, in dem der Veräußerungsverlust realisiert ist, schon vor Abschluss der Liquidation liegen, wenn mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 2. Oktober 1984, VIII R 20/84, BFHE 143, 304, BStBl II 1985, 428, und in BFHE 172, 407, BStBl II 1994, 162). Das ist z.B. dann der Fall, wenn die Eröffnung eines Konkursverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde (BFH-Beschluss vom 27. November 1995, VIII B 16/95, BFH/NV 1996, 406, m.w.N.) oder die Gesellschaft bereits im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses vermögenslos war (BFH-Urteil in BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344; zur Abgrenzung vgl. unter anderem FG Hamburg, Urteil vom 4. Juli 1997, V 231/96, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1997, 1391). Hier kann die Möglichkeit einer Auskehrung von Restvermögen an die Gesellschafter ausgeschlossen werden. Die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft und ihre Löschung im Handelsregister haben ihre Vollbeendigung zur Folge.
b)
Bei einer Auflösung der Gesellschaft wegen Eröffnung des Konkursverfahrens lässt sich diese Feststellung regelmäßig noch nicht treffen. So liegt es im Streitfall.
aa)
Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass der Auflösungsgewinn oder -verlust nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu ermitteln ist, soweit die Eigenart der Gewinnermittlung nach § 17 EStG keine Abweichungen von diesem Grundsatz erfordert. Danach ist insbesondere das Realisationsprinzip zu beachten (BFH-Urteile vom 25. Januar 2000, VIII R 63/98, BStBl. II 2000, 343, vom 2. Oktober 1984, VIII R 20/84, BFHE 143, 304, BStBl II 1985, 428; vom 7. Juli 1992, VIII R 56/88, BFH/NV 1993, 25 a.E.; vom 21. Dezember 1993, VIII R 69/88, BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648, unter 2. a der Gründe). Die stillen Reserven sind bei Veräußerungsgeschäften erst dann realisiert, wenn der Veräußerer seine Sachleistung erbracht hat (ständige Rechtsprechung, vgl. Schmidt/Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl., § 5 Rz. 608; Moxter, Bilanzrechtsprechung, 5. Aufl., § 6 I. 2.). Davon ist auch im Konkursfall auszugehen; der Veräußerungsgewinn oder -verlust ist erst realisiert, wenn der Konkursverwalter die einzelnen Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens oder das Unternehmen im Ganzen veräußert und mit dem letzten Geschäftsvorfall die Grundlage für die Schlussverteilung geschaffen hat. Eine strenge Beachtung des Realisationsprinzips ist auch deshalb geboten, weil damit der oft erhebliche Aufwand einer Ermittlung und Bewertung des Gesellschaftsvermögens durch die Beteiligten und Prognosen über den vermutlichen Ausgang des Konkursverfahrens vermieden werden. Der Konkursverwalter hatte im Konkurs der GmbH erhebliche Aufgaben zu bewältigen. So waren u.a. Arbeitsverhältnisse aufzulösen und der Warenbestand zu veräußern. Diese Hauptaufgaben hatte der Konkursverwalter erst im Jahre 1991 abgeschlossen, so dass die Beteiligten zu Recht davon ausgehen, der Auflösungsverlust sei frühestens im Streitjahr 1991 zu berücksichtigen.
bb)
Der Auflösungsverlust war aber, entgegen der Auffassung der Beteiligten, auch im Streitjahr 1991 noch nicht zu berücksichtigen. Bei Eröffnung des Konkursverfahrens ist nämlich nicht sicher, dass es zur Vollbeendigung der Gesellschaft und damit zu einem endgültigen Liquidationsverlust der Gesellschafter kommen wird. Ziel der Eröffnung eines Konkursverfahrens nach der bis 1998 geltenden Rechtslage war entweder die Zerschlagung der Gesellschaft oder die Herbeiführung eines Zwangsvergleichs (vgl. u.a. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., S. 328 f., 338). Die Auflösung der Gesellschaft muss also nicht notwendig zu deren Vollbeendigung führen; selbst bei erheblicherÜberschuldung der Gesellschaft ist bis zur Schlussverteilung ein Zwangsvergleich möglich, wenn die Masse ausreicht, um die Masseansprüche und die bevorrechtigten Gläubiger zu befriedigen (vgl. §§ 173, 175, 191 der Konkursordnung - KO -, und dazu Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, 11. Aufl., § 175 Rz. 6). Das gilt auch dann, wenn die Gesellschaft ihre werbende Tätigkeit zwischenzeitlich eingestellt hat (vgl. dazu BFH-Urteil vom 22. Januar 1985, VIII R 43/84, BFHE 144, 533, BStBl II 1986, 136, unter 2. c der Gründe) und die gesamte Aktivmasse den Gläubigern zur anteiligen Befriedigung gegen Erlass der Restschulden hingegeben werden soll (so genannter Liquidationsvergleich; allgemeine Meinung, vgl. Kuhn/Uhlenbruck, a.a.O., § 174 Rz. 1 a, m.w.N.). Mit dem Wirksamwerden des Vergleichs erhält die Gesellschaft ihr Verfügungsrecht über die Konkursmasse und die Möglichkeit wieder zurück, die Verlustanteile der Gesellschafter durch Gewinne wieder auszugleichen. Solange diese Möglichkeit nicht auszuschließen ist, ist eine Prüfung der jeweiligen Vermögenssituation der Gesellschaft mit dem Ziel der Feststellung, dass ein endgültiger Verlust bereits eingetreten ist, nicht vorzunehmen. Die Schlussverteilung war jedoch erst am 14./15. Dezember 1992 und damit noch dem Tod der Mutter des Klägers, so dass für die Mutter des Klägers kein Auflösungsverlust mehr festzustellen ist. Mit dem Tod der Mutter trat der Kläger bezüglich der GmbH-Beteiligung insoweit in die Rechtsposition ein, als dass der Auflösungsverlust ab diesem Zeitpunkt bei ihm persönlich und nicht lediglich als Erbe eines Verlustvortrags zu berücksichtigen wäre.
c)
Zwar hat der BFH offen gelassen, ob eine Ausnahme von diesen Grundsätzen dann zu machen ist, wenn auf Grund des Inventars und der Konkurseröffnungsbilanz des Konkursverwalters (§§ 123, 124 KO) oder einer Zwischenrechnungslegung (§ 132 Abs. 2 KO) ohne weitere Ermittlungen mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken wird und ein Zwangsvergleich ausgeschlossen erscheint (vgl. BFH-Urteil vom 25. Januar 2000, VIII R 63/98, a.a.O.). So eindeutig liegt der Fall aber hier ohnehin nicht. Die GmbH hatte bei Vorlage des Schlussberichts des Konkursverwalters am 18. Dezember 1991 noch genügend Vermögen, um die bevorrechtigten Gläubiger zu befriedigen. Allein die liquiden Mittel reichten hierfür aus. Erst nach Festsetzung der Konkursverwaltervergütung im Januar 1992 reichten die liquiden Mittel nicht mehr für eine vollständige Befriedigung der bevorrechtigten Gläubiger aus. Selbst kurz vor der Schlussverteilung fehlten lediglich 9.123,00 DM an liquiden Mitteln - vorhandenes Festgeld von 12.099,00 DM stand bevorrechtigten Forderungen von 21.222,00 DM gegenüber -, um eine vollständige Befriedigung der bevorrechtigten Gläubiger und Tilgung der Masseschulden zu erreichen. Hier war nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass nicht durch weiteres Wirtschaften des Konkursverwalters noch eine Mehrung der Konkursmasse eintreten konnte. So hätte der Konkursverwalter beispielsweise statt die Schlussverteilung vorzunehmen die vorhandenen Mittel anlegen können. Zu diesem Zeitpunkt bestand weiterhin noch die Möglichkeit durch Veräußerung der Firma und des GmbH-Mantels an einen an der Weiterführung Interessierten weitere Mittel zur Masse zu ziehen. Bei der GmbH soll es sich nach den Ausführungen des Klägers um ein gut eingeführtes Geschäft gehandelt haben, das letztlich lediglich durch die Person des Geschäftsführers in Schwierigkeiten geraten sei. Da die Mutter des Klägers schon 2.500,00 DM für einen GmbH-Mantel ohne jede Art von Firmenwert bezahlt hatte, wäre möglicherweise bei Veräußerung der Schmuck GmbH an einen Interessenten ein erheblich höherer Betrag erzielbar gewesen. Es stand jedenfalls bis zur Schlussverteilung noch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass es dem Konkursverwalter nicht noch gelingen werde, die bevorrechtigten Gläubiger vollständig zu befriedigen. Dies war frühestens nach der Schlussverteilung vom 14./15. Dezember 1992 und deren Genehmigung durch das Konkursgericht unter Aufhebung des Konkurses im Jahre 1993 der Fall.
3.
Der Auflösungsverlust war zudem auch deshalb nicht in den Streitjahren zu erfassen, da der Schadensersatzprozess der Mutter des Klägers gegen die S erst im Folgejahr 1993 rechtskräftig abgeschlossen war. Durch dieses Verfahren wurde die Mutter des Klägers von Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit ihrem Gesellschaftsverhältnis zu der GmbH befreit. Dadurch ergab sich eine Minderung ihrer Anschaffungskosten. Ziel des Prozesses war es, der Mutter des Klägers den Schaden zu ersetzen, den sie durch die Beteiligung an der GmbH erlitten hatte.
Zutreffenderweise macht der Kläger den Verlust des Gesellschafterdarlehens in Höhe von 85.414,00 DM, nämlich soweit die Freistellung durch S erfolgte, gar nicht mehr im Rahmen des Auflösungsverlusts geltend.
4.
Soweit der Beklagte zu Unrecht bereits im Streitjahr 1991 einen Auflösungsverlust von 52.500,00 DM erfasst hat, kann dies nicht im Rahmen dieses Klageverfahrens rückgängig gemacht werden, da entsprechende Anträge nicht gestellt waren und das Gericht an einer Verböserung gehindert ist.
5.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.