Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.01.2003, Az.: 3 K 309/98
Aufteilung von Vorauszahlungen bei Eheleuten bei denen die Voraussetzungen zur Zusammenveranlagung vorliegen; Erstattungsberechtigung bei Zahlung durch einen von mehreren Gesamtschuldnern; Erstattungsberechtigung des, die Steuerschuld des anderen zahlenden, Ehegatten
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 08.01.2003
- Aktenzeichen
- 3 K 309/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 27671
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2003:0108.3K309.98.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 15.04.2004 - AZ: VII B 63/03
Rechtsgrundlagen
- § 37 Abs. 2 AO
- § 44 Abs. 1 AO
- § 26 b EStG
Amtlicher Leitsatz
Vorauszahlungen bei Eheleuten, bei denen die Voraussetzungen zur Zusammenveranlagung vorliegen, sind nach Köpfen aufzuteilen, sofern keine anders lautende Bestimmung gegenüber dem Finanzamt getroffen wird AO §§ 37 Abs. 2, 44 Abs. 1 i.V.m. EStG § 26 b
Tatbestand
Zwischen den Parteien ist streitig, in welcher Höhe Einkommensteuervorauszahlungen auf die Einkommensteuerschuld der Klägerin anzurechnen sind.
Die Klägerin wurde mit ihrem im Mai 1996 verstorbenen Ehegatten bis einschließlich 1994 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Für 1995 wurden Einkommensteuervorauszahlungen festgesetzt. Vom Konto der Klägerin wurden Einkommensteuervorauszahlungen für 1995 in Höhe von 22.350 DM und Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer in Höhe von 1.675 DM geleistet. Von den insgesamt geleisteten Vorauszahlungen für 1995 in Höhe von 24.025 DM wurden 12.162,50 DM auf das Steuerkonto der Klägerin umgebucht. Das Finanzamt erteilte hierüber einen Abrechnungsbescheid. Dabei teilte das Finanzamt den Erstattungsbetrag nach Köpfen zwischen den Ehegatten auf.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage.
Die Klägerin ist der Rechtsansicht, dass die geleisteten Einkommensteuervorauszahlungen im Verhältnis der im Vorauszahlungsbescheid festgesetzte Einkünfte aufzuteilen und auf die Einkommensteuerschuld der Klägerin daher 82,41% entfielen.
Die Klägerin habe nach dem Tod des Ehemannes eine getrennte Veranlagung beantragt. Die Veranlagung sei vom Finanzamt antragsgemäß durchgeführt worden. Da die Klägerin das Erbe ihres verstorbenen Ehemannes ausgeschlagen habe, sei für den Ehemann keine Steuererklärung abgegeben worden. Eine Veranlagung sei seitens des Finanzamtes auch nicht durchgeführt worden, obwohl auf Grund vorliegender Unterlagen eine weitgehend genaue Schätzung der Besteuerungsgrundlagen des Ehemannes möglich gewesen sei. Die dem Ehemann zugerechneten Vorauszahlungen seien daher vom Finanzamt ohne Abrechnung einbehalten worden.
Im Streitfall ergebe sich zwar aus der Zahlung kein eindeutiger Hinweis, wessen Steuerschuld getilgt werden sollte. Grundlage der Zahlung jedoch sei ein Vorauszahlungsbescheid gewesen, in dem das Finanzamt den Ehegatten entsprechende Einkünfte zugerechnet habe. Es habe daher offensichtlich dem Willen der Beteiligten entsprochen, für jeden Ehegatten Vorauszahlungen in der Höhe zu leisten, wie sie sich aus dem Verhältnis der festgesetzten Einkünfte ergeben. Die geleisteten Vorauszahlungen können daher auch bei einer Aufteilung nach Köpfen nur insoweit einbehalten werden, als sie zur Begleichung der insgesamt entstehenden Steuerschulden der Ehegatten benötigt werden. Hierzu sei deshalb für den verstorbenen Ehemann die Steuerschuld auf Grund der dem Finanzamt vorliegenden Unterlagen zu schätzen und eine entsprechende Abrechnung vorzunehmen. Soweit sich danach eine Überzahlung ergibt, sei diese der Klägerin zu erstatten.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des Abrechnungsbescheides in Gestalt des Einspruchsbescheides auf die Einkommensteuerschuld der Klägerin einen Betrag von 18.418,64 DM anzurechnen,
hilfsweise,
die geleisteten Vorauszahlungen insoweit auf die Steuerschuld der Klägerin anzurechnen, wie die Vorauszahlungen nicht zur Begleichung der Einkommensteuerschuld des verstorbenen Ehemannes für den Veranlagungszeitraum 1995 benötigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest. Die Aufteilung eines Erstattungsbetrages auf Ehegatten erfolge grundsätzlich nach Köpfen. Dieses gelte nach der Rechtsprechung des BFH auch dann, wenn an Stelle der Zusammenveranlagung die getrennte Veranlagung getreten sei. Erstattungsberechtigt sei derjenige Ehegatte, der den zu erstattenden Betrag, den er mitschulde, gezahlt habe.
Beide Parteien haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erteilt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Das Finanzamt hatte zutreffend die Einkommensteuervorauszahlungen 1995 nach Köpfen aufgeteilt.
Nach § 37 Abs. 2 Abgabenordnung ist derjenige erstattungsberechtigt, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist; dies gilt auch für den Fall, dass einer von mehreren Gesamtschuldnern gezahlt hat. Gesamtschuldner sind dabei auch die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Eheleute (§ 26b Einkommensteuergesetz i.V.m. § 44 Abs. 1 Abgabenordnung). Erstattungsberechtigt ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH grundsätzlich der Ehegatte, für dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. Unerheblich allerdings ist in diesem Zusammenhang, von welchem der Ehegatten und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist. Entscheidend ist nach § 37 Abs. 2 Abgabenordnung 1977 allein, wessen Steuerschuld nach dem, dem Finanzamt erkennbaren Willen des zahlenden Ehegattengetilgt werden sollte. Dem Finanzamt soll dabei nicht zugemutet werden, im Einzelfall die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen dem Leistenden und dem anderen Gesamtschuldner - Ehegatten - darauf zu prüfen, wer von ihnen im Innenverhältnis auf die zu erstattenden Beträge materiellrechtlich eine Anspruch hat (BFH-Urteil vom 25. Juli 1989 VII R 11/87, Bundessteuerblatt II 1990, 41). Maßgebend für die Beurteilung der mit der Zahlung verfolgten Absicht sind dabei die Umstände, wie sie im Zeitpunkt der Zahlung erkennbar sind. Spätere Ereignisse, wie die etwas später beantragte und durchgeführte getrennte Veranlagung sind nicht zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 18. Februar 1997 VIII R 117/95, BFH/NV 1997, 482).
Lässt sich dabei aus den dem Finanzamt als Zahlung erkennbaren Umständen nicht entnehmen, wessen Steuerschuld der zahlende Gesamtschuldner begleichen wollte, so wird im Allgemeinen angenommen, dass der Gesamtschuldner nur seine eigene Steuerschuld tilgen wollte; anders ist es jedoch nach der Rechtsprechung des BFH, wenn ein Ehegatte die Zahlung auf die Gesamtschuld zusammen veranlagter Ehegatten bewirkt (BFH-Urteil vom 4. April 1995 VII R 82/94, Bundessteuerblatt II 1995, 492). Besteht die Ehe und leben die Eheleute nicht dauernd getrennt, so ist mangels entgegenstehender ausdrücklicher Absichtsbekundungen auf Grund der zwischen den Eheleuten bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft - ungeachtet ihres Güterstandes - anzunehmen, dass jeder der Ehegatten mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehepartners begleichen wollte (BFH-Urteil vom 18. Februar 1997 VII R 117/95, a.a.O.) Daraus folgt zudem nach ständiger Rechtsprechung des BFH, dass ggfs. beide Ehegatten nach § 37 Abs. 2 Abgabenordnung erstattungsberechtigt sind. Der Erstattungsbetrag ist dann zwischen ihnen nach Köpfen aufzuteilen (BFH-Urteil vom 18. Februar 1997 VII R 117/95 a.a.O. m.w.N.).
Im Streitfall ergibt sich die Annahme, dass die Klägerin als zahlender Ehegatte mit der Absicht gehandelt hat, auch die Steuerschulden ihres Ehemannes zu begleichen, nicht allein aus der ehelichen Verbindung, sondern vielmehr auch daraus, dass die Klägerin mit ihrem Ehemann zu dessen Lebzeiten die Zusammenveranlagung beantragt hat. Dieses gilt insbesondere auch für das Vorjahr 1994, in dem eine Zusammenveranlagung durchgeführt worden ist. Es wurde deshalb auch ein entsprechender Vorauszahlungsbescheid für das Jahr 1995 an beide Ehegatten gerichtet. Mangels anderer entgegenstehender Anhaltspunkte ist daher davon auszugehen, dass zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann im Zeitpunkt der Zahlung eine enge Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft bestanden hat. Maßgebend für die Beurteilung der mit der Zahlung verfolgten Absicht sind dabei die Umstände, wie sie dem Finanzamt im Zeitpunkt der Zahlung erkennbar sind. Im Streitfall allerdings liegt keine ausdrückliche Erklärung der Klägerin als Zahlender über die beabsichtigte Zurechnung der Zahlung vor. Die Klägerin jedenfalls hat bei ihren Vorauszahlungen an das Finanzamt keinerlei Bestimmungen hinsichtlich des Zahlungszweckes getroffen. Damit lagen beim Finanzamt als Zahlungsempfänger keine erkennbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die zum Zeitpunkt der Zahlung nicht dauernd von ihrem Ehemann getrennt lebende Klägerin ihre Leistungen - entgegen der bei zusammen veranlagten Ehegatten üblicherweise zu unterstellenden Absicht - nur für eigene Rechnung zahlen wollte. Allein, dass die Klägerin die Vorauszahlungen aus eigenem Vermögen und auf eigene Kosten erbracht hat, rechtfertigt nicht die Annahme, dass sie nur zur Begleichung der eigenen Steuerschuld die Vorauszahlung habe erbringen wollen. Auch aus der Berechnung der Vorauszahlungen ergibt sich nicht, dass jeder der Ehegatten nur den jeweiligen anteiligen Betrag an Vorauszahlung an das Finanzamt erbringen wollte. Es ist vielmehr durch die Klägerin als Gesamtschuldnerin eine Zahlung auf die Steuerschuld insgesamt für beide Ehegatten erfolgt. Auch dass nach dem Tod des Ehegatten später von der Klägerin eine getrennte Veranlagung beantragt worden ist, kann die Umstände, wie sie im Zeitpunkt der Zahlung erkennbar waren, nicht beeinträchtigen.
Da im Streitfall daher die Klägerin auch für ihren Ehegatten mit der Vorauszahlung die Steuerschuld beglichen hat, sind danach beide Ehegatten nach § 37 Abs. 2 Abgabenordnung erstattungsberechtigt. Der Erstattungsbetrag ist somit zwischen der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann nach Köpfen aufzuteilen.
Die Klage war mit der Kostenfolge des § 135 FGO abzuweisen.